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Vorlage - 085/2022  

 
 
Betreff: Neues Vormundschaftsrecht ab 2023
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses Kenntnisnahme
04.10.2022 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation

 

Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 wird zum 01.01.2023 in Kraft treten. Die daraus resultierenden Änderungen betreffen alle Beteiligten des Vormundschaftsrechts. Im Wesentlichen sind dies die Vormünder und Pfleger, der Soziale Dienst des Jugendamts sowie die Familiengerichte.

 

Das Vormundschaftsrecht stammt in weiten Teilen aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus dem Jahr 1896. Durch zahlreiche Ergänzungen und Änderungen ist das Vormundschaftsrecht unübersichtlich geworden und bildet die aktuelle Praxis nicht mehr zutreffend ab.

 

Bereits im Jahr 2011 gab es eine Änderung des Vormundschaftsrechts. Nunmehr soll das Vormundschaftsrecht erneut umfassend reformiert werden, um die Personensorge für Minderjährige zu stärken und die Vorschriften zur Vermögenssorge zu modernisieren.

 

Im Ostalbkreis werden die Amtsvormundschaften und Pflegschaften vom Sachgebiet

Beistandschaften/Pflegschaften/Vormundschaften in den drei Dienststellen Aalen,
Schwäbisch Gmünd und Ellwangen geführt. Ein Amtsvormund ist Inhaber der kompletten Personen- und Vermögenssorge des Kindes. Er übt somit die rechtliche Vertretung des Minderjährigen aus. Einem Pfleger wird nur ein Teilbereich des Sorgerechts vom Familiengericht übertragen. Inhaber des restlichen Sorgerechts sind weiterhin die Eltern bzw. der vormals alleinsorgeberechtigte Elternteil.

 

Derzeit werden beim Landratsamt Ostalbkreis an den Dienststellen Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd insgesamt 161 Amtsvormundschaften und 102 Pflegschaften geführt. Diese werden von insgesamt 23 Sachbearbeitern in Teil- und Vollzeit, im Rahmen von Mischarbeitsplätzen, bearbeitet. Die Amtsvormundschaften und Pflegschaften werden von den drei Familiengerichten in Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen beaufsichtigt.

 

 

II. Die wichtigsten Neuerungen der „großen Vormundschaftsrechtsreform“

 

Bereits in der „kleinen Vormundschaftsreform“ 2011 wurde die Anzahl von Fällen, die ein vollzeitbeschäftigter Amtsvormund führen darf, gesetzlich auf 50 beschränkt. Gleichzeitig wurde die persönliche Verantwortung des Vormunds für die Sicherstellung der Erziehungsbedingungen und die Verpflichtung zum persönlichen regelmäßigen Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen explizit in das Gesetz aufgenommen.

 

Die große Vormundschaftsrechtsreform soll die persönliche Sorgeverantwortung des Vormunds betonen und ausbauen sowie das Vormundschaftsrecht insgesamt systematischer und moderner aufstellen.

 

 


1. Wesentliche Änderungen:

 

-          Ehrenamtlich geführte Einzelvormundschaften werden gestärkt.

-          Jugendämter sind verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um für jedes Mündel den am besten geeigneten, vorrangig ehrenamtlichen, Vormund zu finden.

-          erweiterte Koordinationsaufgaben mit neuen Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten

-          Jugendämter sind angehalten, ehrenamtliche Vormünder aktiv zu akquirieren, zu schulen und zu begleiten.

 

 

2. Neue Inhalte im Vormundschaftsrecht des BGB

 

Einrichtung der Vormundschaft:

 

-          Hervorhebung des Vorrangs der ehrenamtlichen Vormundschaft bei Gleichstellung aller anderen drei Formen der Vormundschaften (Berufs-, Vereinsvormundschaft und Amtsvormundschaft).

-          Einführung einer vorläufigen Vormundschaft, um endgültig einen geeigneten Vormund für das Kind bzw. den Jugendlichen zu finden.

-          Einführung des zusätzlichen Pflegers. Die Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft soll erleichtert werden, indem für bestimmte Sorgerechtsbereiche ein zusätzlicher Pfleger bestellt wird (z. B. Umgangsregelung).

-          Möglichkeit der Teilung von Sorgeangelegenheiten zwischen Pflegepersonen und Vormund. Pflegeeltern kann ein bestimmter Teil der elterlichen Sorge übertragen werden (z. B. Vermögenssorge).

-          Stärkere Orientierung am Kind bei der Eignung und Auswahl des Vormunds.

Künftig steht der Wille des Kindes bei der Auswahl des Vormunds an erster Stelle.

 

 

 

Führung der Vormundschaft:

 

-          Einführung folgender Rechte der Kinder und Jugendlichen gegenüber ihrem

Vormund:
 

1)      Förderung der Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit

2)      Recht auf eine gewaltfreie Erziehung

3)      Recht auf Kontakt zum Vormund

4)      Achtung von Willen, Bindungen, Glauben und Kultur durch den Vormund

5)      Mündel sind an Entscheidungen zu beteiligen, soweit es nach ihrem Entwicklungsstand möglich ist.

 

-          Gebot zur Rücksichtnahme und Einbeziehung von Erziehungspersonen durch den Vormund. Auf die Interessen und Angelegenheiten von Pflegepersonen ist zwingend Rücksicht zu nehmen.


Beratung und Aufsicht durch das Familiengericht:

 

-          Grundsatz der familiengerichtlichen Beratung und Aufsicht. Die Rechte des Kindes bzw. des Jugendlichen sind bei der Aufsicht zu berücksichtigen.

-          Das Familiengericht hat das Mündel persönlich anzuhören, wenn der Vormund pflichtwidrig dessen Rechte nicht in geeigneter Weise beachtet oder seinen Pflichten nicht nachkommt.

 

Beendigung der Vormundschaft:

 

-          Das Familiengericht hat einen berufsmäßig tätigen Vormund von Amts wegen zu entlassen, wenn sich eine Person findet, die bereit (und in gleichem Maße oder besser geeignet) ist, die Vormundschaft ehrenamtlich zu führen.

 

 

3. Veränderungen im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz)

 

Neben den Änderungen des BGB enthält die Reform auch neue Vorschriften des SGB VIII, welche ab dem 01.01.2023 gelten.


Diese sind im Wesentlichen:

 

-          Die Aufgaben der Vormundschaft sind funktionell, organisatorisch und personell von anderen Tätigkeitsbereichen im Jugendamt zu trennen
(§ 55 Abs. 5 SGB VIII n.F.).

 

-          Die Pflicht des Jugendamts, dem Familiengericht einen Vormund vorzuschlagen, wird künftig durch eine Begründungs- und Darlegungspflicht ergänzt.

Das Jugendamt hat seinen Vorschlag dem Familiengericht auch insofern zu begründen, als dass es darlegt, welche Maßnahmen es zur Ermittlung des für den Mündel am besten geeigneten Vormunds unternommen hat und dass im gegebenen Fall eine Person, die geeignet und bereit ist, die Vormundschaft ehrenamtlich zu führen, nicht gefunden werden konnte.

 

-          Vormundschaftsvereine haben künftig keinen Rechtsanspruch mehr auf die Erteilung einer Erlaubnis, wenn sie die gesetzlich geforderten Bedingungen erfüllen.

 

-          Das Jugendamt ist künftig verpflichtet, dem Familiengericht mitzuteilen, welchem seiner Bediensteten es die Aufgaben der Amtsvormundschaft übertragen wird. Das zuständige Jugendamt ist weiter verpflichtet, einen Wohnsitzwechsel des Mündels dem künftig zuständigen Jugendamt mitzuteilen.


4. Mehraufwand durch zusätzlichen Aufgaben und Sorgerechtsformen

 

Der durch die zusätzlichen Aufgaben entstehende Personalmehraufwand ist für die Jugendämter von zentraler Bedeutung. Dieser Zeit- und Arbeitsaufwand kann jedoch nicht konkret ermittelt, sondern lediglich prognostiziert werden.

 

Weiterer Mehraufwand ist darüber hinaus durch die neuen Formen der Sorgerechtsaufteilung (z. B. zusätzlicher Pfleger) zu erwarten. Diese sind mit vielschichtigen fachlichen Überlegungen und Abwägungen im Einzelfall verbunden, welche dem Familiengericht im Rahmen des Vorschlags eines geeigneten Vormunds einzelfallspezifisch dargelegt werden müssen.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Der durch das neue Vormundschaftsgesetz entstehende Stellenmehrbedarf ist im Haushalt 2023 zu berücksichtigen.

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Funk, Geschäftsbereichsleiterin

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat