Bürgerinformationssystem

Vorlage - 215/2017  

 
 
Betreff: Erfahrungsbericht zur beruflichen Integration von Flüchtlingen im Bereich des SGB II
Status:öffentlich  
Federführend:Jobcenter Ostalbkreis Beteiligt:D e z e r n a t V
Beratungsfolge:
Ausschuss für Arbeit und Grundsicherung Kenntnisnahme
07.12.2017 
Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Grundsicherung zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Sachverhalt/Begründung

 

Aktuell betreut das Jobcenter Ostalbkreis 694 Flüchtlinge. Die Zahlen stagnieren seit Frühjahr/Sommer 2017, da es im Ostalbkreis kaum Zugänge von Flüchtlingen aus nicht sicheren Herkunftsländern (Iran, Irak, Syrien, Somalia und Eritrea) gab.

 

 

 

 

Strukturdaten

 

Von den ca. 694 Flüchtlingen sind 425 männlich und 269 weiblich. Ca. 95% stammen aus Syrien. Rund 20 % haben eine Schulbildung von 11 – 14 Jahren und verfügen teilweise über Diplomabschlüsse. 90 % der Geflüchteten mit Berufserfahrung haben Tätigkeiten in Helferbereichen wie Bau, Handwerk und Produktion ausgeübt. Rund 10 % haben in Berufen mit höheren Bildungsabschlüssen wie z.B. Juristen und Ingenieure gearbeitet.

 

Altersstruktur:

 

220  - Jugendliche zwischen 15 – 24 Jahren

243 - junge Erwachsene zwischen 25 – 34 Jahren

177  - im Alter zwischen 35 – 50 Jahren

54   - Ältere ab 50plus

 


Schulbildung im Überblick:

Menschen ohne Schulabschluss waren im Herkunftsland gar nicht oder nur sehr wenige Jahre auf einer Schule und sind auf Grund ihrer kognitiven und/oder fehlender Sprachkenntnisse nicht mehr beschulbar (Analphabeten, ältere Menschen, psychisch Erkrankte etc.). Viele Flüchtlinge versuchen ihre Zeugnisse aus dem Heimatland zu beschaffen, dies ist jedoch sehr schwierig. Die Zeugnisse müssen beim Regierungspräsidium zur Anerkennung vorgelegt werden. Auf Grund der Vielzahl von eingereichten Unterlagen kommt es hier zu Wartezeiten von 6 Monaten und mehr. Es ist zu erwarten, dass weitere Schulabschlüsse anerkannt werden könnten, so dass die Zugangsvoraussetzungen für Ausbildungen und Studiengänge vorliegen. In dieser Zeit der Anerkennungsphase besuchen die Flüchtlinge die Sprachkursangebote des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Sprachniveau B2 oder C1 ist Voraussetzung, um eine Ausbildung beginnen zu können.

 


Schul- und Sprachkursteilnahmen exemplarisch im Monat Oktober 2017:

 

 

 

Seit Anfang 2016 haben ca. 180 Flüchtlinge ihren Schul- und Sprachkursbesuch abgeschlossen. Rund 70 % hiervon mit B1 Niveau in Integrationskursen und VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse). Auffällig ist jedoch, dass 60 % der Menschen in Alphabetisierungskursen das B1 Niveau nicht erreichen. Fast alle müssen Wiederholungsstunden in Anspruch nehmen, die meist auf Grund der mangelnden Sprachlernfähigkeit nicht zum Erfolg führen. Die Schwierigkeit für die Integrationsfachkräfte liegt darin, dass auch nach 24 Monaten Sprachförderung weiterhin kaum eine Kommunikation auf Deutsch möglich ist und somit eine Integration mehr als erschwert wird.

 

Die Abbruchquote bei den Integrationskursen liegt bei ca. 15 %. Der häufigste Abbruchgrund ist die Arbeitsaufnahme. Auf Grund der noch nicht fortgeschrittenen Sprachkenntnisse erfolgen diese Arbeitsaufnahmen überwiegend in Helferbereichen und bei Zeitarbeitsfirmen. Die restlichen Abbruchgründe sind Krankheit und Mutterschutz. In den allerwenigsten Fällen ist es die fehlende Motivation. Die Nachfrage an Alphabetisierungskursen bei Erwachsenen ist 2017 stark gestiegen. Im Oktober 2017 waren fast genau so viele Teilnehmer in den Alphabetisierungskursen wie in normalen B1- Sprachkursen.

 

Die Sprachkursteilnahme dauert je nach Lernfähigkeit, erreichbarem Sprachniveau, Wiederholungsstunden und beruflichen Ziel zwischen 8 – 24 Monate. In dieser Zeit sind die Geflüchteten in regelmäßigen individuellen Beratungsterminen bei den spezialisierten Integrationsfachkräften. In erster Linie werden hier berufliche Themen besprochen, realistische Berufsplanungen erarbeitet, eine Abschlussanerkennung eingeleitet,  Praktika und Kontakte zu Arbeitgebern veranlasst. Wenn möglich werden parallel zum Sprachkurs Aktivierungsmaßnahmen zur beruflichen Orientierung angeboten. Bis Oktober nahmen bereits 90 Menschen an diesen Maßnahmen teil. Teilzeit- und Minijobs parallel zum Sprachkurs sind keine Seltenheit. Ferienzeiten werden intensiv für Probearbeit und Praktika genutzt.

 

Parallel zu den Integrationsbemühungen gibt es vielfältige und komplexe Klärungsbedarfe. Es sind laufende Absprachen und ein reger Informationsaustausch mit allen am Integrationsprozess Beteiligten nötig, um einen möglichst reibungslosen Ablauf sicher zu stellen. Bei Problemsituationen während des Sprachkurses, wie z.B. Organisation der Kinderbetreuung, Wohnung/Umzüge, Fehlzeiten etc., müssen die Integrationsfachkräfte schnell unterstützend tätig werden, um einen regelmäßigen Sprachkursbesuch zu garantieren. Die Integrationsfachkräfte unterstützen die Geflüchteten auch in vielen anderen Bereichen, wie Beantragung von Leistungen bei Familiennachzug, Aufklärungsarbeit zu Systemen in Deutschland, aber auch Informationsarbeit bei Netzwerkpartnern und Ehrenamtlichen. Oft sind vor allem helfende Privatpersonen (Ehrenamtliche, Nachbarn, Freunde etc.) selbst nicht mit den Behördensystemen im Detail vertraut und haben wenige Kenntnisse über Möglichkeiten und Hilfen des Jobcenters. Das Jobcenter bietet regelmäßige Informationsveranstaltungen für interessierte Ehrenamtliche und auch gemeinsame Beratungen im Jobcenter oder bei den Flüchtlingsstabstellen an.

 

Flüchtlinge ohne aktuellen Sprachkursbesuch:

 

 

 

Die Zahl der psychisch und körperlich erkrankten Flüchtlinge mit multiplen Problemlagen hat in 2017 zugenommen. Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte Menschen sind weiterhin mit hohen Wartezeiten verbunden und mit fehlenden Sprachkenntnissen noch schwieriger zu erhalten. Es gibt bereits die ersten Flüchtlinge mit komplexen gesundheitlichen Einschränkungen (meist Ältere ab 50+), bei denen eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist.


 

Jeweils ein Teil der Flüchtlinge befindet sich entweder in Elternzeit, wartet auf den Beginn eines neuen Sprachkurses oder steht zur Vermittlung an und nimmt an unterstützenden Projekten und Maßnahmen teil. Bei Flüchtlingen, die aktuell nicht direkt in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, ist das Bemühen sehr groß, die deutsche Sprache zu erlernen. Hier gibt es eine Vielzahl an niederschwelligen Einstiegsmöglichkeiten wie z.B. ESF-Projekte, Arbeitsgelegenheiten, Ehrenamtssprachtreffs, Bewerbertreffs etc..

Vereinzelt sind motivierende Maßnahmen und eine engere Betreuung notwendig, um die Integration in Sprachkurse sowie in Arbeit voranzutreiben. Aktuell sind dies aber nur Einzelfälle. Im Vergleich zu anderen Zielgruppen gibt es nur sehr wenig Auffälligkeiten.

 

Insgesamt 93 Integrationen vom 01.01.2017 – 31.10.2017:

 

 

71 Beschäftigungsverhältnisse bestehen aktuell weiterhin fort, 22 wurden bereits wieder gekündigt und dies überwiegend wegen fehlender bzw. unzureichender Sprachkenntnisse. Bei 35 Beschäftigten konnte die Hilfebedürftigkeit auf Grund der Arbeitsaufnahme beendet werden. Die restlichen 36 erhalten aufstockend ALG II Leistungen, weil das Einkommen für die ganze Familie nicht auskömmlich ist. Integrationen im Bereich Metall/Produktion fanden überwiegend bei Zeitarbeitsfirmen statt. Oft handelt es sich um gering qualifizierte und sprachlich schwache Flüchtlinge. Ausbildungsaufnahmen fanden in den Berufsgruppen Maler, Friseur und KFZ-Mechatroniker statt. Vereinzelt als Elektriker, Bankkaufmann und Industriekaufmann.


Ausblick 2018:

 

Perspektivisch wird die Zahl der Flüchtlinge mit nur sehr wenig Sprachkenntnissen aus den Alphabetisierungskursen zunehmen. Vor allem beim Lesen und Schreiben halten sich die erreichten Punktzahlen in den Sprachkurszertifikaten, vor allem bei B2 und C1, an der untersten Grenze. Dies erschwert einen Berufsschulbesuch, weshalb trotz guter Vorbildung und hoher Sprachkursqualifikation Vorschaltmaßnahmen wie z.B. Einstiegsqualifizierungen bei Ausbildungsplätzen bevorzugt angeboten werden. Ähnlich verhält sich dies bei Arbeitsaufnahmen. Ohne vorheriges Praktikum beim Arbeitgeber kommt kaum eine Integration zustande. Auf Grund der erhöhten Einarbeitungsphase und der Sprachbarrieren werden den Arbeitgebern Eingliederungszuschüsse angeboten. Die sehr guten Kontakte zu den Arbeitgebern sollen 2018 durch speziell im Flüchtlingsteam integrierte Fachkräfte weiter ausgebaut werden.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die Finanzierung der Sprachförderung erfolgt über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Kosten der beruflichen Integration werden im Jahr 2017 mit rund 220.000 € über das Eingliederungsbudget des Jobcenters aus Bundesmitteln finanziert.

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiter

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Koch

 

 

Sozialdezernent      

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel