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Vorlage - 126/2018  

 
 
Betreff: Betreuung und Integration von unbegleiteten minderjährigen Ausländern im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss
18.06.2018 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern aus dem Ausland nach Deutschland einreisen, sogenannte unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA), erhalten im Rahmen der

Jugendhilfe besonderen Schutz und Unterstützung. Der Gesetzgeber hat im November

2015 für diese Personengruppe mit dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung,

Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher, einen besonderen

Rechtsrahmen geschaffen. Im Rahmen des Erstkontaktes erfolgt durch die Fachkräfte des

Allgemeinen Sozialen Dienstes des Geschäftsbereichs Jugend und Familie die qualifizierte Inaugenscheinnahme zur Altersfeststellung (soweit keine Ausweisdokumente vorliegen)

und die vorläufige Inobhutnahme gem. § 42 a SGB VIII. Es erfolgt die Registrierung bei

der Polizei, ein Gesundheitscheck sowie die Abklärung von Verwandtschaftsverhältnissen.

Innerhalb der ersten vier Wochen wird seitens des Allgemeinen Sozialen Dienstes die

Verlegung in ein aufnehmendes Bundesland geprüft und ggf. zur Verteilung angemeldet.

 

II. Aktuelle Situation

 

1.) Im Bundesgebiet und Baden-Württemberg

 

Am 18.05.2018 waren bundesweit 49.203 UMA gemeldet, in Baden-Württemberg

6.617. Seit September 2017 erfüllt Baden-Württemberg die nach dem Königsteiner

Schlüssel errechnete Quote und wird somit vom Bundesverwaltungsamt als „Einreiseland“ eingestuft. Daher sind die Jugendämter in Baden-Württemberg angehalten, Neuzugänge nach der Altersfeststellung und vorläufigen Inobhutnahme zur Verlegung in andere Bundesländer anzumelden, soweit keine Verteilhindernisse vorliegen. Die Verlegungs- und Zuweisungsentscheidungen werden über den Kommunalverband für Jugend

und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) wöchentlich bekanntgegeben.

 

2.) Im Ostalbkreis

 

Der Ostalbkreis hat eine Quote von 2,89 % an den in Baden-Württemberg zu betreuenden UMA zu erfüllen, was derzeit eine Soll-Zuständigkeit von 189 zu Betreuenden ergibt. Aufgrund des Verteilungsverfahrens und der gleichzeitigen Beendigung von Hilfen in Einzelfällen besteht derzeit eine Quotenunterschreitung von 16 Fällen. Seit November 2017

wurden dem Ostalbkreis über das landesinterne Verteilverfahren keine UMA mehr zugewiesen. Die Altersfeststellungsverfahren und die UMA mit Verwandten sind i.d.R. Zugänge über die Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (LEA).

 

Die Unterbringung der Minderjährigen erfolgt in der Regel zunächst im Inobhutnahmezentrum Josefstal des Kinder- u. Jugenddorfs Marienpflege Ellwangen. Soweit die unbegleiteten Minderjährigen mit Verwandten eingereist sind und sich von diesen nicht trennen möchten, werden sie bis zur weiteren Klärung mit ihren Verwandten in der LEA Ellwangen aufgenommen. Verbleiben die Minderjährigen im Ostalbkreis, wird der Transfer

in eine geeignete Jugendhilfeeinrichtung vorbereitet und umgesetzt.

 

Seit Beginn des erhöhten Flüchtlingszustroms im Jahr 2015 verändert sich der Zugang

der Nationalitäten zunehmend. Während zu Beginn vor allem Syrer, Pakistani, Eritreer

und Afghanen angekommen sind, kommen nun verstärkt Jugendliche aus Afrika mit eher

geringer Bleibeperspektive an.

 

 

 

Aufgrund dieser Entwicklung verändert sich auch die tägliche Arbeit mit den UMA. Nach

der Bestellung eines Vormundes stehen mittlerweile meist unmittelbar die Asylanhörung

und damit verbunden häufig die Ablehnung des Asylantrags an. Dies setzt die Jugendlichen aus den Ländern mit geringer Bleibeperspektive unter Druck.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ergibt sich daraus, dass die überwiegend 2015 und 2016

eingereisten UMA nun zunehmend die Volljährigkeit erreichen. Soweit ein jugendtypischer Hilfebedarf festgestellt wird, können die volljährig werdenden UMA bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres in der Jugendhilfe in Form der Hilfe für junge Volljährige

weiter betreut werden. Bisher haben einzelne junge Flüchtlinge die Jugendhilfe verlassen.

Es handelt sich dabei insbesondere um junge Volljährige, die nicht weiter zur Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe bereit waren. Für die volljährigen UMA, die geplant die

Jugendhilfe verlassen, konnte durch die sehr gut funktionierende Kooperation mit den

Städten und Gemeinden ein reibungsloser Übergang erfolgen.

 

III. Beschulung von UMA im Ostalbkreis

 

Während der Clearingphase erhalten die UMA im Inobhutnahmezentrum Josefstal ein

Bildungsangebot zur Vermittlung von ersten sprachlichen und kulturellen Kenntnissen.

Die Beschulung an öffentlichen Schulen erfolgt in der Regel nach dem Transfer in die

anschließende Jugendhilfeeinrichtung. Der Unterrichtsbesuch von UMA findet derzeit

insbesondere an folgenden Schulen im Ostalbkreis statt:

  • Kreisberufsschulzentren in Ellwangen, Aalen und Schwäbisch Gmünd
  • Mozartschule Hussenhofen
  • Kolping Bildungswerk Ellwangen
  • Schillerschule Aalen

 

Wenige Jugendliche werden in speziellen Alphabetisierungsklassen eingeschult. Ansonsten erfolgt die Beschulung zum Spracherwerb entweder in regulären Vorbereitungsklas-

 

 

 

sen (VKL) oder VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche

ohne Deutschkenntnisse). VKL-Klassen oder VABO-Klassen haben das Sprachniveau A1

bis B1 zum Ziel. Es erfolgen zum Schuljahresende entsprechende Spracherhebungen, um

die Niveaus zu bestätigen. Da sich die Klassen nach den jeweiligen Leistungen richten

erfolgen auch unterjährig Testungen.

 

Anschließend wird meist eine Beschulung in einer AV-Dual-Klasse oder der VABR-Klasse

angestrebt. In der Ausbildungsvorbereitung (AV-Dual) können die Schüler zwischen den

Schwerpunkten Holz, Metall, Pflege oder Verkauf wählen und absolvieren innerhalb der

Schulzeit mindestens zwei Praktika für die Dauer von jeweils zwei Wochen. In dem Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf in Regelform mit dem Schwerpunkt Spracherwerb

und Hauptschulabschluss (VABR) ist die Aufnahmevoraussetzung A2 bzw. B1. Während

des Abschlusses wird bereits mit den Betreuern nach geeigneten Ausbildungsbetrieben

gesucht. Es werden ggf. weitere Praktika in den Ferien absolviert, um zusätzliche Einblicke in Berufsfelder zu erhalten und um bei potentiellen Ausbildungsbetrieben einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

 

Da die Bleibeperspektive bei vielen im Ostalbkreis betreuten UMA aufgrund des andauernden Asylverfahrens unklar ist, liegt der Fokus der jungen Menschen mehr auf dem

zeitnahen Ausbildungsbeginn als auf einem höheren Schulabschluss. Immer mehr der

UMA (bzw. mittlerweile volljährig gewordene ehemalige UMA) stehen vor dem Übergang

Schule – Beruf. Den gelingenden Übergang in eine Ausbildung zu begleiten und zu gestalten ist daher einer der wesentlichen Aufgaben der Jugendhilfe in der UMA-Betreuung.

 

IV. Ausbildung von UMA im Ostalbkreis

 

Aktuell sind im Ostalbkreis bereits 17 Jugendliche in Ausbildung, überwiegend noch im

ersten Lehrjahr. Dabei sind vor allem Jugendliche mit eher geringer Bleibeperspektive in

Ausbildung, während z.B. UMA aus Syrien und Eritrea mit guter Bleibeperspektive sich

eher um eine bessere schulische Bildung bemühen. Sie können sich freier zwischen

Schulbildung und Ausbildung entscheiden und verspüren weniger den ausländerrechtlichen Druck, in ein Ausbildungsverhältnis einzusteigen. Aktuell absolviert lediglich ein

syrischer UMA eine Ausbildung, der bereits im Juni 2015 eingereist ist. In diesem Zeitraum konnte er einen Schulabschluss und ein Qualifizierungsjahr machen.

 

UMA, die einen eher ungünstigen Ausgang des Asylverfahrens erwarten, versuchen möglichst noch vor der Asylentscheidung eine Ausbildung zu beginnen. Hierbei ist vor allem

die Zeit ihr größter Gegner, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

mittlerweile häufig innerhalb weniger Monate entscheidet und sie anschließend nur noch

über ein Klageverfahren Zeit gewinnen können. UMA mit guten Voraussetzungen (hohe

Motivation und gute Vorbildung) ist es möglich, innerhalb weniger Monate grundlegende

Sprachkenntnisse zu erreichen, so dass Praktika in den Ferien absolviert werden können.

Insbesondere über diesen Weg ergeben sich Ausbildungsplatzangebote. So kommen in

Einzelfällen auch im laufenden Schul- bzw. Ausbildungsjahr noch Ausbildungsverhältnisse zu Stande.

 

Wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Ausbildung ist die Bereitschaft seitens des

Ausbildungsbetriebs zur engmaschigen Zusammenarbeit mit den Betreuern der Jugendhilfeeinrichtungen und Fachkräften des Jugendamts. Es werden z.B. zusätzliche Deutschstunden oder Mathenachhilfe organisiert, je nachdem was der gewählte Ausbildungsberuf erfordert. Die sprachliche Barriere in der Berufsschule ist für die UMA mit das größte

Problem. Die Betreuer in den Jugendhilfeeinrichtungen und die Fachkräfte des Geschäftsbereichs Jugend und Familie halten regelmäßig Kontakt zu den Ausbildungsbe-

 

trieben und zur Berufsschule, um aufkommende Schwierigkeiten früh zu erkennen und soweit möglich Abhilfe zu schaffen.

 

Eine weitere Schwierigkeit besteht bei Jugendlichen, die nach abgelehntem Asylantrag

auch das Klageverfahren erfolglos bestritten haben. Diese Entscheidung kann ein Beschäftigungsverbot mit sich bringen. In diesem Fall ist eine enge Kooperation mit der

Ausländerbehörde wichtig, um nach deren Vorgabe weiter eine berufliche Betätigung zu

ermöglichen. Meist ist hierfür ein Identitätsnachweis erforderlich. UMA mit dieser Rechtslage werden in absehbarer Zeit zunehmen, die Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Stuttgart kommen jetzt vermehrt zum Abschluss.

UMA mit kognitiven Schwächen sind in den regelmäßigen Angeboten für junge Flüchtlinge überfordert. Soweit möglich findet die Beschulung in speziellen Klassen statt, in denen

neben der Sprachvermittlung insbesondere auch sehr praktische Fertigkeiten vermittelt

werden, um auf eine „Helferausbildung“ vorzubereiten. Hier bedarf es noch der Entwicklung weiterer geeigneter Strukturen durch die beteiligten Fachkräfte und Einrichtungen,

um diese Jugendlichen noch besser beruflich integrieren zu können.

 

Nach derzeitigem Stand haben weitere etwa 18 UMA für das kommende Ausbildungsjahr bereits einen Ausbildungsvertrag. Die Ausbildungsberufe sind vielfältig und in folgenden Berufsgruppen zu finden: Körperpflegehandwerk (1), Holzberufe (3), Ausbau (2),

Raumausstatter (1), Ernährungsberufe (5), Tiefbau (1), Gastgewerbe (3), KFZ-Mechatroniker (1), Fertigungstechnik (5), Maler und Lackierer (5), Elektroberufe (3), Steinarbeiter (1), Baustoffhersteller (1), Absatzwirtschaft und Kundenberatung (1), Installations- und Metallbautechnik (1).

 

Neben den 35 bereits begonnenen bzw. abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen sind

22 weitere UMA sehr bestrebt, dieses Jahr den Schritt in die Ausbildung über Praktika zu

schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, erhalten sie in den Jugendhilfeeinrichtungen Anleitung, Begleitung und Beratung rund um das Thema der Ausbildungsfindung.

 

V. Zusammenfassung

 

Die unbegleitet eingereisten jungen Ausländer treffen in Deutschland durch die Zuordnung zum Hilfesystem der Jugendhilfe auf eine bestmögliche Unterstützung. Die Herausforderungen wie kulturelle und sprachliche Integration, die schulischen und beruflichen

Herausforderungen sowie das stets über ihnen schwebende Damoklesschwert „Bleibeperspektive“, die sie ohne ihre Eltern bewältigen müssen, rechtfertigen dies auch. Vielen

UMA gelingt nach schulischer Qualifizierung der Übergang in eine Ausbildung. Zweifellos bedarf es aber dabei der Begleitung und Unterstützung, so dass seitens der Jugendhilfe im Ostalbkreis in den meisten Fällen auch Hilfe für junge Volljährige geleistet wird.

 

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Im Rechnungsjahr 2017 hat der Geschäftsbereich Jugend und Familie des Landratsamtes für unbegleitete minderjährige Ausländer 5.671.349,85 Euro ausgegeben. Vom Land erstattet wurde im vergangenen Jahr allerdings nur ein Betrag von 1.033.933,48 Euro.

 

Die in 2017 beantragten Kostenerstattungen sind seitens des Regierungspräsidiums Stuttgart bislang nicht abschließend bearbeitet. Die Kostenanerkenntnisse und Erstattungen gehen derzeit Schritt für Schritt bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe des Landratsamtes ein.

 

Im Rechnungsjahr 2018 wurde bis zum 22.05.2018 ein Gesamtbetrag von 1.331.015,85 Euro ausgegeben. Die Kostenerstattungen des Landes in diesem Zeitraum lagen bei 2.262.066,80 Euro.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Anlagen

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

__________________________________________

 

Funk

 

 

Dezernat V

__________________________________________

 

Rettenmaier

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel