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Vorlage - 078/2023  

 
 
Betreff: Pflegepolitisches Positionspapier "Gute Pflege braucht das Land"
Status:öffentlich  
Federführend:Beratung, Planung, Prävention   
Beratungsfolge:
Kreistag Entscheidung
23.05.2023 
Sitzung des Kreistags ungeändert beschlossen   
Anlagen:
Anlage 1 - Pflegepolitisches Positionspapier 2020
Anlage 2 - Pflegepolitisches Positionspapier 2023

Antrag der Verwaltung

 

Der Ostalbkreis unterstützt das Pflegepolitische Positionspapier „Gute Pflege braucht das Land“ des Landkreistags Baden-Württemberg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation

 

Der demografische Wandel bringt insbesondere im Bereich der Pflege Herausforderungen mit sich, denen mit stimmigen Handlungsstrategien und konkreten Lösungsansätzen begegnet werden muss. Der Bundesgesetzgeber hat mit den Pflegestärkungsgesetzen I bis III, dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz und mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz erste Antworten formuliert. Die eingeleiteten Maßnahmen sind jedoch noch nicht weitreichend genug, um die Versorgungssysteme zukunftsfest zu machen.

 

Neben den schwerpunktmäßig auf Bundesebene zu ergreifenden Initiativen gilt es natürlich auch auf Landesebene, die dort vorhandenen Möglichkeiten der Gestaltung auszuschöpfen und weiterzuentwickeln. Mit dem im Jahr 2020 vom Landkreistag Baden-Württemberg vorgelegten pflegepolitischen Positionspapier wird für die Landesebene anhand von zehn Vorschlägen aufgezeigt, in welchen primären Bereichen konkrete Handlungsnotwendigkeiten gesehen werden (Anlage 1).

 

Der Landkreistag will mit dem pflegepolitischen Positionspapier „Gute Pflege braucht das Land“, das in einer Arbeitsgruppe aus Sozialdezernentinnen und Sozialdezernenten der Landkreise, Altenhilfefachberatungen der Landkreise, dem Kommunalverband für Jugend und Soziales und der Geschäftsstelle des Landkreistags erarbeitet wurde, einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass die Pflege in Baden-Württemberg zukunftsweisend weiterentwickelt und die Situation pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen weiter verbessert wird.

 

Im Herbst 2022 wurde erneut eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Ziel, das pflegepolitische Positionspapier aus dem Jahr 2020 im Lichte der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen fortzuschreiben. Neben der Verstärkung der bereits bekannten demografischen Entwicklungen zwingen auch die strukturellen Rahmenveränderungen und die damit einhergehende Neujustierung des gesamten Hilfesystems zu fortwährenden Weiterentwicklungen. Als Ergebnis der Arbeitsgruppe ist das Positionspapier „Gute Pflege braucht das Land - mit starken Kommunen in gemeinsamer Verantwortung“ entstanden (Anlage 2), das eine Ergänzung zum ersten Positionspapier darstellt.

 

 

II. Positionspapier des Landkreistags Baden-Württemberg „Gute Pflege               braucht das Land“ - Relevanz für den Ostalbkreis

 

Einige der in den beiden Positionspapieren genannten Vorschläge haben auch Relevanz für den Ostalbkreis und werden im Folgenden erläutert. Die Ziffern beziehen sich auf das Positionspapier 2020 bzw. die Ergänzungen im Positionspapier 2023.

 

1. Basisdaten zur Ermittlung von Bedarfslagen in der Pflege

 

Jahrelang stellte das Land im Rahmen des Landespflegeplans den Stadt- und Landkreisen eine Berechnung von Bedarfseckwerten für die stationäre und teilstationäre Pflege zur Verfügung. Auf dieser Grundlage konnten örtliche Bedarfsplanungen entwickelt werden. Nach dem Wegfall der Investitionsförderung für stationäre Pflegeeinrichtungen sah das Land keine Veranlassung mehr für eine Fortschreibung, sondern verwies diesbezüglich auf die kommunale Zuständigkeit. Daraufhin hatten Landkreistag und Städtetag eigene Berechnungen in Auftrag gegeben, zuletzt mit einem Planungshorizont bis zum Jahr 2025.

 

Für die Bedarfsplanung auf Kreisebene sind solide Planungsdaten unerlässlich. Der Landkreistag fordert deshalb schon seit Jahren vom Land, dass es die Ermittlung valider Basisdaten zur Ermittlung von Bedarfslagen in der Pflege initiiert und entsprechende Planungsdaten für die Stadt- und Landkreise bereitstellt. Sollte das Land diese Forderung erfüllen, wäre dies auch ein Gewinn für die Sozialplanung des Ostalbkreises.

 

Für die aktuelle Bedarfsplanung des Ostalbkreises, deren Ergebnisse noch in diesem Jahr vorliegen werden, wurde der KVJS beauftragt.

 

3. Neue Konzepte für die Kurzzeitpflege

 

Wie im pflegepolitischen Positionspapier erläutert wird, ist der Bereich der Kurzzeitpflege einer der entscheidenden Bausteine für die Sicherung ambulanter Versorgungssettings. Um verlässliche Strukturen und ausreichende Kapazitäten zu erreichen, sind solitäre Kurzzeitpflegeangebote unerlässlich.

