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Vorlage - 123/2020  

 
 
Betreff: Ostalb-ÖPNV in der Corona-Krise - Fragenkatalog der SPD-Kreistagsfraktion
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Nahverkehr   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung Kenntnisnahme
16.06.2020 
Sitzung des Ausschusses für Umweltschutz und Kreisentwicklung zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Der Ausschuss für Umweltschutz und Kreisentwicklung nimmt die Beantwortung des Fragenkatalogs zur Kenntnis.

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

Die SPD-Fraktion formulierte in der Kreistagssitzung vom 26. Mai 2020 folgenden Fragenkatalog zum ÖPNV und bat die Kreisverwaltung um Beantwortung:

 

1. Wie groß waren/sind die Einsparungen beim Landkreis durch das Herunterregeln bei Bezuschussung Halbstundentakt Remsbahn, Zweistundentakt Riesbahn und der Ferien- bzw. Notfallfahrpläne bei den Bussen sowie durch Kappung der Freizeit- und Tourismusverkehre?

 

Antwort: Seit Mitte März 2020 bis Anfang Juni wurde der Halbstundentakt auf der Remsbahn ausgesetzt. Der Ostalbkreis bezuschusst diesen mit aktuell 300.000 Euro/Jahr. Daher wird mit einer Ersparnis von ca. 60.000 Euro ausgegangen. Gespräche hierüber sind mit dem Vertragspartner – dem Land Baden-Württemberg – noch zu führen. Im Falle der Riesbahn gibt es keine Mitfinanzierungsvereinbarung. Die Finanzierung wird ausschließlich über die beiden Aufgabenträger, die Länder Baden-Württemberg und Bayern dargestellt.

 

Das Fahrplanangebot im Busverkehr wurde mit Beginn des Lockdowns um ca. 15 - 20 % gekürzt. Diese Reduktionen betrafen nicht weniger als achtzehn Busunternehmen in unterschiedlichem Umfang, etwa den Überland-Schülerverkehr sehr viel stärker als den reinen Stadtverkehr. Es wird um Verständnis gebeten, dass eine standardisierte Aufarbeitung sowie Gegenüberstellung der gesunkenen Kosten und Erträge noch nicht stattgefunden hat.

 

Grundsätzlich gilt: Die durch diese Maßnahmen eingesparten Aufwendungen müssen in die Haustarifkalkulation der Unternehmen einfließen und kommen somit auch dem Landkreis zugute. Eine Quantifizierung der Einsparungen kann daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen. Eine Überkompensationskontrolle für das Jahr 2020 hat bis zum 30. September 2021 zu erfolgen.

 

2. Zur Beurteilung der Lage im ÖPNV mit den regionalen Transportunternehmen ist es notwendig, deren Erlössituation, deren Fixkosten sowie die realen Fahrgastzahlen zu kennen. Gibt es dazu belastbares Zahlenmaterial?

 

Antwort: Aufbereitetes Zahlenmaterial hierzu liegt nicht vor. Die Erlössituation sowie die Fixkosten sind Bestandteil der Haustarif-Antragsstellung. Dort sind diese Informationen, z. B. im Kostenermittlungsbogen anzugeben.

 

Die realen Fahrgastzahlen sind nicht bekannt, sondern lediglich über Hochrechnungen ermittelbar. In den kommenden Jahren werden sogenannte AFZ-Systeme in den Bussen installiert (Automatische Fahrgastzählungen), welche genaueren Aufschluss über die Besetzung der Busse liefern.

 

3. Während Corona hatten die Menschen Zeit, sich bezüglich ihrer Mobilität neu zu orientieren. Es wäre notwendig, Untersuchungen anzustellen, um darzustellen, inwieweit es einen Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf Rad- und Fußverkehr gab und gibt. Hat sich der Modal-Split durch die Corona-Pandemie geändert? Ist der ÖPNV der Verlierer der neuen Mobilitätsverteilung?

 

Antwort: Auch wenn der Fahrgastverlust augenscheinlich ist, können belastbare Aussagen, bezogen auf den Ostalbkreis, noch nicht getätigt werden. Es lassen sich jedoch Rückschlüsse auf Grundlage bundesweit durchgeführter Studien machen. Folgende Grafik versinnbildlicht die Veränderung im Modal-Split:

 

(Quelle: Der Nahverkehr, 6/2020,  S. 22)

 

Demnach hat der ÖPNV in der Krise eindeutig an Marktanteilen verloren. Gewinner sind neben dem Auto, der Fahrrad- und Fußgängerverkehr. Ersterer profitiert u. a. auch von sehr günstigen Treibstoffpreisen, letztere von der trockenen Witterung der vergangenen Wochen.

 

Der Umstand, dass bislang keine nennenswerte Zahl an Abo-Kunden ihre Zeitkarten gekündigt hat, lässt hoffen, dass sich – vorausgesetzt einer weiteren und anhaltenden Normalisierung – die ÖPNV-Nachfrage stabilisiert.

 

4. Wie ist der Stand der Verhandlungen des Landkreistags mit der Landesregierung bezüglich Hilfen für die Fahrgast-Unternehmen? Gibt es beim Schülerverkehr schon konkrete Ergebnisse/Zahlungen des Landes?

 

Antwort: Die Verhandlungen zwischen Land und Landkreistag haben dazu geführt, dass das Land weitere 35,6 Mio. Euro den Verbünden/Kreisen für die Übernahme der nicht bezahlten Schülermonatskarten zur Verfügung stellt. Konkrete Ergebnisse hinsichtlich des Ostalbkreis-Anteils, bzw. Zahlungen an den Landkreis haben aber (Stand: 10. Juni 2020) noch nicht stattgefunden. Gleiches gilt für die 200 Mio. Euro für den ÖPNV aus dem Landesprogramm Corona-Soforthilfen II sowie den 2,5 Milliarden Euro des Bundes aus dem Corona- Konjunkturprogramm. Was von diesen Mitteln letztlich in den Ostalbkreis fließt, ist noch gänzlich ungeklärt. Der Ausschuss wird über diese außerordentlich wichtige Angelegenheit informiert, sobald Klarheit herrscht. 

 

5. Kann/Muss die Corona-Krise dazu genutzt werden, das unübersichtliche und abschreckende Zonensystem zu vereinfachen und kreisübergreifenden Lösungen (zumindest innerhalb der Region Ostwürttemberg) zu finden?

 

Antwort: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den ÖPNV ist ein einfacher Zugang zum ÖPNV-System. Bestenfalls wird dies auch dadurch erreicht, dass das in der Tat „unübersichtliche und abschreckende Zonensystem“ in der (Außen-)Kommunikation und Fahrpreisberechnung gar keine Rolle mehr spielt und bestenfalls nur noch im Hintergrund für die Abrechnung und Zuscheidung der Einnahmen funktioniert. Dies war Thema in der Sitzung des Lenkungskreises am 12. März 2020 und wird in diesem Rahmen weiter diskutiert.

 

Die Aufnahme von OstalbMobil in die bei weitem populärste App „DB-Navigator“ zum 14. Juni 2020 ist ein gewichtiger Schritt für einen zeitgemäßen (Online-)Vertrieb. Zonenkenntnisse gehören damit der Vergangenheit an. Gleiches gilt für den kreisübergreifend gültigen Landestarif (BW-Tarif), der diesbezüglich bereits für eine erhebliche Erleichterung gesorgt hat und ab Dezember 2020 um Zeitkarten erweitert wird.

 

6. Eine offensive Vermarktungsstrategie bzw. Marketingoffensive ist grundsätzlich begrüßenswert. Wir halten jedoch die Erhöhung des Marketingbudgets im HH-Jahr 2020 um 100.000,- € für nicht zielführend und beantragen, diese Budgeterhöhung erst nach Aufhebung der infektionsschützenden Maßnahmen im ÖPNV (Maskenpflicht, Abstandsregelungen, Trennwände etc.) frühestens für das HH-Jahr 2021 vorzusehen.

 

Antwort: Die Landkreisverwaltung ist sich mit Verbund und Verkehrsunternehmen einig, dass es wichtig ist, gerade jetzt das im Grundsatz gute ÖPNV-Angebot offensiv zu bewerben, um eine Nachfragestabilisierung zu befördern. Klares Signal: „Jeder einzelne Fahrgast ist willkommen, wichtig und in Bus und Bahn sicher aufgehoben!“. Das vom Kreistag einstimmig beschlossene Maßnahmenpaket („1-Euro-Ticket“, Fahrpreisstabilisierung, 20 % Abo-Rabatt für drei Monate) verdient darüber hinaus eine adäquate Vermarktung. Dies auch, da es nicht absehbar erscheint, wann – und ob überhaupt – die Corona-Regelungen im ÖPNV zurückgenommen werden. Die (vom Land bezuschussten) und nun sukzessive installierten Trennwände zwischen Fahrpersonal und Fahrgastraum werden vermutlich dauerhaft bestehen bleiben. Die Kampagne soll auch die verloren gegangenen Gelegenheitskunden ansprechen und zurückgewinnen. Hierfür wurde eine neue Agentur mit einem frischen und kreativen Vermarktungsansatz engagiert.

 

7. Wurde mit den großen Unternehmen entlang der Achse Aalen-Heidenheim wegen möglichem Aufbau eines wirkungsvollen Bus-Werksverkehrs gesprochen?

 

Antwort: Der Komplex Werksbusverkehr (betriebliches Mobilitätsmanagement) soll in den Prozess „Mobilitätspakt“ eingebunden werden. Neben den klassischen und schon jetzt existierenden Werkbusverkehren nach Bus-Fahrplan, sollen „on-demand“-Lösungen erarbeitet werden. Es sei aber auch erwähnt, dass sich die Erwartungen andernorts mit solchen Maßnahmen/An­geboten nur sehr bedingt erfüllt haben.

