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Vorlage - 256/2019  

 
 
Betreff: Organisatorische Weiterentwicklungen im Jobcenter Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Jobcenter Ostalbkreis Beteiligt:D e z e r n a t V
Beratungsfolge:
Ausschuss für Arbeit und Grundsicherung Kenntnisnahme
05.12.2019 
Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Grundsicherung zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Die Grundsicherung für Arbeitssuchende unterliegt seit der Einführung im Jahr 2005 einem stetigen Wandel. Zum einen ist dies bedingt durch die mittlerweile 10. Gesetzesreform des SGB II. Zum anderen beeinflusst das Geschehen am Arbeitsmarkt auf der Angebots- und Nachfrageseite die Arbeit im Jobcenter erheblich. Der seit Jahren stabile Arbeitsmarkt im Ostalbkreis hat die Kundenstruktur des Jobcenters maßgeblich verändert. Der überwiegende Teil weist multiple Hemmnisse auf, die eine intensivere und individuellere Betreuung und Beratung benötigen. Auch besondere Personengruppen, wie geflüchtete Menschen, benötigen eine spezifische Ansprache.

 

Erste Digitalisierungsvorhaben auf Bundesebene deuten darauf hin, dass ein Teil der Tätigkeiten im Jobcenter sich nachhaltig verändern wird. Hierzu gehören beispielsweise die klassische Antragsbearbeitung bei den Neu- und Weiterbewilligungsanträgen, aber auch Vorgänge wie die Terminierung, Mitteilung von Veränderungen, Antragsbearbeitung von aktiven Leistungen zur Arbeitsförderung oder die Potenzialanalyse der Kunden.

 

Das abnehmende Fachkräftepotenzial für Tätigkeiten im Jobcenter erforderte zudem eine Neuausrichtung. Zukünftig kann durch Digitalisierungsvorhaben die eine oder andere Tätigkeit substituiert werden. Die individuelle Beratung in leistungs- und berufsspezifischer Hinsicht ist aber durch die technischen Entwicklungen nicht zu ersetzen. Fachkräfte mit entsprechenden rechtlichen und Beratungskompetenzen sind am Arbeitsmarkt immer schwieriger zu gewinnen.

 

Das Jobcenter hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Herausforderungen präventiv und zeitnah zu begegnen.

 

II. Neue Stellenbeschreibungen

 

Die veränderten Betreuungs- und Beratungsbedarfe, aber auch rechtliche Veränderungen und ein hoher Anspruch an Qualitätsarbeit und Datenqualität, erforderten eine Neubeschreibung der Aufgaben „Integrationsberatung“ und „Leistungsberatung“.

 

Ein stetig wachsender Anteil an Langzeitarbeitslosen, nicht aktivierbaren Kunden und Kunden mit multiplen Hemmnissen (psychische Erkrankungen, Migrationshintergrund, Traumata, Suchterkrankungen, etc.) haben im Laufe der Jahre die Arbeit der Integrations- und Leistungsberater nachhaltig verändert. Zielgruppen müssen für die Integrationsarbeit definiert und herausgearbeitet werden, Integrationsberater müssen immer intensiver und individueller auf ihre Kunden eingehen.

 

Durch die ständigen Veränderungen im Sozialleistungsrecht und die hohe sozialrechtliche Komplexität der Aufgabe, die sich nicht mehr nur ausschließlich auf die Aufgaben des SGB II beschränkt, haben sich auch die Aufgaben des Leistungsberaters stark verändert und intensiviert. Auch hier muss eine individuellere Betrachtung und Beurteilung eines Leistungsfalles erfolgen, angrenzende Rechtsgebiete müssen beachtet und abgeprüft werden. Die Massenverwaltung steht weiterhin in Konkurrenz zu Rechtsprechung und Individualentscheidungen.

 

Die Qualitätsarbeit und Datenqualität in den Leistungsfällen haben Auswirkungen auf Finanzierungsströme (flüchtlingsbedingte Finanzmittel, Bildung und Teilhabe), Zielerreichungswerte und die Herleitung von Messgrößen (z.B. Schlüssiges Konzept), weshalb auch hier inzwischen höchste Anforderungen an die Fach- und Sozialkompetenz der Mitarbeiter gestellt werden.

Nicht zuletzt ist die SGB II Leistungserbringung mit einer zunehmend großen gesellschaftlichen Verantwortung verbunden (Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens wie z.B. auch durch Wohnraumsicherung).

 

Auch der Beratungsauftrag ist in § 14 SGB II konkretisiert und deutlich verstärkt worden:

-         Erteilung von Auskunft und Rat über Leistungen und deren Berechnung, Inhalte und Ziele der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie die Auswahl der Instrumente im Rahmen des Eingliederungsprozesses

-         Beratung und Darstellung zu Selbsthilfeobliegenheiten

-         Beratung zu allen Rechten und Pflichten nach dem SGB II

-         Verzahnung der passiven und aktivierenden Leistungen durch Beratung

 

Die sozialrechtliche Beratung von Leistungsbeziehern wird dadurch weiter in den Mittelpunkt gerückt und ist eine zentrale Aufgabe in der Arbeit der Integrations- und Leistungsberater; damit verbunden ist die Weiterentwicklung einer professionellen Haltung bei der Beratung von Kunden und einer klaren Gesprächsführung.

Kompetenzen wie Beratungsfähigkeit und Beziehungsmanagement werden insbesondere in der Leistungssachbearbeitung stärker fokussiert und nähern sich in der Gewichtung stark dem Integrationsberater an. Ziel ist es, ein „Kompetenzteam Beratung“, bestehend aus Integrationsberater und Leistungsberater zu bilden, welches dem gesetzlichen Beratungsauftrag noch besser  gerecht wird.

 

Immer höhere Anforderungen und Erwartungen werden auch an die Stellen der Integrations- und Leistungsberater geknüpft:

-         Erwartung an eine hohe Belastbarkeit

-         Erwartung an hohe persönliche Sicherheit im Umgang mit Konflikten, Gewalt, Erkrankungen

-         hohe Budgetverantwortung bei Ermessensentscheidungen im Leistungsrecht und bei den Eingliederungsleistungen

-         hohe Fallverantwortung für einen sich ständig veränderten aktiven Kundenbestand

-         Einarbeitung neuer Mitarbeiter aufgrund kontinuierlichen Personalwechsels anhand eines praxisnahen Einarbeitungskonzept

-         ständige Anforderung an die Personalentwicklung anhand des Werte- und Personalkompasses des Jobcenters Ostalbkreis

 

Alle o.g. Faktoren wie die Veränderung der Kundenstruktur, Recht und Datenqualität, Stärkung des Beratungsauftrages und hohe Anforderungen an die Mitarbeiter im Bereich Personal- und (Selbst-)Organisation machten eine Neubeschreibung der Stelleninhalte in den Bereichen Markt und Integration und Leistung erforderlich.

 

III. Organisatorische Veränderungen Bereich Leistung

 

Bildung und Teilhabe

 

Seit dem 01.08.2019 ist das Starke-Familien-Gesetz in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz sollen Eltern finanziell entlastet und der Zugang zu den Leistungen für Bildung und Teilhabe im SGB II erleichtert werden. So gelten die Bildungs- und Teilhabeleistungen mit dem allgemeinen Grundantrag auf Lebensunterhaltsleistungen (Arbeitslosengeld II-Antrag) nun im Wesentlichen als mitbeantragt. Lediglich die Leistung für Lernförderung ist gesondert mit dem Antragsvordruck BuT - Lernförderung- zu beantragen.

Bisher wurden die Kunden erst nach Bewilligung von Arbeitslosengeld II über die Möglichkeiten der Antragstellung auf Leistungen für Bildung und Teilhabe mit einem allgemeinem Informationsschreiben aufgeklärt.

Um dem Beratungsauftrag nach § 14 SGB II besser gerecht zu werden und so vielen Menschen wie möglich den Zugang zu den Bildungs- und Teilhabeleistungen zu ermöglichen, wird nun bereits im Zuge der Neuantragsberatung im Jobcenter persönlich über das Leistungsspektrum beraten und informiert. Die Leistungsberater wurden hierzu vorab von den Mitarbeitern des Teams Bildung und Teilhabe entsprechend geschult. Damit Spezial- und Fachwissen nicht verloren geht, gewachsene Netzwerkstrukturen nicht abreißen und weiterhin eine übergreifende Kommunikation und Koordination aller Akteure im Ostalbkreis stattfinden kann, besteht das bisherige spezialisierte BuT-Team zum aktuellen Zeitpunkt fort.

 

Außendienst - Beratung

 

Resultierend aus dem gesetzlichen Beratungsauftrag (§ 14 SGB II) ist die sozialrechtliche Beratung von Leistungsbeziehern weiter in den Mittelpunkt gerückt worden.

Hatte der bereits bestehende GAD (gemeinsamer Außendienst im SGB II und SGB XII Bereich) bisher starken Kontrollcharakter, z.B. bei Überprüfung des tatsächlichen Aufenthalts, Überprüfung von Wohnverhältnissen, Verwertung von Vermögen, etc., so wird dieser nun durch die aufsuchende Beratungsarbeit der Leistungsberater ergänzt. Diese können nun direkt vor Ort z.B. eine alleinerziehende Frau, Flüchtlinge, aber auch alle andere Personen, die Leistungen nach dem  

SGB II erhalten, umfassend über ihre Möglichkeiten auf Antragstellung (Antrag auf Umzug, Antrag auf sonstige Beihilfen und Erstausstattungen, Bildung und

Teilhabe usw.) beraten und aufklären. Sie können ggf. vorhandene Unterlagen sofort sichten und den weiteren Beratungsablauf planen bzw. terminieren. Damit soll auch der Bürokratieabbau vorangetrieben werden. So will die Leistungsabteilung des Jobcenters sicherstellen, dem Beratungsauftrag nach § 14 SGB II vollumfänglich gerecht zu werden.

 

Onlineterminierung

 

Ein weiterer Baustein in Sachen Beratung wird voraussichtlich im ersten Quartal 2020 umgesetzt werden können. Ergänzend zu den bisherigen Öffnungszeiten sollen nun die Kunden die Möglichkeit haben, zeitnah einen Termin bei ihrem Leistungsteam online einzubuchen. Geplant wird aktuell mit einer Zeitspanne von 24h bis zu einer Woche in der eine Auswahl an freien Terminen zur Verfügung steht. Reichen die Termine für diesen Zeitraum nicht aus, so wird nach der ersten Testphase nachjustiert werden müssen. Die Handhabung des Terminierungssystems soll selbsterklärend sein; eine kurze Stichwortangabe soll dem Mitarbeiter die Möglichkeit geben, sich auf den Termin vorzubereiten. Ziel soll es sein, das Anliegen des Kunden im Gespräch abschließend zu klären, so dass viele bisherige Telefonate, E-Mails oder klassische Anforderungsanschreiben, die bisher zur Sachverhaltsaufklärung nötig waren, entfallen können.

Das Angebot soll für alle „Bestandskunden“ des Jobcenters eingeführt werden, Neukunde bzw. Erstantragsteller können nach wie vor jederzeit zu den allgemeinen Öffnungszeiten vorsprechen.

 

Beratungskompetenzen steigern

 

Bisher lag der Fokus in der Leistungsabteilung darauf, neben der Massenverwaltung unter hohem zeitlichen Druck auch die Ermessens- und Individualentscheidungen rechtlich zu würdigen und rechtskonform umzusetzen. Ebenso spielten Datenqualität und -sicherheit eine große Rolle. Um den neuen Anforderungen der Beratungsarbeit, die einen immer größeren Stellenwert einnimmt, gerecht zu werden, gilt es nun die Beratungskompetenzen der Leistungsberater (mit überwiegend verwaltungsrechtlicher Ausbildung) zu stärken und zu festigen. Hierzu wird nun ein Schulungskonzept entwickelt, welches mit Kommunikationstrainings (z.B. klare und sichere Gesprächsführung), aber auch mit Vorträgen und Impulsreferaten zu verschiedenen Themen (Umgang mit psychisch Kranken, Konfliktgespräche, usw.) den Leistungsberatern Sicherheit im Beratungsgespräch geben soll.

 

IV. Organisatorische Veränderungen Bereich Markt & Integration

 

Als neue  Zielgruppen werden seit dem 01.10.2019 Bedarfsgemeinschaften aus Ehepaaren bzw. Partnern mit Kindern als „Erziehende“ und Bedarfsgemeinschaften mit Personen ohne Kinder als „Nicht-Erziehende“ im Jobcenter Ostalbkreis von spezialisierten Teams betreut.

Insbesondere Bedarfsgemeinschaften mit Kindern sollen durch spezialisiertes Expertenwissen zielgerichtete und somit bessere Wege aus der Hilfebedürftigkeit aufgezeigt werden. Die Beratung  fokussiert sich gleichberechtigt auf beide Partner, um realistische berufliche Perspektiven zu entwickeln und ohne die Gesamtsituation der Bedarfsgemeinschaft sowie die betroffenen Kinder aus dem Blick zu verlieren. Eine der Herausforderungen spielt die Rolle der Eltern in den verschiedenen Familienkonstellationen zu den Themen Kindererziehung und -betreuung, Haushaltsführung sowie Arbeit im Hinblick auf das kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Verständnis. Der Zugang zu diesen Bedarfsgemeinschaften erfordert von den Integrationsberatern eine hohe Empathie für die familiäre Situation, wie auch einen umfassenden Blick auf die bestehenden Angebote und deren Weiterentwicklung. Ein besonderes Fachwissen in der Netzwerkarbeit zu den Themen Kinderbetreuung, Familien- und Jugendhilfe, Teilzeitqualifizierung, niederschwellige Angebote und bewerberorientiertes Vorgehen bei der Arbeitsplatzsuche muss vorgehalten werden. Die neue Ausrichtung wird ergänzt durch aufsuchende Ansätze und individuelle Beratungssituationen.

Den größten Teil der Jobcenterkunden machen Singles und Paare ohne Kinder aus. Die zuständigen Integrationsberater betreuen eine sehr facettenreiche Zielgruppe mit meist multiplen Hemmnissen. Sucht und Vereinsamung werden oft begleitet von psychischen Problemen. Diese Menschen sind bereits seit Jahren in eingefahrenen Strukturen verfestigt. Es benötigt Beratungskompetenzen mit hohen motivierenden Ansätzen, um Veränderungen anzustoßen und durchzuführen. Durch ein individuelles, ressourcenorientiertes Vorgehen sollen Rückzüge vermieden und das Durchhaltevermögen gestärkt werden. Auch die notwendige Erreichbarkeit dieser Zielgruppe erfordert es, die klassische Beratung am Schreibtisch aufzubrechen und bei Bedarf durch Hausbesuche oder auch Begleitung zu verschiedenen Beratungsstellen zu ergänzen.

Zusammenfassend zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass durch eine zielgruppenorientierte Betreuung von Menschen mit ähnlich gelagerten Bedarfen schnellere Lösungen zur beruflichen Integration erarbeitet werden können. Die Integrationsberater können so ein auf ihre Zielgruppe ausgerichtetes spezifisches Fachwissen erwerben, das ihnen und somit den Menschen, die sie betreuen, den Zugang zu den notwendigen Angeboten  und Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Weg in den Arbeitsmarkt fließender und besser zugänglich macht.

 

V. Ausblick

 

Die Digitalisierung wird die Arbeit im Jobcenter in den nächsten Jahren nachhaltig verändern. Bereits jetzt gibt es Vorhaben, die Vorgänge in der Sachbearbeitung vereinfachen können. Es werden sich daraus Möglichkeiten ergeben, die Kernaufgabe „individuelle Beratung“ weiter zu stärken und auszubauen.

     


Finanzierung und Folgekosten

 

Die neuen Stellenbeschreibungen haben zu tarifrechtlichen Höherbewertungen einiger Stellen im Jobcenter geführt. Die Kosten der Höhergruppierungen belaufen sich inklusive der daraus resultierenden Arbeitgeber-Abgaben auf insgesamt rund 220.000 € jährlich.  Diese zusätzlich anfallenden Personalkosten sind im Verwaltungsbudget des Jobcenters eingeplant und werden zu 84,8 % aus Bundesmittel finanziert. Die Kosten für den Landkreis belaufen sich für 2019 auf rund 33.500 €.

In den Folgejahren werden die durch die Höhergruppierung erhöhten Personalkosten ebenfalls aus dem Verwaltungsbudget des Jobcenters und somit zu 84,8 % aus Bundesmitteln finanziert.

 

 

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

gez. Koch, Geschäftsbereichsleiter

gez. Urtel, Dezernat V

gez. Kurz, Dezernat II

gez. Pavel, Landrat