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Vorlage - 039/2022  

 
 
Betreff: Herausforderungen der Flüchtlingsunterbringung im Jahr 2022
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Integration und Versorgung   
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses
29.03.2022 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Der Ukraine-Krieg führt neben unvorstellbar großem Leid und Zerstörung in der Ukraine dazu, dass bereits Anfang März mehr als 1,5 Millionen Menschen in andere Länder geflüchtet sind. Die Vereinten Nationen sprechen von der am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

 

Diese Fluchtbewegung stellt die gesamte Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer, Stadt- und Landkreise und damit auch die Kommunen vor eine große Herausforderung. 

 

Zusätzlich zu dieser neuen Herausforderung stiegen die Flüchtlingszugangszahlen bereits davor bundesweit spürbar an. Schon jetzt hat das Niveau der Zugänge die Zugangszahlen des Herbstes 2017 überschritten.

 

Die derzeitigen weltpolitischen Entwicklungen lassen befürchten, dass mit keiner Entspannung der Situation zu rechnen ist.

 

Aufgrund des Ukraine-Krieges, der allgemeinen Flüchtlingszugänge und der Pandemiesituation ist die Lage nicht nur in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEAs) angespannt. Das Land ist daher gezwungen, innerhalb sehr kurzer Zeit viele Flüchtlinge in die Landkreise zu verlegen.

 

 

Das dreistufige Unterbringungsmodell des Landes Baden-Württemberg, das durch das Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) begründet wird, nimmt nach der Erstaufnahme in Landeszuständigkeit für die vorläufige Unterbringung die Stadt- und Landkreise und für die Anschlussunterbringung (AU) die Städte und Gemeinden in die Pflicht. Das Land fordert daher die Landkreise verstärkt auf, weitere Unterbringungskapazitäten zu schaffen.

 

Der Ostalbkreis ist durch die Vereinbarung vom 19.05.2020 zwischen Land Baden-Württemberg, Stadt Ellwangen und dem Ostalbkreis über den Betrieb der LEA in Ellwangen bis einschließlich 31.12.2022 vollständig von der Aufnahmeverpflichtung befreit und nimmt auf freiwilliger Basis im Rahmen freier Plätze Flüchtlinge auf.

 

Obwohl das Land sehr zurückhaltend mit der Zuweisung an den Ostalbkreis war, machten sich bereits vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges auch hier steigende Zahlen bemerkbar.

 

 

2019   157 Personen

2020   126 Personen

2021   171 Personen

 

 

II. Aktuelle Unterbringungssituation im Ostalbkreis

 

Der Ostalbkreis betreibt momentan vier Gemeinschaftsunterkünfte:

 

Standort

Eigentumsverhältnis

Bewohnerplätze

Schwäbisch Gmünd,

Oberbettringer Str. 177/1

Eigentum, Erbbaurechtsverhältnis

mit Stadt Schwäbisch Gmünd

158

Schwäbisch Gmünd,

Benzholzstraße 6

Eigentum des Ostalbkreis

(inkl. Grundstück)

81

Aalen,

Ulmer Straße 117

Mietverhältnis - derzeit Kaufverhandlungen

80

Aalen-Unterkochen,

Knöcklingstraße 16

Eigentum, Erbbaurechtsverhältnis

mit Stadt Aalen

60

Summe

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379

 

Von dieser Gesamtkapazität sind aktuell 79 Plätze nicht nutzbar. Dies hat verschiedene Gründe, unter anderem, dass nicht alle Zimmer voll belegt werden können (Familienzimmer) oder Bewohner aus gesundheitlichen Gründen oder Schutzgründen (traumatisierte Flüchtlinge etc.) Einzelzimmer benötigen. Außerdem müssen Quarantäneplätze vorgehalten werden.  

 

Somit hat der Ostalbkreis derzeit eine nutzbare Kapazität von 300 Plätzen, von denen über 90 % belegt sind. Ukrainische Flüchtlinge sind in den o.g. Unterkünften nicht untergebracht.

 

Aktuell gibt es von Seiten des Landes sehr viele Anfragen zur Aufnahme von afghanischen Ortskräften. Die Schwierigkeit ist hier die kurzfristige Ankündigung und die Notwendigkeit einer Quarantäne nach Ankunft. Im Rahmen freier Kapazitäten wurden knapp 100 Ortskräfte im Ostalbkreis aufgenommen.

 

Zusätzlich gab es vor einigen Wochen eine Anfrage zur Aufnahme von Geflüchteten aus dem Projekt „Sichere Häfen“. Es wurde hier dem Land ein Kontingent von 20 bis 25 Personen, die durch den Ostalbkreis in die vorläufige Unterbringung aufgenommen werden könnten, in Aussicht gestellt. Die Großen Kreisstädte Aalen und Schwäbisch Gmünd hatten hier bereits solidarisch ihre Unterstützung für die spätere AU zugesagt. Auch die Zahl der Spätaussiedler, für deren Unterbringung ein Kontingent an Plätzen vorgehalten werden muss, nimmt derzeit zu.

 

 

 

 

 

III. Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine

 

Der Krieg in der Ukraine hat auch im Ostalbkreis eine überwältigende Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ausgelöst. In allen Städten und Gemeinden haben sich Bürger bereit erklärt, privaten Wohnraum zur Unterbringung zur Verfügung zu stellen. In einer beispielhaften kommunalen Solidaritätsaktion der Städte und Gemeinden zusammen mit dem Landkreis werden derzeit diese Wohnraumangebote zur Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen genutzt.

 

Zusätzlich ist der Landkreis gerade dabei, seine Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung auszubauen. Über den aktuellen Stand wird in der Sitzung berichtet.             

 

 

IV. Herausforderungen im Jahr 2022 und Aufbau von Kapazitäten in der  vorläufigen Unterbringung

 

Unabhängig von den aktuellen Entwicklungen führen folgende Faktoren dazu, dass sich der Ostalbkreis im Bereich der Flüchtlingsunterbringung auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten muss:
 

      Steigende Flüchtlingszahlen

      Vermehrte humanitäre Aufnahmeprogramme (Afghanische Ortskräfte, Aktion „Sichere Häfen“)

      Forderung des Landes, die Aufnahmekapazitäten zu erhöhen

      Ungewisse Zukunft der LEA in Ellwangen

      Teilweiser Wegfall des LEA-Privilegs des Ostalbkreises


 

1. Aufnahme von Asylbewerbern

 

Sollte der Vertrag mit der LEA in Ellwangen nicht verlängert werden, hat der Ostalbkreis aufgrund des dann wegfallenden LEA-Privilegs wieder eine vollständige Aufnahmeverpflichtung zu erfüllen.

 

Sollte die LEA in Ellwangen nach Ende des Jahres 2022 fortbestehen, ist davon auszugehen, dass der Ostalbkreis nur noch zu 75 % von seiner offiziellen Aufnahmeverpflichtung befreit wird.

 

Bei einem fiktiven landesweiten Jahreszugang von ca. 20.000 Flüchtlingen (Vergleich 2021: ca. 16.000) muss der Ostalbkreis bei einer Aufnahmeverpflichtung von 25 % somit ca. 160 Flüchtlinge aufnehmen. Zusätzlich muss mit einer Aufnahme von ca. 140 Flüchtlingen aus humanitären Aufnahmeprogrammen gerechnet werden.

 

Insgesamt wären somit im Jahr 2023 ca. 300 Neuaufnahmen im Ostalbkreis unterzubringen.

 

Dies stellt eine Verdoppelung der Flüchtlingszugänge in den Ostalbkreis im Vergleich zum Jahr 2021 dar.

 

Zusätzlich zu den Neuaufnahmen kommen ca. 150 Flüchtlingen hinzu, die durchschnittlich bereits in den vier kreiseigenen Unterkünften untergebracht sind. Insgesamt geht der Ostalbkreis daher Stand heute von insgesamt ca. 450 Flüchtlingen aus, die im Jahr 2023 neu zugewiesen werden bzw. bereits in den Wohnheimen untergebracht sind. 

 

2. Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen

 

Das Justizministerium geht Anfang März davon aus, dass Baden-Württemberg ca. 17.500 Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen wird. Auf den Ostalbkreis würde somit bei einer aktuellen Aufnahmequote von 3,17 % eine Aufnahmeverpflichtung von ca. 550 Flüchtlinge zukommen.

 

3. Gesamtaufnahme Asylbewerber und ukrainische Kriegsflüchtlinge

 

Nach dieser Modellrechnung geht der Ostalbkreis Stand heute von einer jährlichen Aufnahmeverpflichtung von knapp 1000 Flüchtlingen aus (450 Asylbewerber und 550 ukrainische Flüchtlinge).

 

Da die vom Landkreis betriebenen Gemeinschaftsunterkünfte aktuell zu 90 % mit Flüchtlingen belegt sind, müssen bereits jetzt Vorbereitungen getroffen werden, um die Kapazitäten zur Unterbringung im Ostalbkreis zu erhöhen.

 

Stand heute benötigt der Ostalbkreis unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte eine Kapazität an zusätzlichen Unterbringungsplätzen von ca. 700 Plätzen.

 

Die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personengruppen wie die Flüchtlinge aus der Ukraine, die Forderung des Landes neue Unterkünfte aufzubauen und die ungewisse Zukunft des LEA-Standorts Ellwangen mit den genannten Konsequenzen der Aufnahmeverpflichtung macht eine sofortige Kapazitätserweiterung notwendig.

 

Der GB Hochbau und Gebäudewirtschaft hat deshalb bereits  einen Suchlauf nach passenden Immobilien im Kreisgebiet gestartet. Hierbei werden mittelgroße/größere Städte und Gemeinden mit entsprechender Infrastruktur bevorzugt. Der Wiederaufbau, Neubau oder die Anmietung von neuen Flüchtlingsunterkünften ist genehmigungspflichtig. Genehmigungsbehörde ist das Regierungspräsidium bzw. im Einzelfall das Justizministerium.

 

Damit das im Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) geregelte 3-stufige Unterbringungssystem in Baden-Württemberg funktionieren kann, müssen alle drei Ebenen - das Land, die Landkreise sowie die Kommunen - ihrer Aufnahmeverpflichtung zeitnah nachkommen. Sobald eine dieser „Ebenen“ nicht genügend Unterbringungskapazitäten zur Verfügung stellt, geht dies – auch finanziell - zu Lasten der anderen an der Unterbringung beteiligten Partner.

 

Über 30 % der aktuellen Bewohner in den kreiseigenen Unterkünften sind sogenannte Fehlbeleger. Dies sind Flüchtlinge, die nach dem FlüAG bereits in die AU hätten zugewiesen werden müssen. Das Land fordert von den Landkreisen, dass diese konsequent die Zahl der Fehlbeleger in den Gemeinschaftsunterkünften reduzieren. Nur so ist es möglich, Kapazitäten für Neuaufnahmen zu schaffen.

 

Aufgrund mangelnden Wohnraums in vielen Kommunen des Landkreises konnten diese in den letzten Jahren ihre Aufnahmeverpflichtung nicht in vollem Umfang erfüllen. Je weniger Flüchtlinge in die AU zugewiesen werden, desto mehr Unterkünfte muss der
Ostalbkreis erschließen. Deshalb ist es unabdingbar, die Zahl der Fehlbeleger in den Kreisunterkünften zu reduzieren. Dazu müssen die Kommunen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur AU zeitnah nachkommen. 

 

Eine Reduzierung des Aufnahmedefizits der Städte und Gemeinden im Rahmen der AU ermöglicht nicht nur die Senkung der Fehlbeleger-Quote in den Gemeinschaftsunterkünften, sondern ist zudem Voraussetzung, dass das Land dem Ostalbkreis die Genehmigung zum Aufbau weiterer Unterkünfte erteilt.

 

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die große Unterstützung durch die Kommunen bei der Wohnraumversorgung der ukrainischen Geflüchteten. Dies muss und wird zukünftig in der Quotenberechnung in der Anschlussunterbringung Berücksichtigung finden. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass neben der Bewältigung der Ukrainekrise auch die anderen Flüchtlingsgruppen in die Anschlussunterbringung einzubeziehen sind und nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die Aufwendungen der Landkreise für die vorläufige Unterbringung und damit u. a. für den Betrieb und den Unterhalt der Gemeinschaftsunterkünfte trägt grundsätzlich das Land. Dazu erhalten die Kreise pro zugewiesenem Asylbewerber eine einmalige Pauschale von aktuell 15.277 €. Da diese Pauschalfinanzierung nicht kostendeckend ist, erstattet das Land die tatsächlichen Aufwendungen, die durch die Pauschale nicht gedeckt sind, nachträglich im Wege einer Spitzabrechnung. Aus diesem Grund ist vor Anmietung oder Erwerb von neuen Flüchtlingsunterkünften die Genehmigung des Landes einzuholen.

 

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Hiller, Integration und Versorgung

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat