Bürgerinformationssystem
Antrag der Verwaltung:
Kenntnisnahme Sachverhalt/Begründung:
I. Ausgangssituation und Allgemeines
Zeitgleich zum Vollzug des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes (VRG) soll in Baden-Württemberg auch die Auflösung der beiden Landeswohlfahrtsverbände zum 31.12.2004 sowie die Neuverteilung der bisher von ihnen wahrgenommenen Aufgaben auf die Stadt- und Landkreise und einen neu zu schaffenden Kommunalverband für Soziales und Jugend Baden-Württemberg (SJV) erfolgen. Die vorgesehene Aufgabenverteilung zwischen der örtlichen und der überörtlichen Ebene wurde im Konsens zwischen dem Land und den Kommunalen Landesverbänden entwickelt.
Mit dieser Vorlage werden die aktuell absehbaren Inhalte und Auswirkungen der Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern auf den Ostalbkreis dargestellt.
II.Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern
1. Allgemeines
2003 ist der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern 40 Jahre alt geworden. Er steht in der Tradition von über 100 Jahren kommunaler Selbstverwaltung. Seine Wurzeln liegen in den 1889 gegründeten 4 Württembergischen Landesarmenverbänden. Sie entstanden, um die damals 730 Württembergischen Ortsarmenverbände zu entlasten. Ähnlich wie heute waren die Städte und Kreise durch die rapide steigende Zahl von Hilfebedürftigen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geraten. Damals war es die Industrialisierung die ihren Tribut forderte. Armut, Kinderarbeit, schlechte Ernährung, Mangel- und Berufskrankheiten waren an der Tagesordnung. Viele Arbeitslose standen Schlange für eine Anstellung. Dagegen hat sich in den letzten Jahren die Behindertenhilfe zur neuen großen Herausforderung entwickelt. Die Zahl der behinderten Menschen steigt deutlich an.
Ab 01. Januar 2005 werden die meisten Aufgaben des LWV auf Stadt- und Landkreise übertragen. Für zwingend nach geltendem Bundesrecht wahrzunehmende Aufgaben des überörtlichen Trägers sowie für zentrale Planungs- und Beratungsaufgaben wird ein neuer “Kommunalverband für Soziales und Jugend Baden-Württemberg” gegründet.
2. Aufgabenverlagerung zu den Kreisen
Ab 01. Januar 2005 sollen die wesentlichen Aufgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG - (neu : SGB XII) auf die Stadt- und Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe übertragen werden. Dies betrifft
-die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form ambulanter, teilstationärer, stationärer und sonstiger Maßnahmen und Hilfestellungen
-die Hilfen für Wohnungslose nach § 72 BSHG
-die Hilfe zur Pflege für unter 65-Jährige
-die Blindenhilfe nach dem BSHG und die Aufgaben nach dem Landesblindenhilfegesetz
-und die Kriegsopferfürsorge
Mit den Aufgaben haben die beteiligten Körperschaften die Beschäftigten der Landeswohlfahrtsverbände anteilig zu übernehmen. Nach vorläufigen Berechnungen entfallen orientiert am o.a. Aufgabenkatalog auf den Ostalbkreis 8,68 Stellen.
3. Nachfolgeverband und Aufgaben
Der neue Kommunalverband für Soziales und Jugend Baden-Württemberg soll landesweit folgende Aufgaben übernehmen:
-die Aufgaben des Integrationsamtes (Förderung des Übergangs schwerbehinderter Menschen auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt)
-die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe
-die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge
-die Aufgaben der überörtlichen Betreuungsbehörde
Ferner soll der neue Verband - so der Gesetzentwurf des Landes - bei Vergütung, Planung, Controlling, dem Erstellen überörtlicher Empfehlungen in der Behindertenhilfe, Altenpflege und Jugendhilfe beratend und unterstützend mitwirken. Diese Aufgabenabgrenzung ist in den vergangenen Wochen in den Gremien des Landeswohlfahrtsverbandes und des baden-württembergischen Landkreistages kontrovers diskutiert worden. Während der Verbandsausschuss des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern unter anderem gefordert hat, dem neuen Verband die sachliche Zuständigkeit für Entgeltverhandlungen in der Behindertenhilfe, Altenhilfe und Jugendhilfe fest zu übertragen, haben die Verbandsversammlung des LWV und auch der baden-württembergische Landkreistag ein Festhalten am Verhandlungsergebnis zwischen dem Land und den Kommunalen Landesverbänden eingefordert, das dem neuen Kommunalverband in diesen Fragen die o.g. Beratungs- und Unterstützungsfunktion zuweist.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Stadt- und Landkreise in der Verbandsversammlung durch den Oberbürgermeister/Landrat vertreten sind. In Anlehnung an das Gesetz über Kommunale Zusammenarbeit ist im Unterschied zum Gesetz über die Landeswohlfahrtsverbände im Gesetzentwurf keine Organstellung des Leiters der Verbandsverwaltung - bisher Verbandsdirektor beim Landeswohlfahrtsverband - mehr vorgesehen. Der Verbandsausschuss des Landeswohlfahrtsverbandes hatte auch für den Verbandsausschuss und Verbandsdirektor Organstellung eingefordert, konnte sich jedoch auch damit in der letzten Verbandsversammlung nicht durchsetzen. Der baden-württembergische Landkreistag vertritt in seiner Stellungnahme zum Verwaltungsstruktur-Reformgesetz die Auffassung, dass es dem Kommunalverband für Soziales und Jugend selbst überlassen bleiben soll, durch Satzung zu bestimmen, welche Kompetenzen dem Leiter der Verbandsverwaltung zukommen sollen .
Der Sitz des neuen Verbandes ist nach dem Gesetzentwurf in Stuttgart. Der Finanzbedarf des Verbandes kann derzeit nur annähernd geschätzt werden. Es wird mit Nettoausgaben in Höhe von rd. 60 Mio. Euro pro Jahr gerechnet. Diese sollen über eine Umlage finanziert werden. Der Landkreistag sieht keine Notwendigkeit für eine Regelung der Umlagemaßstäbe und fordert daher die Entscheidung hierzu dem Verband selbst - wie bisher den beiden Landeswohlfahrtsverbänden - zu überlassen. Sollte das Land daran festhalten, den Umlagemaßstab für die allgemeine Umlage durch Gesetz vorzugeben, fordert der Landkreistag, dass Maßstab für diese Umlage die Steuerkraft der Stadt- und Landkreise ist, die bislang auch Bemessungsgrundlage für die Landeswohlfahrtsumlagen ist.
4. Trägerschaft für die verbandseigenen Einrichtungen
Im vorliegenden Entwurf des Gesetzes zu Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände ist in den §§ 5 und 6 vorgesehen, dass das Eigentum des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern an den Grundstücken der Verwaltungsgebäude in Stuttgart einschließlich des zugehörigen Wohngebäudes und den Grundstücken des Tagungszentrums Gültstein zum 01. Januar 2005 auf den Kommunalverband für Soziales und Jugend übergeht. Der LWV ist verpflichtet, das Eigentum an den Grundstücken
-der Kliniken Löwenstein und Markgröningen, -des Behindertenheimes Rabenhof in Ellwangen -des Behindertenheimes Markgröningen -des Behindertenheimes Rappertshofen in Reutlingen und -des Behindertenheimes Tannenhof in Ulm,
jeweils einschließlich der Personalwohnungen und der landwirtschaftlichen Grundstücke auf die bestehende LWV-Eingliederungshilfe GmbH oder eine neue Trägergesellschaft zu übertragen.
Hinsichtlich der Regelungen zum Eigentumsübergang an den Grundstücken der Verwaltungsgebäude in Stuttgart und des Tagungszentrums Gültstein gibt es keine Bedenken. Hingegen können sich bei der Übertragung des Eigentums an den Grundstücken der Behindertenheime und der Landwirtschaften Ellwangen und Markgröningen steuerrechtliche Probleme ergeben. Der Landkreistag fordert deshalb, dass die Übertragung der Grundstücke erst dann erfolgen soll, wenn Klarheit über die weitere Trägerschaft der Einrichtungen geschaffen ist. Es soll vermieden werden, dass aus mehreren Übertragungsvorgängen unnötige Steuerbelastungen entstehen. Der Landkreistag schlägt vor, zu bestimmen, dass die Übertragung der Grundstücke auf andere Träger durch die Landeswohlfahrtsverbände in Liquidation zu erfolgen hat, sobald Klarheit über die weitere Trägerschaft geschaffen ist. Falls bis zum Ende des Liquidationszeitraums keine andere Trägerschaft gefunden ist, soll bestimmt werden, dass für die Einrichtungen eine Trägergesellschaft für das ehemalige Verbandsgebiet des LWV Württemberg-Hohenzollern geschaffen wird, sofern die Trägerschaft nicht dem Kommunalverband für Soziales und Jugend übertragen wird. Eine analoge Regelung wird auch für die Einrichtungen des LWV Baden vorgeschlagen.
5. Soziallastenausgleich
Da die Belastungen mit Sozialhilfeausgaben und die Entlastungen durch den Wegfall der LWV-Umlage sowie Umschichtungen der LWV-Schlüsselmasse aus dem Finanzausgleich bei den einzelnen Landkreisen nicht ausgeglichen sein wird, werden im Finanzausgleichsgesetz neue Ausgleichsmechanismen vorgesehen.
In einer ersten Stufe wird im Jahr 2005 der “Status quo” auf der Grundlage der Rechnungsergebnisse 2003 ausgeglichen. Kreise, die im Saldo eine Entlastung aufweisen, haben diese in einen Interkommunalen Ausgleich abzuführen. Kreise, die im Saldo belastet werden, erhalten Ihre Belastung aus dem Interkommunalen Ausgleich erstattet. Durch diesen Status quo-Ausgleich wird jeder Kreis, bezogen auf das Basisjahr 2003 finanziell so gestellt, dass es keine Gewinner bzw. Verlierer gibt.
Entsprechend dem Wunsch der überdurchschnittlich mit Sozialhilfeaufgaben belasteten Landkreise wurde ein Eingliederungshilfelastenausgleich neu im Gesetzesentwurf aufgenommen. Danach sollen nur die über dem Landesdurchschnitt liegenden Zweckausgaben - nach Abzug der bereits im Status quo-Ausgleich berücksichtigten Ausgaben - ab dem Jahr 2007 teilweise ausgeglichen werden. Diese Ausgleichszahlungen betragen im Jahr 2007 90 %, im Jahr 2008 80 % und im Jahr 2009 70 % des übersteigenden Betrags. Maßgeblich für die Berechnung sind die Eingliederungshilfe-Nettoausgaben im zweit vorangegangenen Jahr, das heißt beispielsweise im Jahr 2007 ist 2005 maßgeblich.
In den Eingliederungshilfelastenausgleich werden folgende Nettoausgaben einbezogen:
-Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, -Blindenhilfe nach § 67 BSHG, -Landesblindenhilfe, -Hilfe zur Pflege für unter 65-Jährige -Hilfe für Wohnungslose nach § 72 BSHG, -Kriegsopfer- und Schwerbeschädigtenfürsorge, -Krankenversorgung nach dem Lastenausgleichgesetz.
Die steuerschwachen Landkreise mit überdurchschnittlich hohen Eingliederungshilfekosten werden durch die Einführung des Eingliederungshilfelastenausgleichs entlastet. Dies gilt allerdings erst ab dem Jahr 2007. In den Jahren 2005 und 2006 müssen die durch Fallzahlenzuwächse, Pflegesatzerhöhungen oder sonstige Gesetzesänderungen hervorgerufenen Eingliederungshilfemehrkosten vorfinanziert werden. Im Jahr 2008 soll überprüft werden, ob sich die reformbedingten örtlichen Mehrbelastungen in einem vertretbaren Rahmen halten. Gegebenenfalls soll das Finanzausgleichsrecht den veränderten Verhältnissen angepasst werden.
Die Finanzierung des Eingliederungshilfelastenausgleichs erfolgt durch einen weiteren Vorwegabzug aus der Finanzausgleichsmasse A.
Der Gesetzgeber erwartet, dass sich die Stadt- und Landkreise im Wege einer Vereinbarung zur Umsetzung des sogenannten “Herkunftsprinzips” verpflichten, soweit dies nicht bereits bundesgesetzlich geregelt ist. Konkret bedeutet dies, dass für alle Hilfemaßnahmen in der Behindertenhilfe der Stadt- oder Landkreis Kostenträger ist, in dem der Betroffene vor Beginn der Maßnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Damit werden die finanziellen Risiken für die Landkreise begrenzt, die eine überdurchschnittliche Versorgungsstruktur aufweisen.
Finanzierung und Folgekosten:
Die Entwicklung der Fallzahlen in den kommenden Jahren wird zu einem weiteren dramatischen Kostenanstieg in der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen führen. Nach vorliegenden Berechnungen des baden-württembergischen Landkreistages muss innerhalb der nächsten 10 Jahre landesweit annähernd von einer Verdopplung der heutigen Ausgaben von 1,1 Mrd. € auf über 2 Mrd. € ausgegangen werden. Dieser gravierende Zuwachs kann von den Kommunen keinesfalls allein geschultert werden. Zum wiederholten Male wird deshalb an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine Handlungsstrategie dringend vonnöten ist, die diesen immensen Herausforderungen gerecht wird. Wenn die Kommunalen Haushalte weiterhin mit der Bewältigung der extremen Kostenbelastung aus der Eingliederungshilfe für Behinderte alleine gelassen werden, ist deren Handlungsunfähigkeit vorprogrammiert. Bund und Land können diesen drängenden Fragen nicht mehr länger aus dem Wege gehen. Anlagen:
Sichtvermerke:
Fachdezernent__________________________________________________ Rettenmaier
Hauptamt__________________________________________________ Wolf
Kämmerei__________________________________________________ Hubel
Landrat__________________________________________________ Pavel |
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