Bürgerinformationssystem

Vorlage - 065/2020  

 
 
Betreff: Sachstandsbericht zur Integration von Flüchtlingen
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Integration und Versorgung   
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses Kenntnisnahme
23.06.2020 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Der Blick auf die griechischen Flüchtlingslager, auf die instabile Lage in der Türkei und Syrien sowie die daraus noch nicht abschätzbaren Folgen für die europäische Staaten und Deutschland zeigen die Relevanz der Flüchtlingsproblematik auch in der gegenwärtigen Zeit.

 

Nach Bewältigung der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 liegt der Aufgabenschwerpunkt aktuell bei der Integration von Flüchtlingen in Gesellschaft, Schule, Ausbildung und Beruf.

 

Die Flüchtlingsaufnahme ist in Baden-Württemberg in einem 3-stufigen Verfahren geregelt:

 

      Die Erstaufnahme, bei der die Flüchtlinge in landeseigenen Einrichtungen untergebracht sind und von dort in die

 

      Vorläufige Unterbringung auf die Stadt- und Landkreise zugewiesen werden. Hier erfolgt die Unterbringung der Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften, die durch die Landkreise betrieben werden. Nach Abschluss des Asylverfahren bzw. nach max. 24 Monate Aufenthalt in den Gemeinschaftsunterkünften werden die Flüchtlinge in die

 

      Anschlussunterbringung zugewiesen. Hier sind die Städte und Gemeinden für die weitere Unterbringung zuständig.

 

In allen drei Verfahrensstufen wird die soziale Beratung und Betreuung der Flüchtlinge gewährleistet.

 

In der Erstaufnahme erfolgt vorrangig die Verfahrensberatung im Rahmen der Asylantragsstellung durch die unabhängige Verfahrensberatung des DRK und der Diakonie.

 

Die ersten Schritte zur Integration von Flüchtlingen werden in der vorläufigen Unterbringung eingeleitet. Die hierfür zuständige Sozialbetreuung beim Geschäftsbereich Integration und Versorgung des Landratsamts Ostalbkreis, begleitet die Flüchtlinge vom ersten Tag ihrer Ankunft in den Gemeinschaftsunterkünften sehr intensiv.

Die Sozialpädagogen versuchen hierbei zusammen mit den Flüchtlingen ihren Tagesablauf zu strukturieren, begleiten Familien mit ihren Kindern in Kindergärten und Schulen, organisieren Sprachkursteilnahmen, unterstützen bei Arzt- und Behördenangelegenheiten, vermitteln in Ausbildung und Beruf und bereiten sie auf ihr Leben in der Anschlussunterbringung vor.

 

Der Integrationsprozess ist ein langer Weg, der mitunter Jahre dauert. Viele Flüchtlinge kommen ohne Schul- oder Berufsabschlüsse nach Deutschland, sind traumatisiert, sind Analphabeten und verfügen in den meisten Fällen über keine deutschen Sprachkenntnisse. Zudem belastet die Flüchtlinge ihre ungewisse ausländerrechtliche Bleibesituation.

 

Diese Vielzahl an Herausforderungen zu meistern kann nur gelingen, wenn die Flüchtlinge selbst aktiv und intensiv am Integrationsprozess mitarbeiten und die Vielzahl an Unterstützungs- und Hilfsangeboten annehmen.

 

Die „Grundsteine der Integration“, die in den Gemeinschaftsunterkünften gelegt wurden, müssen konsequent in der Anschlussunterbringung fortgeführt werden. In den Kommunen des Ostalbkreises verbleiben nicht nur die anerkannten Flüchtlinge auf Dauer, sondern auch die abgelehnten Asylbewerber, welche nicht ausreisen oder abgeschoben werden können. Diese haben zumeist aufgrund gesetzlicher Regelungen (Wohnsitzauflagen, Zuweisungsentscheidungen etc.) keine Möglichkeit Ihren Wohnsitz frei zu wählen, solange sie von Sozialleistungen abhängig sind.

 

II. Integration und Sozialbetreuung in der Anschlussunterbringung

 

Ein Großteil der Flüchtlinge, die in den letzten Jahren gekommen sind, befinden sich mittlerweile in der Anschlussunterbringung. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Von 2015 bis Ende 2019 hat der Landkreis insgesamt 1315 abgelehnte und anerkannte Flüchtlinge den Städten und Gemeinden zur endgültigen Unterbringung zugewiesen. Auch im Jahr 2020 ist beabsichtigt, weitere 120 Flüchtlinge in den Kommunen des Landkreises unterzubringen.

 

 

 

Anfang Mai 2020 lebten 2.458 Flüchtlinge mit unterschiedlichem Status (Asylbewerber, Geduldete und anerkannte  Asylbewerber) in den Städten und Gemeinden des Ostalbkreises. Neben den vom Landkreis in den letzten Jahren auf die Kommunen zugewiesenen Flüchtlinge (s. Diagramm), sind dies u. a. jene, die im Rahmen des Familiennachzugs gekommen sind oder schon längere Zeit in den Städten und Gemeinden leben.

 

 

 

 

C:\Users\heike.braunger\AppData\Local\Microsoft\Windows\Temporary Internet Files\Content.Outlook\F800N8Q8\Anschlussuntergebrachte + Kommunal wohnende 30.04.2020.jpg

Alle diese Flüchtlinge erhalten auf Wunsch soziale Beratung und Betreuung durch den Sozialdienst des Geschäftsbereichs Integration und Versorgung des Landratsamtes, durch die Träger der freien Wohlfahrtsverbände, sowie durch die Integrationsmanager des Landkreises und der Städte Aalen und Schwäbisch Gmünd. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Integration und Versorgung betreuen rund 950 Personen in der Anschlussunterbringung, sowie 280 Personen im Integrationsmanagement.

 

 

Betreute Personen in der Anschlussunterbringung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der bereits in der vorläufigen Unterbringung eingeschlagene Weg der Integration der Geflüchteten ist nun in den Städten und Gemeinden vor Ort individuell fortzusetzen.

 

 

 

 

III. Integrationsmanagement

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung mit gezielten Maßnahmen auf ihrem Weg zur Integration zu unterstützen, hat das Land im Jahr 2018 den „Pakt für Integra- tion“ aufgelegt. Kernelement dieses Programmes ist das sogenannte Integrationsmanagement. Damit wird eine mehrjährige, flächendeckende soziale Einzelfallberatung und Betreuung der Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung ermöglicht.

 

 


Im Ostalbkreis wird diese Aufgabe seit Anfang 2018 für alle Städte und Gemeinden, außer Aalen und Schwäbisch Gmünd, durch Mitarbeiter der Sozialbetreuung des Geschäftsbereichs Integration und Versorgung wahrgenommen. Dies ermöglicht es uns, mit erfahrenem Personal den Integrationsprozess von Anfang an in einer Hand zu begleiten und zu steuern. Die Sozialpädagoginnen und -pädagogen des Landkreises betreuen aktuell 280 Flüchtlinge (ohne die Städte Aalen und Schwäbisch Gmünd) mit einem jeweiligen Stellenanteil zwischen 25 % und 50 %. Sie erarbeiten mit den Klienten Integrationsvereinbarungen und vereinbaren darin konkrete Integrationsziele. Dies macht Integrationsschritte transparenter und auch für die Geflüchteten spürbarer. Hier arbeitet der Ostalbkreis engmaschig mit den beiden Städten Aalen und Schwäbisch Gmünd zusammen, die diese Aufgabe in eigener Zuständigkeit ausüben, um mit gleichen Standards den Integrationsprozess zu begleiten. Ursprünglich war dieses Programm nur für Flüchtlinge der sogenannten „Flüchtlingswelle 2015/2016“ gedacht. Inzwischen kann es im Rahmen der freien „Platzzahlen“ auf Personen mit hoher Bleiberechtstendenz ausgeweitet werden.

 

Das Land hat eine Förderung dieser Personalstellen bisher für 36 Monate bewilligt. Eine Verlängerung um weitere 24 Monate wurde durch Sozialminister M. Lucha bereits dem Landkreistag im Januar signalisiert. Somit wäre eine Förderung von 60 Monaten gewährleistet.

 

IV. Themenfelder und Herausforderungen der Integration

 

Integration bedeutet „Ankommen in der Gesellschaft“. Diese Herausforderung stellt sich vor Ort in den Städten und Gemeinden des Ostalbkreises und muss auch dort angegangen und gemeinsam abgeschlossen werden.

 

Im Idealfall sind Flüchtlinge in der deutschen Aufnahmegesellschaft dann erfolgreich angekommen und integriert, wenn sie eine Berufsausbildung absolvieren oder einer Erwerbstätigkeit nachgehen und unabhängig von öffentlichen Leistungen leben, die deutsche Sprache beherrschen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Um diesen Idealzustand zu erreichen, sind eine Vielzahl von kleinen Schritten notwendig. Hierzu zählen u. a. Sprachkurse und erfolgreiche Schulbesuche, sowie die Eingliederung in Ausbildung und Beruf. Diese Schritte brauchen Zeit und es gibt immer wieder Stolpersteine auf dem Weg zur Integration. Nicht nur die unsichere Bleibeperspektive, die oft nicht selbstverschuldet ist, sondern von bundes- und landespolitischen Entscheidungen abhängt sondern auch kulturelle Hemmnisse, Traumatisierungen und die komplexe Lebenswelt in Deutschland erschweren die Integration.

 

Zwischenzeitlich sind allerdings die ersten Früchte der Bemühungen um eine Unabhängigkeit von Leistungen und somit einem entscheidenden Schritt auf dem Integrationsweg langsam sichtbar. So nahm die Zahl der Leistungsempfänger (AsylbLG) von 883 im Jahr 2017 auf 527 im Februar 2020 ab.

 

 

 

Die Integration ins Arbeitsleben und die Begleitung in Ausbildung ist ein wichtiges Themenfeld, bei dem das Gelingen von einem guten Zusammenspiel von allen hauptamtlichen Akteuren (Sozialbetreuung, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Kammern etc.) mit den ehrenamtlichen Paten und Begleitern abhängt und bravourös gemeistert wird.

Der Erfolg dieser Bemühungen ist derzeit bei 129 Personen in einem Beschäftigungsverhältnis und 37 in Ausbildung sichtbar. Dies ist um so bemerkenswerter, da oft ausländerrechtliche Regelungen (Arbeitsverbote) einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen und die Kinderbetreuungssituation der Großfamilien eine Beschäftigung beider Elternteile nicht möglich macht.

 

Es gibt viele gute Beispiele, dass Integration im Ostalbkreis gelingt. Dies ist auch dem sehr guten bürgerschaftlichen Engagement zu verdanken. Ohne die zahlreichen ehrenamtlich Engagierten vor Ort wäre vor allem die gesellschaftliche Integration nicht denkbar. Die Ehrenamtlichen und die Helferkreise vor Ort begleiten die Flüchtlinge in allen Lebenslagen und bieten vor allem ein gelebtes Willkommen. Das Helfernetzwerk im Ostalbkreis ist von bedarfsgerechter Hilfe geprägt und erleichtert somit das Ankommen und die Integration vor Ort. Als Integrationserfolg kann auch die Gründung eines afrikanischen Kulturvereines und weiterer Migrantenselbstorganisationen vor Ort gewertet werden. Dieses Engagement von Geflüchteten für Geflüchtete aber auch für Einheimische sind ein großer Schritt für ein gutes Miteinander im Ostalbkreis.

 

 

V. Flüchtlinge im Jobcenter Ostalbkreis

 

Nach der Anerkennung und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhalten Flüchtlinge bei Bedürftigkeit Leistungen durch das Jobcenter. Die Zahl der geflüchteten Menschen im Jobcenter Ostalbkreis hat sich auch im Jahr 2019 nur wenig verändert. Der überwiegende Teil der ca. 650 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, befindet sich weiterhin in Sprachkursen oder in Projekten und Maßnahmen zur Unterstützung bei der Arbeitssuche.

 

     

Im Jahr 2018 fanden 240 der Geflüchteten den Weg in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, im darauffolgenden Jahr schon fast ein Drittel weniger. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Gegenüber den Jahren 2015/2016 ist die Zahl der Flüchtlingszugänge gesunken. Die bereits gemeldeten Flüchtlinge können fast keine Berufsabschlüsse oder kaum verwertbare Berufserfahrungen aufweisen. Aufgrund der bisherigen Familiennachzüge stieg der Frauenanteil deutlich. Es handelt sich hier meist um sehr kinderreiche Familien. Allein 70 % der geflüchteten Frauen befinden sich in Elternzeit und sind durch die Erziehungszeiten aktuell nicht für den Arbeitsmarkt aktivierbar. Weitere Thematiken wie körperliche und stark psychische Belastungen oder sehr schwer abbaubare sprachliche Hürden sind große Hemmnisse bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Da unter diesen Flüchtlingen kaum Fachkräfte oder Akademiker sind, können wenig bis keine Anpassungsqualifizierungen oder berufliche Weiterbildungen gefördert werden. Zum Teil gab es niederschwellige Qualifizierungen, überwiegend im Metallbereich und nur in Ausnahmen berufliche Umschulungen, die zu einem Abschluss führten.

Somit erfolgten die rund 172 Integrationen überwiegend in Helferbereichen in den Branchen Verkehr, Logistik, Metallbearbeitung, Produktion und Reinigung. Vereinzelt waren Vermittlungen in Ausbildung möglich, diese werden meist mit unterstützenden Maßnahmen, wie z. B. Nachhilfeunterricht begleitet.

 

 

Bereits Ende 2019 wurden deshalb niederschwellige Projekte mit Anteilen an berufsbezogener Sprachförderung und Kinderbetreuung installiert. So ist es zum Beispiel schon während der gesetzlichen Elternzeit möglich, einen Zugang zu den Frauen zu bekommen und in kleinen Schritten die Integration zu unterstützen. Im Projekt für geflüchtete Männer wird neben dem Sprachangebot weiterhin intensiv an der beruflichen Integration gearbeitet. Auch das Teilhabechancengesetz bietet für Langzeitarbeitslose gute Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber und konnte im Bereich der Geflüchteten weitere Integrationen möglich machen.

 

 

 

 

 

Finanzierung und Folgekosten

 

Die Aufwendungen des Landkreises für die Sozialbetreuung in der vorläufigen Unterbringung werden durch das Land getragen.

 

Die Personalkosten für die Sozialpädagogen des Landratsamtes Ostalbkreis in der Anschlussunterbringung fallen nicht unter die Kostenerstattung des Landes und werden somit durch den Landkreis getragen.

 

Die Personalstellen für die Integrationsmanager des Landkreises werden im Rahmen des Paktes für Integration für insgesamt 5 Jahre durch das Land finanziert.

 


Anlagen

 

---

 

 

 

 


Sichtvermerke

 

gez. Betz, Integration und Versorgung

gez. Götz i.V. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat