Bürgerinformationssystem

Vorlage - 267/2019  

 
 
Betreff: Bundesteilhabegesetz - Umsetzungsstand
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit
05.12.2019 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (BTHG) wurde am 23. Dezember 2016 erlassen. Mit ihm soll die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung verbessert und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt werden.

 

II.  Situation im Ostalbkreis

 

Das Bundesteilhabegesetz tritt stufenweise vom 1. Januar 2017 bis 1. Januar 2023 in Kraft. Nachdem ab 2017 in erster Linie finanzielle Verbesserungen durch Änderungen in der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung umgesetzt wurden, geht es nun an die inhaltliche Neugestaltung. Dies betrifft insbesondere die Zugänge zu den Leistungen, die durchzuführenden Verfahren sowie das Zusammenwirken zwischen den Betroffenen, den Einrichtungen der Behindertenhilfe und den Stadt- und Landkreisen.

 

In verschiedenen kommunalen, ministerialen und gemeinsamen Arbeitsgruppen auf Landesebene wird weiterhin mit Hochdruck an der Umsetzung des BTHG gearbeitet. Der Zeitdruck ist auf Grund des zum 1. Januar 2020 vorgesehenen Systemwechsels enorm. Nach wie vor gibt es zu grundsätzlichen Fragestellungen zum Teil sehr unterschiedliche Positionen. Die strategische und operative Ausrichtung der kommunalen Seite wird in regelmäßigen Abständen in der Steuerungsgruppe BTHG beim Kommunalverband für Jugend und Soziales beraten. Diese setzt sich aus den kommunalen Spitzenverbänden sowie einzelnen Stadt- und Landkreisen zusammen. Trotz vieler noch ungeklärter Punkte müssen die Stadt- und Landkreise aktuell eine Vielzahl von Rechtsänderungen umsetzen und gleichzeitig die notwendigen Vorbereitungen für die künftigen Änderungen treffen.

 

Bedarfsermittlung

 

Entsprechend der Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes wurde in Baden-Württemberg ein neues, ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) basiertes Hilfebedarfsermittlungsinstrument entwickelt. Mit diesem Instrument werden alle Bedarfe des Betroffenen erhoben, damit eine Abstimmung der benötigten Leistungen nach Art, Inhalt, Umfang und Dauer mit anderen beteiligten Leistungsträgern erfolgen kann. Die Bedarfsermittlung hat durch die Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe zu erfolgen und muss in allen Fällen spätestens alle 2 Jahre durchgeführt werden. Im Ostalbkreis betrifft diese Vorgabe neben allen Neufällen rund 2.400 Bestandsfälle.

Das unter der Federführung des Landes Baden-Württemberg entwickelte Bedarfsermittlungsinstrument wurde im Frühsommer 2019 modellhaft erprobt. Der Ostalbkreis hat sich an der Erprobung als Modelkommune beteiligt. Seit Anfang Oktober 2019 steht nun eine Startversion zur Verfügung. Die Nutzungsrechte zwischen dem Land und den Kommunen sind noch nicht abschließend geklärt.

 

 

Landesrahmenvertrag

 

Das BTHG führt auf Grund seines personenzentrierten Ansatzes dazu, dass alle vertraglichen Regelungen neu ausgehandelt werden müssen. Grundlage für den Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen vor Ort ist der Landesrahmenvertrag, der zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern unter Mitwirkung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung abgeschlossen wird. Dem neuen Landesrahmenvertrag müssen alle 44 Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe in Baden-Württemberg zustimmen. Da zum 1. Januar 2020 ein Systemwechsel zu vollziehen ist, bei dem die existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen der Eingliederungshilfe getrennt werden, ist der Abschluss des Landesrahmenvertrags dringend geboten. Erst wenn die neuen Grundlagen klar sind, können die Leistungserbringer vor Ort mit den Stadt- und Landkreisen sowie den Betroffenen die erforderlichen Vereinbarungen abschließen.

Der bisherige Zeitplan des Sozialministeriums zum Abschluss des Rahmenvertrages im Juli 2019 konnte nicht eingehalten werden. Der Stand der Finanzverhandlungen wirkt sich unmittelbar auf die Vertragsverhandlungen zum Landesrahmenvertrag SGB XI aus. Die Frist wurde vom Sozialministerium nochmals auf November 2019 verlängert.

 

Finanzverhandlungen

 

Nachdem das Land Baden-Württemberg zunächst die Konnexitätsrelevanz des BTHG für die Jahre 2017 bis 2019 abgelehnt hatte, konnte im Rahmen der Verhandlungen der Gemeinsamen Finanzkommission des Landes und der kommunalen Spitzenverbände eine erste Einigung erzielt werden. Zur Abgeltung der Kosten der Stadt- und Landkreise im Zusammenhang mit der Umsetzung des BTHG erhalten diese für die Jahre 2017 bis 2019 finanzielle Mittel in Höhe von 50 Mio. Euro. Für den Ostalbkreis ergibt dies eine Zahlung in Höhe von 1,3 Mio. Euro, die im Haushalt 2019 zum Ansatz gebracht wurde und diesen einmalig entlastet.

Um die weitere Umsetzung des BTHG ab dem Jahr 2020 nicht zu gefährden, haben die kommunalen Landesverbände dem Sozial- und Finanzministerium ein 4-Stufen-Modell zur Bestimmung möglicher Ausgleichspflichten vorgeschlagen. Vom Finanzministerium wurde hierzu bereits im November 2017 zugesagt, dass die eigentliche Reform, auch auf Landesebene, zum 01.01.2020 gilt und dann selbstverständlich die Konnexität gilt. Das Finanzministerium hat nun im September 2019 in einer Sitzung der Gemeinsamen Finanzkommission erläutert, dass es für das BTHG in 2020 lediglich 11 Mio. Euro und in 2021 15 Mio. Euro vorsehen will, wobei Rücklagen für den Fall gebildet werden sollen, falls die konnexitätsrelevanten Kosten die Jahressummen übersteigen.

Die Aufwendungen für die Umsetzung des BTHG werden aufgrund der Übergangsvereinbarungen ab 01.01.2020 sukzessive ansteigen. Grund sind hier u.a. die sich aus landesspezifischen Bestimmungen ergebenden Mehraufwendungen, z.B. für die Umsetzung des Instruments zur Bedarfsermittlung (BEI-BW) sowie den dadurch entstehenden Personalmehraufwand, aber auch die vom Land gesetzten Erwartungen an die Rahmenvertragsverhandlungen für die Umsetzung des BTHG.

Für die Landkreise sind die Abschlagszahlungen in Höhe von 50 bzw. 100 Mio. Euro für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 nur dann akzeptabel, sofern sichergestellt ist, dass es eine klare Verabredung über einen nachlaufenden Ausgleich (z.B. Revision nach dem 4-Stufen-Model) gibt.

 

Kann die finanzielle Absicherung der BTHG-bedingten Mehraufwendungen nicht aufgelöst werden, wird in der Folge der Landesrahmenvertrag nicht zustande kommen.

 

Zur weiteren politischen Entwicklung und zum Umsetzungsstand vor Ort wird in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit am 05.12.2019 tagesaktuell berichtet.

 

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Der Ostalbkreis gewährt als Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Der Zuschussbedarf wird nach Abzug der o. g. Einmalzahlung des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 1,3 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2019 voraussichtlich rund 59 Millionen Euro und für das Haushaltsjahr 2020 61 Millionen Euro betragen. Die kommunalen Spitzenverbände gehen davon aus, dass das BTHG für die Träger der Eingliederungshilfe einen erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeuten wird. Dass das BTHG zum 1. Januar 2020 Konnexität auslöst, ist in Baden-Württemberg grundsätzlich unstrittig. Die zukünftigen finanziellen Auswirkungen des BTHG auf den Kreishaushalt werden maßgeblich davon abhängen, in welcher Höhe die Konnexitätsrelevanz des BTHG für die Zeit ab 2020 anerkannt wird. Im Haushaltsplan 2020 werden 1,5 Mio. € BTHG-bedingte Mehrkosten berücksichtigt, die durch einen in gleicher Höhe eingeplanten finanziellen Ausgleich des Landes ergebnisneutral dargestellt sind.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Untersuchung der finanziellen Auswirkungen des BTHG auf die Einnahmen und Ausgaben bei den Leistungen der Eingliederungshilfe in Auftrag gegeben. Die Untersuchung begann im Sommer 2018 und soll bis Ende 2022 abgeschlossen werden.

 

 

 


Anlagen

 

---

 

 

Sichtvermerke

 

gez. Götz, Geschäftsbereichsleiterin

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat