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Vorlage - 064/2023  

 
 
Betreff: Jugendgerichtshilfe im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme
02.05.2023 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation:

 

Hintergründe und Ursachen für Kriminalität im Kindes- und Jugendalter sind nach wie vor wissenschaftlich nicht zweifelsfrei belegt und somit äußerst vielschichtig und komplex.

 

Über die Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren gibt es seit jeher unterschiedliche Sichtweisen. Dies hängt damit zusammen, dass die erzieherisch-sozialpädagogische Komponente in das justiziable System eingebunden wird. Die Mitarbeitenden der Jugendgerichtshilfe befinden sich daher in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungshaltungen.

Neben den justiziablen Reaktionen besteht teilweise die gesellschaftliche Erwartung, dass mit harten Maßnahmen auf Straftaten reagiert werden muss. Demgegenüber steht der sozialpädagogische Aspekt, dass sich junge Menschen durch erzieherische Maßnahmen mit ihrer Delinquenz auseinandersetzen und alternative Handlungsstrategien entwickeln sollen.

 

Der Erziehungsgedanke als Grundsatz im Jugendstrafrecht zielt darauf ab, dass junge Menschen in erster Linie nicht bestraft, sondern erzogen werden sollen.

 

Das Tätigkeitsfeld und Selbstverständnis der Jugendgerichtshilfe hat sich in den zurückliegenden Jahren spürbar verändert, nicht zuletzt ausgelöst durch den gesellschaftlichen Wandel und die stets fortschreitende Professionalisierung im Tätigkeitsfeld der Jugendgerichtshilfe.

 

Am 13.12.2019 sind diesbezüglich in Deutschland das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung und am 17.12.2019 das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren in Kraft getreten.

 

Diese Gesetze folgen dem Grundsatz: Jugendstrafrecht ist Erziehungsstrafrecht. Der Grundsatz gilt sowohl für die deutsche Gesellschaft als auch für den gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen, den sich die EU-Mitgliedsstaaten gesetzt haben.

 

Durch diese Neuerungen sollen Jugendgerichtshilfen frühzeitig von der Polizei über verübte Straftaten der Jugendlichen/ Heranwachsenden informiert werden, um zeitnah reagieren zu können.

 

Aufgrund dessen sind die Zahlen der polizeilichen Mitteilungen seit 2019 stark angestiegen.

 

II. Jugendgerichtshilfe im Ostalbkreis als Aufgabe der Jugendhilfe

 

Die Jugendgerichtshilfe gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Jugendamtes und ist demnach dem Geschäftsbereich Jugend und Familie zugeordnet. Im Ostalbkreis ist sie als spezialisierter Fachdienst mit vier Vollzeitstellen ausgestattet, mit je zwei Mitarbeitenden in Aalen und zwei in der Dienststelle Schwäbisch Gmünd.

 

 

 

 

Die Mitwirkung der Jugendhilfe in Jugendstrafverfahren ist in § 52 Sozialgesetzbuch VIII

(SGB VIII) geregelt und bezieht sich auf Jugendliche und Heranwachsende. Jugendlich ist, wer zum Zeitpunkt der Tat 14 bis unter 18 Jahre alt ist, heranwachsend ist, wer zum Zeitpunkt der Tat 18 bis unter 21 Jahre alt ist. Im Jahr 2022 waren 971 Jugendliche und Heranwachsende im Ostalbkreis strafrechtlich in Erscheinung getreten und als Fälle bei der Jugendgerichtshilfe anhängig.

 

Jugendkriminalität ist gerade auch angesichts der jüngsten Ereignisse ein gesellschaftlich brisantes und die Öffentlichkeit stets begleitendes Thema, insbesondere bei der Frage, ob das Alter der Strafmündigkeit herabgesetzt werden muss.

 

III.  Praxis und Aufgaben der Jugendgerichtshilfe

 

Die Jugendgerichtshilfe ist in den gesamten Ablauf des Jugendstrafverfahrens eingebunden.

 

Die Leistungen der Jugendgerichtshilfe und der Jugendhilfe haben zum Ziel, die Persönlichkeit eines jungen Menschen zu fördern, weitere Straftaten zu vermeiden und zu einer gelingenden Sozialisation beizutragen. Art und Umfang der Hilfen richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall. Dabei soll das soziale Umfeld der Eltern und jungen Menschen einbezogen werden.

 

Die Jugendgerichtshilfe bringt in einer sozialpädagogischen Stellungnahme die erzieherischen, sozialen und individuellen Gesichtspunkte in das Verfahren ein und schlägt Maßnahmen vor, die dazu führen sollen, weitere Straftaten zu vermeiden. Werden in einer Gerichtsverhandlung Weisungen verhängt, werden die Maßnahmen von der Jugendgerichtshilfe eingeleitet, überwacht und begleitet.

 

Vereinfachte Verfahren ohne Beteiligung des Gerichts, im Rahmen der Diversion, sind eine weitere Aufgabe der Jugendgerichtshilfe. Bei einer Diversion sieht die Staatsanwaltschaft von der Erhebung einer öffentlichen Klage ab und führt das Verfahren in Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe durch, sofern das Vergehen von dem Beschuldigten eingeräumt wird. Im Diversionsverfahren bekommen die jungen Menschen Weisungen auferlegt, die von der Jugendgerichtshilfe eingeleitet und überprüft werden. Werden diese erfüllt, wird das Verfahren eingestellt. Durch diese Vorgehensweise sollen Stigmatisierungen (durch Verurteilungen) verhindert werden.

 

Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich ist zudem die Beteiligung bei Haftentscheidungen und bei der Haftbetreuung. Nach Möglichkeit soll eine Untersuchungshaft vermieden werden.

Zumindest aber soll durch Resozialisierungsmaßnahmen versucht werden, nach der Haftentlassung eine gelingende Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen.

 

Um die genannten Ziele zu erreichen, ist für die Jugendgerichtshilfe eine enge Vernetzung zu Jugendgerichten, Staatsanwaltschaften, der Polizei und sonstigen Kooperierenden unabdingbar.

 

Ergeben sich bei der intensiven Arbeit mit den jungen Menschen und ihren Familien herausfordernde Lebensumstände und erzieherische Bedarfe, so ist zu prüfen, inwieweit die Unterstützung der Jugendgerichtshilfe ausreicht oder weitere Angebote von Kooperierenden

erforderlich werden.

 

 

Mögliche Auflagen und Weisungen im Rahmen von Diversions- bzw. Gerichtsverfahren sind:

 

        Arbeitsweisungen

        Geldauflagen

        Schulbesuchsweisungen

        Leseweisungen oder Aufsätze zur Auseinandersetzung mit der Tat

        Betreuungsweisungen

        Soziale Trainingskurse

        Anti-Gewalt-Training

        Täter-Opfer-Ausgleich

        Schadenswiedergutmachung

        Persönliche Entschuldigung

        Verkehrsunterricht

        Suchtberatung (BAST-Kurse)

        Durchführung von Drogenscreenings

 

 

IV.  Deliktverteilung der Jahre 2020/ 2021/ 2022

 

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die im Jahr 2022 angefallenen Kosten für Soziale Trainingskurse, das Anti-Gewalt-Training,

Betreuungsweisungen und die dazu notwendigen Dolmetscherkosten belaufen sich auf

ca. 18.000 €.

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Funk, Geschäftsbereichsleiterin

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Landrat Dr. Bläse, i. V. Seefried