Bürgerinformationssystem
Antrag der Verwaltung
Der Ausschuss für Bildung und Finanzen nimmt den Bericht über die „Smart Factory“ der Technischen Schule Aalen zur Kenntnis.
Sachverhalt/Begründung
Moderne Produktionsprozesse
In heutigen Produktionsumgebungen vieler Betriebe organisieren sich Fertigungsanlagen, Logistiksystem und Produktionsprozesse weitestgehend selbst, um die gewünschten Produkte herzustellen. Hierbei sind die unterschiedlichen Komponenten alle miteinander vernetzt. Produktionsdaten werden in Echtzeit ausgelesen. Verschiedenste Daten werden ausgetauscht und automatisch analysiert. Produktionsprozesse werden überwacht, gesteuert und optimiert. Dies erfordert die Verwendung geeigneter Software und einer entsprechenden Programmierung. Eine immer wichtigere Rolle spielt die Robotertechnik. Teile werden beispielsweise automatisiert ausgewählt und von einer Fertigungsstation zur anderen transportiert. Eine besondere Herausforderung stellt der Einsatz von Maschinen verschiedener Her-steller dar. Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen müssen diese in der Lage sein, miteinander störungsfrei zu kommunizieren. Am Ende der Produktionsprozesse steht die Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung. Immer wichtiger wird das Zusammenwirken von Mechanik, Elektronik und Informations-technik. Ein intensiver und dauernder Austausch der Fachkräfte ist unerlässlich.
Grundlegende Idee und Konzeption
Mit der, seit Beginn des aktuellen Schuljahres, im Aufbau befindlichen Smart Factory C472_4.0 stellt die Technische Schule Aalen diese Produktionsumgebungen nach. So soll es den Schülerinnen und Schülern möglich gemacht werden, die nötigen Kompetenzen zu er-werben, um den Wandel zur Industrie 4.0 in unserer Region mitzugestalten.
Umsetzung
Zur Veranschaulichung einer Fertigung nach Maßgabe der Industrie 4.0 werden bereits alle Komponenten eines Koordinatenwürfels (siehe Bild 1) an einzelnen vorhandenen Maschinen in unterschiedlichen Bereichen des Unterrichts gefertigt, gemessen und montiert. Diese dabei erlangten Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler sind für das Verstehen der Smart Factory C472_4.0 eine unverzichtbare und notwendige Grundlage. Die einzelnen Unterrichte verteilen sich bereits jetzt auf verschiedene, an der Technischen Schule Aalen angebotenen, Berufe bzw. Bildungsgänge.
Die komplette Anlage wurde von Lehrern der Technischen Schule Aalen in Eigenregie entwickelt und projektiert. Im Vorfeld wurden vielfältige Gespräche mit den dualen Partnern aus verschiedenen Branchen geführt. Die vorhandenen modernen Maschinen sollen über ein eigens entwickeltes MES (Manufacturing Execution System, Fertigungssteuerungssystem) vernetzt werden. Es soll möglich sein, die Fertigungs- und Automatisierungsmaschinen so-wohl in der vernetzten Anlage, als auch in der allgemeinen Grundausbildung der verschiedenen Berufsbilder isoliert (also nicht vernetzt) einzusetzen. So ist ein vielfältiger und differenzierter Einsatz der Maschinen möglich.
Auch die Zusammenführung der unterschiedlichen Berufe (Metall - Elektro) und der not-wendigen Kompetenzen an einer Anlage sind wichtige Bausteine des Konzeptes. Großer Wert wird auf eine hohe Flexibilität in der Erweiterung und der Anpassung der Anlage gelegt, um auf zukünftige, sich ändernde Anforderungen der Ausbildung und Fertigungs-prozesse reagieren zu können.
Bild 1: Koordinatenwürfel
Um einen möglichst hohen Praxisbezug für die Schülerinnen und Schüler gewährleisten zu können, wird die Anlage aus vollwertigen industriellen Komponenten aufgebaut. Bereits durch den Aufbau sind erste Unterrichtseinheiten entstanden.
Die Umsetzung erfolgt in einzelnen Schritten (Projekten), die am Ende zusammengefügt werden. Ein Großteil der notwendigen einzelnen Projekte werden im Schuljahr 2023/2024 von angehenden Technikern aus den Bereichen Maschinentechnik, Automatisierungstechnik und Elektrotechnik im Rahmen ihrer Technikerarbeiten umgesetzt.
Bild 2: Grundlagen - Idee - Ablauf Die einzelnen Projekte der Smart Factory C472_4.0
In der aktuellen Bauphase arbeiten derzeit 14 angehende Techniker des 2. Ausbildungsjahres aus den drei Fachbereichen Maschinenbau, Automatisierungstechnik und Elektrotechnik. Die Projekte sind in sechs Module aufgeteilt.
Manufacturing Execution System (MES / Software) Es handelt sich um ein Informationssystem, das in der Fertigung eingesetzt wird, um Produktionsprozesse zu überwachen, zu steuern und zu optimieren. MES ermöglicht die Echtzeitverfolgung von Produktionsdaten, die Integration von Maschinen und die Verbesserung der Fertigungseffizienz. Dieses System wird von drei Elektrotechnikern entwickelt und programmiert. Die Arbeiten erfolgen in Zusammenarbeit mit der Firma DMG-Mori. Verwendet wird deren Software „TULIP“. Der Großteil der Programmierung erfolgt über Node-RED, eine Open-Source-Flow-basierte Entwicklungsumgebung. Das Team muss sich dabei auch im Bereich der Programmierung mit allen Gegebenheiten der zukünftigen Fertigung auseinandersetzen. Eine der Kernaufgaben ist hierbei eine offene, erweiterungsfähige und verständliche Soft-ware-Lösung zu erstellen. Hierbei kommt bereits künstliche Intelligenz zum Einsatz.
Produktion Im Bereich der Produktion der Komponenten arbeiten derzeit vier angehende Maschinen-techniker an zwei Projekten. Hierbei werden vorhandene CNC-Fertigungsmaschinen umgebaut und in die zukünftige Anlage integriert. Die Aufgaben beschränken sich nicht auf den reinen Bereich „Maschinenbau“. Vielmehr sind übergreifende Kompetenzen aus den Bereichen Steuerungstechnik, Automatisierung und Vernetzung erforderlich. Zudem ist eine ständige Abstimmung mit den anderen Teams not-wendig. Aus der vorhandenen CNC-Mehrspindel-Drehmaschine INDEX B400 und dem kollaborieren-dem Roboter FANCU CRX10ia wird eine vollständig automatisierte Fertigungsmaschine entwickelt und umgesetzt. Auch hier ist fester Bestandteil des Gesamtkonzeptes eine zukünftige multifunktionale Verwendung der Anlagen für die Ausbildung.
Die CNC-Fräsmaschine CMX600V mit dem FANUC-Roboter LRmate muss für die Verwendung in der vernetzten Anlage in mehreren Bereichen und Schnittstellen umgebaut werden. Die zu bewältigenden Aufgaben entsprechen sehr gut den Anforderungen der dualen Partner an die künftigen Techniker.
Intralogistik / Transport zwischen den Stationen Dieser Bereich wird in zwei Teams mit insgesamt fünf angehenden Automatisierungstechnikern bearbeitet. Für die Anlage wurde ein modularer, flexibler und intelligenter Ablagetisch entwickelt, der sich in allen jetzigen und zukünftigen Stationen der Smart Factory C472_4.0 vollständig integrieren lässt. Bei der Entwicklung und dem Bau des Tisches sind viele Einflussfaktoren aus den Bereichen Steuerungstechnik, SPS, Sensorik, Netzwerken und viele andere Grundlagen der I4.0 zu beachten. Hier wird, wie an allen Stationen, auf eine industrielle Auslegung der Konstruktion geachtet. Gleichzeitig wird das Augenmerk auf eine Verwendung als Ausbildungsprojekt gerichtet. Den Transport der Produktion-Paletten übernimmt ein AMR der Firma Omron. AMR´s sind völlig autonom agierende fahrbare Roboter welche speziell in der Fertigung eingesetzt wer-den, um Produkte und Komponenten zwischen einzelnen Fertigungsmaschinen bzw. Bereichen zu transportieren. Dieses Projekt spiegelt die aktuelle Entwicklung bei den lokalen Industriepartnern wider. Kooperationspartner ist u.a. die Firma Mössner aus Eschach.
Montage / Versand Die Montage des Koordinatenwürfels erfolgt über einen modernen, intelligenten und vernetzten Handarbeitsplatz im sogenannten Pick-by-Light-Verfahren. Die Station wird von zwei Maschinenbautechnikern komplett selbst entwickelt. Es soll damit die Verbindung zwischen der Anforderung I4.0 und Handarbeitsplätzen aufgezeigt werden. Eine moderne Fertigung kann auch zukünftig nicht auf Handarbeit verzichten. Diese wird allerdings „smart“ unterstützt.
Künftige Projekte / Erweiterungen / Ideen
Montage Dieses Projekt startet im Schuljahr 2024/2025 mit drei angehenden Technikern aus dem Bereich Automatisierung. Notwendige Vorbereitungen wurden bereits getroffen.
Bau einer Roboterzelle Zur vollständig automatisierten Montage des Koordinatenwürfels soll der Bau einer Roboter-zelle initiiert werden. Dies ist ein nächster und bereits im Grundkonzept angedachter und integrierter Baustein der Anlage. Es können damit vielfältige Unterrichtsinhalte aus den Bereichen Automatisierung und Produktionsplanung etc. umgesetzt werden. Eine Besonderheit ist das Bin-Picking (Griff in die Kiste). Der Roboter findet die Bauteile in den jeweiligen Kisten über eine 3-D Kamera und eine installierte Software selbstständig. Hierzu wird von der Firma FANUC ein kostenloser Roboter vom Typ M20iD/25 zur Verfügung gestellt.
CNC-Frästechnik CNC-Fräsmaschinen sollen ebenfalls in den Fertigungsprozess eingebunden werden. Um die Produkte individueller gestalten zu können, sind in der I4.0 Anlage, auch in das System vernetzte, manuelle Arbeitsplätze notwendig. Hierzu erforderlich ist eine DMU40 -Fräsmaschine mit neuester Steuerungstechnik. Damit kann eine zeitgemäße Grundlagenaus-bildung gewährleistet werden. Sowohl die Grundlagen als auch die spezifischen Ausbildungs-inhalte sollen an gleichen Maschinen gelehrt werden können.
CNC-Drehtechnik Die An- und Einbindung von CNC-Drehmaschinen ist wesentlicher Bestandteil des Konzepts und ermöglicht es, z.B. in Fächern wie Produktionsmanagement, vielfältige Aufgaben im Unterricht praxisnah erarbeiten zu können.
Qualitätssicherung Die vollständige Anbindung und Integration der Messmaschine ZEISS DuraMax in den Fertigungsprozess soll umgesetzt werden. Hierbei kann eine Automatisierung der für die Fertigung notwendigen Messtechnik mit Hilfe eines Cobots (kollaborierender Roboter) erfolgen. Durch dieses Projekt können in der laufenden Fertigung Einflüsse auf den Fertigungsprozess angezeigt werden. Durch eine Anbindung an das MES können die auftretenden Abweichungen durch Veränderung von Fertigungsparametern helfen, Produktionsfehler zu vermeiden.
Intralogistik / mobile Robotik Mit Hilfe eines Pufferlagers kann der Fertigungsprozess weiter optimiert und die Anlage nochmals erweitert werden. Ziel ist eine vollständige Anbindung und Integration eines Pufferlagers in den Fertigungsprozess. Durch den Einsatz eines zweiten mobilen Roboters können komplexere Fertigungsstrategien erprobt und umgesetzt werden.
Lasertechnik Ein vorhandener Beschriftungslaser soll in den Fertigungsprozess eingebunden werden. Durch die Integration entsteht die Möglichkeit einer individuellen Beschriftung des Grund-körpers. Dieser zusätzliche Fertigungsschritt erweitert den kompletten Prozess deutlich. Eine immer weiter auf Stückzahl 1 ausgelegte „Serienfertigung“ ist in der heutigen Fertigung eine große Herausforderung. Es besteht die Möglichkeit, die Beladung des Lasers über einen „low-cost“ Cobot oder händisch umzusetzen.
Auch im Bereich der beruflichen Bildung nimmt Industrie 4.0 einen hohen Stellenwert ein. Mit der „Smart Factory“ an der Technischen Schule können folgende Ziele erfolgreich angegangen werden:
Die Technische Schule Aalen wird im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung und Finanzen in einer Präsentation das Konzept erläutern.
Finanzierung und Folgekosten
Notwendige finanzielle Mittel werden über das Schulbudget abgedeckt.
Anlagen
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Sichtvermerke
gez. Freytag, Geschäftsbereichsleitung gez. Kurz, Dezernat II gez. Dr. Bläse, Landrat |
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