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Vorlage - 111/2020  

 
 
Betreff: Bericht der Schuldnerberatung des Ostalbkreises
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t V Beteiligt:Geschäftsbereich Soziales
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses
23.06.2020 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Laut SchuldnerAtlas 2019 (Creditreform) sind derzeit in Deutschland weit über 6,9 Mil-lionen Bürger im Alter von über 18 Jahren überschuldet und können bestehende Verbindlichkeiten nicht begleichen. Seit 2013 kann damit erstmals ein leichter Rückgang festgestellt werden. Auch das Statistische Landesamt Baden-Württemberg vermeldete in der Pressemitteilung vom 18.06.2019 einen Rückgang bei der Eröffnung von Privatinsolvenzen um 6,1 % (Vergleich 1. Quartal 2019 zu 1. Quartal 2018). Angesichts der konjunkturellen Eintrübung, aktuell auch infolge der Corona-Pandemie, rechnet Creditreform jedoch nicht mit einer nachhaltigen Entspannung.

 

Überschuldung kann in Armut führen und bedeutet für die Betroffenen meist nicht nur ein Zahlungs-, sondern häufig auch ein gesellschaftliches Problem mit weniger Kontakten, weniger Chancen am Wohnungsmarkt sowie einem Anstieg an gesundheitlichen Problemen. Armut drückt sich bei Kindern oftmals mit geringeren Teilhabe- und Bildungschancen, bei überschuldeten Älteren u. a. auch in einer schlechteren Gesundheitsversorgung aus.

 

Dem Themenbereich Überschuldung und den damit verbundenen Problemen stellen sich die kommunalen und gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen, im Ostalbkreis die Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts und die der Kreisdiakonie.

 

 

II. Entwicklung, Beratungsangebot und aktuelle Situation der Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts Ostalbkreis

 

Seit 32 Jahren bietet die Schuldnerberatung des Ostalbkreises Hilfe und Unterstützung für finanziell in Not geratene Menschen an. Zum damaligen Zeitpunkt ein sehr frühes Einschreiten und Angebot an überschuldete Menschen.

 

Mit der Einführung der Privatinsolvenz 1999 nahm die Entwicklung und die Nachfrage nach Schuldnerberatung eine Dynamik auf, die insbesondere in den Jahren 2008 und folgenden, den Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, noch verstärkt wurde. Die ursprünglich rein soziale Schuldnerberatung stellt sich inzwischen als Insolvenz- und soziale Schuldnerberatung ihren Aufgaben. Sie ist offen für alle Personengruppen und bietet weit gefächerte Unterstützungsmöglichkeiten für Einzelpersonen und in der Gruppenberatung an. Diese reichen von Hilfen im Einzelfall bis hin zu präventiven Veranstaltungen. Die Schuldnerberatung ist an den Standorten Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen sowie mit einem Beratungsangebot durch Ehrenamtliche im Jobcenter Bopfingen vertreten.

 

Im Sachgebiet Schuldnerberatung arbeiten 10 Mitarbeiterinnen in 5,3 Sachbearbeiterinnen- und 1,2 Sekretariatsstellen.

 

Die Beratung des einzelnen Ratsuchenden erfolgt in der Basis- und/oder weiterführenden Beratung sowie in der Gruppe. Beratungsinhalt, Beratungsintensität und Beratungsverlauf richten sich unter Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen.

 

 

 

 

Basisberatung

 

Basisberatung bedeutet Zugang in den offenen Sprechstunden und zu vereinbarten Terminen. Die Beratungsschwerpunkte liegen beim Kontopfändungsschutz - mit nahezu jeder vierten Beratung 2019 und Tendenz steigend -, der Bescheinigung von zusätzlichen Freibeträgen auf dem Pfändungsschutzkonto, zu Anträgen an das Vollstreckungsgericht/-behörde für individuellen zusätzlichen Schutz, zu Energie- und Versorgerschulden. Die Kunden kommen meist aus einem aktuellen Anlass, z.B. weil die Stromversorgung gesperrt werden soll.

 

Im Jahr 2019 wurden 843 Einzelberatungstermine wahr genommen, 133 Beratungen weniger als 2018, was dem allgemeinen, wohl eher kurzfristigen Trend entspricht. Vor allem, wenn man die Jahre zuvor mit bis zu 1.246 Einzelberatungen pro Jahr betrachtet.

 

Weiterführende Beratung

 

Ziel der weiterführenden Beratung ist die Regulierung der Schulden über eine sukzessive Regulierung der einzelnen Forderungen oder über die Entschuldung im Rahmen der Insolvenzordnung, also über einen Gesamtplan. Die Schuldnerberatung tritt bei Banken, Gläubigern, Versorgern, Arbeitgeber und Sozialleistungsträgern in Vollmacht der Ratsuchenden auf.

 

Die weiterführende Beratung einer Entschuldung nach der Insolvenzordnung erfolgt in den aufwändigen Fällen in der Einzelberatung, in den einfach gelagerten Fällen kann sie auch in einer Insolvenzgruppe erfolgen. Im Jahr 2019 befanden sich rund 300 Fälle in der weiterführenden Beratung.

 

Insolvenzkursgruppen

 

Den Weg bis zum Insolvenzantrag können Überschuldete mit einer übersichtlichen Gläubigerzahl und unbestrittenen Forderungen selbst in einem so genannten Insolvenzkurs beschreiten. Im Jahr 2019 nahmen 16 Menschen in 5 Kursgruppen teil.

 

Wartezeiten

 

Bereits 1999 wurde eine offene Sprechstunde mit der Möglichkeit eines offenen, nicht terminierten Zugangs eingeführt. Wegen der ständig steigenden Nachfrage wurde das Angebot von zunächst einmal im Monat auf inzwischen wöchentliche Sprechstunden erhöht. Die Nachfrage in den Sprechstunden kann aktuell bedient werden.

 

Sprechstunden finden

-   in Aalen am Montagvormittag und Donnerstagnachmittag,

-  in Schwäbisch Gmünd am Dienstagvormittag und am ersten Donnerstag-

 nachmittag im Monat

statt.

 

Die Ratsuchenden können sich an beide Dienststellen, in Aalen, Gartenstr. 105 und in Schwäbisch Gmünd, Bahnhofplatz 1, wenden.

 

Auch die Schuldnerberatung der Kreisdiakonie bietet sowohl in Aalen als auch in Schwäbisch Gmünd wöchentlich eine offene Sprechstunde an.

Über die Sprechstunde hat jeder Ratsuchende die Möglichkeit, in dringenden unaufschiebbaren Angelegenheiten ohne Wartezeit eine Beratung zu erhalten und darüber hinaus, je nach Fallkonstellation, auch in eine sofortige weiterführende Beratung aufgenommen zu werden. In Fällen der weiterführenden Beratung, in denen eine Wartezeit vertretbar ist, wird eine Warteliste mit einer aktuellen Wartezeit von bis zu 8 Monaten (Mittel der beiden Dienststellen) geführt.

 

Erstinformation zum Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren

 

Eine umfassende Information über das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren ist eine Entscheidungsvoraussetzung für die Frage, ob diese Entschuldungsalternative zum Zuge kommen soll und wichtig für das Erreichen des Entschuldungsziels. Mehrmals jährlich bietet die Schuldnerberatung des Landratsamts, im Wechsel mit der Kreisdiakonie, in Aalen und Schwäbisch Gmünd eine offene Informationsveranstaltung zu diesem Themenblock an. Die Veranstaltungen sind gut besucht.

 

Prävention

 

Für Jugendliche und junge Erwachsene ist es häufig schwierig, sich in einem unübersichtlichen Finanzmarkt und einer Konsumflut zurecht zu finden. Mit Vermittlung von Wissen, Anregungen, Orientierungshilfen sowie praktischen Beispielen und Übungsspielen zur Budgetplanung befassen sich die Präventionsprojekte der Schuldnerberatung.

 

Aktuell ist das neue Projekt „Markt der Möglichkeiten“ nachgefragt. Im letzten Jahr wurde es an der Friedrich-von-Keller Schule in Abtsgmünd sowie der Justus-von-Liebig Schule in Aalen als Pilotprojekt eingeführt.

 

Ehrenamt

 

Das Ehrenamt in der Schuldnerberatung erschließt neben der hauptamtlichen Beratung zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten für einzelne Ratsuchende und ermöglicht weitere Beratungsformen wie die Insolvenzkursgruppen. 2019 leisteten die 7 ehrenamtlich engagierten Frauen und Männer 150 Stunden. Gefördert wird das ehrenamtliche Engagement seit 2012 aus Spenden, zuletzt durch die Bezirksvereinigung der Volksbanken und Raiff-

eisenbanken im Ostalbkreis.

 

Insolvenzordnung: Änderungen rechtlicher Vorgaben zur Restschuldbefreiung

 

Seit 1999 gibt es die Möglichkeit der Privatinsolvenz verbunden mit einer Restschuldbefreiung nach einer sog. Restschuldbefreiungs- (oder)Wohlverhaltensphase. Seit der letzten Änderung der Insolvenzordnung beträgt die reguläre Wohlverhaltensphase 6 Jahre. Eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf 5 Jahre ist möglich, sofern vom Schuldner die entstandenen Verfahrenskosten bezahlt wurden. Eine weitere Verkürzung auf 3 Jahre kommt in Betracht, wenn der Schuldner 35 Prozent der Forderungssumme an die Gläubiger gezahlt und außerdem die entstandenen Verfahrenskosten beglichen hat. Die Bedingungen für eine Verkürzung auf 3 Jahre können nur sehr wenige Insolvenzschuldner erreichen.

 

Nach der sog. EU-Restrukturierungsrichtlinie vom 20.06.2019 sind die EU-Mitgliedsländer aufgefordert, das nationale Insolvenzrecht und damit auch die Restschuldbefreiungsphase mit einer Dauer von 3 Jahren zu vereinheitlichen. Die Bundesregierung wird die Vorgaben umsetzen, ein Referentenentwurf liegt seit 13.02.2020 vor. Demnach werden Insolvenzschuldner ab Juli 2022 eine Restschuldbefreiung nach 3 Jahren erlangen, ohne die bisherigen Bedingungen erfüllen zu müssen. Damit Antragsteller bereits jetzt nicht benachteiligt werden, gibt es seit Dezember 2019 eine sukzessive Verkürzung der Laufzeit bis zur Restschuldbefreiung.

 

Bis eine kürzere Laufzeit auch in außergerichtlichen Regulierungsverhandlungen der Schuldnerberatung akzeptiert wird, werden, wie auch schon bei den früheren Änderungen, schwierige Verhandlungen erwartet.

 

 

III. Aussicht

 

Entsprechend den gesellschaftlichen Entwicklungen liegt der Anteil an Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen auch in der Schuldnerberatung höher als in früheren Jahren. Ebenso ist in immer mehr Beratungen ein Übersetzer auf Grund sprachlicher, kognitiver oder gesundheitlicher (z.B. Taubheit) Verständigungsprobleme notwendig. In all diesen Fällen ist der Zeitaufwand pro Beratung sehr hoch.

 

Seit der Einrichtung der Schuldnerberatung gab es entsprechend der stetig gestiegenen Nachfrage sukzessiven Personalzuwachs in der Sachbearbeitung. Zwei Mitarbeiterinnen werden in den nächsten beiden Jahren in den Ruhestand eintreten. Weil eine Professionalisierung in der Schuldnerberatung einen weitreichenden Zeitraum in Anspruch nimmt, kommt allein für die Einarbeitung einer neuen Sachbearbeitung auf die Beratungsstelle ein hoher Aufwand zu.

 

Das bestehende Hilfsangebot mit Basis-, weiterführender Beratung und Prävention ist vielseitig. Vor dem Hintergrund des höheren Beratungsaufwands für eine Vielzahl der Einzelfälle sind die Stellen bei der Schuldnerberatung aktuell auskömmlich, um eine zeitnahe Bearbeitung zu gewährleisten.

Nachdem Auswirkungen einer Verschlechterung am Arbeitsmarkt die Schuldnerberatung regelmäßig zeitlich verzögert treffen, können konkrete Aussagen zu einem Anstieg der Nachfrage wegen der Lage am Arbeitsmarkt und damit letztlich zur künftig erforderlichen Personalsituation erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden.

 

Auch die Auswirkungen der Corona-Krise können bislang nicht abgeschätzt werden. Aktuell wird mit keiner gesteigerten Nachfrage nach Schuldnerberatung gerechnet, da die Maßnahmen zur Abmilderung der Corona-Krise, wie die Stundung von Kreditraten, der Verzicht auf Liefersperren oder keine Kündigung von Mietverträgen bei Mietrückständen, vorrangig greifen. Sobald diese Maßnahmen wegfallen und Kurzarbeit weiter anhält, wird jedoch die Nachfrage steigen. Melden dann möglicherweise Betriebe Insolvenz an und verlieren dadurch Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz, wird dies ebenfalls zu einer erhöhten Nachfrage führen.

 

Selbst bei Wegfall der Kurzarbeit wird es für Arbeitnehmer im niedrigen Lohnsektor äußerst schwierig sein, neben den monatlichen Fixkosten auch noch die gestundeten Raten zu tilgen.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Für die Schuldnerberatung fallen jährlich Gesamtausgaben in Höhe von 564.000 € (Haushaltsplanansatz 2020) an. Dagegen stehen Einnahmen aus Fallpauschalen nach der Insolvenzordnung in Höhe von zuletzt 29.210 (RE 2019).

 

 

 

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Schiele i.V. Götz, Geschäftsbereichsleiterin Soziales

gez. Götz i.V. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat