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Vorlage - 152/2018  

 
 
Betreff: Zwischenbericht zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t V Beteiligt:Geschäftsbereich Soziales
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit
03.07.2018 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation

 

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), wurde am 23. Dezember 2016 erlassen.

Mit ihm wird die Behindertenpolitik in Deutschland im Einklang mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen weiterentwickelt. Gleichzeitig soll die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung verbessert sowie die Eingliederungshilfe und das Schwerbehindertenrecht neu strukturiert werden.

 

 

II. Inhalte des Bundesteilhabegesetzes

 

Mit dem Bundesteilhabegesetz wird das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) neu gestaltet und damit gleichzeitig ein Systemwechsel vollzogen. Das Bundesteilhabegesetz sieht im Kern folgende Änderungen vor:

 

  • Der Behinderungsbegriff wird im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention neu gefasst. Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention resultiert eine Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen dem Menschen mit seiner Beeinträchtigung und den einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Durch den neuen Behinderungsbegriff, der an Stelle der „wesentlichen Behinderung“ künftig die „erhebliche Teilhabeeinschränkung“ setzt, wird zugleich der leistungsberechtigte Personenkreis neu definiert.

 

  • Das Recht der Eingliederungshilfe wird personenzentriert ausgerichtet. Die notwendige Unterstützung erwachsener Menschen mit Behinderung wird nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern am notwendigen individuellen Bedarf ausgerichtet. Es erfolgt eine Trennung von Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Wohnen. Die Gliederung nach ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen wird für erwachsene Menschen mit Behinderung aufgegeben. Zudem werden die Leistungen der Eingliederungshilfe in einem Leistungskatalog konkretisiert.

 

  • Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe können deutlich mehr vom eigenen Einkommen behalten und sparen. Die Verbesserungen beim Einkommenseinsatz führen dazu, dass den Menschen mit Behinderung ab dem vollständigen Inkrafttreten der Reform im Jahr 2020 durchschnittlich bis zu 300 Euro monatlich mehr zur Verfügung stehen. Zusätzlich zur Verbesserung der Einkommensanrechnung erfolgt eine weitere Anhebung des Vermögensfreibetrags. Der Vermögensfreibetrag stieg von 2.600 Euro im ersten Schritt ab 2017 um 25.000 Euro und wird im zweiten Schritt ab 2020 auf rund 50.000 Euro erhöht. Die Ehegatten und Lebenspartner werden zukünftig weder mit ihrem Einkommen noch mit ihrem Vermögen herangezogen. Die Verbesserungen gelten auch beim gleichzeitigen Bezug von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege, wenn der Betroffene erwerbstätig ist.

 

  • Künftig reicht ein Reha-Antrag aus, um alle benötigten Leistungen von verschiedenen Reha-Trägern (zum Beispiel Eingliederungshilfe, Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Rentenversicherung) zu erhalten; Leistungen "wie aus einer Hand" werden möglich. Hierzu wird künftig für alle Reha-Träger ein verbindliches, partizipatives Teilhabeplanverfahren vorgeschrieben. Zudem werden die Betroffenen durch eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung gestärkt.

 

  • Die Steuerungsfunktion der Leistungsträger in der Eingliederungshilfe (Stadt- und Landkreise) wird durch verschiedene Maßnahmen ausgebaut. Unter anderem wird das Gesamtplanverfahren  auf der Grundlage des neuen Hilfebedarfsermittlungsinstruments weiterentwickelt und für die bessere Koordination der Reha-Träger mit dem Teilhabeplanverfahren eng verzahnt.

 

  • Mit dem Budget für Arbeit wird Menschen mit Behinderungen bundesweit mehr Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht. Bei Beschäftigten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung soll ein geringerer Anteil ihres Arbeitsentgelts auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden. Zudem werden die Vertretungsrechte für Schwerbehindertenvertretungen und Werkstatträte gestärkt.

 

  • Ein eigenes Kapitel zur Teilhabe an Bildung ermöglicht Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse.

 

  • In der Sozialen Teilhabe wird ein eigener Tatbestand für Elternassistenz eingeführt und das ehrenamtliche Engagement für Menschen mit Behinderungen wird gestärkt.

 

  • Unterstützungsmaßnahmen setzen bereits vor der Rehabilitation ein, um bereits vor Eintritt einer chronischen Erkrankung oder Behinderung durch geeignete präventive Maßnahmen entgegenzuwirken und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten.

 

 

II. Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes

 

Das Bundesteilhabegesetz tritt stufenweise vom 1. Januar 2017 bis 1. Januar 2023 in Kraft.

 

Sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene wurden verschiedene Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich aktuell mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes befassen. Die strategische und operative Ausrichtung der kommunalen Seite wird in regelmäßigen Abständen in der Steuerungsgruppe BTHG beraten. Diese setzt sich aus den kommunalen Spitzenverbänden sowie einzelnen Stadt- und Landkreisen zusammen. Hier ist auch der Ostalbkreis durch Herrn Sozialdezernent Rettenmaier und in seiner Vertretung durch die Leitung des Geschäftsbereichs Soziales vertreten.

 

Im Rahmen der ersten Umsetzungsstufe wurden 2017 erste finanzielle Verbesserungen für die Leistungsempfänger umgesetzt. Hierunter fallen die Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes für Werkstattbeschäftigte, Verbesserungen bei der Berechnung des Arbeitseinkommens, der höhere Absetzbetrag vom Erwerbseinkommen für Leistungsempfänger außerhalb einer stationären Einrichtung sowie die Anhebung der Vermögensfreigrenze und des sogenannten „kleinen Barbetrags“ auf 5.000 Euro. Bei diesem handelt es sich um einen Schonbetrag; das heißt, die Leistung darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung dieses Barbetrags oder sonstiger Geldwerte in dieser Höhe.

 

Die zweite Umsetzungsstufe, die im Januar 2018 in Kraft getreten ist, steht im Zeichen erster strukturverbessernder Regelungen. In einem System teils steuerfinanzierter und teils beitragsfinanzierter Rehabilitations- und Teilhabeleistungen gilt es für die Leistungsträger, ihre Prozesse zur Gewährleistung von Leistungen zur harmonisieren.

 

Zudem wurde die Leistungsgruppe „Teilhabe am Arbeitsleben“ um das Budget für Arbeit und die Zulassung anderer Leistungsanbieter ergänzt. Dadurch sollen Alternativen zur Beschäftigung in Werkstätten mit Behinderung geschaffen und der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtert werden.

 

Darüber hinaus werden die Anforderungen des Gesamtplanverfahrens erweitert. Das Gesamtplanverfahren ergänzt das für alle Reha-Träger geltende Teilhabeplanverfahren und enthält unter anderem die Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs anhand eines Bedarfsermittlungsinstruments, das sich an der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit orientiert. Durch das Teilhabeplanverfahren soll die Zusammenarbeit unter den Verwaltungen der Reha-Träger und der gesetzlichen Pflegeversicherung gestärkt werden. Menschen mit Behinderung, die Leistungen von verschiedenen Leistungsträgern benötigen, sollen mit nur einem Antrag ein umfassendes Prüf- und Entscheidungsverfahren in Gang setzen können.

 

Weitere im Jahr 2018 umzusetzende Vorgaben sind die Benennung von Ansprechstellen, die Einführung des Teilhabeverfahrensberichtes sowie die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), die im Ostalbkreis von der KBS -Arbeit und Integration- gGmbH in Kooperation mit dem Körperbehindertenverein Ostwürttemberg e.V. sowie von der Gemeindepsychiatrie im Ostalbkreis e.V. durchgeführt wird.

 

Um den Systemwechsel der Eingliederungshilfe mit der 3. Umsetzungsstufe des Bundesteilhabegesetzes zum 1. Januar 2020 zu realisieren, müssen die Bundesländer die künftigen Träger der Eingliederungshilfe bestimmen und neue Rahmenverträge mit den Leistungserbringern abschließen. Am 21. März 2018 hat der Landtag von Baden-Württemberg ein Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Baden-Württemberg beschlossen. In diesem wurden die Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe bestimmt und die Vertretungsbefugnis des Kommunalverband für Jugend und Soziales für die Träger der Eingliederungshilfe beim Abschluss der Rahmenverträge gesetzlich geregelt.

 

Die Jahre 2018 und 2019 werden geprägt sein von den Umstellungsarbeiten für den Systemwechsel zum 1. Januar 2020. Aktuell finden Vertragsverhandlungen zum Rahmenvertrag statt. Sobald diese abgeschlossen sind, müssen alle im Rahmen der Behindertenhilfe erbrachten Leistungen im Sinne des neuen Rahmenvertrags mit den Leistungserbringern  vor Ort verhandelt werden, um die Aufhebung der Unterscheidung von ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen sowie die Trennung von Fachleistung und existenzsichernder Leistung vollziehen zu können. Zudem tritt zum 1. Januar 2020 eine weitere Erhöhung der Freibeträge von Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten in Kraft und Einkommen und Vermögen der Ehe- und Lebenspartner zählt bei der Bedarfsfeststellung nicht mehr.

 

Zum 1. Januar 2023 wird mit der 4. Umsetzungsstufe des Bundesteilhabegesetzes der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe neu definiert. Hierzu lässt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales derzeit ein Forschungsprojekt durchführen, an dem sich der Ostalbkreis im Frühjahr 2018 beteiligt hat.

 

Die Einführung aufwändiger Verfahren, wie das Teilhabe- und das Gesamtplanverfahren, die mit der Durchführung von Konferenzen und entsprechenden Dokumentationspflichten verbunden sind, führt zu einem erheblichen personellen Mehraufwand. Zu diesem kommt aktuell noch ein hoher Abstimmungsbedarf bezüglich der Verfahrensabläufe mit anderen Beteiligten, wie zum Beispiel anderen Reha- und Sozialleistungsträgern, hinzu.


Finanzierung und Folgekosten

 

Der Ostalbkreis gewährt als Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Der Zuschussbedarf 2018 beträgt rund 58 Millionen Euro. Die kommunalen Landesverbände gehen davon aus, dass die oben genannten Leistungsausweitungen für die künftigen Eingliederungshilfeaufwendungen einen erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeuten werden. Im Jahr 2017 haben allein die Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes sowie die Anhebung der Vermögensfreigrenze im Ostalbkreis zu einem Mehraufwand von über 350.000 Euro geführt. Zudem werden durch den höheren Verwaltungsaufwand zusätzliche Personalkosten entstehen.

 

Aktuell finden Finanzverhandlungen mit dem Land statt. Die finanziellen Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes auf den Kreishaushalt werden maßgeblich davon abhängen, inwieweit und ab wann die Konnexitätsrelevanz des Bundesteilhabegesetzes anerkannt wird.

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

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Urtel

 

 

Dezernat V

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel