Bürgerinformationssystem

Vorlage - 080/2019  

 
 
Betreff: Senioren-Wohngemeinschaft nach dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG)
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit
07.05.2019 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

Die Verwaltung wird ermächtigt, die anfallenden tatsächlichen Unterkunftskosten in ambulant betreuten Wohngemeinschaften (Senioren-Wohngemeinschaften) im Rahmen der sozialhilferechtlichen Einzelfallprüfung nach dem SGB XII als Bedarf anzuerkennen.

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind nicht nur im Ostalbkreis deutlich zu spüren. In den kommenden Jahren wird die Anzahl der älteren Bürgerinnen und Bürger weiterhin ansteigen. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Nachfrage nach professioneller Pflege und Betreuung. Der Zunahme der Versorgungsbedarfe muss folglich ein Anstieg an Angeboten folgen.

 

Neben der Versorgung und Betreuung durch Angehörige und/oder ambulante Pflegedienste im häuslichen Umfeld steht die Versorgung in Pflegeeinrichtungen.

Die Anforderungen älterer, kranker und pflegebedürftiger Bürgerinnen und Bürger bei der Versorgung haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Viele Menschen haben den Wunsch, auch in hohem Alter und trotz Pflegebedürftigkeit zu Hause zu wohnen. Der Alltag gestaltet sich dann jedoch oft trotz der Unterstützung ambulanter Pflegedienste schwierig.

 

Ambulant betreute Wohngemeinschaften setzen an diesem Punkt an. Sie bieten eine gute Alternative zur Unterbringung in stationären Einrichtungen und der häuslichen Versorgung. Die familien- und alltagsnahe Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner steht im Vordergrund. Auch dem Wunsch nach Selbständigkeit, Begleitung und Pflege wird entsprochen. Der rege Kontakt unter den Bewohnerinnen und Bewohnern verhindert eine Vereinsamung.

 

Die Beibehaltung familienähnlicher Lebens- und Wohnstrukturen ist Kernelement der ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Die Bewohnerinnen und Bewohner leben in einer üblichen Wohnung, in der jede/r über ein eigenes Zimmer, teilweise mit Nasszelle, verfügt. Küche, Wohn- und Esszimmer sowie teilweise auch Bäder werden gemeinsam genutzt.

 

Die gesetzlichen Grundlagen für die Entwicklung und Entstehung der Wohngemeinschaften sind im Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) festgelegt.

 

Am 31.05.2014 wurde das Landesheimgesetz Baden-Württemberg durch das neue Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) ersetzt. Dieses ermöglicht erstmals die Einrichtung neuer unterstützender Wohnformen wie Senioren-Wohngemeinschaften. Während das ehemalige Landesheimgesetz nur die Alternativen „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine bisher nie dagewesene Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen. Herzstück des neuen Gesetzes ist die neu geschaffene Wohnform „ambulant betreute Wohngemeinschaft“ (§ 5 WTPG) für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Hier dürfen maximal bis zu 12 Personen zusammenleben. Da diese ihr Leben und die täglichen Abläufe nur teilweise selbst bestimmen können, ist in gewissem Umfang eine staatliche Aufsicht vorgesehen. Ein Anbieter verantwortet die Wohngemeinschaft, beziehungsweise organisiert Wohn- und/oder Serviceleistungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ihre Pflegeleistungen frei wählen, eine Präsenzkraft ist rund um die Uhr anwesend und in der Wohnung stehen insgesamt mindestens 25 Quadratmeter pro Person zur Verfügung. Neben den trägerbasierten Wohngemeinschaften gibt es selbstverantwortete Wohngemeinschaften, in welchen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln.

 

Die Wohngemeinschaften sind grundsätzlich bei der Heimaufsicht anzeigepflichtig, die auch entscheidet, ob es sich um eine ambulante oder stationäre Wohnform handelt.

 

 

II. Umsetzung im Ostalbkreis

 

Das Seniorenpolitische Gesamtkonzept des Ostalbkreises geht davon aus, dass in Zukunft die Nachfrage nach Versorgungsleistungen für pflegebedürftige Personen stark ansteigt. Da ambulant betreute Wohngemeinschaften eine Alternative sowohl zur Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen als auch zur häuslichen Versorgung bieten, wird die Unterstützung des Auf- und Ausbaus eines solchen Angebots grundsätzlich empfohlen.

 

Ein weiterer wichtiger Vorteil ambulant betreuter Wohngemeinschaften ist, dass sie auch für die Versorgung pflegebedürftiger Personen in kleineren Gemeinden geeignet sind, weil sie bereits mit bis zu 12 pflegebedürftigen oder demenzkranken Personen realisiert werden können. Der Wunsch nach derartigen Wohnformen spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Bürgerbefragung im Rahmen des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts wider.

 

Derzeit gibt es im Ostalbkreis an 7 Standorten Senioren-Wohngemeinschaften mit derzeit 62 Plätzen. 11 weitere Projekte sind geplant beziehungsweise stehen kurz vor der Vollendung.

 

Bereits in der Ausschusssitzung am 02.05.2017 wurde ein Beschluss gefasst, der die Verwaltung ermächtigt, die anfallenden Kosten in einer Senioren-WG für bedürftige Personen mit Mitteln der Sozialhilfe abzudecken. Dies war seinerzeit notwendig, da es keine rechtliche Grundlage in der Sozialhilfe, insbesondere für die dort beschäftigten Präsenzkräfte, zur Kostenübernahme gab.

 

Die Kostenübernahme für bedürftige Menschen in einer Senioren-WG ist zwischenzeitlich im SGB XII beziehungsweise in den Sozialhilferichtlinien für Baden-Württemberg geregelt worden. Eine Leistungsgewährung seitens der Sozialhilfe ist bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen in diesen Wohnformen möglich.

 

Die Kostenbestandteile einer Unterbringung in Senioren-Wohngemeinschaften setzen sich regelmäßig aus den Unterkunftskosten (Miete und Nebenkosten), den Haushaltskosten und den Kosten für eine Präsenzkraft zusammen. Die Präsenzkräfte sind rund um die Uhr anwesend und bieten Betreuung und Unterstützung im Alltag. Bei den Präsenzkräften handelt es sich grundsätzlich nicht um (Pflege-)Fachkräfte, sondern um angeleitete beziehungsweise fortgebildete Hilfskräfte.

 

Bei trägergestützten Wohngemeinschaften werden in der Regel Wohn- und Betreuungsverträge mit den Bewohnerinnen und Bewohner beziehungsweise deren vertretungsberechtigten Angehörigen abgeschlossen.

 

Sollten zusätzlich weitere grundpflegerische Hilfestellungen und Verrichtungen notwendig sein, muss gegebenenfalls ein ambulanter Pflegedienst beauftragt werden.

 

 

 

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Für die Finanzierung der Unterbringung in einer solchen Wohnform können grundsätzlich Leistungen der gesetzlichen Pflegversicherung abgerufen werden. Neben dem häuslichen Pflegegeld gibt es einen Wohngruppenzuschlag und regelmäßig auch den sogenannten Betreuungs- und Entlastungsbetrag. Zudem ist eine Anschubfinanzierung seitens der Pflegekassen möglich. Grundsätzlich keine Kostenübernahme ist bei Personen mit Pflegegrad 0 oder Pflegegrad 1 vorgesehen.

 

Sollte das eigene Einkommen und Vermögen nicht zur Deckung der Kosten ausreichen, können bei Vorliegen der Voraussetzungen Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII beantragt und bewilligt werden. Diese teilen sich in die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehungsweise der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Hilfe zur Pflege auf. Die dabei anfallenden Kosten für sozialhilfebedürftige Personen hängen sehr von den Gegebenheiten im Einzelfall ab.

 

Aus Sicht des Sozialhilfeträgers können Senioren-Wohngemeinschaften eine günstigere Alternative darstellen, aber auch mit Zusatzkosten verbunden sein. Weitere Mehrkosten können darüber hinaus im Ausnahmefall entstehen, wenn ein Bewohner nicht kranken- und pflegeversichert ist, da dann die Erstattungsbeträge der Kranken- und Pflegeversicherung entfallen.

 

Das im Ostalbkreis auch bei ambulanten Wohnformen anzuwendende Schlüssige Konzept sieht vor, dass bei einem 1-Personen-Haushalt, je nach Region, die sozialhilferechtlich angemessene Bruttokaltmiete bei 45 qm monatlich bis zu 398 € beträgt. Die in Senioren-Wohngemeinschaften üblicherweise anfallenden Mietkosten überschreiten diese Angemessenheitsgrenze teilweise erheblich, da hier unter anderem gewisse bauliche Anforderungen wie beispielsweise Barrierefreiheit und Brandschutz gestellt sind. Falls ein Bewohner die Mietkosten nicht aus eigenen Mitteln begleichen kann, müssten diese Mietkosten gegebenenfalls sozialhilferechtlich übernommen werden.

 

Die sozialhilferechtlichen Gesamtkosten für ambulante, teilstationäre und stationäre Leistungen im Bereich der Hilfe zur Pflege sind im Haushalt 2019 mit 13.430.000 € prognostiziert.

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

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Urtel

 

 

Dezernat V     

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel