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Vorlage - 201/2017  

 
 
Betreff: Konzeptionelle Veränderungen bei den "Hilfen zur Erziehung" und den "Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche"
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme
06.12.2017 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen   
Anlagen:
Konzeption Sozialpädagogische Familienhilfe 1.1.2018
Konzeption Erziehungsbeistand_Betreuungshelfer 1.1.2018

Antrag der Verwaltung

 

Der Zusammenführung der Konzeption für Sozialpädagogische Familienhilfe aus 2013 und der Konzeption für Familienorientierte Unterstützungshilfe vom 01.10.2004 ab 01.01.2018, der Fortschreibung der Konzeption zur Erziehungsbeistandschaft gemäß § 30 SGB VIII vom 01.08.2007 durch die Konzeption Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer ab 01.01.2018 und der Außerkraftsetzung der Konzeption zur Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII vom 01.01.2005 ab 31.12.2017 wird zugestimmt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Die sogenannten Hilfen zur Erziehung stellen den zentralen Leistungsbereich eines Jugendamtes dar. Dazu werden auch die Hilfen für junge Volljährige, die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen sowie das Mutter-/Vater-Kind-Wohnen gezählt. Nach § 79 SGB VIII liegt die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung in der Zuständigkeit des örtlichen Jugendhilfeträgers.

 

Für die stationären und teilstationären Hilfen zur Erziehung schließen die Kommunalen Spitzenverbände mit den Verbänden der Träger der Freien Jugendhilfe auf Landesebene Rahmenverträge gem. § 78f SGB VIII, in denen die Eckdaten für eine qualifizierte Leistungserbringung festgelegt werden. Der Rahmenvertrag der Kinder- u. Jugendhilfe für Baden- Württemberg wurde zuletzt zum 01. Januar 2017 geändert. Die Änderungen wurden im Jugendhilfeausschuss am 14. Februar diesen Jahres vorgestellt. Darüber hinaus unterliegen teil- u. vollstationäre Hilfen der Betriebserlaubnispflicht nach § 45 SGB VIII, welche u. a. eine Konzeption für jedes Angebot erfordert, so dass in diesem Bereich durch das Landesjugendamt die Qualität der vorgehaltenen Angebote gesichert wird.

 

Im Bereich der ambulanten Hilfen zur Erziehung liegt die Gewährleistungsverantwortung beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Er hat sicherzustellen, dass die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Einrichtungen und Angebote entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Darüber hinaus haben die Jugendämter Qualitätsgrundsätze und -maßstäbe für die Gewährung und Erbringung von Leistungen festzulegen, weiterzuentwickeln und in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.

 

Im Ostalbkreis wurden für die wesentlichen ambulanten Hilfen zur Erziehung Konzeptionen erstellt sowie regelmäßig fortgeschrieben, soweit die Struktur der Leistung und die Rahmenbedingungen dies ermöglichen. Diese Konzeptionen werden in Abstimmung mit freien Trägern und Diensten, die solche Leistungen im Ostalbkreis regelmäßig erbringen, entworfen. Die Aufgaben des Jugendamts werden nach § 70 SGB VIII durch den Jugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Jugendamts gemeinsam wahrgenommen. Daher werden die Konzeptionen für ambulante Hilfen zur Erziehung im Jugendhilfeausschuss erörtert und beschlossen.

 

Die Konzeptionen bilden die verbindliche Grundlage für die Leistungserbringung der jeweiligen Hilfe im Ostalbkreis. In den Konzeptionen werden die qualitativen Anforderungen für die Leistungserbringung definiert.

 

 

II. Konzeption Sozialpädagogische Familienhilfe

 

Die sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist eine auf die ganze Familie ausgerichtete ambulant aufsuchende Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 und 31 SGB VIII. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn für zumindest ein Kind in der Familie eine am Wohl des Kindes orientierte Erziehung nicht mehr gewährleistet ist und eine Verbesserung nur durch Veränderungen in der Familie, und nicht nur isoliert beim einzelnen Kind, möglich erscheint.

 

Die SPFH soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie (§ 31 SGB VIII). Sie ist eine ambulante und familienunterstützende Form der Jugendhilfe und kann als präventive Maßnahme im Vorfeld, oder als Alternative zur Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Ebenso kommt SPFH als nachgehende Hilfe in Betracht, um eine Rückführung von Kindern und Jugendlichen in den elterlichen Haushalt zu sichern.

 

Die SPFH ist die bedeutsamste ambulante Hilfe zur Erziehung im Ostalbkreis. Zum einen setzt diese Hilfeform wie kaum eine andere an den Ursachen von Erziehungsschwierigkeiten an. Zum anderen ist die SPFH als aufsuchende Hilfe in einem Flächenlandkreis passgenauer und schneller verfügbar als z. B. gruppenorientierte Hilfeangebote. Im Vorjahr wurden in 543 Fällen 1002 Kinder durch SPFH unterstützt. Zum Vergleich: im gleichen Zeitraum befanden sich 272 junge Menschen in stationärer Heimerziehung. Insofern ist die SPFH die wichtigste Hilfeform, um ein möglichst gutes Verhältnis zwischen ambulanten und stationären Hilfen zu erreichen. Schlussendlich hängt auch die Ausgabenentwicklung in der Jugendhilfe entscheidend von der zeitnahen Verfügbarkeit einer qualitativ hochwertigen SPFH ab.

 

Um dieser exponierten Stellung dieser Hilfeart auch weiter gerecht werden zu können, ist besonders hier ein kontinuierlicher Prozess der Überprüfung und Weiterentwicklung unverzichtbar.

 

Bisher war unter der Konzeption Sozialpädagogische Familienhilfe nur die Leistungserbringung durch Fachkräfte mit Studium im Bereich Sozialpädagogik/Sozialarbeit vorgesehen. Die Arbeitsansätze waren eingegrenzt auf zielgerichtete, das Familiensystem verändernde Interventionen. Unterstützende und stabilisierende Formen der Familienhilfe wurden im Ostalbkreis in eine besondere Hilfe nach § 27 Abs. 2 SGB VIII als Familienorientierte Unterstützungshilfe (FU) gefasst. Im Rahmen der FU sind dual ausgebildete Fachkräfte (Erzieher/- innen) sowie Nichtfachkräfte vorgesehen.

 

Mit dem sogenannten „Bologna-Prozess“ hat sich eine Vielfalt an Studienabschlüssen herausgebildet, die mit der Sozialpädagogik/Sozialarbeit nahe verwandt sind. Auf diese Fachkräfte mit deren spezifischen Kompetenzen kann die ambulant aufsuchende Jugendhilfe gerade in Zeiten des Fachkräftemangels nicht verzichten.

Des Weiteren wird es der durchaus hohen Fachlichkeit dual ausgebildeter Fachkräfte wie Jugend- u. Heimerzieher oder Heilerziehungspfleger nicht gerecht, wenn diese in der FU-Konzeption auf eine Stufe mit Nichtfachkräften gestellt werden. Darüber hinaus erscheint die damals getroffene Unterscheidung der jeweiligen Aufgabengebiete zwischen SPFH und FU aus heutiger Sicht zu starr und zu theoretisch.

 

Vielmehr ist es erforderlich, alle geeigneten Berufsgruppen in einem Fachkräftekatalog für den Einsatz in der SPFH zusammenzufassen und den Einsatz der geeigneten Berufsgruppe/Fachkraft vom Bedarf im Einzelfall abhängig zu machen. Dies wurde in der hier vorliegenden Neufassung der Konzeption für SPFH realisiert, so dass nun für sozialpädagogische Familienhilfe sowohl akademische Berufsgruppen wie z. B. Heilpädagogen oder Kindheitspädagogen, als auch dual ausgebildete Fachkräfte je nach Erfordernis im Einzelfall eingesetzt werden können. 

 

 


III. Konzeption Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer

 

Der Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer nach § 30 SGB VIII ist eine auf den jungen Menschen ausgerichtete ambulant aufsuchende Hilfe zur Erziehung. Der Erziehungsbeistand kommt insbesondere bei Jugendlichen in Betracht, deren Lebensabläufe sich weniger an der Herkunftsfamilie als viel mehr an seiner Peergroup orientieren.

 

Die Hilfe soll bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie die Verselbständigung fördern. Darüber hinaus soll der EB einen jungen Volljährigen bei dessen Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und Hilfestellung bei einer eigenständigen Lebensführung geben (§ 41 SGB VIII). Der Betreuungshelfer arbeitet inhaltlich weitgehend gleich wie der Erziehungsbeistand, kommt jedoch als einvernehmlich mit der Jugendgerichtshilfe getroffene Auflage des Jugendrichters bei straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden zustande.

 

Auch die Erziehungsbeistandschaft kommt häufig als geeignete Alternative zur Fremdunterbringung junger Menschen in Betracht, sowie auch zur Begleitung von Rückführungen aus der Fremdunterbringung in die Herkunftsfamilie. Darüber hinaus ist die Erziehungsbeistandschaft die erste Wahl bei der Verselbständigung junger Volljähriger.

 

Maßgeblicher Grund zur Neufassung der Konzeption Erziehungsbeistandschaft/Betreuungshelfer war ebenfalls die Entwicklung der im sozialpädagogischen Tätigkeitsfeld auftretenden Berufsgruppen. Auch hier wurden die bisher vorgesehenen beiden Fachkraftgruppen Erzieher/- innen und Sozialpädagogen/Sozialarbeiterinnen erweitert um einen Fachkräftekatalog, der die geeigneten Berufsgruppen aufführt. Darüber hinaus war in der bisherigen Konzeption das Aufgabenfeld „Betreuungshilfe“ im Rahmen jugendgerichtlicher Weisungen wenig berücksichtigt. Ein weiteres Fortschreibungserfordernis ergab sich aus den seit 2007 erfolgten gesetzlichen Veränderungen insbesondere im Kinderschutz und bei Beteiligungs- und Beschwerderechten der jungen Menschen.

 

 

IV. Konzeption zur Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII

 

Junge Menschen haben Anspruch auf Eingliederungshilfe durch die Jugendhilfe (SGB VIII), wenn ihre seelische Gesundheit von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII nimmt im SGB VIII eine Sonderstellung ein. Den Rechtsanspruch auf Hilfe begründet der junge Mensch direkt und nicht seine Sorgeberechtigten. Die Art der Leistung richtet sich nicht wie bei allen anderen Jugendhilfemaßnahmen nach dem SGB VIII sondern nach dem SGB XII und SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

 

In der Konzeption zur Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII wurde 2005 der Versuch unternommen, dieses „fachfremde“ Aufgabenfeld in jugendhilfegerechte Standards zu fassen. Allerdings unterscheidet sich dieses Aufgabenfeld in vielerlei Hinsicht von der regelmäßigen Jugendhilfe. Darüber hinaus sind die rechtlichen Rahmungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche ausgesprochen undurchsichtig. In z. T. kurzen Abständen ändert sich in diesem Bereich die Rechtsprechung, nicht zuletzt weil sowohl die Sozialgerichte als auch die Verwaltungsgerichte befasst sind und z. T. diametral entgegenstehende Rechtsauffassungen vertreten. Die Aufgabenabgrenzung im beruflichen Eingliederungsbereich zum SGB III, im Bereich von Mehrfachbehinderten (seelisch – geistig – körperlich) zum SGB XII, sowie bei Eingliederungshilfe im schulischen Kontext zu originären Aufgaben des Schulwesens, ist derart komplex und durch sich verändernde Rechtsprechung derart im Fluss, dass konzeptionelle Festlegungen hier eine voraussichtliche Haltbarkeit von nur wenigen Monaten hätten.

 

Da die Inhalte der Konzeption zur Eingliederungshilfe aus dem Jahr 2005 weit überholt sind, muss diese Konzeption außer Kraft gesetzt werden. Der Geschäftsbereich Jugend und Familie verfolgt statt einer Konzeptionierung dieses Aufgabenbereichs eine ständig zu aktualisierende Sammlung von Orientierungshilfen und Arbeitsanweisungen für die Fachkräfte der sozialen Dienste und der wirtschaftlichen Jugendhilfe, um eine sachgerechte und rechtskonforme Hilfegewährung zu erreichen.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die in den hier vorgelegten Konzeptionen strukturierten Hilfen zur Erziehung gehören zu den sogenannten Pflichtleistungen des örtlichen Jugendhilfeträgers und sind im Haushalt unter THH5-51, Produkt 363003 abgebildet. Die konzeptionellen Änderungen haben keine direkte Kostenauswirkung.

 


Anlagen

 

- Konzeption Sozialpädagogische Familienhilfe, Stand 01.01.2018

- Konzeption Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer, Stand 01.01.2018

 

 

 

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

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Funk

 

 

Dezernat V

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Konzeption Sozialpädagogische Familienhilfe 1.1.2018 (101 KB)    
Anlage 2 2 Konzeption Erziehungsbeistand_Betreuungshelfer 1.1.2018 (88 KB)