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Vorlage - 127/2021  

 
 
Betreff: Grün-schwarzer Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg: relevante Punkte für den Bereich "Nachhaltige Mobilität"
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Nachhaltige Mobilität   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung Entscheidung
08.06.2021 
Sitzung des Ausschusses für Umweltschutz und Kreisentwicklung zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Der Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung nimmt vom Bericht der Verwaltung Kenntnis.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

Am 5. Mai 2021 stellten die Koalitionspartner den neuen Koalitionsvertrag vor. Die Landkreisverwaltung möchte den Ausschuss über die relevanten Inhalte in Hinblick auf die „Nachhaltige Mobilität“ informieren sowie erste Einschätzungen hinsichtlich Betroffenheit, möglicher Umsetzungsperspektiven und des weiteren Umganges geben.

 

Im Gegensatz zu Koalitionsverträgen anderer Bundesländer werden bereits relativ konkrete Zielvorstellungen formuliert und sich nicht auf Globalziele beschränkt.

 

Grundsätzlich sieht das Regierungsprogramm den Komplex „Mobilität“ als zentralen Baustein zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes sowie der übrigen Emissionsvermeidung an. Diese Schwerpunktsetzung drückt sich bereits darin aus, dass etwa der Begriff „ÖPNV“ nicht weniger als 27mal aufgeführt wird. Zudem gehen die Mobilitätsvorstellungen über reine Umweltziele hinaus, als dass es beim angestrebten Ausbau des Nahverkehrs etwa auch um eine sich deutlich zu verbessernde Anbindung des ländlichen Raumes geht, etwa durch die Schaffung einer umfassenden Mobilitätsgarantie. Selbstverständlich wird alles unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.

 

So heißt es etwa zum Busverkehr:

 

„Ein zentraler Baustein der Verkehrswende ist es, die Fahrgastzahlen in allen öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Mit einer Mobilitätsgarantie sorgen wir für einen verlässlichen ÖPNV von früh bis spät, in Stadt und Land […]. Wir werden sicherstellen, dass alle Orte in Baden-Württemberg

von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein werden. Dabei setzen wir auf mehr Fahrten und den Ausbau von ÖPNV, on demand, also auf Abruf, und Bürgerbusse. Wir wollen auch die unterfinanzierten Kommunen dabei unterstützen, moderne ÖPNV-Angebote in strukturschwachen Gebieten zu etablieren. […] Der ÖPNV-Ausbau erhält durch diese Standards eine zentrale und gewichtige Bedeutung. Wir wollen diese Mobilitätsgarantie im Dialog mit den kommunalen Partnern einlösen.“

 

Einschätzung:

 

Im kürzlich novellierten ÖPNV-Gesetz des Landes Baden-Württemberg (ÖPNVG BW) heißt es: „ÖPNV soll im gesamten Landesgebiet […] als eine vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen“. Insofern ist dieser Passus im Koalitionsvertrag nur eine logische Konsequenz. Von dem grundsätzlichen Anspruch („fünf Uhr früh bis Mitternacht“) ist der Ostalbkreis in seiner raumstrukturellen Gänze erwartungsgemäß weit entfernt. Jedoch: Die derzeit diskutierten Bedienstandards im fortzuschreibenden Nahverkehrsplan (NVP) gehen prinzipiell in diese Richtungen. Dies betrifft auch die laufenden Raumschaftsgespräche mit den Busunternehmen und dem Beratungsbüro (Berichterstattung zum NVP am 12. Juli 2021). Mitentscheidend wird die Belastbarkeit der finanziellen Zuwendungen des Landes zur Erreichung dieses Zieles sein. Zwar „belohnen“ die Auswirkungen der ÖPNV-Finanzierungsreform bereits jetzt Ansätze der Angebotsausweitung: Landkreise die mehr ÖPNV „auf die Straße“ bringen, bekommen höhere Landeszuwendungen, jedoch bedarf es noch eines zusätzlichen Engagements des Landes gerade und im Besonderen für ländliche Landkreise. Denn im ÖPNVG BW heißt es schließlich auch: „Zur Erreichung dieser Ziele sollen grundsätzlich die zuständigen Aufgabenträger auch die Ausgabenverantwortung tragen“. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich daher die Aussage: „Das Land wird sich mit zusätzlichen Landesmitteln an der Finanzierung der ÖPNV-Offensive beteiligen“ greifen wird. Der Koalitionsvertrag spricht als Zielhorizont vom Jahre 2026, nichtsdestotrotz erscheint es erstrebenswert eine reife und umsetzungsfähige Planung für den Ostalb-ÖPNV – wie aktuell geschehend – zu entwickeln.

 

 

Zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wird folgender Anspruch formuliert:

 

Wir werden ein Zielkonzept 2030 mit einem 15-Minuten-Takt im Verdichtungsraum und einem 30 Minuten-Takt in ländlichen Räumen entwickeln.“

 

Einschätzung:

 

Die Umsetzung wäre außerordentlich erstrebenswert, würde sie doch schlussendlich den Ostalbkreis von seinen finanziellen Verpflichtungen befreien, etwa der Mitfinanzierung des SPNV-Halbstundentaktes zwischen Aalen und Schwäbisch Gmünd. Auch die übrigen Schienenstrecken (Brenz-, Ries-, und Jagstbahn) könnten von höheren Standards

profitieren.

 

 

„günstige Ticketangebote“

 

Es wird auf die Inhalte der Vorlage „Bericht zur Einführung eines „365-€-Umwelt-Jahrestickets verwiesen.

 

 

Verkehrsverbünde:

 

In Baden-Württemberg gibt es nicht weniger als 21 Verkehrsverbünde (zum Vergleich: Berlin/Brandenburg: 1, Hessen: 2, NRW: 4). Diese Vielzahl an Partnern, Interessen, Schnittstellen und Gemengelagen macht es für das Land nicht leicht seine ÖPNV-politischen Vorstellungen landesweit synchronisiert anzugehen. In der Konsequenz ergibt sich daher: „Wir wollen die Zahl der kleinen Verkehrsverbünde im Land verringern und werden den Zusammenschluss zu leistungsfähigen Einheiten auch finanziell unterstützen. Die Initiativen dafür müssen vor Ort entstehen. […] Wir streben eine Dynamisierung der Verbundförderung an“.

 

Einschätzung:

 

Der Wunsch des Landes ist verständlich, von Seiten der Landkreisverwaltung lässt sich aber kein signifikanter Mehrwert aus einem Verschmelzen mit dem „Verkehrsverbund Stuttgart“, dem „Kreisverkehr Schwäbisch Hall“ oder dem „Heidenheimer Tarifverbund“ erkennen: zu unterschiedlich sind die Strukturen, zu gering sind mitunter die verkehrlichen Beziehungen. Der finanzielle und organisatorische Aufwand würde dem entgegenstehen. Daher sollte hierauf kein prioritärer Fokus gelegt werden.

 

Begrüßenswert ist die Inaussichtstellung einer Dynamisierung der seit über 15 Jahren eingefrorenen Verbundförderung, welche immerhin ca. 1,3 Mio. Euro/Jahr an Landeszuschuss ausmacht.

 

 


ÖPNV-Rettungsschirm

 

Der ÖPNV leidet unter erheblichen Einnahmeeinbußen durch die Corona-Umstände. Noch ist unklar wer (Bund, Land, Kommune, Unternehmen) letztlich welchen Anteil an den Einnahmeverlusten zu tragen hat. In diesem Kontext ist die Aussage: „Das Land setzt sich auch im Jahr 2021 für einen umfassenden Bund-Länder-Rettungsschirm ein und wird – unter Einschluss eines angemessenen Eigenanteils der kommunalen Ebene – seinen

Beitrag dazu leisten.“, einzuordnen. Wie bereits in der Ausschusssitzung im April angedeutet, steht der Landkreis-Anteil noch nicht fest, wird aber sicherlich höher ausfallen als im Jahr 2020.

 

 

Ladeinfrastruktur

 

Es heißt: „Damit im Jahr 2030 jeder dritte PKW klimaneutral unterwegs sein wird, streben wir im Land bis 2030 zwei Millionen private und öffentliche Ladepunkte an. [] Beim Ausbau setzen wir Schwerpunkte dort, wo der Bedarf an öffentlichen Ladepunkten und Schnellladesäulen besonders groß ist. In Siedlungs- und Gewerbegebieten soll der nächste öffentliche Ladepunkt möglichst fußläufig erreichbar und die nächste Schnellladesäule maximal fünf Kilometer entfernt sein. Alle öffentlichen Ladepunkte und Schnellladesäulen sollen einheitlich zugänglich gemacht werden. Um einen Flickenteppich beim Zugang zu Ladesäulen und beim Bezahlvorgang zu vermeiden, setzt sich Baden-Württemberg für einheitliche, digitale Bezahlmöglichkeiten ein.

 

Einschätzung:

 

Durch die zur Besetzung der vom Land geförderten Personalstelle „E-Mobilität“ bekommt der Ostalbkreis einen „Kümmerer“ um hier ein kreisweite Strategie entlang der Landesvorgaben zu entwickeln. Diese Kraft wird sich auch befassen mit der:

 

 

Clean-Vehicle-Directive:

 

Dies beinhaltet die Umsetzung der EU-Vorgabe zur Antriebswende im ÖPNV. Anhand festgelegter Quoten müssen neue Fahrzeuge „sauber bzw. emissionsfrei“ beschafft werden: „Vor allem auch im ÖPNV wollen wir die europaweit vorgegebenen Ziele der EU-Clean-Vehicle-Directive umsetzen. Die rderung der Beschaffung von neuen Bussen werden wir daher im Dialog mit den Unternehmen für die Zukunft neu ausrichten. Dabei werden wir neben der Forderung emissionsfreier Busse die besondere Struktur des Busverkehrs im Ländlichen Raum berücksichtigen und auch weiterhin Busse mit konventionellen, sauberen Antrieben fordern.

 

Einschätzung:

 

An diesem Komplex wird auch der Ostalbkreis nicht umherkommen. Die notwendigen Investitionen, z. B. auf den Betriebshöfen oder den Fahrzeugen werden erhebliche Mittel binden. Es gilt sicherzustellen, dass die Förderumstände für kleine mittelständische Betriebe erfüllbar sind.

 

 


Radverkehr und Infrastruktur:

 

Auch die Beförderung des Radverkehrs nimmt an etlichen Stellen Raum im Koalitionsvertrag ein. Beispiele: „Wir schaffen zusätzliche attraktive Park+Ride- und Bike+Ride-Angebote sowie Fahrradparkhäuser.“, „Neben der Anordnung und Markierung von Radfahrstreifen außerorts sollen auch Schutzstreifen für den Radverkehr verstärkt zum Einsatz kommen.“, „Weitere Maßnahmen sind die Umwidmung von Verkehrsflächen beispielsweise in Bus- und Radspuren sowie klimafreundliche Antriebsformen“, Bestehende Lücken zwischen Fahrradwegen, Radschnellwegen und Fahrradstraßen werden wir schließen.“, „Die Kommunen wollen wir durch verbindlich vorgesehene Kreiskoordinatorinnen und -koordinatoren unterstützen und mit dem LGVFG (Landes-Gemeindeverkehrsfinanzierungs­gesetz) weiter effektiv das kommunale Radnetz fördern.

 

Einschätzung:

 

Um die Verknüpfung mit den zuständigen Stellen, etwa den kommunalen Baulastträgern, kümmert sich die Koordinationsstelle für Radverkehr im Landratsamt. Eine Berichterstattung ist für die Sitzung am 12. Juli 2021 vorgesehen. Dies gilt auch für die im Koalitionsvertrag vorgesehene Stärkung des Landes-GVFG, welches häufig die Kofinanzierung zum Bundes-GVFG beisteuert: Für den Ausbau der kommunalen ÖPNV-Infrastruktur wollen wir einen hohen Anteil des aufgestockten Bundes-GVFG nach Baden-Württemberg holen. Das Land wird die Finanzmittel dazu sicherstellen, damit kein Bundes-GVFG-Projekt an der fehlenden Kofinanzierung des Landes scheitert. Den Ausbau wird das Land durch Mittel aus dem Landes-Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) unterstützen.

 

Unmittelbaren Aufwertungs-/ Sanierungsbedarf in diesem Zusammengang ergibt sich bei der Haltestelleninfrastruktur der 21 SPNV-Haltstellen im Landkreis. Über den Sachstand und das weitere Vorgehen wird im Juli berichtet.

 

 

Allgemeinbewertung:

 

Der neue Koalitionsvertrag sieht im Komplex „Mobilität“ eine Schwerpunksetzung für die Legislaturperiode. Die sich daraus ergebenden Initiativen, Fördermöglichkeiten und Anknüpfungspunkte werden vom Geschäftsbereich „Nachhaltige Mobilität“ in Zusammenarbeit mit den Partnern (z. B. OstalbMobil) laufend bewertet und anlassbezogen gegenüber den Kreisgremien vorgestellt.


Finanzierung und Folgekosten

 

Keine

 

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Gehlhaus, Geschäftsbereich Nachhaltige Mobilität

gez. i. V. Forstenhäusler, Dezernat VII

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Dr. Bläse, Landrat