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Vorlage - 038/2015  

 
 
Betreff: Resolution des Kreistags zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t I   
Beratungsfolge:
Kreistag Entscheidung
24.03.2015 
Sitzung des Kreistags geändert beschlossen   
Anlagen:
Gemeinsames Positionspaier des Dt. Städt- und Landkreistags, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds und Verband kommunaler Unternehmen e.V.
Leitlinien und Kurzerläuterungen des BMWi

Antrag der Verwaltung

 

Der Kreistag des Ostalbkreises schließt sich den Forderungen des vom Deutschen Städtetag, Deutschen Landkreistag, Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband kommunaler Unternehmen e.V. im Oktober 2014 verabschiedeten „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ an.

 

Der Kreistag des Ostalbkreises fordert die Bundesregierung und insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zu TTIP in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden bei der EU-Kommission für die Belange der Kommunen und die von den kommunalen Spitzenverbänden formulierten Forderungen aus dem „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ einzusetzen.

 

Der Kreistag des Ostalbkreises fordert alle regionalen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags sowie des Landtags Baden-Württemberg auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zu TTIP für die Belange der Kommunen und die von den kommunalen Spitzenverbänden formulierten Forderungen aus dem „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ einzusetzen. Werden die Forderungen aus dem Positionspapier nicht beachtet, werden alle regionalen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags sowie des Landtags Baden-Württemberg aufgefordert, dem Freihandelsabkommen nicht zuzustimmen.

 

 

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2015 wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, dass sich die Landkreisverwaltung mit einem Schreiben an die Bundesregierung wendet, welches folgende Anregungen und Bedenken beinhaltet:

 

  1. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass die Dienste der kommunalen Daseinsvorsorge prinzipiell nicht von einer transatlantischen Investitions- und Handelspartnerschaft (TTIP / TISA) erfasst werden.
  2. Umwelt- und Sozialstandards dürfen über das Handelsabkommen nicht ausgehebelt werden.
  3. Bürgerinnen und Bürger müssen darauf vertrauen dürfen, dass Steuerung und Kontrolle der Daseinsvorsorge über demokratisch legitimierte kommunale Körperschaften erfolgen und nicht über privatwirtschaftliche Interessen.
  4. Nicht demokratisch legitimierte Schiedsgerichtsverfahren sind abzulehnen.
  5. Solange die berechtigten Interessen von Bürgerinnen und Bürgern nicht gesichert sind, ist das Handelsabkommen abzulehnen.

 

 

 

Gegenstand des Transatlantischen Freihandelsabkommens

 

Seit Juli 2013 verhandeln die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), um das wirtschaftliche Potenzial der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen besser auszuschöpfen. Grundsätzliche Ambition ist es, Handelshemmnisse, insbesondere Zölle und nichttarifäre Hemmnisse, zu beseitigen und so den Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen zwischen den Handelspartnern zu erleichtern. Dienstleistungsmärkte sollen unter Zuhilfenahme von Regelungen über Investitionen, Dienstleistungen, Normen und Standards weiter geöffnet werden. Im Kern der Verhandlungen geht es um die Einrichtung einer transatlantischen Freihandelszone verbunden mit der Chance, dass mit Europa und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen. TTIP kann zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung beitragen. Ziel ist eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Zudem sollen mit TTIP Einschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbsgleichheit verbessert und der Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen vereinfacht werden. 

 

Ein weiterer Bestandteil der Verhandlungen ist ein Investorenschutzmechanismus (Investor to State Dispute Settlement, ISDS). Dieses – in vielen Freihandelsabkommen durchaus übliche – Instrument soll Investoren durch Einschaltung internationaler und eigens zu besetzender Streitschlichtungsgremien vor Verstaatlichung von Unternehmenseigentum und ähnlichen Risiken bewahren. Problematisch hieran ist, dass dadurch der ordentliche Rechtsweg vor den Gerichten der Teilnehmerländer der Investitionspartnerschaft praktisch ausgeschlossen wird. Dies erscheint zwischen rechtsstaatlich konsolidierten und entwickelten Handelspartnern wie den USA und der EU als unnötig, wie auch die deutsche Bundesregierung bestätigt.

 

Das TTIP-Abkommen soll sich aus drei Hauptkomponenten zusammensetzen:

 

              1. Marktzugang

              2. Regulierungsfragen und nichttarifäre Hemmnisse

                  (z.B. Importquoten, Exportbeschränkungen)

              3. Regeln

 

Diese drei Komponenten werden parallel ausgehandelt und Teil eines Gesamtpakets, das ausschließlich Bestimmungen über den Handel und handelsrelevante Bereiche beinhaltet und zwischen den beiden Vertragsparteien Anwendung findet.

 

 

 

Verhandlungspartner

 

Die Verhandlungen über TTIP werden auf europäischer Seite von der EU-Kommission von der mit einem Verhandlungsmandat der nationalen Regierungen ausgestatteten Generaldirektion Handel (DG TRADE) geführt. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ist die für die TTIP-Verhandlungen politisch verantwortliche EU-Kommissarin. Ignacio Garcia Bercero aus der Generaldirektion Handel ist der Hauptverhandlungsführer der EU-Kommission.

 

Die EU hat für die mehr als 20 Arbeitsgruppen jeweils Verhandlungsführer benannt. Die EU-Verhandlungsführer werden von Experten aus den jeweiligen Generaldirektionen der EU-Kommission und den verschiedenen Regulierungsbehörden begleitet. Zusätzlich hat die EU-Kommission Ende Januar 2014 ein 14-köpfiges Beratungsgremium berufen, das sich aus Experten aus dem Verbraucherschutz und den Gewerkschaften und verschiedener Wirtschaftsbranchen zusammensetzt.

 

Auf US-Seite ist der Handelsbeauftragte der USA, Michael Froman (Office of the United States Trade Representative - USTR), politisch verantwortlich. Hauptverhandlungsführer der US-Seite ist Dan Mullaney.

 

 

 

Bisherige Aktivitäten

 

Bis zum heutigen Tag fanden insgesamt sieben Verhandlungsrunden zwischen den Vertragsparteien statt.

 

Nr.                            Zeitraum                                                        Ort

 

I                             8. bis 12. Juli 2013                                           Washington D.C.

II                             11. bis 15. November 2013                  Brüssel

III                            16. bis 20. Dezember 2013               Washington D.C.

IV                            10. bis 14. März 2014                            Brüssel

V                             19. bis 23. Mai 2014                             Arlington, Virginia

VI                             14. bis 18. Juli 2014                                          Brüssel

VII                             29. Sept. bis 3. Okt. 2014                             Chevy Chase, Maryland

VIII                             2. bis 6. Februar 2015                            Brüssel

 

 

Im Zuge der ersten Verhandlungsrunde, die vom 8. bis 12. Juli 2013 in Washington (USA) stattfand, diskutierten die Verhandlungsgruppen über eine Bandbreite von Themen, von Marktzugangsfragen für Agrar- und Industriegüter über geistige Eigentumsrechte bis hin zum Investitionsschutz. Unternehmenslobbyisten hatten zur Halbzeit der Verhandlungsrunde die Möglichkeit, ihre Sichtweise der Dinge darzulegen und sich mit den Verhandlungsführern im Gespräch auszutauschen.

 

In der zweiten Verhandlungsrunde, die im November 2013 in Brüssel stattfand, wurde vor allem über Investitionsregeln und regulatorische Barrieren, und wie ebendiese beseitigt werden sollen, diskutiert. Es wurde zum Ziel gesetzt, eine Expertengruppe einzurichten, die im permanenten Kontakt zu den europäischen Verhandlungsgruppen steht.

 

Im Zuge der dritten Verhandlungsrunde, die vom 16. bis 20. Dezember 2013 erneut in Washington stattfand, wurden laut der EU-Kommission erhebliche Fortschritte bei den Kernthemen Marktzugang und Regulierungen erzielt.

 

Die vierte TTIP-Verhandlungsrunde fand vom 10. bis 14. März 2014 in Brüssel statt. Inhaltlich ging es dabei insbesondere um die Förderungsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen im transatlantischen Handel. Weiter fanden Diskussionen zu Informationstechnologien, Chemie, KFZ, Medizinprodukten, Pharmazeutika und Textilien statt.

 

Vom 19. bis 23. Mai 2014 fand in Arlington, Virginia, die fünfte Verhandlungsrunde statt. Schwerpunkte der Beratungen lagen im Bereich Agrarthemen sowie bei Investor-Staat-Schiedsverfahren/Investitionsschutz. Die Verhandlungsführer betonten erneut, dass TTIP nicht dazu führen werde, Standards zu senken oder die regulatorische Autonomie der USA, der EU oder ihrer Mitgliedstaaten zu schwächen. Weder werde Hormonfleisch in der EU zugelassen, noch werde es Änderungen bei den Zulassungsbedingungen und Kennzeichnungsverpflichtungen der EU im Hinblick auf Genetisch Veränderte Organismen (GVO) geben.

 

Vom 14. bis 18. Juli 2014 fand in Brüssel die sechste Verhandlungsrunde zum geplanten TTIP-Abkommen statt. In den Gesprächen standen Zollsenkungen und eine Annäherung bei Vorschriften, Regulierungen und Standards bei Dienstleistungen, Urheberrecht, Telekommunikation und Umwelt auf der Tagesordnung.

 

Am 13. Juli 2014 lief die öffentliche Konsultation zu Investor-Staat-Schiedsverfahren und zum Investitionsschutz aus. Die EU-Kommission hat insgesamt über 150.000 Stellungnahmen ausgewertet und die Ergebnisse im Internet veröffentlicht. Schwerpunkt der 6. TTIP-Verhandlungsrunde Mitte Juli 2014 war unter anderem die regulatorische Zusammenarbeit. Aufbauend auf der vergangenen Verhandlungsrunde wurden weitere Diskussionen zu der Rolle von Stakeholdern in regulatorischen Konsultationsprozessen sowie zu den verschiedenen Verfahren bei der Gesetzesfolgenabschätzung geführt. Im Bereich Marktzugang - also beim Abbau von Zöllen, der Öffnung der Dienstleistungsmärkte und bei öffentlicher Beschaffung - wurde intensiv weiter verhandelt. Die EU hat nunmehr - nach den USA - ebenfalls ein Angebot zur Öffnung der Dienstleistungsmärkte der EU vorgelegt. Das Angebot wurde eng mit den Mitgliedstaaten abgestimmt und stellt sicher, dass sensible Bereiche wie etwa die Daseinsvorsorge oder aber auch der Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen ausgenommen sind. Auf Basis der nunmehr von beiden Seiten vorliegenden Texte fanden detaillierte Gespräche statt. Im Bereich öffentliche Beschaffung geht es der EU insbesondere um eine diskriminierungsfreie Behandlung von europäischen Unternehmen auch auf regionaler und lokaler Ebene. Die US-Regierung muss hier aus EU-Sicht konkrete Schritte zur Einbindung der US-Bundesstaaten vornehmen. Auf dieser Basis wurde durch die Kommission intensiv verhandelt.

 

Vom 29. September bis 3. Oktober 2014 fand in Chevy Chase, Maryland (USA) die siebte Verhandlungsrunde zum geplanten TTIP-Abkommen statt. Der Fokus dieser siebten Verhandlungsrunde lag insbesondere auf der zweiten Komponente, dem regulatorischen Bereich. Bezüglich des Marktzugangs für Dienstleistungen wurden die Gespräche auf Basis entsprechender Vorschläge von beiden Seiten fortgeführt. Man habe sich darauf konzentriert, die Vorschläge genau zu prüfen und dem Verhandlungspartner zu erklären. Schließlich wurden im Bereich der dritten Komponente, der Regeln, die Gespräche insbesondere über Energie und Rohstoffe, Zoll- und Handelserleichterungen sowie geistige Eigentumsrechte und Regeln für kleine und mittlere Unternehmen fortgeführt. Angesprochen wurden auch die Sektoren Maschinenbau, Automobile, Arzneimittel sowie andere Medizinprodukte. Bezüglich Standards bekräftigten beide Verhandlungspartner erneut, dass weder Umwelt- oder Datenschutz noch Gesundheits- oder Verbraucherstandards durch TTIP gefährdet würden. Das viel kritisierte Thema Investorenschutz wurde nicht diskutiert und ebenfalls ungeklärt blieb, ob es ein gesondertes Kapitel zum Bereich Energie in den TTIP-Verhandlungen geben wird.

 

Am 6. Februar 2015 sind in Brüssel Beratungen zur achten Verhandlungsrunde zwischen der EU und den USA zu TTIP, der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, zu Ende gegangen. Auf der Agenda der fünftägigen Verhandlungen standen Regulierung und Standards u. a. bei Energie und Rohstoffen sowie im Öffentlichen Beschaffungswesen. Weitere Themen waren Regulierungen in Sachen Pflanzenschutz, für Lebensmittel und geografisch geschützte Angaben. Zudem ging es unter anderem um Regeln zur Nachhaltigkeit, zum Abbau von Zöllen, Wettbewerb und kleinere und mittlere Unternehmen. Fragen des Investorenschutzes und von Investor-Staat-Schiedsverfahren standen in dieser Verhandlungsrunde nicht auf der Agenda.

 

Die Ergebnisse wurden von den Chefunterhändlern der EU und den USA, Ignacio Garcia Bercero und Dan Mullaney, bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Zur Frage der regulatorischen Kooperation hat die EU-Kommission klargestellt, dass die Zusammenarbeit im regulatorischen Bereich nicht die eigenen Möglichkeiten beeinträchtigen dürfe, Regelungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in jedwedem Politikbereich zu erlassen. Die EU-Kommission kündigte zudem zwei weitere Verhandlungsrunden bis zur Sommerpause an. Die nächste Verhandlungsrunde soll voraussichtlich im April 2015 in den USA stattfinden.

 

Das geplante Abkommen wird von Teilen der Politik, Journalisten, Verbraucherschutz- und Umweltschutzorganisationen sowie Nichtregierungsorganisationen massiv kritisiert.

 

 

Auf Grund der zahlreichen Proteste und Bedenken gegen TTIP hat die Kommission (KOM) eine Konsultation zu den Investorenschutzbestimmungen durchgeführt. Dieser Aspekt der TTIP wird derzeit zwischen der KOM und den USA nicht verhandelt.

 

Ein Problem wird kommunalerseits in der sog.“Ratchet-Klausel“ gesehen. Diese besagt, dass einmal durchgeführte Privatisierungen (bzw. ein einmal hergestellter privatwirtschaftlich organisierter Marktzustand) nicht wieder verstaatlicht (bzw. rekommunalisiert) werden darf. Ob und in welcher Form eine solche Klausel eingeführt wird, bleibt indes noch offen.

 

Im Einzelnen stehen folgende (kommunale) Bedenken in der Diskussion:

 

  • Marktzugangsverpflichtungen: Lokale Monopole werden untersagt, ebenso wie ausschließliche Dienstleistungserbringer und Bedarfsprüfungen. Dies ist insofern problematisch, als Kommunen mit Privaten konkurrieren müssten und Beschränkungen bei der Wahl der Rechtsform nicht mehr möglich wären.

 

  • Negativlistenansatz: Bei einem solchen Ansatz können Ausnahmen nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie ausdrücklich in den Anhängen des Abkommens genannt werden.

 

  • „Ratchet“-Klauseln („Sperrklauseln“): Einmal vorgenommene Liberalisierungen könnten nicht/kaum mehr rückgängig gemacht werden. Dies wäre v.a. bei Re-Kommunalisierungen ein großes Problem.

 

  • Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI): Bei unterschiedlichen Verständnissen der Verhandlungspartner darüber, was als DAWI zu verstehen ist, könnten diese auch von den Liberalisierungen durch TTIP betroffen sein.

 

  • Schiedsgerichte: Die Investor-State Dispute Settlement-Verfahren (ISDS) stehen in der Kritik, da sie die Rechtsstaatlichkeit unterhöhlen. Bei der Aufnahme der Schiedsgerichtsverfahren in das Abkommen bekämen Konzerne die Möglichkeit, Staaten zu verklagen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Regelungen Gewinneinbußen hinnehmen müssten. Dies könnte auch Kommunen betreffen. Diese Regelungen betreffen allerdings nicht nur TTIP, sondern sind oftmals Bestandteil von Freihandelsabkommen, so z.B. voraussichtlich auch in CETA.

 

  • Absenkung der Standards bei Produkten: Da vor allem technische Handelshemmnisse abgebaut werden sollen, bestehen Bedenken, dass sich der Vertragstext an niedrigeren Standards orientieren könnte.

 

  • Absenkung der Standards im Arbeitsrecht: Auch wenn die EU darauf beharrt, Arbeitnehmerstandards würden durch TTIP angehoben, bestehen Befürchtungen, dass das Gegenteil, nämlich ein Absenken auf das jeweils niedrigere Niveau, eintreten könnte.

 

  • Aushöhlung von Erfolgen der Konzessionsrichtlinie auf internationaler Ebene: TTIP könnte auch Liberalisierungen bei Dienstleistungskonzessionen enthalten. So könnten Bereiche wie die Wasserversorgung, die den Wünschen der Kommunen entsprechend von der europäischen Konzessionsrichtlinie ausgenommen sind, durch die Hintertür letztlich doch liberalisiert werden.

 

  • Öffentliche Aufträge: Hier wird zu verhandeln sein, wo die Schwellenwerte liegen, ab welchen freihandelszonenweit ausgeschrieben werden muss.

 

  • Undemokratisches Zustandekommen des Abkommens: Unabhängig vom Inhalt des Abkommens lässt sich schon jetzt die Geheimhaltung und die Ignorierung der Öffentlichkeit von Seiten der EU bemängeln. U.a. wurden eine Bürgerinitiative gegen TTIP abgewiesen und nur einige Abgeordnete des EU-Parlaments (z.B. Ausschussvorsitzende oder Berichterstatter) haben Zugang zu den Verhandlungstexten. Sie müssen Stillschweigen über deren Inhalt bewahren.

 

 

 

Welche Chancen birgt das Transatlantische Freihandelsabkommen?

 

  • Durch Verzicht von Einfuhrzöllen und gegenseitige Anerkennung von Produktstandards soll laut Angabe der Europäischen Kommission (KOM) das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union um ca. 1,5 % jährlich zusätzlich wachsen, was Wirtschaftswachstum und höheren Wohlstand verspricht. Laut einer Broschüre der Europäischen Kommission vom März 2014 könnte TTIP die europäische Wirtschaft um 119 Milliarden Euro pro Jahr ankurbeln.

 

  • Deutschland mit seiner erfolgreichen Exportwirtschaft ist wie kaum ein anderes Land auf offene Märkte und freien Handel angewiesen. Dies trifft insbesondere auch auf die Region Ostwürttemberg mit ihrer Exportquote von 53 Prozent zu. Die Vereinigten Staaten sind seit langem der größte außereuropäische Absatzmarkt für deutsche Produkte und Dienstleitungen. 3.500 deutsche Unternehmen haben bereits heute rund 200 Mrd. US-Dollar in den USA investiert und 580.000 Arbeitsplätze geschaffen. Aus baden-württembergischer Sicht beliefen sich im Jahr 2013 die Exporte auf knapp 18,8 Mrd. Euro, die Importe lagen bei 9,4 Mrd. Euro. Rund 120 Unternehmen aus Ostwürttemberg unterhalten intensive Außenwirtschaftsbeziehungen mit den USA. Eine Umfrage der bundesweiten IHK-Organisation ergab, dass über 60 Prozent der deutschen exportierenden Unternehmen das Handelsabkommen TTIP für wichtig oder sehr wichtig halten.

 

  • Mit Regelungen zu Investitionen, Dienstleistungen, Normen und Standards wird das Transatlantische Freihandelsabkommen als wichtige Basis für eine künftige internationale Wirtschaftsordnung angesehen.

 

  • Ein erfolgreich verhandeltes, ausgewogenes Abkommen könnte nicht nur die Export- und Innovationsstärke der europäischen Wirtschaft weiter sichern und ausbauen, sondern einen Beitrag zur nachhaltigen Weiterentwicklung der westlichen Industriegesellschaften insgesamt leisten und den Produktionsstandort Europa sichern.

 

  • Erste Studien zu den Auswirkungen versprechen durch den Abbau von Handelshemmnissen und der Verbesserung der Investitionsbedingungen die Schaffung hunderttausender Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem IFO-Institut gibt bekannt, dass 2 Millionen neue Arbeitsplätze in den OECD-Ländern entstehen sollen (Quelle: ifo Institut).

 

  • Durch spezielle Vertragsinhalte in Form von spezifischen Maßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen wären diese gegenüber großen Unternehmen nicht mehr benachteiligt, sondern könnten auch Nutzen aus diesem Abkommen ziehen.

 

  • Durch die Harmonisierung der Normen zwischen der EU und den USA könnte durchaus die Grundlage für die Festlegung weltweiter Normen geschaffen werden. Auf diese Weise müssten Unternehmen Güter nur noch gemäß einem Regelwerk herstellen und der Welthandel würde dadurch einfacher und billiger.

 

 

Welche Risiken birgt TTIP?

 

  • Mit dem Ziel, die Dienstleistungsmärkte in neuen Bereichen zu öffnen, sollen für Unternehmen, die in den Bereichen Energie, Transport oder Wasserwirtschaft tätig sind, neue Möglichkeiten geschaffen werden, am Markt tätig zu sein. Somit wird eine umfassende Liberalisierung des Dienstleistungssektors und damit auch der kommunalen Daseinsvorsorge angestrebt. Dies ist insofern problematisch, als Kommunen mit Privatanbietern in ein Konkurrenzverhältnis treten müssten. Kommunale Dienstleistungen, wie beispielsweise die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder Kultur würden bei einer Liberalisierung nicht mehr in den kommunalen Handlungsrahmen fallen und somit negative Auswirkungen auf das Kommunale Handeln und eventuell die Versorgung der Bürger haben. Außerdem könnte es die weitere Einschränkung der Handlungsspielräume auf kommunaler Seite, wie beispielsweise im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, der Gestaltung der regionalen Energieversorgung, des kommunalen Umweltschutzes, der Förderung und Unterstützung der Kultur (z.B. Theater), des Sozialbereichs, der Erwachsenenbildung (z.B. Volkshochschulen) sowie auch der Tarifgestaltung und der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte sowie der Gesellschaft nach sich ziehen.

 

  • Des Weiteren würden Investorenschutz- und Schiedsgerichtklauseln multinationalen Unternehmen wegen Benachteiligungen (z.B. bei Gewinneinbußen durch eine Gesetzesänderung) erlauben, gegen einen Staat oder die regionale Ebene zu klagen und Schadensersatz zu fordern.

 

  • Auch eine Absenkung der Standards im Arbeitsrecht löst Bedenken aus. Obwohl die EU darauf baut, Arbeitnehmerstandards würden durch TTIP angehoben werden, bestehen Befürchtungen, dass das Gegenteil eintreten könnte, was ein Absenken auf das jeweilige niedrigere Niveau zur Folge haben würde.

 

  • Außerdem sind viele Menschen der Meinung, dass die strengen EU-Regularien dem Druck des globalen Handels nicht standhalten könnten. Durch TTIP könnte es zur Aufweichung von EU-Normen kommen, was für die Konsumenten deutliche Nachteile mit sich bringen würde. Besonders sensibel sei die Lebensmittelsicherheit, da hier zwei völlig unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen. Während in der EU das sogenannte Vorsorgeprinzip gilt und Risiken durch präventive Kontrollen minimiert werden sollen, gilt in den USA ein Produkt solange als sicher, bis es jemandem schadet und erst dann schreitet der Staat ein und ergreift Maßnahmen. Auch in der Kosmetikindustrie wird mit zweierlei Maß gemessen. Während in der EU über eintausend Chemikalien in Kosmetikprodukten verboten und weitere 250 reguliert sind, sind in den USA nur wenige Substanzen verboten. Ähnlich verhält es sich in den Bereichen des Umweltschutzes und des Gesundheitsstandards.

 

  • Da das Datenschutzniveau in den USA nicht ansatzweise den europäischen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, stellt die Sicherung des Datenschutzes ein berechtigtes Hemmnis dar. Anders als das europäische, kennt das US-amerikanische Recht keinen konsistenten Datenschutz. So ist ein Grundrecht auf Datenschutz von der herrschenden Meinung in Politik, Rechtsprechung und Literatur in den USA nicht anerkannt.

 

 

 

Fazit

 

Das Wachstumspotenzial der Wirtschaft und des Bruttoinlandsprodukts der EU stellen sicherlich das größte Argument für die Vereinbarung einer TTIP zwischen den USA und der Europäischen Union dar. Aufgrund der Chancen, die sich für die europäischen Unternehmen ergeben, ist es sicher sinnvoll und richtig, diese Verhandlungen weiterhin zu verfolgen und zu einem guten Abschluss zu bringen.

 

Die Arbeitsplätze die durch das Abkommen geschaffen werden können, benötigt die EU dringend, um die Wirtschaft zu stabilisieren und die Arbeitslosigkeit zu senken. Vielen europäischen Unternehmen würde sich die Möglichkeit bieten, anstelle in Übersee Produktionsstandorte zu eröffnen, in ihre bestehenden europäischen Standorte zu investieren und hier für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu sorgen.

 

Besonders in europäischen Krisenzeiten ist der Export für die EU ein wichtiges Standbein, welches nicht stark genug sein kann. Aufgrund der starken Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA kann das Abkommen für beide Seiten Chancen eröffnen. Der Welthandel insgesamt kann dadurch deutlich vereinfacht und vergünstigt werden, was sich für die Verbraucher positiv auswirkt.

 

Mit der gegenseitigen Anerkennung von Standards sind die Firmen nicht mehr gezwungen, ihre Produkte für jeden Zielmarkt zu adaptieren bzw. gänzlich neue Produkte zu entwickeln. Dies spart Produktionskosten, sorgt für Produktvielfalt und kurbelt den Wettbewerb an.

 

Ohne Zweifel sind all diese Chancen und positiven Ansätze auch von Risiken begleitet, die es bei den weiteren Verhandlungen zu beseitigen oder zu minimieren gilt. Naturgemäß haben beide Verhandlungsparteien ein hohes Interesse daran, ihre bisherigen Standards so weit als möglich beizubehalten. Insofern kann das „Unterfangen TTIP“ nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn sich beide Verhandlungsparteien aufeinander zu bewegen und Kompromisse eingehen.

 

Hierbei den richtigen Mittelweg zu finden, wird sicherlich - auch im Hinblick auf die große öffentliche Diskussion - schwierig und bedarf noch einiger Verhandlungsrunden. Dabei sollte außer Frage stehen, dass die im Grundgesetz verankerte kommunale Selbstverwaltung durch internationale Abkommen nicht entkräftet werden darf. Bei allen positiven Aspekten und Chancen sollten die verantwortlichen Verhandlungsführer aufgefordert werden, dieses Abkommen nicht einfach Hals über Kopf zu verabschieden, sondern sich umfassend mit den einzelnen Themenbereichen zu befassen. Mit sieben Verhandlungsrunden ist hier noch längst nicht alle Arbeit getan. Die EU erhält durch eine TTIP große Chancen, jedoch müssen die Risiken berücksichtigt und  möglichst umfassend beseitigt werden. Es gilt weiterhin, die Verbraucher, unseren Staat und seine Kommunen zu schützen und die höchstmöglichen Standards beizubehalten.

 

Das TTIP-Abkommen kann letztendlich nur für beide Seiten einen echten Gewinn darstellen, wenn es in möglichst hohem Umfang auch vom Vertrauen der Bürger getragen wird.


 


Anlagen

 

  • Gemeinsames Positionspapier des Deutschen Städte- und Landkreistags, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds sowie des Verbands kommunaler Unternehmen e.V.
  • Leitlinien für die TTIP-Verhandlungen und Kurzerläuterungen zum TTIP-Verhandlungsmandat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

 

 

Sichtvermerke

 

Dezernat I

__________________________________________

 

Wolf

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 3 1 Gemeinsames Positionspaier des Dt. Städt- und Landkreistags, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds und Verband kommunaler Unternehmen e.V. (113 KB)    
Anlage 2 2 Leitlinien und Kurzerläuterungen des BMWi (97 KB)