Bürgerinformationssystem

Vorlage - 201/2022  

 
 
Betreff: Bericht zum Bürgergeld
Status:öffentlich  
Federführend:Jobcenter Ostalbkreis Beteiligt:D e z e r n a t V
Beratungsfolge:
Ausschuss für Arbeit und Grundsicherung Kenntnisnahme
09.12.2022 
Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Grundsicherung zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

Unter der Überschrift „Mehr Chancen, mehr Respekt, mehr Zusammenhalt“ hat die Regierungskoalition das neue Bürgergeld auf den Weg gebracht. Es wird das allgemein unter „Hartz IV“ bekannte Arbeitslosengeld II wesentlich verändern. Es sind sowohl weitreichende Veränderungen im Kontext des Leistungsbezugs als auch bei der Förderung der beruflichen Integration beinhaltet. Nachdem der Gesetzesentwurf der Regierung im Bundesrat keine Zustimmung fand, hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat sich am 23.11.2022 auf einen Kompromiss geeinigt. Das Gesetz wurde am 25.11.2022 in beiden Häusern verabschiedet und tritt zum 01.01.2023 in Kraft.

 

Im Folgenden werden die wesentlichen Veränderungen vorgestellt.

 

Veränderungen im Bürgergeldgesetz

 

Veränderungen bei der Leistungsgewährung

 

Erhöhung der Regelsätze

 

Die Fortschreibungen der Regelbedarfe spiegeln künftig die zu erwartende

regelbedarfsrelevante Preisentwicklung zeitnaher und damit wirksamer wider. Dazu werden die aktuellsten verfügbaren Daten über die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung für die Fortschreibung zusätzlich berücksichtigt. Damit wird auch der in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 enthaltenen Vorgabe Rechnung getragen: Es wird bei stark steigender Preisentwicklung eine zeitnahe Reaktion gewährleistet, damit es nicht zu einer offensichtlichen und erheblichen Diskrepanz kommt zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Preise von regelbedarfsrelevanten Gütern und Dienstleistungen im Vergleich zu der bei der Fortschreibung der Regelbedarfe berücksichtigten Entwicklung. Als Folgewirkung steigen die Regelbedarfe zum 1. Januar 2023 deutlich an.

 

 

 

Karenzzeiten für Wohnen und Vermögen

 

Um den Leistungsberechtigten zu ermöglichen, sich bei gleichzeitiger Existenzsicherung auf die Arbeitsuche zu konzentrieren, soll im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit für die zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und für die Berücksichtigung von Vermögen gelten. In diesem Zeitraum wird bei der Bedürftigkeitsprüfung Vermögen nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist (nicht erheblich: 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft). Auch selbst genutztes Wohneigentum wird unabhängig von seiner Fläche von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen.

Bei Mietwohnungen und bei selbstgenutztem Wohneigentum werden außerdem die Aufwendungen für Unterkunft in diesem Zeitraum in tatsächlicher Höhe anerkannt. Die Heizkosten werden in angemessener Höhe anerkannt und übernommen.

 

Verbesserungen bei der Vermögensfreistellung

 

Während des ersten Bezugsjahres gelten für die Vermögensprüfung höhere Freibeträge. Auch nach Ablauf dieser Karenzzeit wird die Vermögensprüfung entbürokratisiert und die Freibeträge für die Bürgergeldbeziehenden werden auf 15.000 Euro pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angehoben.

Die bei selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen als angemessen anerkannten Wohnflächen werden in größerem Umfang als bisher freigestellt. Die weiteren vollständig freigestellten Vermögensgegenstände werden erweitert. So sind künftig alle Versicherungsverträge, die der Alterssicherung dienen, nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Ebenso ist ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person nicht zu berücksichtigen – die Angemessenheit des Verkehrswertes wird künftig vermutet, sofern dies bei Antragstellung erklärt wird.

 

Erhöhte Freibeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende, Auszubildende und

Erwachsene

 

Anlässlich der Einführung des Bürgergeldes werden die Grundabsetzbeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende auf 520 Euro erhöht, um die Erfahrung zu verstärken, dass sich eine Arbeitsaufnahme auszahlt. Damit werden die Chancen für Kinder und Jugendliche verbessert und die Ungleichheit zwischen Kindern und Jugendlichen aus hilfebedürftigen Familien und solchen, die es nicht sind, verringert. Gleichzeitig wird insbesondere für Studierende und Auszubildende ein Anreiz zur Aufnahme beziehungsweise zum Aufrechterhalten einer Beschäftigung erhöht.

Mit der Erhöhung des Freibetrags ab 01.07.2023 im Bereich zwischen 520 und 1.000 Euro von 20 auf 30 Prozent des erzielten Erwerbseinkommens steigt der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze.

 

Weitere Änderungen im Bereich Einkommen

 

  • Einkommen aus Ferienjobs werden anrechnungsfrei (bisher: Höchstbetrag von 2.400 Euro pro Kalenderjahr)
  • Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten bleiben bis zu einem Betrag von 3.000 Euro jährlich anrechnungsfrei
  • Mutterschaftsgeld wird nicht als Einkommen berücksichtigt
  • Einmalige Einnahmen werden nur im Zuflussmonat als Einkommen berücksichtigt

 

Bagatellgrenze

 

Zur Rechtsvereinfachung, die insbesondere die Verwaltung entlasten soll, wird eine sogenannte Bagatellgrenze für Rückforderungen in Höhe von 50 Euro eingeführt.

 

Altersrente

 

Die Pflicht zur Inanspruchnahme vorzeitiger (mit Abschlägen belegter) Renten wegen Alters entfällt befristet für die Zeit vom 01.01.2023 bis 31.12.2026.

 

 

 

 

Veränderungen bei der beruflichen Integration

 

Einführung eines Plans zur Verbesserung der Teilhabe (Kooperationsplan)

 

Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird durch einen gemeinsam erarbeiteten Kooperationsplan abgelöst. Dieser dokumentiert in klarer und verständlicher Sprache die gemeinsam entwickelte berufliche Eingliederungsstrategie. Der Kooperationsplan wird regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Werden festgehaltene Absprachen nicht eingehalten, sollen die Leistungsberechtigten dazu mit Rechtsfolgenbelehrung aufgefordert werden. Wird der Aufforderung ohne wichtigen Grund keine Folge geleistet, zieht dies Sanktionen nach sich.

 

Wahrnehmung von Beratungsterminen

 

Die Wahrnehmung von Beratungsterminen ist eine Grundvoraussetzung für eine vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Integrationsfachkräften und Leistungsberechtigten. Sie sollen grundsätzlich formlos und ohne Rechtsfolgebelehrung erfolgen. Wenn es notwendig ist, können Einladungen mit Rechtsfolgen verknüpft werden. Meldeversäumnisse können dann sanktioniert werden.

 

Ganzheitliche Betreuung

 

Zur Verbreiterung des Förderspektrums wird die ganzheitliche Betreuung (Coaching) als Regelinstrument in das Bürgergeldgesetz aufgenommen. Diese verfolgt das Ziel eines grundlegenden Aufbaus der Beschäftigungsfähigkeit von Leistungsberechtigten, die aufgrund vielfältiger individueller Problemlagen besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen. Das Coaching kann auch aufsuchend oder beschäftigungsbegleitend stattfinden.

 

Abschaffung des Vermittlungsvorrangs

 

Der Vermittlungsvorrang wird mit dem Ziel einer dauerhaften Eingliederung in Arbeit abgeschafft. Durch den Einsatz der Eingliederungsinstrumente sollen kurzfristige Beschäftigungen vermieden und nachhaltige Integrationen gestärkt werden.

 

Qualifizierung und Weiterbildungsgeld

 

Um weitere Anreize für Qualifizierungen zu schaffen und den Leistungsberechtigten einen Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu eröffnen, erhalten Teilnehmende an berufsabschlussbezogenen Weiterbildungen ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro. Bereits jetzt sieht das SGB II befristet Prämienregelungen für erfolgreiche Zwischen- und Abschlussprüfungen vor. Diese werden im Bürgergeld entfristet. Abschlussbezogene Umschulungen können bei Bedarf bis zu drei Jahren gefördert werden, anstatt wie bisher nur zwei Jahre.

 

Bürgergeldbonus

 

Für die Teilnahme an Maßnahmen, die für eine nachhaltige Integration von besonderer Bedeutung sind, wird ein Bürgergeldbonus von monatlich 75 Euro eingeführt.

 

Entfristung des Sozialen Arbeitsmarktes

 

Die Regelungen zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ werden entfristet und dauerhaft im Gesetz verankert. Darunter fallen die Regelungen zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II, die besonders arbeitsmarktfernen Menschen eine soziale Teilhabe durch längerfristige (bis zu 5 Jahren) öffentlich geförderte Beschäftigung ermöglicht.

 

Neuregelung der Leistungsminderungen - Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)

 

Die vom BVerfG geforderte Neuregelung der Leistungsminderungen wird umgesetzt. Dieser liegt der durch das BVerfG bestätigte Leitgedanke zugrunde, dass der Gesetzgeber an Mitwirkungspflichten festhalten und sie mit verhältnismäßigen Mitteln durchsetzbar ausgestalten darf. Die Neuregelung enthält folgende Kernelemente:

 

  • Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen höchstens 30 Prozent des Regelbedarfes. Die Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert.
  • Die Leistungsminderung beträgt 10 Prozent für einen Monat bei einer Pflichtverletzung. Bei einer weiteren Pflichtverletzung beträgt die Leistungsminderung 20 Prozent für zwei Monate. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent für drei Monate des Regelbedarfes.
  • Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn dies zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde.
  • Laufende Leistungsminderungen werden aufgehoben, wenn die Mitwirkungspflichten nachträglich erfüllt werden oder der Leistungsberechtigte glaubhaft erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.
  • Die bisher verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Leistungsberechtigten entfallen. Im Falle einer Minderung soll ein Beratungs- und Unterstützungsangebot gemacht werden.
  • Leistungsberechtigten wird die Möglichkeit eröffnet, die Umstände ihres Einzelfalles persönlich vorzutragen. Verletzen sie wiederholt Pflichten oder versäumen Meldetermine, soll das Jobcenter sie aufsuchend beraten.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Mit dem Gesetzesentwurf sind voraussichtlich Mehrausgaben verbunden, die von rund 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf bis zu 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2026 anwachsen können. Die Mehr- und Minderausgaben können jedoch erst mit Umsetzung des Bürgergeldes konkret beziffert werden.

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Koch, Geschäftsbereichsleiter

gez. Urtel, Sozialdezernentin in Vertretung Götz

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat