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Vorlage - 125/2022  

 
 
Betreff: Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgungsstrukturen im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Gesundheit   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit Entscheidung
21.06.2022 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

Der Ausschuss für Soziales und Gesundheit nimmt den Bericht zum weiteren Vorgehen zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung im Ostalbkreis zur Kenntnis und stimmt diesem sowie einem Zuschuss von 30.000 Euro für das Pilotprojekt "Hausärztliche Genossenschaft im Schwäbischen Wald" zu.

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

Der Ostalbkreis steht, wie viele andere Landkreise in Deutschland, vor der Herausforderung, die ambulante Gesundheitsversorgung insbesondere im ländlichen Raum zu sichern. Aktuell sind im Landkreis 30,5 Hausarztsitze unbesetzt sowie weitere Facharztsitze in den Bereichen HNO, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Mit der immer größeren Vakanz in der medizinischen und pflegerischen Versorgung steigt der Handlungsdruck für den Landkreis, eine flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung im ländlichen und städtischen Raum sicherzustellen.

 

Gemeinsam mit den Ärzteschaften Aalen und Schwäbisch Gmünd wurden vor diesem Hintergrund im Zeitraum von April bis November 2021 elf Teilraumkonferenzen durchgeführt. Dabei konnte ein erfolgreicher Austausch zwischen der Kommunalpolitik und den Hausärztinnen und -ärzten erzielt werden, bei dem offene Probleme und Wünsche kommuniziert wurden. Es wurde über die aktuelle örtliche Versorgungssituation, über Zukunftspläne und Möglichkeiten zur Sicherstellung der Versorgung diskutiert.

 

Als Ergebnis dieser Teilraumkonferenzen kann festgestellt werden, dass in den einzelnen Teilräumen unterschiedliche Entwicklungen und Handlungsbedarfe erkennbar sind und es in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu teils massiven Versorgungsproblemen kommen wird. Demnach ist die Schaffung von zukunftsfähigen Gesundheitsstrukturen in den einzelnen Teilräumen im Landkreis in enger Abstimmung mit den Ärzteschaften und Kommunen unabdingbar.

 

Resultierend aus den Teilraumkonferenzen im Schwäbischen Wald wurde als eine Lösung zur Sicherstellung und Aufrechterhaltung der dortigen hausärztlichen Versorgung im Mai 2022 eine hausärztliche Genossenschaft gemeinsam mit der DIOMEDES GmbH gegründet. Das genossenschaftlich getragene Hausarztmodell im Schwäbischen Wald mit dem Namen MEDWALD e.G. stellt einen Zusammenschluss mehrerer Hausärzte und Kommunen dar. Ziel ist es, attraktive Arbeitsplätze (Anstellung, Teilzeitmöglichkeit, Entlastung von Verwaltungsaufgaben) für Medizinerinnen und Mediziner zu schaffen und eine wohnortnahe medizinische Versorgung in der Hand der örtlichen Ärzte und Kommunen sicherzustellen. Gleichzeitig soll der Entwicklung, dass private Finanzinvestoren Praxen als Renditeobjekte aufkaufen, entgegengewirkt werden. Aufgrund der gravierenden hausärztlichen Unterversorgung im Schwäbischen Wald (Versorgungsgrad: 63,2 %) wurde dieser Planungsbereich als Pilotregion ausgewählt, in welcher das Genossenschaftsmodell erprobt wird.

 

Auch in den anderen Teilräumen sollen Teilraumkonferenzen als langfristiges Versorgungsmonitoring in größer gefassten Gebieten (ggf. in den fünf Planungsbereichen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg) fortgeführt werden. Hierbei sollen vor allem diejenigen Bereiche zuerst betrachtet werden, bei welchen bereits Versorgungslücken bestehen oder bei denen aller Voraussicht nach in naher Zukunft größere Versorgungslücken eintreten werden. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien haben die Planungsbereiche Ellwangen und Härtsfeld den größten Handlungsbedarf. Daher soll dort mit der Fortführung der Teilraumkonferenzen und der Entwicklung und Umsetzung von zukunftsfähigen und bedarfsspezifischen Versorgungsmodellen und Strukturen zur weiteren Aufrechterhaltung und Sicherstellung der ärztlichen Versorgung unter Einbindung aller relevanten Akteure begonnen werden. Es sollen demnach entsprechende organisatorische Strukturen entwickelt werden, mit denen im Bedarfsfall – z.B. bei ungeregelter Praxisnachfolge – schnellstmöglich reagiert werden kann. Eine Möglichkeit stellt hierbei die Gründung einer hausärztlichen Genossenschaft, ähnlich wie im Schwäbischen Wald, in anderen Teilräumen bzw. Planungsbereichen dar.

Die Berücksichtigung des Ansatzes der sektorenübergreifenden Versorgung des Landes Baden-Württemberg sowie die Entlastung der Ärztinnen und Ärzte von Bürokratie und damit einhergehend die Gewinnung von ärztlichen Ressourcen für die Versorgung sollen im weiteren Verlauf eine zentrale Rolle spielen.

Als wichtige Grundsätze zur Umsetzung weiterer Maßnahmen im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung werden festgelegt:

1. Subsidiarität

Eigene Aktivitäten und Initiativen der Ärzteschaft (Gründungen, Vergrößerungen, Zusammenschlüsse von Praxen, Anstellungen etc.) haben absoluten Vorrang vor kommunalen Initiativen und werden mit Priorität unterstützt und gefördert. In den Teilräumen erfolgt dazu eine regelmäßige enge Abstimmung zwischen den Kommunen und Ärztinnen und Ärzten, nicht nur bei akuten Bedarfslagen.

2. Initiativen der Kommunen und des Landkreises

Eigene Aktivitäten der Kommunen und des Landkreises werden nachrangig, nur soweit sich der Bedarf und die Notwendigkeit zur Sicherung der ärztlichen Versorgung zeigen und nur sofern sie von der Ärzteschaft des Teilraumes auch mitgetragen werden, umgesetzt.

3. Frühzeitige und offene Kommunikation

Eine frühzeitige und offene Kommunikation zwischen den für den Sachverhalt relevanten Akteuren, um Bedarfslagen, Nachbesetzungs- und Abgabeprozesse im Blick behalten und rechtzeitig die notwendigen Schritte einleiten zu können, wird als zentral angesehen.

4. Teilraumkonferenzen

Die Teilraumkonferenzen sollen in größer gefassten Gebieten und u.U. mit weiteren Gesundheitsakteuren als Teil eines langfristigen Versorgungsmonitorings und -dialogs fortgeführt werden.

5. Aufgabe des Landkreises

Der Landkreis schafft unter Berücksichtigung der vorherigen Grundsätze die Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Sicherung der haus- und fachärztlichen Versorgung im Ostalbkreis mit dem Ziel der Nachwuchsgewinnung. Der „Eingriff“ des Landkreises in die ambulante Versorgung wird dabei auf das Notwendigste begrenzt.

6. Aufgabe der Kommunen

Die Kommunen schaffen die Grundlagen und Rahmenbedingungen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung in ihrer Gemeinde, im Bedarfsfall auch durch finanzielle und andere Unterstützungen und Förderungen von vorhandenen bzw. neu zu gründenden Praxen.

Weiteres Vorgehen:

  1. Weiterführung der Teilraumkonferenzen, um den Austausch zwischen Politik und Ärzteschaft zu verfestigen und die ambulante Versorgung zu sichern.
  2. Begleitung und Weiterentwicklung des Pilotprojekts der hausärztlichen Genossenschaft MEDWALD e.G. im Schwäbischen Wald, um die hausärztliche Versorgung dort zu verbessern.
  3. Erweiterung und Fortführung des sektorenübergreifenden Projekts „Primärversorgungsnetzwerk im Schwäbischen Wald“ (vorbehaltlich der erneuten Förderzusage des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg).
  4. Start der Umsetzung von bedarfsorientierten Gesundheitsversorgungsmodellen in den Räumen Härtsfeld und Ellwangen.

Die Vorgehensweise im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung sowie das Zukunftskonzept der Kliniken Ostalb gkAöR sind als Teil eines Gesamtkonzepts der Gesundheitsversorgung im Ostalbkreis zu betrachten.


Finanzierung und Folgekosten

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Phasenmodell zur Gründung einer Genossenschaft im Ostalbkreis

Der Landkreis hat für die Finanzierung der hausärztlichen Genossenschaft im Schwäbischen Wald ein Phasenmodell (siehe Abbildung 1) erarbeitet. Insgesamt werden für diese Genossenschaft Kosten in Höhe von etwa 100.000 € für die Beraterleistungen der DIOMEDES GmbH anfallen.

Die Kosten für die Phasen 1 und 2 (ca. 50.000 €) können dabei über das Förderprojekt Primärversorgung finanziert werden. Da es sich um die erste Genossenschaft und damit um ein Pilotprojekt handelt und darüber hinaus der Schwäbische Wald bereits heute hausärztlich unterversorgt ist, soll ein Teil der Phasen 3 und 4 (30.000 €) vom Landkreis beigesteuert werden. Unter der Kostenstelle 1270010000 „Ärztliche Versorgung im ländlichen Raum“ sind für das Haushaltsjahr 2022 100.000 € eingestellt.

Die weiteren Kosten in Höhe von ca. 20.000 € für die Vorbereitung, Zulassung und Inbetriebnahme sowie den Betrieb möglicher genossenschaftlicher MVZs sowie die Aufrechterhaltung, Fortführung und Erweiterung der Genossenschaft im weiteren Verlauf (Phasen 3 und 4) sollen durch die Genossenschaft bzw. die Kommunen im Schwäbischen Wald getragen werden.  

Sollten für die Umsetzung weiterer Gesundheitsversorgungsmodelle in den anderen Teilräumen bzw. Planungsbereichen Beraterleistungen in Anspruch genommen werden müssen, ist hier im weiteren Verlauf mit zusätzlichen Kosten zu rechnen.

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Kiemel, GB Gesundheit

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat