Sachverhalt/Begründung
1. Ausgangslage
Der Ostalbkreis steht vor weitreichenden demographischen Herausforderungen, die ebenfalls Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben werden. Umso wichtiger ist es, dass Schülerinnen und Schüler als zukünftige Fachkräfte klare Vorstellungen über ihre beruflichen Möglichkeiten gewinnen und in ihrer Berufswegeplanung Unterstützung finden. Studien bestätigen, dass die berufliche Orientierung für die Berufswegeplanung einen besonders positiven Einfluss hat.
2. Berufliche Orientierung an den allgemeinbildenden Schulen
Bereits seit 2007 besteht das Projekt ZUKUNFT als erfolgreiches, verlässliches und konstantes Unterstützungssystem am Übergang von der Schule in den Beruf. ZUKUNFT wird sowohl von Schulen, Eltern und Betrieben als auch von den Schülerinnen und Schülern selbst, als wichtige Unterstützungsmaßnahme wahrgenommen und beeinflusst nachhaltig das Berufswahlverhalten der Schülerinnen und Schüler in unserem Landkreis. Jahrelange Erfahrungen, regelmäßige Evaluationen und die inzwischen überregionale Aufmerksamkeit bestätigen darüber hinaus den Erfolg dieser Maßnahme am Übergang Schule-Beruf. Die jährlichen Verbleibserfassungen durch das Bildungsbüro sowie seit 2017 auch durch das Statistische Landesamt in den Modellregionen zur Neugestaltung des Übergang Schule-Beruf in Baden-Württemberg, weisen die höchste Übergangsquote in eine Ausbildung aus. Hier lag der Ostalbkreis im Schuljahr 2021/2022 mit 40,1 % an der Spitze im Vergleich zu 27,1 % mit 29 Landkreisen in Baden-Württemberg. Übergangszahlen in Ausbildung von über 40 % wären ohne dieses zusätzliche Unterstützungsangebot und den damit resultierenden Netzwerkgedanken aller Partner sicherlich nicht möglich.
Der Ostalbkreis setzt, über das folgende Angebot des Landes hinaus, eigene Impulse damit die Gestaltung der Berufsorientierung erfolgreich verzahnt ist und einen fließenden Übergang gewährleistet. Diese für den Arbeitsmarkt gewinnbringende Konzeption ist bereits über den Ostalbkreis hinaus bekannt.
Der gesetzliche Auftrag der Berufsorientierung ist für die Schulen in der Verwaltungsvorschrift Berufliche Orientierung in Baden-Württemberg geregelt und sieht bereits ab Klasse 5 eine individuelle und verbindliche Berufsorientierung vor. Zudem umfasst die berufliche Orientierung an den Schulen das Fach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung (WBS) ab Klasse 7 sowie die Leitperspektive „Berufliche Orientierung“ (BO) in allen Klassenstufen verbindlich verankert. Ebenfalls kommt der Zusammenarbeit zwischen Schule und Berufsberatung als Tandem „Lehrkraft-Berufsberater“ eine besondere Aufmerksamkeit zu. Um den schulartspezifischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden, wurden zudem vom Kultusministerium BO-Leitfäden entwickelt, die sich an Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler in der Beruflichen Orientierung richten und sie bei der Orientierung unterstützen bei denen auch die Expertise des Ostalbkreises gefragt war.
3. Berufliche Orientierung an den Beruflichen Schulen
Trotz den Unterstützungsmaßnahmen an den allgemeinbildenden Schulen gibt es Jugendliche, die mit weiterem Förderbedarf an den Beruflichen Schulen ankommen. Diese Schülerinnen und Schüler haben entweder keinen Schulabschluss erreicht oder trotz Schulabschluss keinen passenden Ausbildungsplatz gefunden. An den Beruflichen Schulen gibt es zudem Schülerinnen und Schüler, die sich trotz Ausbildungsreife entschieden haben, ihre Schulkarriere an einer Beruflichen Schule fortzusetzen, um einen höheren Schulabschluss zu erwerben.
Deshalb wurde auch für die Schülerinnen und Schüler an den Beruflichen Schulen das schulische Angebot und die Unterstützung bei der beruflichen Orientierung im Rahmen von ZUKUNFT weiterentwickelt. Zentrale Ansprechpartner sind auch an den Beruflichen Schulen die Bildungsbegleiterinnen bzw. Bildungsbegleiter, die umfangreiche Unterstützung beim Übergang in den Beruf bieten. Die Bildungsbegleiterinnen und Bildungsbegleiter unterstützen die Jugendlichen vom ersten Schultag, über das Schuljahr beim Aufarbeiten der unterschiedlichen Problemlagen, begleiten im gesamten Bewerbungsprozess, geben Tipps für gelingende Bewerbungsaktivitäten und stellen Kontakte mit den Betrieben bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen her. Über die schulischen, berufs- und ausbildungsspezifischen Inhalte hinaus nimmt auch die sozialpädagogische Begleitung einen wichtigen Platz ein. Eine ganzheitliche Begleitung ist dadurch gewährleistet und trägt zum Erfolg bei.
4. AVdual
Der Bildungsgang AVdual ist eine neue Schulform die an den Beruflichen Schulen des Ostalbkreises angeboten wird. Zielgruppe sind Jugendliche, die im Anschluss an den Besuch der allgemeinbildenden Schulen noch nicht ausbildungsreif sind und daher einen weiteren intensiven Unterstützungsbedarf haben. Sie sollen über eine einjährige Ausbildungsvorbereitung zu einer Ausbildung geführt werden. Praxisphasen bilden einen zentralen Ansatz des Bildungsgangs und binden frühzeitig die Betriebe vor Ort ein. Im Idealfall entsteht ein Klebeeffekt und die Jugendlichen erhalten einen Ausbildungsvertrag in einem der Praktikumsbetriebe. Diese Bildungsbegleiterinnen und Bildungsbegleiter sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung und tragen entscheidend dazu bei, dass das Ziel „Keine(r) darf verloren gehen“ erreicht werden kann. Sie sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bildungsbüros, was ermöglicht, das bereits vorhandene Netzwerk zu nutzen und rechtskreisübergreifend zu arbeiten. Der Erfolg dieser praxisnahen Schulform lässt sich an den Übergangszahlen in Ausbildung ablesen.
5. Übergangsprozesse gestalten
Unter Übergangsprozess gestalten verstehen wir, mehr Jugendlichen den direkten Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen, den Übergangsbereich zu optimieren und schwächere Schülerinnen und Schüler beim Übergang zu unterstützen. Dieses ist zudem das Ziel der Neugestaltung des Übergangs Schule-Beruf in Baden-Württemberg, das seit dem Schuljahr 2014/15 in sogenannten Modellregionen umgesetzt wird. Der Ostalbkreis gehört zu den Pionieren der Übergangsgestaltung. Der Übergangsprozess sieht neben einer intensiven Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen, eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit, die Einführung der Schulform AVdual für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf aber auch ein regionales Übergangsmanagement (RÜM) mit allen relevanten Akteuren vor. Das RÜM ist im Bildungsbüro des Ostalbkreises verankert. Das Dach des RÜM bildet die Lenkungsgruppe unter Vorsitz von Landrat Dr. Bläse und setzt sich zusammen aus Vertretern der Agentur für Arbeit, der Schulträger, der allgemeinbildenden Schulen, der Beruflichen Schulen, des Jobcenters, der Jugendhilfe, der Kammern (IHK, Handwerkskammer), der Kommunen und der Wirtschaft.
Grundsätzlich gelten in der Modellregion Ostalbkreis die Leitziele „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und „Keine(r) darf verloren gehen“. Das Ziel der Übergangsgestaltung ist es deshalb, für jeden Jugendlichen den passenden Anschluss an die Schulzeit zu finden – sei es eine Berufsausbildung oder eine zielführende weiterführende Schule. Damit ist der Grundgedanke verbunden, jeder Schülerin und jedem Schüler nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule eine berufliche oder schulische Anschlussperspektive aufzuzeigen und somit Warteschleifen zu vermeiden.
Damit dies auch gelingt, ist die Gestaltung von Übergängen ein gemeinsamer Prozess, der in der Verantwortung vieler Akteurinnen und Akteure liegt. Zu den Akteurinnen und Akteuren zählen beispielsweise allgemeinbildende und Berufliche Schulen, Schulträger, die Agentur für Arbeit, Jobcenter, IHK, Südwestmetall, weitere Kammern und Verbände, Jugendämter, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Kommunen, Bildungsträger und Eltern. In enger Zusammenarbeit gestalten die Mitglieder dieses Netzwerks mit ihrem Expertenwissen als Netzwerk den Übergangsprozess für jede Schülerin und jeden Schüler. So wirken alle am Übergang Schule-Beruf beteiligten aktiven Akteure an der Gestaltung im Rahmen der gegründeten „Verantwortungsgemeinschaft Ostalbkreis – Übergang Schule-Beruf/Studium“ mit. Der bestehende Übergangsprozess wird gemeinsam zu möglichen Bedarfen diskutiert, passgenaue Projekte für den Ostalbkreis abgeleitet und Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. Gemeinsame Fachkonferenzen bilden eine Plattform für alle im operativen Bereich am Übergang Schule-Beruf Tätigen, um sich auszutauschen und neue Ideen zu entwickeln.
Wesentlich für einen erfolgreichen Übergang zwischen allgemeinbildenden Schulen und Beruflichen Schulen ist der regelmäßige Austausch zwischen den Bildungsbegleitungen an den allgemeinbildenden und den Beruflichen Schulen, etwa im Rahmen von Bildungsbegleitertreffen. Der enge Kontakt zwischen den Schulen ist von zentraler Bedeutung, da dadurch die notwendigen Strukturen für eine gewinnbringende Zusammenarbeit geschaffen und durch einen regelmäßigen Austausch weiter gefestigt werden. Zwischen den Bildungsbegleiterinnen und Bildungsbegleitern finden zudem zum Schuljahresende Übergabegespräche statt. Bei diesen Gesprächen spielen die Übergabe von Daten und der Austausch zum aktuellen Stand des aktuellen Bewerbungsprozesses den Schwerpunkt. Voraussetzung ist die von den Erziehungsberechtigten unterzeichnete Einwilligungserklärung, was zudem die Elternarbeit unterstützt.
Der Übergangsprozess wird vom Bildungsbüro ständig überprüft, angepasst und schriftlich festgehalten (z. B. in Form von Broschüren, Mindmaps, Faltblättern) und somit für alle Akteure am Übergang Schule-Beruf und Interessierte transparent. Zudem sind alle Angebote am Übergang Schule/Beruf in einer Broschüre und auf dem Bildungsprotal abgebildet. Dieser erfolgreich erprobte Prozess im Ostalbkreis wurde jetzt als Best-Practice Modell in die Landesbroschüre aufgenommen.
Um die Aufgabenfelder zwischen der Berufsberatung, den Lehrenden und der Bildungsbegleitung für alle transparent zu machen, hat eine Gruppe aus Berufsberatung und Bildungsbegleitung eine Beschreibung der Aufgabengebiete ausgearbeitet, welche in den nächsten Wochen allen zur Verfügung gestellt werden soll.
5. Erfolgsfaktoren und Fazit
Die Gestaltung des Übergangs im Ostalbkreis und die beeindruckenden Übergangszahlen in Ausbildung werden von anderen Landkreisen mit großem Interesse wahrgenommen und verfolgt. Dies belegen Anfragen aus Nachbarlandkreisen oder Einladungen zu Vorträgen. Darüber hinaus ist die Gestaltung des Übergangsprozesses im Ostalbkreis als „Best Practice“ auch überregional regelmäßig Thema bei Tagungen und Veranstaltungen. Die Gestaltung und die mit diesen verbundenen Maßnahmen und Konzepten sind Vorbilder für Projekte anderer Landkreise oder fließen auch in Konzepte des Landes Baden-Württemberg ein, etwa aktuell in den Praxisleitfaden für die Übergabe zwischen allgemeinbildenden und Beruflichen Schulen des Landes Baden-Württemberg.
Der Erfolg kommt dabei nicht von ungefähr: schon seit 2007 gibt es das Projekt Zukunft mit dem Einsatz von Bildungsbegleiterinnen und Bildungsbegleitern. Dieses verlässliche und konstante Unterstützungssystem ermöglicht Planungssicherheit für die Schulen, Beziehungsarbeit mit den Schülerinnen, Schülern und Eltern sowie zuverlässige Strukturen und Netzwerkarbeit mit Betrieben und Partnern. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die gemeinsame Arbeit und Begegnung aller Akteurinnen und Akteure auf Augenhöhe. Gemeinsam werden Bedarfe diskutiert, passgenaue Projekte für den Ostalbkreis abgeleitet und Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. Klare und transparente Strukturen, verlässliche Ansprechpartner und ein gut funktionierendes Netzwerk am Übergang Schule-Beruf/Studium ermöglichen es, das hochgesteckte Ziel „Keine(r) darf verloren gehen“ nahezu erreicht werden kann.
Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des u. a. damit verbundenen Fachkräftemangels sind die Maßnahmen eine wichtige Unterstützung für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Ostalbkreis.
Eine frühzeitige Berufsorientierung und das gemeinsame Tun von verschiedenen Akteuren am Übergang Schule-Beruf tragen entscheidend dazu bei, damit nahtlose Übergänge von der Schule in den Beruf gelingen und der Fachkräftebedarf besser gedeckt werden kann. Für die Wirksamkeit der Maßnahmen liefern die Zahlen der Erhebungen des Statistischen Landesamtes sowie die Werdegangszahlen des Bildungsbüros zahlreiche Argumente.
Dieses positive Übergangsverhalten an den allgemeinbildenden und Beruflichen Schulen, belegt mit aktuellen Zahlen, wird in der Sitzung des Kreistags im Detail vorgestellt.