 

Um eine zeitnahe Übergangspflege im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt gewährleisten zu können, unterstützt der Ostalbkreis den Aufbau einer Kooperation zwischen den Kliniken Ostalb und der Vinzenz von Paul gGmbH (Pflegeheim St. Anna in Schwäbisch Gmünd) und der Stiftung Haus Lindenhof (Pflegeheim St. Elisabeth in Aalen).

 

Im Rahmen des Innovationsprogramms Pflege 2023, welches insbesondere der Stärkung von qualifizierten Kurzzeitpflege- oder Verhinderungspflegearrangements sowie von Tages- und Nachtpflegeangeboten dient, wurde im Januar 2023 eine Förderung zum Aufbau neuer und innovativer Strukturen beantragt.

 

Das Modellvorhaben beinhaltet den Aufbau einer Kooperation im Rahmen eines Case Management gestützten Projektes zum Betreiben von jeweils vier solitären Kurzzeitpflegeplätzen in den beiden Pflegeheimen, die exklusiv für Patienten der Kliniken Ostalb zur Verfügung stehen. Ziel ist eine frühzeitige Rückkehr des Patienten in die gewohnte häusliche Umgebung oder Verlegung, z.B. in eine Reha-Einrichtung. Die Kooperation beinhaltet eine verschlankte Dokumentation durch professionelles Case Management sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kliniken Ostalb und den Pflegeeinrichtungen.

 

Erste positive Signale aus dem Ministerium zum Förderantrag stimmen optimistisch.

 

4. Schaffung einer Informations- und Beratungsplattform zum Thema Pflege

 

Die Schaffung einer landesweit einheitlichen Informationsplattform wäre sehr zu begrüßen, da eine Informations- und Beratungsplattform nur transparent ist, wenn auch alle vorhanden Angebote aufgeführt sind. Eine Transparenz kann nur geschaffen werden, wenn alle Leistungsanbieter ihre Daten verbindlich auf einer einheitlichen Plattform einstellen und pflegen. Durch eine einheitliche Informations- und Beratungsplattform werden Doppelstrukturen vermieden und alle Landkreise haben das gleiche Angebot. Eine videotelefonische Erstberatung durch die Pflegestützpunkte wäre ein gutes Angebot, um die Angebotspalette der Pflegestützpunkte zu erweitern.

 

Der Ostalbkreis hat in diesem Bereich schon Maßnahmen getroffen. Der Pflegestützpunkt Ostalbkreis bietet seit Mai 2021 Videoberatungen an und beim Pflegeführer Ostalb wird aktuell ein Relaunch durchgeführt. Zukünftig sind die Pflege- und Unterstützungsstrukturen wie Pflegeeinrichtungen, Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeinrichtungen, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Intensiv- und Pflegedienste, Angebote nach der UstA-VO (Unterstützungsangebote-Verordnung des Landes), ambulante und stationäre Hospizangebote, Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Fahrdienste, Essen auf Rädern, betreutes Wohnen und Beratungsangebote des Ostalbkreises im Pflegeführer Ostalb abgebildet.

 

5. Stärkung der kommunalen Rolle in der Pflege

 

Mit den sogenannten „Modellkommunen Pflege“ sollte den Stadt- und Landkreisen die Möglichkeit eröffnet werden, in den Bereichen Hausbesuche, Pflegekurse und Pflegeberatung von den Kranken- und Pflegekassen Aufgaben zu übernehmen und verstärkt mit ihnen zu kooperieren. Auch der Ostalbkreis zeigte ursprünglich Interesse an diesem bundesweiten Projekt. Allerdings ist es nicht gelungen, den für die Umsetzung notwendigen finanziellen Rahmen für die Kreise zu schaffen. Obwohl die Pflege- und Krankenkassen sowie das Sozialministerium sich gegenüber dem GKV-Spitzenverband und dem Bundesgesundheitsministerium mehrfach für eine Lösung eingesetzt haben, konnte keine tragfähige Finanzierung vereinbart werden. Die bundesweit drei Antragsteller aus Baden-Württemberg haben deshalb zwischenzeitlich Abstand von einer Umsetzung der Modellkommune genommen und ihre Anträge zurückgezogen.

 

6. Kommunale Pflegekonferenzen

 

Die kommunale Pflegekonferenz ist ein gutes Instrument, um gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen, Pflegekassen und Akteuren im Vor- und Umfeld der Pflege, Seniorenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement regionale Fragestellungen der notwendigen kommunalen Pflege- und Unterstützungsstruktur zu beraten und Projekte und Maßnahmen in den Raumschaften im Schulterschluss umzusetzen.

 

Im September 2022 ist die Projektförderung der Pflegekonferenz Ostalbkreis ausgelaufen. Dennoch wird die Pflegekonferenz auch im Jahr 2023 fortgeführt. Im Februar wurde eine Lenkungsgruppe eingerichtet und von dieser das Schwerpunktthema „Ehrenamt im Vor- und Umfeld der Pflege“ für das Jahr 2023 festgelegt.

 

Die Pflegekonferenz wird aktuell von der Altenhilfefachberaterin im Rahmen ihres Stellen- und Aufgabenkontingents (insgesamt 0,5-Stelle) koordiniert.

 

Aus Sicht der Landkreisverwaltung kann die Forderung nach einer dauerhaften, institutionellen Förderung der Pflegekonferenzen auf Kreisebene sowie einem sog. Regionalbudget, das den Pflegekonferenzen zur Verfügung gestellt wird, nur unterstrichen werden.

 

 

 

 

7. Pflegepersonal/Fachkräfte

 

Ausbildung

 

Mit dem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe sollte der Grundstein für eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Pflegeausbildung für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege gelegt werden, um in erster Linie die Pflegeberufe attraktiver zu gestalten und dadurch dem Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken. Der mit der neuen generalistischen Pflegeausbildung verbundene hohe organisatorische Aufwand ließ jedoch befürchten, dass die Ausbildungsbereitschaft vor allem kleinerer stationärer Einrichtungen oder ambulanter Pflegedienste sinkt.

 

Den Stadt- und Landkreisen wurden deshalb Fördermittel zur Einrichtung von Koordinierungsstellen zur Verfügung gestellt im Umfang von 50 %, maximal 30.000 Euro pro Jahr. Der Förderzeitraum wurde zwischenzeitlich zweimal verlängert, aktuell bis zum 30.09.2023.

 

Personalmanagement

 

Seit Jahren steigt die Lebenserwartung und die Zahl älterer Menschen. Entsprechend wächst die Nachfrage nach professioneller Pflege und Unterstützung im Alltag. Qualifiziertes Personal wird zu einer immer wertvolleren Ressource in der heutigen stetig wachsenden Arbeitswelt. Wie im pflegepolitischen Positionspapier erläutert, reichen neben den Anstrengungen im Ausbildungsbereich die bisherigen Maßnahmen zur Personalgewinnung und Personalerhaltung von Fachkräften nicht aus.

 

Um diesem Engpass begegnen zu können, hat der Ostalbkreis die Pflegekampagne „Herz Plus Ostalb“ zur Stärkung der Pflegeberufe sowie ein Ostalbkreis-Bündnis zur Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte ins Leben gerufen.

 

Die Pflegekampagne „Herz Plus Ostalb“ soll den Pflegeberuf nachhaltig stärken und dem Fachkräftemangel in der Altenpflege entgegenwirken. Ziel ist es, den Pflegeberufen mehr Wertschätzung entgegenzubringen, die Ausbildung zu stärken und wieder mehr Pflegefachkräfte zu gewinnen.

 

Mit der Gründung des Ostalbkreis-Bündnisses im Februar 2023 können durch gebündelte Kraftanstrengungen Fachkräfte aus dem Ausland angeworben und integriert werden mit dem Ziel, dem Fachkräftemangel im Ostalbkreis zu begegnen.

 

Der Ostalbkreis stellt sich so den Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel, die steigende Pflegebedürftigkeit, den Fachkräftemangel und sinkende familiäre Pflegepotentiale auf die Gesellschaft zukommen.

 

8. Fortführung der Quartiersarbeit

 

Zur langfristigen Sicherung der Versorgungsstrukturen bedarf es neben der Vernetzung aller Akteure vor Ort und der Einbeziehung des zivilgesellschaftlichen Engagements auch der Begleitung durch einen hauptamtlichen Kümmerer in den Kommunen und Quartieren. Um in den Kommunen sogenannte „Caring Communities“ zu etablieren und professionelle Struktu-

 

ren aufzubauen, bedarf es einer langfristigen Finanzierung der Quartiers- und Kümmererstellen.

 

Die Altenhilfefachberatung des Ostalbkreises entwickelt derzeit ein Konzept - gemeinsam mit einer Kommune und einem Träger, wie die sogenannte „Caring Community“ vor Ort etabliert werden kann und wie eine Vernetzungsstelle (Gemeinwesenkoordination) eingerichtet sowie das Sozialraumbudget für den Auf- und Ausbau von Unterstützungsstrukturen vor Ort genutzt werden kann. Das Konzept wird der Landkreis beim Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg einreichen und für ein Pilotmodell werben.

 

Die Landkreisverwaltung begrüßt und unterstützt die Förderung einer dauerhaften und verlässlichen Quartiersentwicklung, die Einführung einer Basisfinanzierung für professionelle Kümmerstrukturen auf Landkreisebene und die Einführung eines Sozialraumbudgets in Höhe von mindestens einem Euro pro Kreiseinwohner.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

 

  1. Pflegepolitisches Positionspapier „Gute Pflege braucht das Land“

 

  1. Pflegepolitisches Positionspapier „Gute Pflege braucht das Land - mit starken Kommunen
    in gemeinsamer Verantwortung“

 

 

Sichtvermerke

 

gez. Joklitschke, Stabsstelle V/01

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1 - Pflegepolitisches Positionspapier 2020 (1917 KB)    
Anlage 2 2 Anlage 2 - Pflegepolitisches Positionspapier 2023 (738 KB)