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Vorlage - 107/2018  

 
 
Betreff: ÖPNV-Struktur im Ostalbkreis
- Aktivierung der Linienbündelung zur Optimierung der ÖPNV-Struktur
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Nahverkehr   
Beratungsfolge:
Kreistag Entscheidung
15.05.2018 
Sitzung des Kreistags ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

Der Kreistag beschließt:

 

Die im „Nahverkehrsplan 2014 für den Ostalbkreis“ verankerte Linienbündelungskonzeption wird aktiviert. Die Verwaltung wird beauftragt, die in den Linienbündeln enthaltenen Konzessionen entsprechend zu harmonisieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

1. Vorbemerkung

 

Einhergehend mit der Auseinandersetzung um die Entwicklung des Zuschussbedarfs für ÖPNV und Schülerbeförderung ist die Debatte um die Struktur des Nahverkehrs auf der Ostalb seit vielen Jahren schwelend. So hieß es etwa im Nachgang zur Klausurtagung am Ebnisee im Januar 2011:

 

  • „Landrat Pavel fasst zusammen, dass es zentrale Frage sei, wie man den Nahverkehr kostengünstiger aufstellen könne, das Defizit laufe aus dem Ruder.“

 

  • Ergebnisprotokoll: „Der Ostalbkreis ist bereit, sich intensiv mit der Möglichkeit einer sogenannten Linienbündelung zu befassen. Eine Linienbündelung ist zu prüfen.“

 

Mit der Auftragsvergabe des neuen Nahverkehrsplans (NVP) beschloss der Kreistag einstimmig am 1. März 2011 die Linienbündelungskonzeption als Teil des NVP in Auftrag zu geben. Im Zuge der Beschlussfassung zum NVP im Jahre 2014 wurde die Linienbündelung zwar aufgenommen, jedoch bis auf Weiteres inaktiv geschaltet. Es sollte, auch unter Berücksichtigung einer anstehenden Gründung von OstalbMobil, zunächst die weitere Entwicklung der ÖPNV-Landschaft und des finanziellen Aufwandes beobachtet werden. Aufgrund der mangelnden Rechtsgrundlage wurde die Bündelung (Harmonisierung der Konzessionslaufzeiten) daher nicht umgesetzt. Auch um mittelfristig handlungsfähig zu bleiben, wurden neu zu erteilende Konzessionen seither für sechs Jahre erteilt, anstatt der üblichen zehn Jahre.

 

Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2018 beantragte die Fraktion Freie Wähler Ostalbkreis:

 

„…die derzeitigen Konzessionen nur noch insoweit zu verlängern, als eine Linienbündelung im gesamten Ostalbkreis zum nächstmöglichen Zeitpunkt möglich wird. Des Weiteren beantragen wir konkret, zum frühestmöglichen Zeitpunkt Linienbündelungen vorzunehmen und die Ausschreibungen entsprechend zu gestalten.“

 

Herr Landrat Pavel sagte darauf hin zu, dieses Thema nochmals explizit zum Bestandteil einer neuerlichen Klausurtagung zu machen. Auf Bitte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurden in einem Schreiben die Mitglieder des Ausschusses für Umweltschutz und Kreisentwicklung über die Konzessionslaufzeiten innerhalb der Bündel in Kenntnis gesetzt.

 

 

2. Entwicklung des Zuschussbedarfes

 

Es sei zunächst angemerkt, dass der immense Zuschussbedarf für ÖPNV und Schülerbeförderung nicht monokausal zu erklären ist. Wie in der vergangenen Klausurtagung (März 2017) bereits dargestellt, sind vielerlei, hier plakativ aufgelistete Umstände ursächlich:

 

  • ÖPNV-Finanzierung konzentriert sich ausschließlich beim Landkreis, es gibt weder kommunale Unternehmen, noch beteiligen sich die Städte/Kommunen

 

  • Polyzentrische Struktur hohe Kilometerleistung (Platz 3 in Baden-Württemberg)
    gutes Angebotsniveau
  • Viele Freiwilligkeitsleistungen (Schulwegsicherheitskarten, fiftyFifty-Taxi etc.)

 

  • „Anziehender“ Schulstandort – Der Ostalbkreis muss Schuleinpendler (Schüler,
    die außerhalb des Ostalbkreises wohnen, aber im Ostalbkreis zur Schule gehen) finanzieren, Verzicht auf die Kostenbeschränkung auf die nächstgelegene Schule

 

  • Wachsende Zahlen im kostenintensiven Sonderschulverkehr

 

  • Stagnierende Mittel vom Land (z. B. Verbundförderung)

 

  • Sehr viele Busunternehmen ausbaufähige Kooperation
    Verzicht auf Ausschreibung

 

Insbesondere der letztgenannte Aspekt, die Verantwortung der im Ostalbkreis tätigen Busunternehmen, ist Bestandteil heftiger Diskussionen.

 

Im Folgenden sind die wichtigsten Haushaltsstellen abgebildet:

 

 

RE* 2015

RE* 2016

RE* 2017

abgerechnete Fahrkarten im Schülerverkehr

12.169.741 €

12.649.318 €

12.468.210 €

Fahrpreisbezuschussung

5.725.081 €

6.185.732 €

6.138.076 €

Verbesserungen
ÖPNV-Angebot

527.620 €

576.680 €

624.641 €

*Rechnungsergebnis

 

Auffallend ist eine Dämpfung bzw. ein Rückgang im Jahr 2017. Ursächlich hierfür war, dass maßgebliche Erhöhungen von Haustarifen erst zum 1. August 2017 getätigt wurden und somit noch nicht ihre Wirkung entfaltet haben. Der Rückgang der Schülerzahlen macht sich bei den abgerechneten Schülerfahrkarten bemerkbar. Es ist davon auszugehen, dass die hieraus resultierenden Mindereinahmen in 2018 geltend gemacht werden könnten und daher erst im Rechnungsergebnis 2018 auftreten.

 

Die ÖPNV-Haushaltstelle „Fahrpreisbezuschussung“ – hier findet die Harmonisierung und Durchtarifierung zwischen Haustarif und Abgabepreis statt – wuchs von 2012 (4,2 Mio. Euro) bis 2017 (6,1 Mio. Euro) überdurchschnittlich.

 

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt (29. März 2018) liegen Haustarifanträge in Höhe von 650.000 Euro vor, die es in der Haushaltsstelle „Fahrpreisbezuschussung“ in 2018 abzubilden gelte. Die Erhöhungen aufgrund geringerer Ausgleichsleistungen nach der Allgemeine Vorschrift („§ 45 a PBefG“) sind hierbei noch unberücksichtigt. Das Ausfallrisiko für den Landkreis kann noch nicht exakt beziffert werden, ein bis zu siebenstelliger Betrag/Jahr wird für denkbar gehalten. Durchgängig werden die Mindereinnahmen nach § 45 a über die Anpassung der Haustarife an den Landkreis zur Kompensation weitergegeben.

 

Offen ist auch noch die Abrechnung der Barverkäufe seit Start OstalbMobil im Dezember 2007. Aufgrund der komplizierten und viele Akteure umfassenden ÖPNV-Struktur verzögerte sich die Abrechnung der Ansprüche um viele Jahre. Zwischenzeitlich erhielten die Unternehmen pauschale Abschlagszahlungen. Erst jetzt läuft die Abrechnungssoftware verlässlich und es werden die einzelnen Jahre sukzessive abgearbeitet. Die Jahre 2008 bis 2011 liegen nun fehlerfrei vor. Mit einem kompletten Abschluss ist im Sommer zu rechnen. Nach ersten Kalkulationen drohen dem Landkreis Nachzahlungen an die Busunternehmen in siebenstelliger Höhe für den Zeitraum 2008 bis 2017, was sich entsprechend auf die in der Tabelle dargestellten Zahlen auswirken würde.

 

Der Gesamtzuschussbedarf für Schülerbeförderung und ÖPNV hat sich seit dem Haushaltsjahr 2013 (Rechnungsergebnis) bis zum Haushaltsjahr 2018 (Planansatz) von 8,4 Mio. Euro auf 13,3 Mio. Euro erhöht. Dies entspricht einer Steigerung von 58 % innerhalb von fünf Jahren.

 

Steigerungen des gesamten Zuschussbedarfs

 

 

RE 2013

RE 2014

RE 2015

RE 2016

RE 2017

Planansatz 2018

Schüler-beförder-
ung

4.763.672 €

5.192.627 €

5.947.460 €

6.951.508 €

5.633.099 €

6.322.845 €

ÖPNV

3.682.799 €

3.857.859 €

4.560.250 €

5.180.927 €

5.479.603 €

6.972.229 €

Gesamt

8.446.471 €

9.050.486 €

10.507.710 €

12.132.435 €

11.112.702 €

13.295.074 €

 

Grafische Darstellung

 

 

 

3. Struktur des ÖPNV auf der Ostalb

 

Der Nahverkehr im Ostalbkreis wird von 21 ausschließlich privatwirtschaftlich organisierten Busunternehmen mit eigenen Liniengenehmigungen erbracht. Jedes Unternehmen hat eigene, vom Landratsamt genehmigte, Haustarife, Fahrpläne und Streckenführungen. Teilweise werden Leistungen von Subunternehmen erbracht, die von den jeweiligen Konzessionsinhabern per Vertrag beauftragt werden.

 

Strukturell sind die Unternehmen sehr unterschiedlich aufgestellt, dies zeigt sich etwa in der Zahl der eingesetzten Fahrzeuge, die zwischen drei und 60 variiert. Jeder Betrieb agiert unter spezifischen Rahmenbedingungen und verfolgt eine eigene Philosophie. Art und Ausstattung der Fahrzeugflotte, Wartung, Qualität und Entlohnung des Personals, Kundenservice usw. liegen im Ermessen jedes einzelnen Unternehmers. Dabei hat jedes Unternehmen eine eigene Leitung, Verwaltung samt Datenverarbeitung, einen oder mehrere Betriebshöfe.

Von drei Firmen abgesehen, sind alle übrigen „Mischunternehmen“, welche neben dem konzessionierten Linienbusverkehr noch weitere Dienstleistungen betreiben, z. B. Reisebusverkehr, Containerdienst, Heizölhandel, Tankstelle, Spedition etc.

 

Formell wird der ÖPNV eigenwirtschaftlich erbracht. Dadurch besteht im Ostalbkreis ein Genehmigungswettbewerb. Danach erhält ein Verkehrsunternehmen auf Antrag eine Liniengenehmigung. Sie berechtigt das Unternehmen, den Verkehr auf dieser Linie auf Zeit exklusiv zu betreiben. Dem Verkehrsunternehmen wird es folglich ermöglicht, seine Kosten durch Verkehrserträge zu erwirtschaften. Bei einer zur Neuerteilung anstehenden Liniengenehmigung können jedoch auch andere interessierte Unternehmen einen Antrag auf Erteilung der Genehmigung einreichen. Unter Berücksichtigung der Kriterien des PBefG und gegebenenfalls des für den jeweiligen Landkreis gültigen Nahverkehrsplans wird dem Unternehmen mit dem besten Antrag die Konzession erteilt. Damit sorgt der Genehmigungswettbewerb dafür, dass dasjenige Unternehmen eine Linie bedient, welches das beste Angebot erbringt. Zur rechtmäßigen Ausgleichzahlung bedarf es einer allgemeinen Vorschrift (OstalbMobil-Höchsttarifsatzung), wie sie der Ostalbkreis alljährlich im Zuge der Anpassung der Abgabepreise erlässt. In der Praxis findet dieser skizzierte Wettbewerb im Ostalbkreis nicht statt.

 

Dem gegenüber steht der Ausschreibungswettbewerb. Dies bedeutet die wettbewerbliche Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen mit Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung und dem Abschluss eines Verkehrsvertrages (öffentlicher Dienstleistungsauftrag, öDA). In der Regel gibt der Aufgabenträger die zu erbringende Verkehrsleistung (Fahrplan) detailliert vor und gewährt dem Betreiber eine entsprechende Kompensation, die sich gemeinhin in einer Ausgleichsleistung in Euro/Kilometer bemisst. Um einen solch beschriebenen Ausschreibungswettbewerb in Gang setzen zu können, bedarf es sinnhafterweise einer Linienbündelungskonzeption. Die jeweiligen Bündel werden dabei ausgeschrieben, sofern kein eigenwirtschaftlicher Antrag eingeht, bekommt derjenige Bieter („Ersteller“) den Auftrag, der das günstigste Angebot abgibt. Ausschreibungsinhalt ist nicht bloß die zu erbringende Verkehrsleistung, auch Qualitäts- (z. B. einzusetzende Fahrzeuge) und Sozialstandards (z. B. Anwendung Tariftreuegesetz) werden vom Besteller (Landkreis) festgelegt.

 

 

4. Leitfragen

 

Nachfolgende Fragestellungen sollen den Komplex „Linienbündel“ beleuchten und die Antragsstellung begründen:

 

 

Wie bewerten die Busunternehmen Linienbündel?

 

Da davon auszugehen ist, dass die Busunternehmen ihre Position gegenüber der Linienbündelung in den jeweiligen Gesprächen mit den Fraktionen bereits formuliert haben, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Busunternehmen im Ostalbkreis Linienbündelungen und Ausschreibungswettbewerb ablehnen. Dies brachten sie vor allem in den Stellungnahmen zum „Nahverkehrsplan 2014 für den Ostalbkreis“ zum Ausdruck (zu finden: ebenda, Anlage 1-1, Seiten 10-22).

 

 

Welche Stellungen nehmen Land, Landespolitik bzw. Landkreistag ein?

 

Letztlich greift der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung und damit liegt die Ausgestaltungshoheit für den straßengebundenen Nahverkehr bei den zuständigen Landkreisen/Kommunen.

 

Beim in der Kompetenz des Landes befindlichen Schienenpersonennahverkehr sind Ausschreibungen mittlerweile Usus („Besteller-Ersteller-Prinzip“). Demzufolge äußert sich Minister Winfried Hermann MdL (Grüne), im Zusammenhang mit der ÖPNV-Finanzierungsreform folgendermaßen:

 

„Jetzt kommt es darauf an, dass die Gemeinden und die Landkreise das Andocken des ÖPNV an den Schienenpersonennahverkehr schaffen. Sie [die Aufgabenträger/Landkreise, Anm. des Verfassers] können künftig im Rahmen von Ausschreibungen auch eine höhere Qualität des ÖPNV fordern, etwa bei der Fahrzeugausstattung und beim Einsatz von WLAN.“

 

 

In der entsprechenden Landtagsaussprache (19.07.2017) äußerten sich die übrigen Parteien zum Thema Bündelung/Ausschreibung auszugsweise wie folgt:

 

  • Frau Abg. Nicole Razavi (CDU):

 

„Wir, die CDU-Fraktion, regen als Maßnahmen an, die Linienbündel so zuzuschneiden, dass auch kleinere Busunternehmer die Chance haben, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen, dass von der europarechtlichen Möglichkeit der Direktvergabe an Mittelständler und KMUs Gebrauch gemacht wird. Ziel ist, die Vergabe der Busverkehre mittelstandsfreundlich zu gestalten, also die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Mittelstand auch weiterhin den Busverkehr gestalten wird und eine faire Chance auf dem Markt hat.“

 

  • Herr Abg. Bernd Gögel (AfD):

 

„Ein Risiko, das wir sehen, liegt darin, dass zukünftig die Netze so groß ausgeschrieben werden könnten, dass europaweite Ausschreibungen erfolgen müssen und damit die Gefahr besteht, dass Klein- und Mittelbetriebe aus der Region in Baden-Württemberg aus dem Markt verdrängt werden.“

 

  • Herr Abg. Gerhard Kleinböck (SPD):

 

„Wichtig ist mir […], darauf hinzuweisen, dass der beginnende Wettbewerb in diesem Bereich nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Busgewerbe ausgetragen werden darf.“

 

  • Herr Abg. Jochen Haußmann (FDP/DVP):

 

„Vorgaben sind dergestalt zu machen, dass wir weiterhin eigenwirtschaftliche Verkehre haben und diese in der Struktur überschaubar bündeln. Wichtig ist, dass wir unsere Strukturen erhalten. Wir haben große Sorgen, dass wir dort deutliche Veränderungen bekommen. Wenn sich hier einmal die Unternehmerlandschaft verändert hat, holen Sie das nicht mehr zurück. Das wissen wir aus anderen Bundesländern. Deswegen müssen wir Sorge dafür tragen, dass sich die Zielsetzung, die man verfolgt, indem man mehr Geld ins System bringt, weiterhin in diesen bewährten mittelständischen Strukturen niederschlägt.“

 


Der Landkreistag positioniert sich zur Gemengelage wie folgt:

 

„Ausschreibungswettbewerbe haben ebenso ihre Berechtigung wie Genehmigungswett-bewerbe: es kommt auf die örtlichen Gegebenheiten an. Wichtig ist es Linienbündel so auszuschreiben, dass sich auch der Mittelstand daran beteiligen kann. Den Landkreisen wird geraten, hohe Qualitätskriterien zu setzen.“

 

Was erhofft sich die Verwaltung mit der Aktivierung der Bündelungskonzeption?

 

Die Landkreisverwaltung erwartet sich von der Aktivierung der Bündelungskonzeption keine Wunder, keine unmittelbare Beseitigung der hohen Zuschussleistung, sehr wohl jedoch Handlungs- und Gestaltungsspielraum durch die Schaffung zeitgemäßer und in der deutlichen Mehrheit der Landkreise in Baden-Württemberg bereits existierender Strukturen. Im Einzelnen bestehen folgende unmittelbare Erwartungen:

 

  • Anreize für verstärkte Kooperation schaffen:

 

Die Firmen wären veranlasst, Synergien durch eine engere Kooperation anzustreben, um sich auf ein wettbewerbliches Verfahren vorzubereiten. Zusammenarbeit geschieht derzeit nur eingeschränkt im Rahmen von OstalbMobil und FahrBus Ostalb.

 

  • Schaffung zukunftsfähiger Strukturen:

 

Insgesamt über 100 Liniengenehmigungen, verteilt auf 21 Konzessionsinhaber, stellen ein historisch gewachsenes Konstrukt dar. Es besteht die Aussicht, eine an verkehrlichen und nutzerorientieren Interessen orientierte Angebotsplanung bündelweise durchzuführen, bei der die einzelnen Unternehmens-, Kunden- und Landkreisinteressen gleichberechtigt wären. Durch Bündelungen an sich überlagernden Verkehrskorridoren können Einsparungen erzielt werden ohne Verschlechterungen in der Angebotsqualität hinnehmen zu müssen.

 

  • Weniger Durchtarifierungszahlungen:

 

Durch eine gebündelte Vergabe würde sich die Anzahl an möglichen Schnittstellen reduzieren. Besonders Umsteiger zwischen Verkehrsunternehmen schlagen durch die Erstattung von Durchtarifierungsverlusten erheblich zu Buche. Bei nur noch acht Linienbündeln reduziert sich diese Anzahl an „tariflichen Umsteigevorgängen“, niedrigere Ausgleichzahlungen und geringerer Abrechnungsaufwand wären die Folge.

 

  • Beseitigung/Überwindung von Rechtsverfahren und -streitigkeiten:

 

Insbesondere in Räumen, in denen sich sehr viele konzessionierte Busunternehmen befinden, gibt es eine Vielzahl von Rechtstreitigkeiten zwischen den örtlichen Unternehmen. Aktenfüllend ergehen z. B. Widerspruchsbescheide gegen genehmigte Fahrpläne.
U. a. produzieren diese vor dem Verwaltungsgericht ausgetragenen Fälle hohe Anwaltskosten, welche in die Haustarifgestaltung einfließen, und binden personelle Kapazitäten bei Unternehmen und Verwaltung gleichermaßen.

 

 


Im Falle eines in Gang zu setzenden Ausschreibungswettbewerbs:

 

  • Entstehung von Wettbewerb:

 

Die derzeitige Struktur des Ostalb-ÖPNV charakterisiert sich dadurch, dass de facto keine wettwerbliche Gestaltung vorliegt. Formell ist Genehmigungswettbewerb denkbar, die Zersplitterung der Konzessionslandschaft behindert diesen jedoch.

 

  • Mittelstandsfreundliche Bündel:

 

Prämisse für einen Ausschreibungswettbewerb sind Bündel, in der sich starke und schwache Linien ergänzen, um eine effiziente und abgestimmte Erstellung gewährleisten zu können. Von der Größe sind sie so zugeschnitten, dass auch KMU (kleine und mittlere Unternehmen), wie sie im Ostalbkreis prägend sind, hieran, allein oder als Bietergemeinschaft, teilnehmen können.

 

  • Abkehr von Haustarifs-Systematik:

 

Die Verpflichtung des Landkreises, die vom Steuerberater testierten, erforderlichen ungedeckten Kosten auszugleichen, entfiele. Die derzeitige Finanzierungsstruktur, wonach der Landkreis ungedeckelt Defizite nach der ÖPNV-Höchstbetragssatzung ausgleicht, wäre hinfällig. Derzeitig orientiert sich der Gewinn an den testierten Kosten (hohe Kosten = hoher Gewinn) und nicht nach dem wirtschaftlichen Erfolg, z. B. durch die Gewinnung neuer Fahrgastgruppen. Die von den Unternehmen benötigten Haustarife wirken nicht am Markt und werden mitunter aufgrund der Höhe als nicht marktfähig eingeschätzt.

 

Je nach Vertragsgestaltung könnte der Landkreis an Fahrgastzuwächsen unmittelbar partizipieren, trüge jedoch umgekehrt auch das Risiko bei Fahrgastrückgängen.

 

Mit welchen Einsparungen wird gerechnet?

 

Eine seriöse Einschätzung hierzu, die sich in Euro und Cent ausdrückt, kann nicht gegeben werden. Andere Landkreise, welche erste Ausschreibungsverfahren bereits exerziert haben, äußern sich zwar grundsätzlich positiv und berichten von Einsparungen in mittlerer sechsstelliger Höhe bei der Vergabe von Wettbewerbsbündeln. Inwieweit dies auf einen möglichen Wettbewerbsmarkt Ostalbkreis übertragbar ist, kann mit Gewissheit erst nach Beendigung der wettbewerblichen Verfahren festgestellt werden. Die Vorstellung, dass ein komplett zuschussfreier ÖPNV auf der Ostalb möglich erscheint, wird als unrealistisch bewertet. ÖPNV, gleich welcher Gestaltung, kostet Geld. Das perspektivische Ziel jedoch, die Dynamik der Zuschusssteigerungen im Ostalbkreis zu durchbrechen, wird als wahrscheinlich beurteilt.

 

Welche sonstigen Erfahrungen wurden in anderen Landkreisen gemacht?

 

Es gilt derzeit festzustellen, dass 24 von 35 Landkreise in Baden-Württemberg ein Linienbündel besitzen, einige dies in ihren aktuell zu erstellenden Nahverkehrsplänen machen und nur wenige gänzlich darauf verzichten, z. B. Ravensburg und Hohenlohe. Ersterer benötige aufgrund des vertretbaren Abmangels keine Bündelung, letzterer hat ohnehin nur ein Busunternehmen (Eigenbetrieb des Landkreises).

 

Die Befürchtungen, dass Unternehmen in die Betriebsaufgabe gedrängt würden, haben sich landesweit nicht bestätigt. Die Ausschreibungen wurden vornehmlich von lokalen und mittelständischen Unternehmen gewonnen. Großkonzerne, die die Ausschreibungen gewinnen und die Wertschöpfung aus der Region fließen lassen, sind nicht zu beobachten. Es ist ein Wesensmerkmal des ÖPNV, dass die Wertschöpfung lokal bleibt.
Die zu erbringende Dienstleistung hat schließlich einen regionalen Bezug und kann nicht verlagert werden. Dass ausländische „Billiganbieter“ Ausschreibungen in Baden-Württemberg gewonnen haben, lässt sich nicht beobachten.

 

Nicht unberücksichtigt werden darf allerdings, dass es bei der Neuaufnahme von Verkehren durch den Ausschreibungsgewinner zu Problemen kommen kann, etwa durch mangelhaft ausgebildetes Personal und fehlende Orts- und Sprachkenntnisse.

 

Eindeutig verneint wird die Frage, ob Ausschreibungen zu Lasten der Beschäftigten, insbesondere natürlich des Fahrpersonals, gingen. Im Gegenteil, jede Ausschreibung beinhaltet die Verpflichtung zur Anwendung tariflicher Vereinbarungen. Dies ist im derzeitigen System nicht der Fall, wenngleich davon auszugehen ist, dass die Busunternehmen im Ostalbkreis bereits jetzt faire, tariflich geregelte Löhne bzw. aufgrund des Mangels an Busfahrern sogar übertariflich zahlen. Mit Personalmangel haben alle gleichermaßen, völlig losgelöst von der wettbewerblichen Gestaltung zu kämpfen. In einem durch Vollbeschäftigung geprägten Arbeitsmarkt werden hierdurch kaum Einsparpotentiale zu erzielen sein.

 

Wie ginge es im Falle einer aktivierten Linienbündelung weiter?

 

Zunächst einmal würden lediglich die Linienkonzessionen der im NVP verankerten Bündel harmonisiert, die Dauer der Genehmigung entsprechend nur noch auf die Laufzeit der am längsten laufenden ausgesprochen.

 

Zusammen mit einer externen Beratung und den vorhandenen Unternehmen würde ein „Update“ vorgenommen. Eine Neubewertung der Linienbündelungskonzeption erscheint nach derzeitiger Einschätzung allein deshalb notwendig, da sich die Schülerströme aufgrund neuer Schulstandorte in den vergangenen Jahren geändert haben. Für diesen Fall ist eine Beteiligung der vorhandenen Verkehrsunternehmen vorgeschrieben. Dies müsste sinnigerweise im Zuge des Prozesses der 2019 anstehenden Fortschreibung des Nahverkehrsplanes geschehen.

 

Herr Landrat Pavel wird im Anschluss an die Kreistagssitzung erneut das Gespräch mit den Busunternehmen suchen und die sich ändernden Umstände erläutern. Es liegt im Interesse der Landkreisverwaltung die lokalen Unternehmen bei den künftigen Prozessen und Veränderungen mitzunehmen.

 

Eine Aktivierung der Linienbündelung bedeutet zuallererst nur, dass sich vieles ändern kann, jedoch nicht, dass sich alles ändern muss.

 

Befürchtungen, dass eine Neugestaltung des Ostalb-ÖPNV zu Lasten der Versorgung, gleich ob Stadt oder Land führen wird, sind unbegründet. Die Bewertung der Angebotsqualität und die letztlich hierfür notwendige finanzielle Ausstattung des ÖPNV ist eine Kernkompetenz der Kreispolitik.

 

 


5. ÖPNV-Pakt – Gespräch am 8. März 2018

 

Auf Veranlassung von Herrn Landrat Pavel fand am 8. März 2018 ein Gespräch zur Finanzierung des ÖPNV zwischen Verwaltung und Busunternehmen statt. Zweck war es, den Busunternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Sparvorschläge vorzustellen. Es wurde sich geeinigt, dass die Unternehmen ein gemeinsames Strategiepapier entwerfen, in dem ein belastbares Vorgehen zur Zuschussreduzierung aufgezeigt wird. Am 5. April 2018 wurde das Schreiben dem Landkreis übermittelt und im Vorfeld zur Klausurtagung an die Mitglieder des Umweltausschusses versandt.

 

Inhaltlich wird das Papier von der Landkreisverwaltung verhaltend aufgenommen. Zwar beinhaltet es eine Vielzahl wohlwollender Vorschläge und Anregungen, bleibt aber ansonsten im Ungefähren und hält am derzeitigen Status-Quo fest. Konkrete Eigenmaßnahmen der Unternehmen zur Zuschussreduzierung bleiben ungenannt.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die externe Beraterleistung wird ausgeschrieben, die hierfür notwendigen Mittel werden im entsprechenden Haushaltsjahr hinterlegt.

 

 

 

Anlagen

 

keine

 

 

 

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereich Nahverkehr__________________________________________

Gehlhaus

Dezernat VII__________________________________________

Wagenblast

Dezernat II__________________________________________

Kurz

Landrat__________________________________________

Pavel