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Antrag der Verwaltung
Sachverhalt/Begründung:
Die AfD-Fraktion des Kreistags hat im Rahmen der Beratungen über den Haushaltsplan 2025 am 14. Dezember 2025 den in der Anlage 4 beigefügten Antrag gestellt.
Bereits im HH-Aufstellungsprozess hatten verschiedene Fraktionen auf die finanziellen Mehrbelastungen und die nicht auskömmlich hohe Finanzierung hingewiesen. Von einzelnen Kommunen des Gemeindetags des Ostalbkreises war sogar im Vorfeld über eine Klage bzgl. der Kreisumlage und der Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte diskutiert worden.
Die Landkreisverwaltung nimmt zu den einzelnen Forderungen wie folgt Stellung:
Zu Ziff. 1:
Bundesrechtliche Vorgaben, aufgrund derer die Landkreise finanzielle Mehrbelas-tungen hinnehmen müssen, ergeben sich beispielsweise aus der Anlage 4 zu dem in Anlage 1 beigefügten GFK-Bericht. Dort werden unter dem ersten Spiegelpunkt bestehende Pflichtaufgaben ohne auskömmliche Finanzierung aufgelistet. Bundesrecht-ich verursacht sind insbesondere die unzureichende Finanzierung der Geflüchtetenaufnahme sowie der Betriebskosten von Krankenhäusern, ferner die Liquiditätslücke beim BTHG, die Mehraufwände infolge der Betreuungsrechtsreform, die Mehrbelastungen im Bereich der Arbeitsschutzverwaltung sowie die Mehrkosten im Bereich der Einbürgerungsbehörden.
Zu Ziff. 2 und 3:
Eine Ermittlung der Höhe der Mehrbelastungen in den benannten Bereichen für den Ostalbkreis in den Haushaltsjahren 2021 bis 2024 und damit verbunden eine differenzierte Ermittlung der jeweiligen Zuschussbeträge von Bund und Land zum Ausgleich der Mehrbelastungen würde einen unverhältnismäßig großen zeitlichen und personellen Aufwand verursachen, der nur mit zusätzlichem Personal zu leisten wäre. Ferner ist im Einzelfall schwer abgrenzbar, welche Aufwendungen der Mehrbelastung zuzuordnen sind. Dies betrifft insbesondere den BTHG-Bereich. Die Mehrbelastung erstreckt sich bundesweit auf die gesamte kommunale Ebene und die Höhe hat - ohne dass hierzu eine punktgenaue Ermittlung vorgenommen werden muss - ein Ausmaß angenommen, dass die meisten Kommunen in ihrer Existenz gefährdet. Besonders gravierend schlägt dieses Problem bei der Unterfinanzierung der in öffentlicher Hand geführten Kreiskliniken dar. Obwohl die Landkreise formal nicht für die Krankenhausfinanzierung zuständig sind, mussten sie in Baden-Württemberg allein im Jahr 2024 ihre Kliniken mit insgesamt rund 800 Millionen Euro unterstützen. Umgerechnet auf die 35 Landkreise ergibt sich schon allein dadurch eine durchschnittliche Kreismehrbelastung in Höhe von knapp 23 Mio. Euro. Mit den Mehrbelastungen in den anderen unterfinanzierten Bereichen kommt mit Sicherheit eine im zweistelligen Millionenbereich liegende weitere Mehrbelastung hinzu. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich erübrigen, mit hohem Aufwand eine Cent-genaue Ermittlung vorzunehmen. Zu Ziff. 4:
Im Vorfeld der Haushaltsplanung zum Doppelhaushalt des Landes Baden-Württemberg hat es – wie üblich – Verhandlungen im Rahmen der Gemeinsamen Finanzkommission zwischen den Kommunalen Landesverbänden sowie dem Land gegeben. Im Vorfeld hierzu hatten die Kommunalen Landesverbände eine Pressekonferenz organisiert, in der die Finanzierungsnöte öffentlich vorgestellt wurden. Die einschlägige Presseerklärung ist der Anlage 2 zu entnehmen. Daneben findet laufend ein Austausch zwischen Vertretern des Landkreistags sowie des Landes auf verschiedenen Ebenen statt, um die Finanzierungsnotwendigkeiten auszutauschen und zu verhandeln. Gleiches gilt für die tägliche Arbeit des Deutschen Landkreistages. Der Landkreistag Baden-Württemberg hat außerdem im vergangenen Jahr erstmals einen Kreisfinanzbericht vorgelegt und in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die aktuelle Entwicklung der Kreisfinanzen die Selbstverwaltung der Landkreise bedroht. Hierzu wird auf Anlage 3 verwiesen. Zuletzt hat der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Landrat Joachim Walter, in seiner Grundsatzrede im Rahmen der letztjährigen Landkreisversammlung in Gegenwart des Ministerpräsidenten in sehr klaren Worten verdeutlicht, dass und wie die aktuelle finanzwirtschaftliche Entwicklung die Selbstverwaltung bedroht. Nachzulesen ist diese Rede unter https://landkreisnachrichten.de/themen/landkreistag/land-und-landkreise-gemeinsam-wandel-gestalten.
Zu Ziff 5:
Mit der Verfassungsreform vom 27. Oktober 1994 wurde Art. 28 Abs. 2 GG um den dritten Satz erweitert, wonach die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst. Dieser Satz bezieht sich sowohl auf die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als auch auf die der Gemeindeverbände nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, wozu jedenfalls die Landkreise zählen. Damit wurde im Grundgesetz auch textlich niedergelegt, was zuvor schon in ständiger Rechtsprechung aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung abgeleitet worden ist, nämlich dass es einen Anspruch auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen, mithin also der Gemeinden und Kreise, gibt. Konkret bedeutet dies, dass die Kommunen – Gemeinden und Kreise – von Verfassungs wegen finanziell insgesamt so ausgestattet werden müssen, dass sie neben den pflichtigen Selbstverwaltungs- bzw. Weisungsangelegenheiten auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben ohne – nicht nur vorübergehende – Kreditaufnahme wahrzunehmen imstande sind. Nur wenn nach Deckung der Ausgaben für alle pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung/Auftragsangelegenheiten den Kommunen noch ein Spielraum zur Übernahme und Ausgestaltung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben verbleibt, kann von einer angemessenen Finanzausstattung gesprochen werden.
Vor dem Hintergrund dieser Verfassungsrechtslage sind aktuell drei Kommunalver-fassungsbeschwerden von Landkreisen beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Es handelt sich um eine schon ältere Beschwerde des Landkreises Kaiserslautern sowie um die kurz vor Weihnachten eingereichten Beschwerden der Landkreise Mansfeld-Südharz und Salzlandkreis. Durch die Kommunalverfassungsbeschwerden soll im Ergebnis geklärt werden, ob der verfassungsrechtliche Anspruch insbesondere auch der Landkreise gegen das Land auf eine angemessene Finanzausstattung unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes steht. Genau dies nämlich ist von der landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung teilweise angenommen worden. Nach Auffassung der Landkreise freilich bleibt ein so interpretiertes Landesverfassungsrecht hinter den Vorgaben der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie zurück, sodass eine an das Bundesverfassungsgericht gerichtete Kommunalverfassungsbeschwerde zulässig und mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch begründet erscheint.
Das Präsidium des Deutschen Landkreistags hat in seiner Sitzung am 6. Januar 2025 in Berlin die Empfehlung an die Landkreise gerichtet, zum gegenwärtigen Zeitpunkt von weiteren Verfassungsbeschwerden zur Sicherung der Mindestausstattung vor den Landesverfassungsgerichten oder dem Bundesverfassungsgericht abzusehen und zunächst die weitere Entwicklung der drei genannten Verfahren beim Bundesverfassungsgericht abzuwarten. Dadurch sollen unnötige Prozessrisiken und für die Kommunen nachteilhafte Judikate vermieden werden.
All dies zeigt, dass die kommunalen Spitzenverbände das Thema der Verfassungsklage aktiv und strategisch verfolgen. Kommunalverfassungsbeschwerden, die nicht in diese Grundsatzstrategie eingeordnet sind, dürften bestenfalls unnütz, schlimmstenfalls schädlich sein.
Des Weiteren ist in Hessen noch eine Klage einer Kreisklinik auf Schadensersatz gegen das Bundesgesundheitsministerium anhängig, mit der Ansprüche aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen primäres Unionsrecht auf dem Gebiet des Krankenhausfinanzierungsrechts geltend gemacht werden. In Bayern befindet sich eine Musterklage gegen den Bund wegen unzureichender Betriebskostenfinanzierung in Planung und in Baden-Württemberg ist ein Landkreis bei der Prüfung, ob der Klageweg beschritten werden soll, wobei dies mit Blick auf das Prozesskostenrisiko sicherlich von der Kostendeckungszusage der Rechtsschutzversicherung abhängig sein dürfte.
Die kommunalen Spitzenverbände von Baden-Württemberg haben mit ihrem gemeinsam an Finanzminister Dr. Bayaz gerichteten Schreiben vom 19.02.2025 gegenüber dem Land Baden-Württemberg sehr deutlich dargelegt, dass die gesamte kommunale Ebene der Städte, Gemeinden und Landkreise zunehmend an ihre finanziellen Grenzen stößt und die Mehrbelastungen in den Kliniken und im Sozialbereich sowie im Bereich ÖPNV besorgniserregende Wirkungen entfalten und aggressiv steigenden Ausgaben zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund wurde angeregt, im Rahmen einer gemeinsamen Finanzkommission oder einem ähnlichen Format nach Lösungswegen zu suchen. (vgl. Anlage Nr. 1)
Die Erfolgsaussichten von Klagen auf auskömmliche Finanzierung von Kliniken lassen sich mangels einschlägiger Rechtsprechung nur schwer absehbar und werden aus Sicht des Landkreistags Baden-Württemberg eher zurückhaltend eingeschätzt. Zu berücksichtigen ist auch, dass entsprechende Verfahren aufgrund ihrer äußerst komplexen Materie keiner schnellen Entscheidung zugeführt werden können und insofern auch die wirtschaftliche Schieflage der Kliniken nicht zeitnah gelöst werden. Daher dürfte es - insbesondere in zeitlicher Hinsicht - vielversprechender sein, zunächst auf politischem Wege eine Verbesserung der Situation anzustreben. Finanzierung und Folgekosten
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Anlagen
Anlage 1: Finanzstatusbericht der Gemeinsamen Finanzkommission vom 18.10.2024 Anlage 2: Gemeinsame Pressemitteilung der Kommunalen Landesverbände vom 06.05.2024 Anlage 3: Kreisfinanzbericht 2024 Anlage 4: Antrag der AfD-Kreistagsfraktion vom 14.12.2024 Anlage 5: Schreiben der kommunalen Spitzenverbände vom 19.02.2025
Sichtvermerke
gez. Wolf, Dezernat I gez. Kurz, Dezernat II gez. Dr. Bläse, Landrat
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