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Vorlage - 266/2019  

 
 
Betreff: Umsetzung des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe
(Angehörigen-Entlastungsgesetz)
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit
05.12.2019 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz sollen Kinder und Eltern, die gegenüber Leistungsbeziehern nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unterhaltsverpflichtet sind, entlastet werden. Hierzu wird die Unterhaltsheranziehung von Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen von bis zu einschließlich 100.000 Euro in der Sozialhilfe ausgeschlossen. Das Gesetz setzt damit die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um, auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern künftig erst ab einer Höhe von mehr als 100.000 Euro im Jahr zurückzugreifen. Gleichzeitig soll damit auch ein Signal gesetzt werden, dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen, beispielsweise bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen, anerkennt und insofern eine solidarische Entlastung erfolgt.

 

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz wurde am 07.11.2019 vom Bundestag beschlossen und soll am 29.11.2019 vom Bundesrat verabschiedet werden.

 

Die Inanspruchnahme unterhaltsverpflichteter Angehöriger soll mit diesem Gesetz erheblich begrenzt werden. Es handelt sich bei dem Vorhaben um eine umfassende und weitreichende Reform des Unterhaltsrückgriffs in der Sozialhilfe. Ziel ist es, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe, insbesondere bei ohnehin schon durch die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen belasteten Angehörigen, einzuschränken und somit eine substantielle Entlastung unterhaltsverpflichteter Kinder und Eltern sowie deren Familien zu erreichen. Auch in der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) soll durch einen Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern diese Entlastung vollzogen werden.

 

Um auch der besonderen Lebenslage der Betroffenen im Sozialen Entschädigungsrecht angemessen Rechnung zu tragen, soll auch im Bereich der fürsorgerischen Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Kriegsopferfürsorge ausgeschlossen sein, wenn das Jahreseinkommen der unterhaltsverpflichteten Eltern bzw. Kinder 100.000 Euro nicht überschreitet.

 

Menschen mit Behinderungen, die im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, haben bislang, anders als diejenigen im Arbeitsbereich, keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Mit diesem Gesetz wird dieser Anspruch für hilfebedürftige Menschen mit Behinderung auch für die Dauer des Eingangsverfahrens und Berufsbildungsbereiches eingeführt und eine Rechtspraxis der Länder auf Grundlage der seit 2018 erfolgten einheitlichen Rechtsprechung von Sozialgerichten und Landessozialgerichten nachvollzogen.

 

Mit dem durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bewirkten Systemwechsel erhalten Menschen mit Behinderungen, die bis zum 31.12.2019 in stationären Einrichtungen leben und Renten beziehen, die bis dahin auf den Sozialleistungsträger übergeleitet wurden, erstmals die Rentenzahlung auf das eigene Konto am letzten Bankarbeitstag im Januar 2020. Dieses Einkommen ist auf den monatlich im Voraus zu erbringenden Anspruch auf Sozialhilfe anzurechnen. Den Leistungsberechtigten steht daher erst am Ende des Monats der volle für die Sicherung des Existenzminimums erforderliche Betrag zur Verfügung. Die dabei auftretende vorübergehende Finanzierungslücke wird mit diesem Gesetz behoben.

 

Darüber hinaus enthält dieses Gesetz weitere Vorhaben, welche die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessern sollen. Derzeit können Menschen mit Behinderungen, die zu ihrer Teilhabe am Arbeitsleben auf eine Werkstatt für behinderte Menschen angewiesen sind, Leistungen zur beruflichen Bildung nur in diesen Einrichtungen oder seit 01.01.2018 auch bei einem anderen Leistungsanbieter erhalten. Mit diesen beruflichen Bildungsmaßnahmen wird jedoch kein anerkannter Berufsabschluss erworben. Mit einem Budget für Ausbildung sollen diese Menschen nun auch gefördert werden, wenn sie eine nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder nach dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) anerkannte Berufsausbildung erwerben wollen. Gleiches gilt, wenn sie eine Fachpraktikerausbildung aufnehmen und damit einen Berufsabschluss erwerben wollen.

 

 

II.  Situation im Ostalbkreis

 

Die Regelungen des Angehörigen-Entlastungsgesetz sehen vor, Kinder und Eltern, die gegenüber Beziehern von Sozialhilfe nach dem SGB XII unterhaltsverpflichtet sind, zu entlasten. Kinder und Eltern mit einem jeweiligen Jahreseinkommen von bis zu einschließlich 100.000 Euro sollen zukünftig nicht mehr unterhaltspflichtig sein.

 

Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die die sogenannte Hilfe zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe von 100.000 Euro zurückgegriffen werden kann. Umgekehrt soll dies auch für Eltern von volljährigen, pflegebedürftigen Kindern gelten. Die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs wirkt sich auch bei Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX aus durch den Verzicht auf Elternbeiträge bei volljährigen Leistungsbeziehern. Bislang galt die 100.000 Euro-Grenze nur für den Unterhaltsrückgriff bei Grundsicherungsleistungen. Zukünftig wird diese Grenze auf alle Leistungen des SGB XII und SGB IX ausgedehnt.

Dem Ostalbkreis als Sozialhilfeträger und Träger der Eingliederungshilfe ist bei Angehörigen nur noch dann die Möglichkeit einer Unterhaltsprüfung eröffnet, wenn er die Vermutung eines Einkommens unter 100.000 Euro widerlegen kann. Zukünftig werden daher Einnahmen aus Unterhaltszahlungen nur noch schwer zu realisieren sein und dem Ostalbkreis entsteht ab 2020 jährlich ein Ertragsausfall.

 

Derzeit werden in 548 Fällen Unterhaltsansprüche, die auf den Ostalbkreis übergegangen sind, geltend gemacht. Dabei handelt es sich um 455 Fälle aus dem Bereich der Hilfe zur Pflege (368 Fälle in Einrichtungen und 87 Fälle außerhalb von Einrichtungen) und 93 Fälle aus dem Bereich der Eingliederungshilfe. Es ist zu erwarten, dass zukünftig lediglich noch ca. 10 bis 15 % der Unterhaltsfälle als Rückgriffsfälle in Form von Trennungsunterhalt, nachehelichem Unterhalt und Unterhalt von Angehörigen mit einem Jahreseinkommen von über 100.000 Euro verbleiben werden.

 

Die Umsetzung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes wirft insofern Fragen auf, als einerseits ein sozialhilferechtlicher Regressverzicht besteht, ein gänzlicher Verzicht auf materiell-rechtliche Unterhaltsansprüche jedoch nicht erfolgt. Die scharf gezogene Grenze 

- lediglich bezogen auf das Einkommen und nicht auch auf das Vermögen - lässt eine Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen, die viel zahlen sollen und denen, die nicht zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden, befürchten.

 

Des Weiteren steht zu erwarten, dass sich Angehörige durch den meist fehlenden Rückgriff schneller entscheiden, ein pflegebedürftiges Familienmitglied in ein Pflegeheim zu geben. Von einer Zunahme der Anträge auf Übernahme der Heimpflegekosten ist auszugehen und das Ziel des Vorrangs der ambulanten Pflege verliert an Priorität.

 

Die Regelung im Angehörigen-Entlastungsgesetz, dass nun auch Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfbM Anspruch auf Grundsicherung haben, hat in der Praxis keine Auswirkungen. Der Ostalbkreis gewährt diesen Personen in der Regel bereits Grundsicherungsleistungen und ist damit der Rechtsprechung der Sozial- und Landessozialgerichte schon gefolgt. Mit einem Anstieg der Fallzahlen ist daher nicht zu rechnen. Mehrkosten sind ebenfalls nicht zu erwarten, zumal der Bund die Aufwendungen für die Grundsicherung dem Sozialhilfeträger erstattet.

 

Das Bundesteilhabegesetz sieht vor, dass ab dem 01.01.2020 die Renten von Menschen mit Behinderungen nicht mehr an den Sozialhilfeträger übergeleitet und dort vereinnahmt, sondern direkt auf das Konto des behinderten Leistungsempfängers überweisen werden. Dadurch, dass die Renten erst nachschüssig (d. h. erst am Ende des Monats) überwiesen werden, stehen diese nicht zur Bedarfsdeckung des gesamten Monats zur Verfügung. Um eine Deckungslücke zu vermeiden, wird bei der Ermittlung des Lebensunterhaltsbedarfs im Januar 2020 einmalig auf die Anrechnung der (Januar-)Rente verzichtet. Der einmalige Mehraufwand beläuft sich auf ca. 320.000 Euro. Dieser wird dem

Ostalbkreis vom Bund im Rahmen der Grundsicherung erstattet.

 

Von der Einführung eines Budgets für Ausbildung, um Menschen mit Behinderungen eine anerkannte Berufsausbildung mit einem entsprechenden Berufsabschluss zu ermöglichen, ist der Ostalbkreis finanziell nicht tangiert. Diese Leistungen werden - wie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich - von der Bundesagentur für Arbeit, Unfallversicherung, Rentenversicherung und Kriegsopferfürsorge erbracht.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Infolge der Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs in den Bereichen des SGB XII und SGB IX durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz wird dem Ostalbkreis in den Jahren ab 2020 ein jährlicher Ertragsausfall von ca. 850.000 Euro entstehen.

 

Infolge der Umsetzung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes werden im Sachgebiet Unterhalt voraussichtlich 3,5 Stellenanteil frei, so dass sich die Personalkosten um rund 250.000 Euro reduzieren. Sollte der Bundesrat dem Angehörigen-Entlastungsgesetz zustimmen, ist ab dem Haushaltsjahr 2020 mit einer Belastung des Kreishaushalts in Höhe von ca. 600.000 € zu rechnen.

 

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Götz, Geschäftsbereichsleiterin

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat