Bürgerinformationssystem
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Antrag der Verwaltung
Kenntnisnahme
Sachverhalt/BegründungI. Ausgangssituation und Allgemeines
Die Bevölkerung in Deutschland, in Baden-Württemberg und auch im Ostalbkreis wird zunehmend älter und die Lebenserwartung steigt. Diese Tatsache ist grundsätzlich erfreulich. Doch die wachsende Zahl älterer Menschen bringt für die Kommunen, vor allem in der Pflege, auch zahlreiche Herausforderungen mit sich.
Aktuell werden mehr als 4,5 Millionen Menschen in Deutschland ambulant oder stationär gepflegt und erhalten Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Die Pflege hat seit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung mit dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) im Jahr 1995 zur Absicherung von Pflegebedürftigkeit einige Wandlungen erfahren.
Wurden mit den ersten Überarbeitungen, wie dem Pflegeneuausrichtungsgesetz, neben kleinen Neuerungen lediglich die Geldleistungen geringfügig angehoben, so wurden mit den Pflegestärkungsgesetzen I bis III der Jahre 2016 und 2017 umfangreiche Änderungen vollzogen. Anstatt der früheren drei Pflegestufen wurden fünf neue Pflegerade eingeführt, der Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde neu definiert sowie ein neues Begutachtungsverfahren, mit dem u.a. an Demenz erkrankte Menschen mehr Berücksichtigung finden, umgesetzt.
Die jüngste Pflegereform zum 01.01.2022 führte zu weiteren Verbesserungen mit den nachfolgenden maßgeblichen Inhalten wie:
Die Pflegeversicherung blieb nach allen Veränderungen immer eine sogenannte “Teilkasko-Versicherung“, da stets ein gedeckelter Festbetrag an Geldleistungen abgerufen werden kann, die individuelle Pflegeversorgung im Einzelfall meist aber um ein Vielfaches teurer ist.
Die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuchs (SGB XII) deckt sozialhilferechtliche Leistungen für nicht pflegeversicherte Menschen ab und stockt für versicherte, aber bedürftige Personen übersteigende Pflegekosten auf, die aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht gedeckt werden können, weil die gesetzliche Pflegeversicherung hierfür nicht ausreicht.
Die Pflegestärkungsgesetze und die damit verbundenen Leistungsausweitungen haben die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen deutlich verändert. Seit 2015 hat die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in allen Formen der Versorgung stark zugenommen.
Ganzheitlich betrachtet lebt die Mehrheit der pflegebedürftigen Personen in der eigenen Wohnung, wo sie häusliche oder ambulante Pflege in Anspruch nehmen. Unterstützungs- und Entlastungangebote werden verstärkt nachgefragt. Auch das Interesse an Angeboten der Tagespflege ist deutlich gestiegen, während die Nachfrage nach vollstationärer Pflege weniger stark zugenommen hat.
II. Landesweiter Kennzahlenvergleich und Situation im Ostalbkreis
In Baden-Württemberg leben knapp 500.000 pflegebedürftige Personen. Im Ostalbkreis sind derzeit rund 12.500 Menschen pflegebedürftig im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung. Das sind etwa 2,5 Prozent aller pflegebedürftigen Personen im Land bzw. rund 4,0 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner des Ostalbkreises.
Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) erhebt jährlich die landesweiten Kennzahlen für die sozialhilferechtliche Hilfe zur Pflege mit den Landesdurchschnitten und den Vergleich der Stadt- und Landkreise untereinander. Die aktuellste Erhebung für das Jahr 2020 wurde Ende Januar dieses Jahres veröffentlicht.
Im Jahr 2020 gewährten die Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg demnach insgesamt 33.712 Leistungen der Hilfe zur Pflege. Die Leistungen verteilten sich dabei auf 5.586 Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege. Dies sind Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Leistungen für sonstige ambulante Hilfen wie beispielsweise für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen, Pflegehilfsmittel, der Entlastungsbetrag, Beiträge zur Altersversicherung, Verhinderungspflege, Leistungen der Tages- und Nachtpflege und persönliche Budgets. Hinzu kamen 28.126 Leistungen der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen der vollstationären Dauer- und Kurzzeitpflege.
Rund 83 Prozent der Leistungen der Hilfe zur Pflege wurden in vollstationären Einrichtungen gewährt. Die ambulante Hilfe zur Pflege als Pflegesachleistung betrug 8,6 Prozent und die ambulante Hilfe zur Pflege als Pflegegeld 5,7 Prozent aller Leistungen.
Ende des Jahres 2020 erhielten 28.059 Menschen in Baden-Württemberg Hilfe zur Pflege in vollstationären Einrichtungen, davon 817 Personen im Ostalbkreis.
Seit 2001 hat die Zahl der Leistungsempfängerinnen und -empfänger von vollstationärer Hilfe zur Pflege von knapp 21.000 um 34,5 Prozent zugenommen. Ende 2020 erhielten im landesweiten Mittel von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Alter ab 65 Jahren 10,4 Personen Hilfe zur Pflege in vollstationären Einrichtungen. Da auch die Zahl der Menschen im Alter ab 65 Jahren in den letzten Jahren zunahm, stieg die einwohnerbezogene Kennzahl -trotz wachsender Hilfezahlen- nur moderat an. Der Ostalbkreis liegt hierbei mit einem Mittelwert von 10,5 Personen annähernd im Landesdurchschnitt.
Die Verteilung der Pflegestufen von pflegebedürftigen Menschen ist im Land sehr unterschiedlich. Die Verteilung im Ostalbkreis ist unauffällig. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die meisten leistungsempfangenden Personen von Hilfe zur Pflege in Pflegegrad 3 und 4 eingestuft sind.
Seit 2001 zeigt sich eine kontinuierliche Zunahme der Sozialhilfequote unter den Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern in Baden-Württemberg. Im Jahr 2019 betrug die Sozialhilfequote 32 Prozent. Sie lag damit um 5,9 Prozentpunkte über dem Wert von 2001.
Der Anteil der leistungsempfangenden Personen in der Hilfe zur Pflege unter den jüngeren Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern ist mehr als doppelt so hoch wie unter den älteren Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern. Der Grund hierfür liegt vermutlich in der schlechteren Einkommenssituation der Leistungsempfängerinnen und -empfänger unter 65 Jahren. Sie verfügen bei Erwerbsunfähigkeit über keine oder geringere Rentenansprüche und sind daher häufiger auf Sozialhilfe angewiesen.
Im Jahr 2020 wurden landesweit insgesamt 5.653 Leistungen der ambulanten und teilstationären Hilfe zur Pflege gewährt. Mit Ausnahme der sonstigen ambulanten Leistungen, wie beispielsweise für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen, Pflegehilfsmittel, der Entlastungsbetrag oder Beiträge zur Altersversicherung, spielten die anderen ambulanten und teilstationären Leistungen der Hilfe zur Pflege nur eine untergeordnete Rolle. Diese Situation spiegelt sich auch im Ostalbkreis wider.
Die Zahl der gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Kurzzeitpflege im Jahresverlauf bezogen auf die Bevölkerungszahl je 10.000 beträgt in Baden-Württemberg 12,1, im Ostalbkreis 6,4. Die hier dargestellten Daten sind lediglich als Anhaltspunkte zu verstehen, da eine valide Aussage aufgrund der geringen Fallzahlen kaum möglich ist.
Im Jahr 2020 betrug der Nettoaufwand für leistungsempfangende Personen von vollstationärer Hilfe zur Pflege in Baden-Württemberg 446,4 Millionen Euro. Im Jahr 2019 waren es noch 386,1 Millionen. Dies entspricht einem Zuwachs von 15,8 Prozent. Im Ostalbkreis waren im Jahr 2020 über 13 Millionen Euro an Aufwendungen hierfür zu erbringen.
Der deutliche Anstieg des baden-württembergischen Nettoaufwandes in der vollstationären Hilfe zur Pflege von 2019 auf 2020 hängt unter anderem mit dem Angehörigenentlastungsgesetz zusammen, das zum 01.01.2020 in Kraft getreten ist. Danach kann der Träger der Sozialhilfe erst auf das Einkommen von unterhaltsverpflichteten Eltern und Kindern pflegebedürftiger Eltern zurückgreifen, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen 100.000 € übersteigt. Damit entfällt ein Großteil der Einnahmen bei der Hilfe zur Pflege.
Weitere Ursachen sind die Zunahme hochbetagter Menschen in Baden-Württemberg, die Zunahme von älteren Menschen, die durch Lücken in der Erwerbsbiografie und sinkende Rentenansprüche im Alter ein geringes Einkommen haben, die Zunahme der Kosten in der Pflege, die im Rahmen der Landesheimbau-Verordnung erforderlichen Um- und Neubaumaßnahmen, die häufig mit steigenden Pflegesätzen einhergehen, und die geringen Rentenansprüche bei Erwerbsunfähigkeit von Personen unter 65 Jahren. Hinzu kommt, dass die Bandbreiten der Personalschlüssel in den Landesrahmenverträgen die vergangenen Jahre deutliche Verbesserungen beinhaltet haben.
Durchschnittlich wurden im Jahr 2020 in Baden-Württemberg 41,40 Euro pro Einwohnerin bzw. Einwohner für die vollstationäre Hilfe zur Pflege ausgegeben. Der Aufwand hat hier in den letzten Jahren stetig zugenommen: Er betrug vor zehn Jahren noch 27,20 Euro. Im Ostalbkreis belief sich der Aufwand 2020 ebenfalls auf 41,40 Euro.
Die durchschnittlichen Fallkosten betrugen im baden-württembergischen Vergleich im Jahr 2020 15.910 Euro pro Leistungsempfängerin bzw. Leistungsempfänger. Im Ostalbkreis lag der Wert bei 15.920 Euro, was annähernd dem Landesdurchschnitt entspricht.
III. Auswirkungen der Pflegereform 2022 im Ostalbkreis und Ausblick
Die Einführung der Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile in der vollstationären Pflege ab 01.01.2022 hat zu einer erwarteten Fallabnahme bei der Hilfe zur Pflege geführt, allerdings nicht im zuerst prognostizierten Umfang, da die Verweildauer in den Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgegangen ist und durch die Staffelung des prozentualen Leistungszuschlages nur ein kleiner Anteil von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern die hohen Zuschüsse seit diesem Jahr erhalten.
Nach einem Zuwachs der Fälle im Ostalbkreis auf 817 leistungsbeziehende Personen in einer vollstationären Pflegeeinrichtung im Jahr 2020 hat sich die Zahl Ende Dezember 2021 auf rund 780 Personen etwas verringert und ist momentan durch die finanzielle Entlastung der pflegebedürftigen Menschen in Pflegeheimen bis Mai 2022 auf rund 750 Personen zurückgegangen.
Haushalterisch konnten dadurch und durch die o.g. Zuschüsse der Pflegekassen rund 4 Millionen Euro Einsparungen im Kreishaushalt 2022 eingeplant werden.
Mittelfristig ist aufgrund der demographischen Bevölkerungsentwicklung allerdings wieder mit weiter steigenden Fallzahlen und Kosten sowie weniger optimistischen Zahlen für die Sozialhilfe zu rechnen. Diese Prognose erwartet auch der Landkreistag Baden-Württemberg.
Der Entlastung der pflegebedürftigen Personen stehen nämlich zugleich neue Belastungen durch deutlich gestiegene Energie-, Lebensmittel- und Verbrauchsgüterkosten und durch die Verbesserungen im Pflegepersonalbereich gegenüber.
Alle Pflegeeinrichtungen (stationär und ambulant, bestehend und neu) müssen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab 01.09.2022 eine Entlohnung in Höhe eines Tarifvertrags oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zahlen; andernfalls können sie von der pflegerischen Versorgung ausgeschlossen werden.
Für die kommunalen Einrichtungen als tarifgebundene Einrichtungen ergeben sich vom Prinzip her keine Veränderungen. Die kommunalen Arbeitgeber zahlen über den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) im Bereich der Pflege bereits entsprechend hohe Löhne. Für nicht tarifgebundene Einrichtungen (dies ist über die Hälfte der Leistungserbringer in der Pflege) ist der Abschluss oder der Beitritt zu einem Tarifvertrag nicht erforderlich. Vielmehr darf die Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags, dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist, oder die Höhe der Entlohnung einer entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung nicht unterschreiten.
Derzeit bestehen 22 Tarifverträge im Bereich der Pflege in Baden-Württemberg. Große Träger habe sich schon seit Langem einem Tarifwerk angeschlossen bzw. entlohnen in Anlehnung an einen Tarif.
Daher dürfte die Einführung der tariflichen Entlohnung zum 01.09.2022 nur zu einer moderaten Kostensteigerung der Entgelte führen, da im Ostalbkreis die Einrichtungen und Träger größtenteils nach Tarif bzw. in Anlehnung an die jeweiligen Tarife ihr Personal entlohnen. Des Weiteren zwingt der Wettbewerb um Fachkräfte bereits jetzt schon viele Einrichtungen, nach Tarif bzw. übertariflich zu bezahlen. Trotz allem ist hier mit Steigerungen auch hinsichtlich des zukünftigen Personalbemessungsverfahrens zu rechnen, zumal neben den bundesweiten Personalanhaltswerten im Jahr 2023 auch mit einer Fortschreibung der landesrechtlichen Rahmenverträge und der darin enthaltenen Personalschlüssel zu rechnen ist.
Die Dynamisierung der Pflegegelder (Pflegesachleistung und Kurzzeitpflege) durch die aktuelle Pflegereform seitens der Pflegekasse dürfte durch die zu erwartenden Kostensteigerungen in diesen Bereichen und die im Verhältnis zur stationären Unterbringung nur geringe Fallzahl größtenteils vernachlässigbar sein.
Der Anteil der Fälle im Leistungsbezug der ambulanten Hilfe zur Pflege ist im Ostalbkreis von 98 Personen im Jahr 2021 auf derzeit 99 Personen relativ konstant geblieben.
Im Jahr 2030 werden prognostisch rund sechs Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein. Das sind rund 30 Prozent mehr als heute. In Baden-Württemberg wird die Pflegequote auf rund 5 Prozent, das entspricht 550.000 bis 600.000 pflegebedürftige Menschen, ansteigen. Für den Ostalbkreis wird eine Pflegequote von 4,7 Prozent prognostiziert, was im Vergleich 15.000 pflegebedürftigen Personen und einem Zuwachs von 2.500 Menschen zu heute entspricht. Die Gesamtauswirkungen werden in den kommenden Jahren in wieder steigenden Fallzahlen und auch einem erhöhten Finanzierungsbedarf spürbar sein.
Finanzierung und Folgekosten
Im Haushalt des Ostalbkreises sind für die Finanzierung der Hilfe zur Pflege im Jahr 2022 insgesamt 11,98 Millionen Euro an Ausgaben eingeplant. Auf die stationäre Hilfe zur Pflege innerhalb von Einrichtungen entfallen dabei 11,42 Millionen Euro und auf die ambulante Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrichtungen 1,6 Millionen Euro, abzüglich aller Kostenbeiträge bzw. Aufwendungs- und Kostenersätze in Höhe von 1,04 Millionen Euro. Im Haushalt für das Jahr 2022 wird mit Aufwendungen in Höhe von 13,02 Millionen Euro gerechnet (s. Anlage 6, Seite 2 zum Haushaltsplan 2022).
Anlagen
KVJS Berichterstattung „Hilfe zur Pflege“
Sichtvermerke
gez. Schiele, Geschäftsbereich Soziales i. V. Götz gez. Urtel, Dezernat V gez. Kurz, Dezernat II gez. Seefried, Erste Landesbeamtin i. V. Landrat Dr. Bläse
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