 

8. Welche Investitionen in Verkehrsinfrastruktur können/müssen aufgrund der finanziell angespannten Situation des Kreises geschoben/gestreckt werden? Aus unserer Sicht ist es zum aktuellen Zeitpunkt erforderlich, die geplanten Verbesserungs- und Marketingmaßnahmen im ÖPNV-Bereich zu priorisieren.

 

Antwort: Es wird insofern um Geduld gebeten, als dass noch viele Unwägbarkeiten hinsichtlich des entstandenen Schadens und eines hieraus resultierenden Abmangels bestehen. Dies bezieht sich auch auf die bereits aufgeführten Bundes- und Landeshilfen. Sobald eine höhere Verlässlichkeit besteht, wird der Ausschuss hierüber und sich eventuell notwendigerweise ändernder Priorisierungen benachrichtigt und einbezogen. Dies wird frühestens nach der Sommerpause der Fall sein.

 

9. Dem Lagebericht ist zu entnehmen, dass die „touristischen“ Verbindungen sowohl zum  Tiefen Stollen als auch zu den Limesthermen bis auf weiteres ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass es sich bei den genannten Institutionen nicht nur um reine touristische Ziele handelt, sondern dass dort in absehbarer Zeit auch wieder therapeutische Anwendungen stattfinden werden. Wir gehen davon aus, dass diese Ziele nach der Öffnung wieder angedient werden.

 


Antwort: Seit Pfingsten wird das Busangebot wieder in vollem Umfang bedient. Die touristischen Ziele und Anbindungen sollen durch das in diesen Sommerferien neu aufgelegte und preislich höchst attraktive „Ostalb-FerienTicket“ befördert werden. Für nur 13 Euro/Woche kann der gesamte OstalbMobil-ÖPNV zur An- und Abreise zu den Sehenswürdigkeiten genutzt werden, vom Kloster Lorch bis zum Nördlinger Daniel, vom Alamannenmuseum in Ellwangen bis zum Kocherursprung in Oberkochen oder dem Felsenmeer bei Bartholomä. 

 

10. Gibt es Überlegungen, auf welche Weise der ÖPNV (z. B. an Wochenenden) verstärkt für Familien, Gruppen oder potenzielle Neuabonnenten attraktiver gestaltet werden kann?

 

Antwort: Es sei hingewiesen, dass Kinder als „Mitfahrer“ ihrer Eltern (oder Großeltern) bis zum Alter von 14 Jahren den ÖPNV kostenfrei nutzen können. Gruppen kommen in den Genuss von entsprechenden Rabatten von bis zu 50 % zu den regulären Fahrscheinen. Neukunden sollen mit der „Marketingoffensive“ und den niederschwelligen neuen Angeboten angesprochen werden („1-Euro-Ticket“ etc.). Außerdem profitierten sie von dem 20%igen Rabatt für alle Zeitkarten für die Dauer von drei Monaten.

 

11. In Sachen „Fortschreibung Nahverkehrsplan“ und Verkehrskonzept 2022 fordern wir eine frühzeitige und umfassende Einbindung/Beteiligung aller Kommunen. Insbesondere sind diejenigen Städte und Kommunen  in die Planungen einzubinden, die als „ÖPNV-Drehkreuze“ im Ostalbkreis eine hohe Nachfrage und hohes Fahrgastpotenzial aufweisen. Auf eine ausreichende Anhörungs- bzw. Stellungnahmefrist ist hierbei zu achten.

 

Antwort: Die Umsetzung dieser Forderung erscheint der Landkreisverwaltung als selbstverständlich. Sie ist nicht bloß gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch ebenso unerlässlich wie sinnvoll. Die Kommunen sind z. B. durch ihre Infrastruktur-Kompetenz (Ausstattung Haltestellen etc.) ein wichtiger Bestandteil einer hohen Globalzufriedenheit mit dem Bus- und Bahnverkehr. Sobald die zu erarbeitenden Prozesse (neue Standards, Regiobuskonzept etc.) innerhalb des Lenkungskreises eine entsprechende Reife entwickelt haben, würde die Beteiligung der Städte und Gemeinden ansetzen.

 

 

Die Kreisverwaltung dankt der SPD-Fraktion für die mit der Erstellung der Fragen verbundenen Mühen. Viele der angesprochenen Aspekte sind aktueller und künftiger Bestandteil unserer Ansätze, um gemeinsam mit den Partnern (Verkehrsunternehmen, Land Baden-Württemberg, Kreispolitik etc.) einen leicht zugänglichen, effizienten und nachhaltigen ÖPNV auf der Ostalb für die jetzigen Fahrgäste und diejenigen die es werden sollen zu bewerkstelligen.


Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Gehlhaus, Geschäftsbereich Nahverkehr

gez. Wagenblast, Dezernat VII

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat