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Vorlage - 112/2023  

 
 
Betreff: Sonderauswertung des Prognos Zukunftsatlas und des RIT-Monitors
für den Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Stabsstelle Wirtschaftsförderung, Europabüro, Kontaktstelle Frau und Beruf   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Bildung und Finanzen Kenntnisnahme
19.06.2023 
Sitzung des Ausschusses für Bildung und Finanzen zur Kenntnis genommen   
Anlagen:
Sonderauswertung Prognos Zukunftsatlas 2022_Ostalbkreis

Antrag der Verwaltung

 

Der Ausschuss für Bildung und Finanzen nimmt den Bericht zur Kenntnis.

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

Seit dem Jahr 2013 erstellen alle Bundesländer aufgrund einer Vorgabe der EU-Kommission „Regionale Innovationsstrategien zur intelligenten Spezialisierung“ (RIS3-Strategien). Das Ziel dieser Strategien ist es, die Alleinstellungsmerkmale und Wettbewerbsvorteile der jeweiligen Regionen herauszuarbeiten, Spezialisierungsfelder zu definieren und darauf basierend, die Eckpunkte für die regionale Innovationspolitik festzulegen.

 

Einige Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, haben sich entschieden, den RIS3-Ansatz weiter zu regionalisieren. So wurden die Regionen Baden-Württembergs im Rahmen der ersten Runde des landesweiten Wettbewerbs „RegioWIN“ aufgefordert, regionale Entwicklungskonzepte auszuarbeiten. Der Ostalbkreis hat im Rahmen seiner Beteiligung am RegioWIN-Wettbewerb das regionale Entwicklungskonzept (REK) im Jahr 2014 erstmalig entwickelt und im Rahmen des nachfolgenden „RegioWIN 2030“-Prozesses zur „Innovationsstrategie NiO: Nachhaltige Innovationen im Ostalbkreis“ fortgeschrieben. Die Innovationsstrategie beschreibt das regionale Stärken-Schwächen-Profil, identifiziert die regionalen

Zukunftsthemen sowie Innovationspotenziale und definiert auf dieser Grundlage neue Leuchtturm- und Schlüsselprojekte, die mit der Unterstützung aus EFRE- und Landesmitteln umgesetzt werden können. Über den Prozess der Entwicklung des regionalen Entwicklungskonzepts für den Ostalbkreis berichteten zuletzt die Sitzungsvorlagen 076/2020, 206/2020 und 242/2020.

 

Die Stabsstelle Wirtschaftsförderung hat die fortlaufende Aufgabe, das regionale Stärken-Schwächen-Profil zu analysieren, um auf dieser Grundlage die Entwicklungspotenziale für den Landkreis zu identifizieren. Die Grundlage für die Analyse des regionalen Stärken-Schwächen-Profils bilden aktuelle Studien und Sonderauswertungen, die für den Ostalbkreis erstellt werden. Diese Vorlage fasst die zentralen Ergebnisse von zwei wichtigen Analysen für den Ostalbkreis zusammen, die im Jahr 2023 erstellt wurden: 1) der Sonderauswertung des Prognos Zukunftsatlas 2022 für den Ostalbkreis und 2) des RIT-Monitors der RegioClusterAgentur Baden-Württemberg.

 

1)      Prognos AG (2023), Prognos Zukunftsatlas 2022 – Ostalbkreis. Sonderauswertung für das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Berlin 03.03.2023

 

Zur Studie: Der Prognos Zukunftsatlas als ein Ranking der deutschen Landkreise erscheint alle drei Jahre seit 2014. Auf Basis eines Kriterienkatalogs (29 Indikatoren, Wirtschafts- und Sozialdaten) werden Zukunftschancen und -risiken aller 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland ermittelt und ein bundesweites Ranking erstellt. Die 29 Indikatoren unterteilen sich in Stärke- und Dynamikindikatoren (Zustände und Veränderungsraten), im Gesamtranking haben die statischen Stärkeindikatoren ein deutlich größeres Gewicht; sie bestimmen in Summe das Ergebnis für das Gesamtranking.

 

Im bundesweiten Ranking werden alle Landkreise (LK) und kreisfreie Städte in 8 Kategorien unterteilt, von Regionen mit „besten“ Zukunftschancen bis hin zu den Regionen mit „sehr hohen Risiken“. Bundesweit zeigt sich ein Ost-West- und Nord-Süd-Gefälle: In Landkreisen des ehemaligen Gebiets der DDR werden überwiegend Risikolagen beobachtet. Regionen mit besten und sehr hohen Zukunftschancen liegen primär in Baden-Württemberg und

Bayern. Zu der obersten Kategorie der Regionen mit „besten Chancen“ zählen überwiegend große Städte und Universitätsstandorte (München, Stuttgart, Erlangen, Darmstadt) sowie Landkreise mit Automobilstandorten (Wolfsburg, Ingolstadt). In Baden-Württemberg

 befinden sich vier von bundesweit elf Regionen mit „besten Chancen“: LK Böblingen, Stadt Stuttgart, LK Heilbronn und Stadt Ulm.

Der Ostalbkreis belegt in der Gesamtklassifikation Platz 41 und gehört damit zur zweitstärksten Gruppe der Regionen mit „sehr hohen Zukunftschancen“. Sehr auffällig ist dabei das starke Abschneiden des Ostalbkreises in der Kategorie Wettbewerb/Innovation (Platz 12 im bundesweiten Ranking).

Verantwortlich für das insgesamt sehr starke Ergebnis des Ostalbkreises sind überwiegend Indikatoren zur Wirtschaftskraft und Innovationstätigkeit. Hervorzuheben sind hier das hohe und dynamisch wachsende Bruttoinlandsprodukt, sehr hoher Besatz mit Zukunftsbranchen, hohe Unternehmenskompetenz, rege Investitionstätigkeit der Industrie. Der Ostalbkreis gehört bundesweit zu den Standorten mit dem höchsten und dynamisch wachsenden FuE-Personalbesatz. Auch die Gründungsintensität liegt über dem Baden-Württemberg-Durchschnitt und wächst dynamisch.

 

Für das schwächere Abschneiden des Ostalbkreises in der Kategorie „Dynamik“ sorgen in erster Linie die Demografie- und Arbeitsmarktindikatoren. Die Bevölkerung im Ostalbkreis wächst zwar, jedoch mit einer geringeren Dynamik als in Baden-Württemberg insgesamt. Der Wanderungssaldo der jungen Erwachsenen ist positiv, jedoch ebenfalls unter dem Durchschnitt für die Landkreise in Baden-Württemberg. Die Akademikerquote ist niedriger als im Land insgesamt und wächst leicht unterdurchschnittlich. Ansatzpunkte für die

regionale Weiterentwicklung und die weitere Verbesserung der Position des Ostalbkreises im Ranking ist daher stark im Bereich der Fachkräftesicherung zu sehen.

 

Zeitvergleich: Der Ostalbkreis konnte in den letzten Jahren seine Position im Ranking der deutschen Regionen konsequent verbessern: von Platz 69 (2016) auf 59 (2019) und aktuell 41 (2022). 

 

Fokusthema des Jahres 2022 bilden Deutschlands Zukunftsbranchen und ihre Entwicklung in den Jahren 2018-2021. Die Prognos-Studie listet insgesamt 12 Zukunftsbranchen und zeigt für diese Branchen Daten zur Stärke der regionalen Spezialisierung („Lokalisationsgrad“) und zur Beschäftigungsentwicklung. Der Ostalbkreis gehört insgesamt zur obersten Kategorie der Landkreise mit dem höchsten Anteil der Beschäftigung in Zukunftsbranchen an der Gesamtbeschäftigung (über 55 %). Für den Ostalbkreis sind insbesondere die Ergebnisse für die Branchen „Herstellung von EDV-Geräten“ (starke Spezialisierung, starkes Wachstum) und „Fahrzeugbau“ (Spezialisierung aber Beschäftigungsrückgang) auffällig. In der Branche „Herstellung von EDV-Geräten“, welche insbesondere die Schlüsseltechnologien Optik und

Photonik einschließt, gehört der Ostalbkreis nach der Gesamtbeschäftigung zu den Top 6 Standorten bundesweit und belegt bundesweit den ersten Platz in der Kategorie der Beschäftigungsdynamik. Darüber hinaus gehört die Gesundheitswirtschaft zu großen und wachsenden Beschäftigungsbranchen im Ostalbkreis. Weitere wichtige Spezialisierungsfelder sind Metallindustrie und Maschinenbau. In beiden macht sich jedoch der Beschäftigungsrückgang bemerkbar.

 

 

 

 

2) RegioClusterAgentur (2023). RIT Monitor Ostwürttemberg/Ostalbkreis.

 

Zur Methode: Beim RIT-Monitor handelt es sich um ein Analysetool der RegioClusterAgentur (RCA) Baden-Württemberg. Die RCA als eine Agentur des Landes Baden-Württemberg unterstützt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg bei der Umsetzung der wirtschafts- und clusterpolitischen Ziele. Das Akronym RIT-Monitor steht für „Analyse und Monitoring - Regionales Innovationssystem und Transformationsanforderungen“; im Rahmen des RIT-Monitors werden die Regionen Baden-Württembergs unter dem Blickpunkt der Transformationspotenziale und Weiterentwicklungsmöglichkeiten untersucht. Auf methodischer Ebene stützt sich der RIT-Monitor auf die Analyse der regionalisierten FuE-Förderdaten, die Analyse der Unternehmensdaten und des regionalen Studienangebots. Es wird dabei kein Ranking der Regionen erstellt. Um die regionalen Spezialisierungsmuster zu verdeutlichen, werden jedoch die Werte für die Regionen mit dem Durchschnitt für Baden-Württemberg verglichen.

 

Die Analyse der regionalen Forschungsschwerpunkte (Analyse der bundesgeförderten FuE-Projekte) zeigt eine eindeutige Spezialisierung des Ostalbkreises in den Transformationsfeldern Smart Production & Green Economy. Beide Forschungsschwerpunkte sind unternehmerisch dominiert, d. h. die Mehrheit der vom Bund geförderten Projekte in diesen Anwendungsfeldern findet in Unternehmen statt. Auch für die wissenschaftlichen Einrichtungen im Ostalbkreis zeigt sich die eindeutige Spezialisierung auf die Transformationsfelder Smart Production und Green Economy. Zusätzlich ist auf der Seite der Wissenschaft eine weitere Schwerpunktlegung in dem Transformationsfeld Life Science deutlich. Die Datenbanken listen hier 10 regionale Projekte mit insgesamt 7,5 Mio. € Fördervolumen des Bundes. Als eine starke Einschränkung in der Analyse der Forschungsschwerpunkte gilt, dass hier die Bundesförderung im Fokus steht. Forschungstätigkeit, die aus Landesmitteln oder Stiftungsmitteln gefördert wird, findet in dieser Analyse keine Berücksichtigung.

 

Die Analyse der Unternehmensaktivitäten zeigt einen deutlichen und im Vergleich zu den Werten für Baden-Württemberg überdurchschnittlich starken Fokus der regionalen Unternehmen auf die Transformationsthemen der Green Economy (Erneuerbare Energien, Smart Grid, Klima und Umweltschutz, Kreislauf/Recycling). Auffällig ist zudem der zweite Schwerpunkt im Bereich Life Science. Der Transformationsbereich Life Science gewinnt in der Region offenbar stark an Bedeutung.

 

Die Analyse des regionalen Studienangebots zeigt erneut einen regionalen Fokus auf das Transformationsfeld Smart Production. Nur wenige Studiengänge, die an den regionalen Hochschulen angeboten werden, werden dem Transformationsfeld Green Economy zugeordnet (Materialwissenschaften, Chemie). Zu beachten ist jedoch, dass viele regionale Studiengänge als „Querschnittsfelder“ klassifiziert werden. Überdurchschnittlich hohe Aktivität der Hochschulen wird in dem Bereich Life Science festgestellt.

 

Gesamtbetrachtung und Bewertung:

Die beiden Studien zeigen und verdeutlichen das regionale Stärken-Profil und die regionalen Spezialisierungsmuster. Es bestätigt sich das Bild des Ostalbkreises als eines forschungsstarken, transformationsorientierten Industriestandortes bzw. einer „Zukunftsregion“. Die Stärke des Ostalbkreises bilden investitionsstarke Betriebe in Zukunftsbranchen und forschungsstarke wissenschaftliche Einrichtungen. Sehr auffällig sind in der Prognos-Studie die hohen Werte und Rankingplätze für die Beschäftigtenanteile in Forschung und Entwicklung, in Berufsgruppen, welche als „digitale Impulsgeber“ klassifiziert werden sowie in „Zukunftsbranchen“. Innerhalb der Zukunftsbranchen fallen zudem die sehr hohen Rankingplätze für die optische Industrie auf; der Ostalbkreis gehört nach der Kategorie der regionalen Gesamtbeschäftigung zu den bundesweit TOP 6 Standorten der EDV-Branche. Der Landkreis ist jedoch nicht nur die Heimat einer forschungsstarken Industrie, sondern auch eine Gründerregion: Den Ostalbkreis zeichnet zugleich eine rege, über dem Baden-Württemberg-Durchschnitt liegende Gründungsdynamik aus.

 

Die Analysen zeigen ferner eine deutliche regionale Spezialisierung im Transformationsbereich Smart Production & Green Economy. Der auffällige Fokus der Unternehmen auf die Themen der Green Economy bietet zudem gute Ansatzpunkte für die Entwicklung eines eindeutigen Transformationsprofils hin zu einer Musterregion der „Green Transition“. Der Ostalbkreis als industriestarke und ländlich geprägte Region steht für die Erforschung - und Umsetzung - der Energiewende und der grünen Transformation.

 

Die Studie zeigt zugleich die ersten Anzeichen für die regionale Stärkung des Spezialisierungsbereichs Life Science. Das Aufkommen des Spezialisierungsfeldes ist zunächst stark getrieben durch die Entwicklung der regionalen Studiengänge in Gesundheitswissenschaften. Gleichzeitig zeigt sich jedoch innerhalb der Region die Bedeutung dieses Anwendungsfeldes für die Unternehmen und das erhebliche wissenschaftliche Fördervolumen. Laut der Prognos-Analyse des „Branchenportfolios“ gehört schließlich die Gesundheitswirtschaft im Ostalbkreis zu großen und wachsenden Beschäftigungsbranchen.

Die neuen Analysen bestätigen und konkretisieren damit die in der regionalen Entwicklungsstrategie identifizierten Spezialisierungsfelder. Sie bekräftigen zudem die in der NiO-Innovationsstrategie festgehaltene strategische Ausrichtung der regionalen Entwicklungspolitik auf die Themen „Innovation und Nachhaltigkeit“. Gleichzeitig liefern sie erste Hinweise auf weitere Spezialisierungsthemen und –felder, die bei der künftigen regionalen Projektentwicklung berücksichtigt werden sollten.

 


 


Anlagen

 

Anlage 1: Prognos AG (2023), Prognos Zukunftsatlas 2022 – Ostalbkreis. Sonderauswertung für das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Berlin 03.03.2023

 

 

 

 

 

Sichtvermerke

 

gez. Hahn, Stabsstelle 02

gez. Dr. Haverkamp, Stabsstelle 02

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Sonderauswertung Prognos Zukunftsatlas 2022_Ostalbkreis (7561 KB)