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Vorlage - 104/2020  

 
 
Betreff: Festlegung der Zielgruppen und Schwerpunkte zur Vorbereitung des Arbeitsmarktprogramms 2021
Status:öffentlich  
Federführend:Jobcenter Ostalbkreis Beteiligt:D e z e r n a t V
Beratungsfolge:
Ausschuss für Arbeit und Grundsicherung Entscheidung
23.06.2020 
Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Grundsicherung ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

Den Vorschlägen der Verwaltung zu Zielgruppen und Schwerpunkten im Arbeitsmarktprogramm 2021 wird zugestimmt.

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

Die Zielgruppen und Schwerpunkte im Arbeitsmarktprogramm des Jobcenters Ostalbkreis für das Jahr 2021 werden auf Grundlage der Profillagen, der zu erwartenden Integrationsperspektiven und der Entwicklungen am Arbeitsmarkt festgelegt.

 

Entwicklungen am Arbeitsmarkt

 

Der Arbeitsmarkt wird in 2021 stark von der Corona-Krise geprägt sein. Die steigenden Arbeitslosenzahlen und die hohe Anzahl an Kurzarbeitenden werden sich im kommenden Jahr auf die Bedarfsgemeinschaften im SGB II auswirken.

 

Der Shut-Down und die durch Rechtsverordnung erleichterten Zugangsbedingungen zu SGB II-Leistungen haben im Jobcenter zu einem um das vierfache erhöhten Antragszugang geführt. Darunter sind rund 80 Kunden, deren Kurzarbeitergeld mit SGB II Leistungen ergänzt wird und ca. 200 Solo-Selbständige. Bei rund 50 % der Anträge kommt es jedoch nicht zu einer Bewilligung von Leistungen. Der Hauptgrund hierfür ist die nicht nachgewiesene Bedürftigkeit. Prognostisch könnte die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in 2021 auf über 7.000 ansteigen. Bei der Beurteilung einer Entwicklung gibt es aber noch viele unbekannte Faktoren. Beispielhaft sind dies:

 

        Die Anzahl und der Zeitpunkt der Überwechsler aus dem Arbeitslosengeldbezug SGB III

        Die Wirkung der beschlossenen und geplanten Konjunkturprogramme

        Die Entwicklung des Stellenmarkts

        Die Auswirkungen der parallel stattfindenden digitalen Transformation

        Die Qualifikationen und Potenziale bei den Neukunden

        Die finanzielle Ausstattung der Eingliederungsmittel durch den Bund

 

Profillagen

 

Eine fundierte Stärken- und Potenzialanalyse, das sogenannte Profiling, stellt die Ausgangsbasis für die gemeinsame Integrationsarbeit von Kunde und Integrationsfachkraft dar. Das Profiling mündet in der Festlegung des Kundenprofils anhand einer Profillage.

 

Die rund 6.350 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (elB) sind nach Einschätzungen der Integrationsfachkräfte des Jobcenters den folgenden Profillagen zuzuordnen:

 

 

 

Bei der Anzahl der elB handelt es sich um revidierte Zahlen aus dem Januar 2020. Voraussichtlich wird die Zahl im Mai 2020 bei rund 7.000 Personen liegen. Die Neuzugänge werden zum überwiegenden Teil den Integrierten Kunden (Ergänzer Kurzarbeitergeld und Solo-Selbständige) sowie den Kunden mit Integrationsperspektiven zuzuordnen sein.

 

Zielgruppenunabhängige Schwerpunkte

 

Unabhängig von Zielgruppen empfiehlt das Jobcenter Ostalbkreis im Arbeitsmarktprogramm 2021 drei Schwerpunkte. Zum einen sollen Maßnahmen für Menschen in den Profillagen A-C (marktnähere Kunden mit Integrationsperspektiven) Bestandteil des Arbeitsmarktprogramms sein. Dieser Ansatz dient der Prävention eines Langzeitleistungsbezugs.

 

Des Weiteren sollten Maßnahmen für benachteiligte Menschen mit multiplen, aber abbaubaren Vermittlungshemmnissen (Profillagen D und E) besondere Berücksichtigung finden. Ein Ausbau von individuellen Maßnahmen mit aufsuchendem Ansatz ist zur Tagesstrukturierung und Heranführung an den Arbeitsmarkt notwendig.

 

Die Verzahnung der Maßnahmen mit dem Thema Gesundheit soll fortgeführt werden. Mehr als 50 % der Jobcenterkunden haben gesundheitliche Problematiken. Die Auswirkungen der Pandemie werden diese Zahl eher noch erhöhen. Insbesondere die psychischen Erkrankungen könnten signifikant zunehmen. Mit unseren Kooperationspartner werden Konzepte entwickelt, die den Zugang von Menschen im SGB II zu Gesundheitsangeboten verbessern sollen.

 

Die flankierenden kommunalen Leistungen wie Sucht- und Schuldnerberatung und psychosoziale Betreuung werden einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Seit Jahren bestehen hier gute Kooperationen, die laufend evaluiert und dem Bedarf entsprechend angepasst werden. Für Menschen, die auch über das Teilhabechancengesetz nicht mehr in den sozialen Arbeitsmarkt eingegliedert werden können, gibt es das Projekt „Freiwillig dabei“. In Kooperation mit dem regionalen Bündnis für Arbeit und vielen gemeinnützigen Trägern und Institutionen wird durch eine niedrigschwellige, stundenweise Beschäftigung eine soziale Teilhabe ermöglicht.

 

Zielgruppen 2021

 

Als Zielgruppen für 2021 schlägt das Jobcenter Ostalbkreis vor:

 

        Jugendliche unter 25 Jahren und junge Erwachsene bis 34 Jahre

        Ältere ab 50 Jahren

        Alleinerziehende und Erziehende

        Flüchtlinge

 

Für die strategische Integrationsarbeit mit den einzelnen Zielgruppen werden die Profillagen, die Integrationen im vergangenen Jahr sowie die Dauer im Leistungsbezug näher analysiert. Die daraus abgeleiteten Handlungsbedarfe sind Grundlage der Maßnahmeplanung und Mittelverteilung für das Arbeitsmarktprogramm 2021.

 

Jugendliche unter 25 Jahren

 

Aktuell sind 1.042 Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren im Jobcenter in Betreuung. Das sind 16 % des gesamten Kundenkreises. Die Profillagen verteilen sich wie folgt:

 

 

 

Jugendliche mit leichten Hemmnissen (Profillagen B und C) sowie Jugendliche mit schweren, aber abbaubaren Hemmnissen in den Bereich Sucht, Schulen, Straffälligkeit, fehlender Stabilität im sozialen Umfeld oder fehlender beruflicher Orientierung (Profillage D) bilden in 2021 die Schwerpunkte. Maßnahmeformate, die auch das persönliche Umfeld und die Lebenssituation mit einbeziehen, sollen gefördert werden. Die Maßnahmen haben im vergangenen Jahr dazu beigetragen, dass 295 junge Menschen in den Arbeitsmarkt und 130 in den Ausbildungsmarkt integriert werden konnten. Der Anteil an den gesamten Integrationen beträgt 26 %.

 

Bei der größten Profillagengruppe F im Bereich U25 setzen die Projekte „ZUKUNFT“, „Zukunft Plus“ in Schwäbisch Gmünd an den allgemeinbildenden Schulen sowie „AVdual- Begleiter“ an den beruflichen Schulen an. Diese Maßnahmen werden nicht vom Jobcenter finanziert, jedoch bestehen hier enge Kooperationen.

 

Als möglicher Schwerpunkt könnte in Folge der Corona-Krise Maßnahmen zur Vorbereitung und bewerberorientierten Vermittlung in Ausbildung hinzukommen. Ggf. müssen auch wieder verstärkt alternative Maßnahmen zur dualen Ausbildung finanziert werden, sollten die Betriebe weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen können.

 

Zielgruppe: Junge Erwachsene zwischen 25 und 34 Jahren

 

 

 

Rund 150 junge Erwachsene mit guten Integrationsperspektiven haben keinen Berufsabschluss. Diese Anzahl könnte als Folge der Pandemie ansteigen. Viele Ungelernte sind stärker von der Krise betroffen. Im Sinne einer nachhaltigen und dauerhaften Integration bleiben Berufsabschlüsse das höchste Ziel, auch wenn nicht alle diesen Weg beschreiten können oder wollen. Deshalb sollen im Arbeitsmarktprogramm Mittel für die Förderung der beruflichen Weiterbildung insbesondere für diese Personengruppe vorgesehen werden. Im letzten Jahr konnten aus dieser Altersgruppe 28 % aller Integrationen generiert werden, bei einem Kundenanteil von 22 %. 35 Personen dieser Altersgruppe haben eine Berufsausbildung aufgenommen.

 

50plus

 

Knapp 2.000 Kunden des Jobcenters sind 50 Jahre und älter. Die Profillagen unterscheiden sich von den anderen Zielgruppen:

 

 

Nur rund ein Viertel in dieser Altersgruppe steht realistisch für Integrationsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung. Dennoch konnten in 2019 11 % aller Integrationen bei Älteren erzielt werden. Der Kundenanteil beträgt jedoch 31 %.

 

Das Jobcenter möchte bewährte Maßnahmen zur Aktivierung mit gesundheitsfördernden Inhalten weiterführen. Die Zielgruppe soll in 2020 besonders für die geförderten Arbeitsverhältnisse aktiviert und motiviert werden.

 

Die Kooperation mit der Agentur für Arbeit Aalen und dem Jobcenter Heidenheim zur beruflichen Integration Älterer in Ostwürttemberg im Rahmen der Fachkräfteallianz wird in 2021 fortgeführt.

 

Alleinerziehende

 

944 Personen im SGB II Bezug sind Alleinerziehende. Die große Mehrzahl (31 %) von ihnen befindet sich aktuell in der Erziehungsphase mit Kindern unter 3 Jahren und wird unter der Profillage F geführt. Das Beratungskonzept für Erziehende des Jobcenters hat sich bereits seit drei Jahren bewährt. Erziehende Frauen und Männer erhalten regelmäßig Einladungen zu Informationsveranstaltungen und Gesprächen mit dem Ziel, sie frühzeitig für einen beruflichen Wiedereinstieg vorzubereiten. Die Zahl der alleinerziehenden Arbeitslosen konnte im vergangenen Jahr reduziert werden.

 

Die übrigen Profillagen verteilen sich in der Zielgruppe folgendermaßen:

 

 

 

Für Alleinerziehende sind Maßnahmen in den Bereichen Förderung der beruflichen Weiterbildung, Ausbildung in Teilzeit sowie Beratung und Organisation der Kinderbetreuung für Frauen und Männer mit Integrationsperspektiven besonders erfolgversprechend. Bewährt haben sich Maßnahmen wie das langjährige Frauenprojekt. Die ESF geförderten Projekte zur Heranführung an eine Teilzeitausbildung sowie die regionalen ESF-Projekte für Erziehende mit besonderen Problemlagen sollen weitergeführt werden. In den Maßnahmen werden Folgen von Trennung und Gewalterfahrungen von Frauen und Kindern aufgearbeitet.

 

Erziehende

 

Neben den Alleinerziehenden sind in den vergangenen Jahren auch die Erziehenden in Familien näher ins Blickfeld gerückt. Diese Zielgruppe wurde auch in die Zielvereinbarung mit dem Wirtschaftsministerium aufgenommen. Im SGB II Bezug sind dies 1.381 Personen. 21 % erziehen Kinder unter 3 Jahren und stehen für eine Integration nicht zur Verfügung. Für diejenigen mit Integrationsperspektiven möchte das Jobcenter interne und externe Maßnahmen konzipieren, die den gesamten Familienverbund in den Fokus nehmen und unterstützen. Im Vergleich zu den Alleinerziehenden gelingen bisher prozentual weniger Integrationen mit dieser Personengruppe.

 

Flüchtlinge

 

Die Verzahnung mit den Profillagen bietet bei dieser Zielgruppe nach und nach bessere strategische Anhaltspunkte. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge befindet sich weiterhin in Sprach- und Integrationskursen. Eine valide Einschätzung der beruflichen Integrationsperspektiven wird erst nach und nach erfolgen können.

 

 

 

Die Zielgruppe umfasst 656 Personen. Gegenüber dem Vorjahr sind dies rund 50 Personen weniger. Die Motivation, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu absolvieren ist nach wie vor bei den Flüchtlingen sehr hoch. Neben dem Erlernen der Sprache sind Maßnahmen zur Orientierung, Heranführung an den Arbeitsmarkt sowie Feststellung der Fähigkeiten und Neigungen vorrangig. Sie können sowohl im Vorfeld von Sprachkursen als auch während und im Anschluss an die Sprachkurse stattfinden. Es soll keine Zeit versäumt werden, die bleibeberechtigten Flüchtlinge so früh wie möglich an den Arbeitsmarkt heranzuführen und zu aktivieren. Zusätzlich gibt es über das BAMF finanzierte Sprachkursformen im Anschluss an die klassischen Integrationskurse.

 

Durch die nach und nach verbesserte Kommunikation und die enge Betreuung treten immer häufiger fluchtbedingte Probleme zu Tage. Flankierende Therapiemaßnahmen zur Aufarbeitung sind aus Sicht des Jobcenters noch ausbaufähig.

 

In 2019 wurden 155 Flüchtlinge in Arbeit und 17 in Ausbildung vermittelt.

 

Weitere mögliche Zielgruppen

 

Im letzten Jahr waren die Langzeitleistungsbezieher und die Umsetzung des Teilhabechancengesetzes bei der Integrationsarbeit stark im Fokus. Nachdem mittlerweile rund 60 Menschen dank der neuen Förderung mit einer  5-Jahres Perspektive in Arbeit einmünden konnten, werden die Instrumente des Teilhabechancengesetzes  im normalen Regelbetrieb zum Tragen kommen. Auch im kommenden Jahr sollen hierfür auskömmliche Mittel im Arbeitsmarktprogramm vorgesehen werden.

 

Auswirkungen von Corona

 

Durch die nicht absehbaren Folgen der Corona-Krise wird das Jobcenter eine höhere Flexibilität bei der Planung des Arbeitsmarktprogramms 2021 vorsehen. Damit soll gewährleistet werden, dass notwendige Maßnahmen schnell, bewerberorientiert und inhaltlich flexibel bei Bedarf angeboten werden können. Sollte das Bewerberpotenzial vorhanden sein, könnte dies beispielsweise einen höheren Mittelansatz bei Qualifizierungen erforderlich machen.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die finanziellen Auswirkungen der Pandemie auf den Eingliederungshaushalt des Jobcenters sind derzeit nicht absehbar. Sollten dieselben Parameter wie in den vergangen Jahren als Maßstab dienen, stehen für die Maßnahmen im Arbeitsmarktprogramm 2021 voraussichtlich rund 5 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel werden zu

100 % vom Bund finanziert.

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Koch, Geschäftsbereichsleiter

gez. Götz i.V. Urtel, Sozialdezernentin

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat