Bürgerinformationssystem

Vorlage - 016/07  

 
 
Betreff: Bericht zur Situation der Schuldnerberatung im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Sozialausschuss Einbringung
06.03.2007 
Sitzung des Sozialausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung:

Antrag der Verwaltung:

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung:

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Bundesweit ist die Zahl der verschuldeten privaten Haushalte stark angestiegen. Von 1,2 Mio im Jahr 1989 bis zu 3,1 Mio. heute. Die Gründe liegen insbesondere im Anstieg der Zahl der Beschäftigungslosen bis Anfang 2006 und der Menschen mit geringen Erwerbseinkommen, aber auch am geändertem Konsumverhalten, was ganz besonders bei jüngeren Klienten auffällt. Alleinstehende und Alleinerziehende sind überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen.

 

Die Einführung des privaten Insolvenzverfahrens 1999 und die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung rückten das Thema Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen in die Öffentlichkeit. Die Medien nehmen sich des Themas regelmäßig an. Überschuldete Menschen erfahren verstärkt von möglichen Hilfen aus der Schuldenfalle.

 

Was bundesweit im Allgemeinen gilt, trifft auch für den Ostalbkreis zu.

Dies kann u.a. mit den Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg belegt werden. Nach dessen Angaben lag der Ostalbkreis in den ersten 3 Quartalen 2006 mit einer Insolvenzhäufigkeit von 11,7 Verfahren von Privatpersonen je 10.000 Einwohner weit über dem Landesdurchschnitt. Dieser beträgt 8,5 Verfahren/10.000 Einwohner.

 

Der Ausbau der Familienhilfe des Geschäftsbereichs Jugend und Familie zwischen 1998 und 2006, die GOB und jetzt die Arbeitsgemeinschaft zur Beschäftigungsförderung im Ostalbkreis (ABO) brachten zusätzliche Ratsuchende zur Schuldnerberatung. Viele von ihnen hätten ohne diese Einrichtungen keinen Anlass zur Änderung ihrer persönlichen Situation gefunden. Um die Überschuldung als Hemmnis bei der Vermittlung und Sicherung eines Arbeitsplatzes aus dem Wege zu räumen, sieht das Sozialgesetzbuch II (SGB II) für Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) das Einschalten der Schuldnerberatung vor. Die ABO macht hiervon regelmäßig Gebrauch.

 

Ganz wesentlich ist die regionale Bekanntheit der Schuldnerberatungsstelle. Gerichte, Gerichtsvollzieher, Banken, Ärzte, Arbeitgeber und Schulen empfehlen Betroffenen den Besuch der Beratungsstelle. Viele finden durch Mund zu Mund Propaganda den Weg.

 

II. Wartezeiten bei der Schuldnerberatung

 

1. Allgemeines

 

Am 01.10.2007 wird die Schuldnerberatung des Ostalbkreises 20 Jahre bestehen. In dieser langen Zeit ist die Nachfrage nach Schuldnerberatung stetig angestiegen. Nur über kurze Zeitfenster blieb sie zahlenmäßig konstant mit der Folge, dass Ratsuchende zeitnah einen Termin erhalten konnten.

 

Menschen in aktuellen Notlagen (z. B. drohender Wohnungsverlust, Gefährdung der Versorgungssicherheit mit Gas, Wasser etc.) werden nie abgewiesen. Sie erhalten stets sofort einen Beratungstermin.

 

Die Wartezeiten der Schuldnerberatungsstelle sind immer wieder Beratungsgegenstand im Kreissozialausschuss und Kreistag. In der Sitzung des Kreistags am 21.11.2006 beantragte die CDU-Fraktion im Kreissozialausschuss zu beraten, wie die langen Wartezeiten abgebaut werden können.

 

2. Maßnahmen

 

In Zeiten besonders starker Nachfrage stellten sich in der Spitze Wartezeiten bis zu 15 Monaten ein. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wurde die Schuldnerberatungsstelle immer wieder personell gestärkt. Anfangs mit einer halben Stelle eingerichtet ist die Schuldnerberatung aktuell mit 3,5 Sachbearbeiterstellen besetzt.

 

Um einen zeitnahen Zugang zu ermöglichen wurde 1999 die „offene Sprechstunde“ eingerichtet. Zweimal im Monat können Schuldner ohne vorherige Terminver-einbarung die Schuldnerberatung konsultieren und erste Hilfestellungen erfahren. Besonders dringliche Fälle werden sofort in eine laufende Beratung und Regulierung übernommen.

 

Tatsächlich bedeutet die „offene Sprechstunde“, dass niemand länger als zwei bis drei Wochen warten muss, um eine erste Beratung und Sondierung seiner Angelegenheiten zu erfahren.

 

Eine wichtige Anlaufstelle sind inzwischen die Mitarbeiterinnen der Sekretariate bei der Schuldnerberatung. Sie sind ganztägig in Aalen und Schwäbisch Gmünd zu erreichen. Schulungen und regelmäßige Teambesprechungen machen sie kompetent für Auskünfte in Standardsituationen und Wegweisungen.

 

Das Betätigungsfeld der Beratung privater Schuldner und der Verbraucherinsolvenz haben nach einer langen Anlaufzeit inzwischen Rechtsanwälte angenommen. Personen, die ausschließlich die Durchführung eines privaten Insolvenzverfahrens wünschen, können deshalb an sie verwiesen werden.

 

Schuldner haben außerdem die Möglichkeit, professionelle Schuldnerberatung bei der Kreisdiakonie in Aalen zu erhalten. Dort ist beabsichtigt, das bisherige Angebot durch einen ehrenamtlichen Mitarbeiter auszubauen.

 

Durch die Hilfe zur Selbsthilfe in den zahlreichen Beratungen, die ersten Hilfestellungen und erstem Intervenieren durch Beratung in der Offenen Sprechstunde, dem kosequenten Verweisen an Rechtsanwälte, wenn ausschließlich die Privatinsolvenz das Ziel ist und durch den Ausbau des Angebots an Schuldnerberatung bei der Kreisdiakonie, wird sich die Wartezeit für die Aufnahme in eine Regulierung bei der Schuldnerberatungsstelle des Ostalbkreises zwischen 3 und 5 Monaten einpendeln.

 

3. Aktueller Stand

 

Die aktuelle Wartezeit bei der Schuldnerberatung des Landkreises in beiden Dienststellen Aalen und Schwäbisch Gmünd beträgt 5 bis 6 Monate. Dies bedeutet eine Halbierung der Wartezeit innerhalb des letzten halben Jahres.

 

Von den 171 Neuanmeldungen zur Warteliste 2006 konnten nach einer Erstberatung 65 Anfragende an Rechtsanwälte verwiesen werden. Dass von einer Entschuldung durch Insolvenz über Anwälte regen Gebrauch gemacht wird, belegt auch die bereits oben erwähnte große Zahl von privaten Insolvenzverfahren im Kreis. Über die Schuldnerberatungsstelle wurden 104 Verfahren 2006 abgewickelt, wofür der Landkreis 31.094 € an Fallpauschalen vom Land erhalten hat.

 

Von den in der Warteliste Verbliebenen erhielt nahezu jede/r (4 von 5 Ratsuchenden) eine oder mehrere Beratungen bevor die Aufnahme in die Schuldenregulierung erfolgte. Jeder 8. der 2006 neu Aufgenommenen wurde aufgrund seiner persönlichen Situation sofort bzw. vorzeitig beraten. Ein Grund für eine sofortige oder vorzeitige Aufnahme in die Regulierung ist ein neues Arbeitsverhältnis oder die Sicherung des Arbeitsplatzes. 2006 war letzteres der häufigste Grund für eine vorgezogene Aufnahme.

 

III. Tätigkeit  der Schuldnerberatung 2006 in Zahlen

 

                                                          Personen/Paare

Offene Sprechstunde                               268

Beratungen (bis 3 Termine)                                121

Telefonische Beratung                             187

Sprechtag ABO                                           77

 

 

Hinzukommen 197 laufende Regulierungsfälle zum Jahreswechsel 2006/2007, wovon 141 als neue Fälle 2006 aufgenommen wurden.

 

Dabei fällt der hohe Anteil an Ratsuchenden bis zum 26. Lebensjahr auf. Von den Regulierungsfällen 2006 gehören 6,4 v.H. zu diesem Personenkreis.

 

Besonders stark gestiegen ist mit 29,8 v.H. der Anteil der Kunden, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Regulierung ALG II bezogen, was insbesondere auf die Vermittlung durch die ABO zurückzuführen ist.

 

IV. Ausblick

 

1. Änderung des privaten Insolvenzrechts

 

Wie sich die Nachfrage und die Arbeit der Schuldnerberatung weiterentwickeln wird, hängt von der geplanten Änderung der Insolvenzordnung ab. Entscheidend wird die Regelung zu den Verfahrenskosten sein. Bei der Einführung der Privatinsolvenz konnte nur der Schuldner, der die Verfahrenskosten von damals 3.000 DM aufbrachte, ein gerichtliches Insolvenzverfahren beantragen. Erst die 1. Änderung des Gesetzes 2001 ermöglichte mit der Stundung der Verfahrenskosten auch völlig mittellosen Schuldnern den Weg in die Restschuldbefreiung. Die Zahl der privaten Insolvenzverfahren stieg rasant an und mit ihnen die Ausgaben der Länderhaushalte für Verfahrens-kostenstundungen. Wie der Gesetzgeber diesen und noch einige weitere kritische Punkte regelt, wird entscheidenden Einfluss auf die Arbeit der Schuldnerberatung haben.

 

Die freien Träger und Verbände der Schuldnerberater, aber auch Anwälte und Inkassodienste sind derzeit im Dialog mit Abgeordneten. Am 13.11.2006 fand auch im Ostalbkreis eine von der Kreisdiakonie initiierte Podiumsdiskussion mit Herrn Georg Brunnhuber MdB statt. Der neueste Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur geplanten Gesetzesänderung datiert vom 23.01.2007. Wichtige Kritikpunkte der Interessenvertreter wurden aufgenommen. Die Verwaltung wird dem Kreissozialausschuss berichten, sobald die Änderung beschlossen ist und genaue Aussagen möglich sind.

 

2. Prävention

 

Rund 6% der Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren haben Schulden. Dies belegen Studien, u.a. der Schuldenreport 2006 des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und der Schulden-Kompass 2006 der SCHUFA Holding AG. Die Angaben über die Höhe der Verschuldung von 78 Euro/Jugendliche/r bis zu mehreren hundert Euro variieren in den Studien.

 

Die Erfahrungen in der Schuldnerberatung des Ostalbkreises spiegeln mit 6,4 % der 2006 neu aufgenommenen Regulierungsfälle diese Untersuchungsergebnisse wieder, auch wenn die eigene Statistik Personen bis zum 26. Lebensjahr erfasst. Durch das gegenüber den Untersuchungen höhere Lebensalter der Ratsuchenden und der langen Zeit, bis der Weg zur Schuldnerberatung angetreten wird, ist die Verschuldung mit tausend Euro bis in 10 tausende Euro wesentlich höher.

 

Die Tendenz zu höherer Verschuldung von Jugendlichen bereitet seit Jahren Sorgen. Wie wichtig Präventionsarbeit wichtig ist, wurde in mehreren Sitzungen des Kreissozialausschusses betont. Deshalb wurde die Schuldnerberatung bereits in der Vergangenheit im Rahmen ihrer personellen Kapazität präventiv tätig; u.a. auf Anfragen von Schulen des Ostalbkreises im Rahmen des geänderten Lehrplanes für Realschulen, im Rahmen des Aktionstages Schuldnerberatung und auch beim Tag der Offenen Tür des Landratsamts.

 

Schulden-Prävention wird auch weiterhin konzeptionell umgesetzt. 2007 startet sie mit einer Fortbildung für Haupt- und Realschullehrer am 14.03.2007. Daran anschließend wird ein Kontingent von 15 Schulbesuchen in den Klassenstufen 7 bis 9 angeboten.

Finanzierung und Folgekosten:

Finanzierung und Folgekosten:

 

Die Personal- und Sachkosten der Schuldnerberatungsstelle des Ostalbkreises sind im Kreishaushalt 2007 mit einem Zuschussbedarf von 378.155 € veranschlagt.

Sichtvermerke

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereich             __________________________________________________

                                               Traub                                                              Hammele

Dezernent                           __________________________________________________

                                               Rettenmaier

Dezernat II                          __________________________________________________

                                               Hubel

Landrat                                __________________________________________________

                                               Pavel