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Vorlage - 091/2022  

 
 
Betreff: Potenzialabschätzung für Radschnellwege im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Nachhaltige Mobilität   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung Entscheidung
24.05.2022 
Sitzung des Ausschusses für Umweltschutz und Kreisentwicklung ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

Der Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung nimmt den Bericht zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung, eine kreisweite Potenzialanalyse auf den Hauptverkehrsachsen für mögliche Radschnellverbindungen in Auftrag zu geben.

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

 

Allgemeines

 

Radschnellverbindungen unterscheiden sich in Ihrer baulichen Art deutlich von herkömmlichen Radwegen. Diese „Fahrradautobahnen“ sind speziell konzipiert, um Städte miteinander zu verbinden, das Umland besser an Stadtzentren anzubinden oder Arbeitsplatzschwerpunkte sowie Hochschulstandorte für Pendlerinnen und Pendler erreichbarer zu machen. Somit lassen sich mit ihnen längere Strecken zügig und sicher mit dem Fahrrad zurücklegen. Dadurch können Wege, für die bislang aufgrund der Umwegigkeit oder der fehlenden Verkehrssicherheit der PKW genutzt wird, perspektivisch eher mit dem Rad zurückgelegt werden. Für die Realisierung einer Radschnellverbindung müssen nach den Richtlinien des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg folgende Kriterien erfüllt sein:

 

         Die Gesamtstrecke muss eine Mindestlänge von fünf Kilometern aufweisen.

         Die Strecke hat ein prognostiziertes Potenzial von mind. 2.000 Fahrradfahrten täglich aufzuweisen.

         Im Einrichtungsverkehr ist die Strecke mit mind. drei Metern Breite, im Zweirichtungsverkehr mit mind. vier Metern Breite auszuführen.

         Eine strikte räumliche Trennung zwischen Radverkehr und anderen Verkehrsmitteln muss gegeben sein.

         Die Wege müssen eine hohe Belagsqualität und möglichst geringe Steigungen aufweisen.

         Die Routen sind so zu planen, dass sie möglichst kreuzungsfrei geführt werden oder nur mit minimalen Wartezeiten an Kreuzungen zu rechnen ist.

 

Um eine Verbindung als Radschnellverbindung ausweisen zu können und die entsprechenden Fördertatbestände zu erfüllen, müssen die in Baden-Württemberg geltenden Qualitätsstandards auf mindestens 80 Prozent der Gesamtstrecke eingehalten werden. Der restliche Anteil an der Strecke muss zumindest den reduzierten Standards für Radschnellverbindungen genügen. Die hohe Attraktivität von Radschnellverbindungen ergibt sich aus der enormen Reisezeitverkürzung, da Radfahrerinnen und Radfahrer ohne Hindernisse, Umwege sowie mit wenigen bis gar keinen Haltepunkten ihre Ziele erreichen. Radschnellverbindungen können somit eine echte Alternative zum Auto darstellen. Die strikte Trennung des Radverkehrs führt zudem zu einer erhöhten Sicherheit aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.

 

 

Blick auf Baden-Württemberg

 

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat im März 2018 eine landesweite Potenzialanalyse für Radschnellwege veröffentlicht. Als Ergebnis wurden 32 Korridore mit besonders hohen Nutzungspotenzialen für eine Radschnellverbindung identifiziert. Im Ostalbkreis wurden keine Strecken untersucht. Laut RadSTRATEGIE Baden-Württemberg wird angestrebt, bis 2025 zehn Radschnellverbindungen zu bauen. Aktuell plant und baut das Land drei Pilotstrecken: Heidelberg – Mannheim, Heilbronn – Neckarsulm – Bad Wimpfen und Esslingen Stuttgart. Gleichzeitig fördert das Land bisher 23 kommunale Machbarkeitsstudien zu insgesamt 52 Strecken. Zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart wurde bereits ein erster Teilabschnitt eines kommunalen Pilotprojekts fertig gestellt. Hierbei förderte das Land mit 1,7 Mio. Euro.

 

 

Abbildung 1: Radschnellweg in Baden-Württemberg; VM BW

 

Ausgangspunkt für eine Radschnellverbindung ist stets eine Machbarkeitsstudie zur Identifizierung der konkreten Trassenführung und Maßnahmenplanung. Hierin werden die bauliche Umsetzbarkeit, das prognostizierte Potenzial und die Wirtschaftlichkeit untersucht. Die Studien werden durch Akteurinnen und Akteure vor Ort durchgeführt und durch das Ministerium für Verkehr gefördert. Die Baulastträgerschaft bei der Umsetzung liegt entweder beim Land für überregionale Verbindungen oder bei den Landkreisen. Das Land ist Baulastträger, wenn eine regionale oder überregionale Verbindungsfunktion vorliegt und außerorts ein Verkehrspotenzial von 2.500 Fahrradfahrten besteht. Für Landkreise ergibt sich die Baulastträgerschaft in den Fällen, in denen eine naturräumige und gemeideübergreifende Verbindungsfunktion vorliegt und das Potenzial auf der Mehrheit der Strecke nicht unter 2.000 Radfahrenden pro Tag liegt. Bei Städten mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt die Baulastträgerschaft innerhalb der Ortsdurchfahrt bei der Stadt. Zur baulichen Umsetzung wurde 2017 durch das Ministerium für Verkehr eine Musterlösung für Radschnellverbindungen in Baden-Württemberg veröffentlicht.

 

 

Finanzielle Rahmenbedingungen

 

         Machbarkeitsstudien: Machbarkeitsstudien für Radschnellwege werden vom Land mit 80 Prozent der förderfähigen Kosten bezuschusst. Förderfähig ist eine Machbarkeitsstudie für Verbindungen, bei denen das Potenzial bei mindestens 2.000 Radfahrenden pro Tag liegt. Darüber hinaus können auch Strecken mit einem Potenzial mit mindestens 1.500 Radfahrenden pro Tag förderfähig sein. Dies ist dann der Fall, wenn durch lokalspezifische Faktoren davon ausgegangen werden kann, dass diese Verbindung zu einer Radschnellverbindung mit entsprechenden Nutzerzahlen entwickelt werden kann. Solche potenziellen Radschnellverbindungskorridore können somit ebenso förderfähig sein.

 

         Planung und Bau einer Radschnellverbindung: Im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung „Radschnellwege 2017 - 2030“ werden den Ländern durch den Bund finanzielle Mittel in Höhe von 25 Mio. Euro jährlich für Planung und Bau von Radschnellverbindungen in der Baulast von Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt. Ab dem Jahr 2021 bis 2023 wird dieser Fördertopf auf 50 Mio. Euro verdoppelt. Der Bund beteiligt sich mit durchschnittlich 75 Prozent an den Kosten für Planung und Bau von Radschnellverbindungen. Von den verbleibenden 25 Prozent Eigenanteil der Kommune fördert das Land Baden-Württemberg zusätzlich nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG). Durch die kombinierte Förderung durch Bund (75 Prozent) und Land (12,5 Prozent) ist eine Förderung von 87,5 Prozent an den Bau- und Planungskosten möglich. Im Mittel ist pro Kilometer Radschnellweg mit Gesamtkosten in Höhe von 1,5 Mio. Euro zu rechnen.

 

 

Exkurs: Radschnellverbindung im Filstal (RS14)

 

Die geplante RS14 im Landkreis Göppingen umfasst eine Gesamtlänge von 23 Kilometern und führt von der Landkreisgrenze in der Nähe von Ebersbach an der Fils über UhingenppingenEislingen/Fils und Salach vorbei bis nach Süßen. Damit bindet die Radschnellverbindung 6 Kommunen an. Das ermittelte Gesamtpotenzial erreicht durchgehend DTVw ≥ 2.000 Radfahrende/24h, auf Teilstrecken sogar bis zu DTVw ≥ 3.000/24h. Die Machbarkeitsstudie durch das Planungsbüro VIA schlug mit Kosten in Höhe von 75.000 Euro zu buche. Davon wurden 80 Prozent durch das Land gefördert.

Die Gesamtkosten für Planung und Bau werden auf circa 35 Mio. Euro geschätzt. Hiervon entfallen 4,2 Mio. Euro auf die Planungskosten. Bei einer Förderung in Höhe von 87,5 Prozent ist somit von einem kommunalen Finanzierungsbedarf an den Gesamtkosten in Höhe von ungefähr 4,5 Mio. Euro auszugehen.

 

In Verhandlungen mit der Landkreisverwaltung erklärte sich das Land dazu bereit, vorab einen ca. 1,4 km langen Demonstrationsradschnellweg entlang der alten B10 vom Neckartal (Reichenbach) bis nach Ebersbach an der Fils auf Radschnellwegstandard auszubauen. Die überschlägig geschätzten Baukosten beliefen sich dafür auf rund 1,5 bis 1,7 Mio. Euro. Zudem übernimmt das Land den weiteren Anschluss des Demonstrationsradwegs an die geplante kommunale Radschnellverbindung in Trägerschaft des Landkreises und der Stadt Göppingen sowie eine Filsquerung in Höhe der Querspange Ebersbach/West. Bis 2024 sollen diese Planungen abgeschlossen sein. Die Federführung der Planung liegt beim Landratsamt Göppingen. Die Stadt Göppingen wird über eine Planungsvereinbarung an der Planung der Radschnellverbindung beteiligt. Zusätzlich wurde für die Begleitung der aufwendigen Planungen beim Landkreis eine zusätzliche, vom Land geförderte Stelle im Bereich Radverkehr geschaffen.

 

Abbildung 2: Meilensteinplan Radschnellweg Filstal; Landratsamt Göppingen

 

Bisherige Entwicklungen im Ostalbkreis

 

Das Thema Radschnellverbindungen wurde zuletzt am 04.02.2020 im Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung beraten. Dabei wurde die Realisierbarkeit von Radschnellverbindungen im Hinblick auf das erforderliche Radverkehrspotenzial in Zweifel gezogen. Für die Verbindungen Aalen – Schwäbisch Gmünd und Aalen – Heidenheim wurde auf die begrenzten Platzverhältnisse in den engen Talräumen des Rems- und Kochertals hingewiesen und die technische Machbarkeit auch aufgrund der Konkurrenzsituation mit Siedlungsflächen und weiteren Verkehrsflächen als problematisch beurteilt. Für die Realisierung eines Radschnellweges wären erhebliche Umnutzungsanstrengungen im Bereich bestehender Verkehrsflächen und die Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen erforderlich. Anstelle von Radschnellwegen erschien dem Gremium der Ausbau der Radwege auf das ZielNETZ-Niveau des RadNETZ Baden-Württemberg im Sinne von „schnellen Radwegeverbindungen“ entlang der Hauptradverkehrsverbindungen als zielführender und realistischer. Die Umsetzung des RadNETZ wird durch die Kreisverwaltung koordiniert und erfolgt fortlaufend in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Baulastträgern.

 

 

Aktuelles Vorgehen im Rahmen des Mobilitätspakts Aalen-Heidenheim

 

Die Partner des Mobilitätspakts Aalen-Heidenheim haben sich in der vergangenen Koordinierungsgruppensitzung darauf verständigt, aufgrund der veränderten Anforderungen an eine leistungsstarke und zukunftsorientierte Radwegeführung zwischen Aalen und Heidenheim, eine Potenzialanalyse im Vorfeld einer möglichen Machbarkeitsstudie für eine Radschnellverbindung durchzuführen. Die Potenzialuntersuchung soll als Entscheidungsgrundlage dienen, ob die vom Land geforderten Potenziale erreicht werden und eine vertiefende Betrachtung im Rahmen einer Machbarkeitsuntersuchung in Betracht gezogen werden kann. Für die Analyse wurde im Direktvergabeverfahren das Planungsbüro Brenner/Bernard beauftragt, das bereits die Potenzialanalyse im Auftrag des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2018 durchgeführt hatte. Hierdurch ist eine Anschlussfähigkeit an die Studie des Landes sichergestellt. Die Potenzialabschätzung für die Strecke Aalen – Oberkochen – Heidenheim wird durch die Landkreise Ostalbkreis und Heidenheim in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart inhaltlich begleitet. Die Kosten für die Untersuchung im Rahmen des Mobilitätspaktes Aalen/Heidenheim trägt das Regierungspräsidium Stuttgart.

 

 

Ausweitung auf kreisweite Potenzialanalyse

 

Das größte Potenzial für Radschnellverbindungen im Ostalbkreis würde sich angesichts der Pendlerverflechtungen auf den Hauptverkehrsrouten in West-Ost-Richtung (Schwäbisch GmündAalenBopfingen) und in Nord-Süd-Ausdehnung (EllwangenAalenHeidenheim) ergeben. Um die Potenziale leistungsfähiger Radschnellverbindungen im Ostalbkreis zu untersuchen, wäre eine kreisweite Betrachtung erforderlich, die in Ergänzung zur Strecke Aalen – Heidenheim ebenfalls die Strecken Aalen – Schwäbisch Gmünd – Lorch, Aalen – Ellwangen und Aalen – Nördlingen auf ihr Potenzial hin untersucht.


Finanzierung und Folgekosten

 

Für eine kreisweite Potenzialanalyse auf den weiteren Hauptverkehrsrouten ist mit Kosten in Höhe von ungefähr 30.000 Euro netto zu rechnen, welche über die Kostenstelle 5470010003 – 44294000 dargestellt werden könnte.

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Dreher, Geschäftsbereich Nachhaltige Mobilität

gez. Wagenblast, Dezernat VII

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat