Bürgerinformationssystem

Vorlage - 172/2017  

 
 
Betreff: 30 Jahre Schuldnerberatung des Ostalbkreises
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t V Beteiligt:Geschäftsbereich Soziales
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses Kenntnisnahme
10.10.2017 
Sitzung Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Derzeit sind über 6,8 Millionen Bürger im Alter über 18 Jahre überschuldet und können bestehende Verbindlichkeiten nicht begleichen. Überschuldung kann in Armut führen und bedeutet für die Betroffenen nicht nur ein monetäres Problem, sondern häufig auch einen Verlust an familiären Bindungen, den Rückgang sozialer Kontakte sowie einen Anstieg an gesundheitlichen Problemen. Armut drückt sich bei Kindern überschuldeter Eltern oftmals mit geringeren Teilhabe- und Bildungschancen, bei überschuldeten Älteren im fehlenden Telefonanschluss, adäquatem Zahnersatz oder mit Problemen beim Beschaffen von Sehhilfen und Ähnlichem aus. Dem Themenbereich Überschuldung und den damit verbundenen Problemen stellen sich die kommunalen und gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen, im Ostalbkreis die Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts und die der Kreisdiakonie.

 

II. Einrichtung und Entwicklung der Schuldnerberatungsstelle des
    Landratsamts Ostalbkreis.

 

Die Schuldnerberatungsstelle wurde am 01.10.1987 eingerichtet, zunächst mit einer halben Stelle, die im Lauf des Jahres auf eine volle Stelle angehoben wurde. Der Os-talbkreis übernahm damit in Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle unter den Stadt- und Landkreisen und bot überschuldeten Personen frühzeitig eine Unterstützung.

 

Mittlerweile besteht die Schuldnerberatung aus 4,8 Sachbearbeitungs- und 1,2 Sekre-tariatsstellen. Sie ist offen für alle Personengruppen und bietet weit gefächerte Unter-stützungsmöglichkeiten für Einzelpersonen und in der Gruppenberatung an. Diese reichen von Hilfen im Einzelfall bis hin zu präventiven Veranstaltungen. Die Schuldnerberatung ist an den Standorten Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen sowie mit einem Beratungsangebot durch Ehrenamtliche im Jobcenter Bopfingen vertreten.

 

Über den gesamten Zeitraum von 30 Jahren bedeutete die Einführung der Privatin-solvenz am 01.01.1999 mit die größte Zäsur und führte zu den weitreichendsten Änderungen in der Schuldnerberatung. Mit der Möglichkeit der Privatinsolvenz stieg die Nachfrage noch vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung massiv an und die Schuldnerberatung wurde deshalb 1996, 1998 sowie 2002 personell aufgestockt. Von Anfang an war die Schuldnerberatung des Landratsamts im Themenbereich der Privatinsolvenz als so genannte bescheinigende Stelle im Sinne der Insolvenzordnung tätig und konnte daher auch von Beginn an Fallpauschalen mit dem Land Baden-Württemberg abrechnen. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, wurden seit 01.04.1999 offene Sprechstunden, zunächst einmal im Monat und seit 2009 zwei Mal in der Woche angeboten.

 

Da ab Mitte des Jahres 2000 die Gruppe der Jüngeren in der Beratung zunahm, erfolgten ab diesem Zeitpunkt  erste Überlegungen zur Prävention. Erste Informationsbesuche an einzelnen Schulen und Einrichtungen, wie der Aktion Jugendberufshilfe im Ostalbkreis (AJO) e.V., wurden gestartet. Um Prävention konzeptionell und planmäßig anbieten zu können, wurde 2008 eine zusätzliche Stelle geschaffen. Das Präventionsteam entwickelte drei Präventionsprojekte, u.a. das Projekt „Stark fürs Leben“, das als Kooperationsprojekt mit der Justus-von-Liebig-Schule von dem Deutschen Nationalkomitee der UNESCO ausgezeichnet wurde mit dem Titel „Offizielles Projekt der UN-Dekade 2014 Bildung für nachhaltige Entwicklung“.

 

Mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes wurde am 01.07.2010 das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) eingeführt. Für die Schuldnerberatungsstelle des Landratsamts als anerkannte Stelle im Sinne der Insolvenzordnung bedeutete dies erneut einen Aufgabenzuwachs. Zudem kamen mit der Insolvenzberatung als neue Kunden Selbstständige sowie Immobilienschuldner, was einen enormen Beratungs- und Fortbildungsaufwand erfordert.

 

Entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklungen frequentieren auch immer mehr Menschen mit Burnout, psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen die Schuld-nerberatung. In diesen Fällen wird häufig bereits aus den Einrichtungen und Kliniken heraus eine erste Beratung vereinbart.

 

Da Schulden im Zusammenhang mit vielen Straftaten eine Rolle spielen, kommen auch über die Bewährungshilfe Ratsuchende zur Schuldnerberatung, z. B. wenn die Inhaftierung droht, weil die Geldstrafe nicht gezahlt werden kann oder eine Beratung durch die Schuldnerberatung eine Bewährungsauflage ist. 2016 wurde zudem eine Kooperationsvereinbarung über die Integration von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in Baden-Württemberg geschlossen. Bereits aus den Haftanstalten heraus soll mit festen Ansprechpartnern bei den Behörden vor Ort eine schnelle Integration organisiert und der Weg zurück in die Gesellschaft geebnet werden.

 

In die Beratungsstelle kommen auch Menschen mit Migrationshintergrund, bei denen Beratungen nur mit einem Übersetzer möglich sind. Zunehmend sind auch Kunden ohne Migrationshintergrund auf Unterstützung beim Verstehen sowie Beantworten von bürokratischen und geschäftlichen Briefen und Emails angewiesen. Auch infolgedessen erhöht sich die Beratungsdauer und Beratungsfrequenz.

 

Darüber hinaus kommen auch immer mehr ältere Ratsuchende in die Schuldnerbera-tung. Oftmals ist bei ihnen wie auch bei jüngeren Menschen mit speziellen Problema-tiken eine zeitaufwändigere Beratung notwendig.

 

Überlegungen, wie hier eine zusätzliche, der Schuldnerberatung zu- und nacharbei-tende Unterstützung, angeboten werden kann, brachte das Ehrenamt mit in das Boot der hauptamtlichen Schuldnerberatung. Seit 2010 unterstützt ein Pool von aktuell 11 ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern einzelne Ratsuchende im Umgang mit Schriftverkehr, Aktenanlegen, Haushalten oder in Insolvenzkursgruppen.

 

 

III. Aktuelle Situation

 

Die Beratung des einzelnen Ratsuchenden erfolgt in der Basis- und/oder weiterführenden Beratung sowie in der Gruppe. Beratungsinhalt, Beratungsintensität und Beratungsverlauf richten sich unter Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes nach den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen.

 

Basisberatung

 

Die Basisberatung stellt mit einem rund 50%igen Zeitanteil einen der Schwerpunkte in der Beratung der einzelnen Ratsuchenden. Bis zum 31.08.2017 erfolgten bereits 708 Einzelberatungen; seit 2012 erfolgten durchschnittlich 1.175 Basisberatungen pro Jahr.

 

Beratungsschwerpunkte sind beispielsweise die Beratung zum Kontopfändungsschutz (jede 4. Beratung) mit der Bescheinigung von zusätzlichen Freibeträgen auf dem P-Konto und Anträgen an das Vollstreckungsgericht/-behörde für individuellen zusätzlichen Schutz sowie die Beratung bei Energie- und Versorgerschulden. Im Gegensatz zur weiterführenden Beratung kommen die Kunden oftmals ausschließlich wegen des aktuellen Anlasses.

 

Weiterführende Beratung

 

Ziel der weiterführenden Beratung ist die Regulierung der Schulden. Das kann eine Regulierung über ein Ändern von Zahlungszielen und Zahlungsraten sein, eine sukzessive Regulierung der einzelnen Forderungen oder die Entschuldung im Rahmen der Insolvenzordnung, also über einen Gesamtplan. Mit der Vollmacht der Ratsuchenden tritt die Schuldnerberatung bei Banken, Gläubigern, Versorgern, Arbeitgeber, Sozialleistungsträgern auf bis hin zu einer Vertretung bei Gericht nach den Vorgaben der Insolvenzordnung.

 

Die weiterführende Beratung einer Entschuldung nach der Insolvenzordnung erfolgt in den aufwändigen Fällen in der Einzelberatung, in den einfach gelagerten Fällen kann sie auch in einer Insolvenzgruppe erfolgen. 2017 befinden sich 267 Fälle in der weiterführenden Beratung.

 

Insolvenzkursgruppen

 

Den Weg bis zum Insolvenzantrag können Überschuldete mit einer übersichtlichen Gläubigerzahl und unbestrittenen Forderungen selbst in einem so genannten Insolvenzkurs beschreiten. Insolvenzkursgruppen werden in Aalen und Schwäbisch Gmünd seit 2012 angeboten. Die Kurse werden von einer hauptamtlichen Schuldnerberaterin geleitet; die Teilnehmer werden zusätzlich von ehrenamtlich Engagierten unterstützt. 2016 nahmen 35 Menschen in 10 Kursgruppen teil.

 

Erstinformation zum Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren

 

Eine umfassende Information über das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren ist eine Entscheidungsvoraussetzung für die Frage, ob diese Entschuldungsalternative zum Zuge kommen soll und wichtig für das Erreichen des Entschuldungsziels. Mehrmals jährlich bietet die Schuldnerberatung des Landratsamts, im Wechsel mit der Kreisdiakonie, in Aalen und Schwäbisch Gmünd eine offene Informationsveranstaltung zu diesem Themenblock an.

 

Prävention

 

Für Jugendliche und junge Erwachsene ist es häufig schwierig, sich in einem unübersichtlichen Finanzmarkt zurecht zu finden, in dem die Konsumflut und die Informationsdichte immer komplexer werden. Mit Vermittlung von Wissen, Anregungen, Orientierungshilfen sowie praktischen Beispielen und Übungsspielen, beispielsweise zur Budgetplanung, befassen sich derzeit drei Präventionsprojekte der Schuldnerberatung.

 

Neu hinzugekommen ist ein Projekt, das ältere Menschen erreichen soll. Es informiert speziell zur Thematik Übergang vom Erwerbsleben in die Rente, Finanzen im Alter, mögliche ergänzende Leistungen, spezielle Schuldenfallen bei Älteren und Hil-femöglichkeiten. Auf Augenhöhe mit dem angesprochenen Personenkreis wird es von den in der Schuldnerberatung ehrenamtlich engagierten Senioren gemeinsam mit der Beratungsstelle getragen.

 

 

 

 

Ehrenamt

 

Das Ehrenamt in der Schuldnerberatung erschließt neben der hauptamtlichen Beratung zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten für einzelne Ratsuchende und ermöglicht weitere Beratungsformen wie die Insolvenzkursgruppen. Auch engagieren sich Ehrenamtliche in der Prävention. 2016 leisteten die 11ehrenamtlich engagierten Frauen und Männer 362 Stunden, was nahezu einer Stunde pro Tag entspricht. Gefördert wurde bzw. wird das ehrenamtliche Engagement seit 2012 mit jeweils 4.000 €  an Spenden, zunächst über 3 Jahre durch den Lions Club Aalen und anschließend durch die Bezirksvereinigung der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Ostalbkreis.

 

IV. Aussicht

 

Das bestehende Hilfeangebot mit Basis-, weiterführender Beratung und Prävention ist vielseitig und wird gut angenommen. Bestehende Projekte werden der Nachfrage ent-sprechend angepasst, neu orientiert und optimiert ausgelegt. Vor dem Hintergrund des höheren Beratungsaufwands für eine Vielzahl der Einzelfälle hat die Sicherung der Qualität der bewährten Säulen an Hilfeangeboten derzeit den Vorrang vor der Entwicklung zusätzlicher Projekte.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Für die Schuldnerberatung fallen jährlich Gesamtausgaben in Höhe von ca. 458.000 € an. Dagegen stehen Einnahmen aus Fallpauschalen nach der Insolvenzordnung in Höhe von ca. 28.000 € sowie Spenden in Höhe von 4.000 € für den Bereich Ehrenamt in der Schuldnerberatung.

 

 


Anlagen

 

---

 

 

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

__________________________________________

 

Urtel

 

 

Dezernat V

__________________________________________

 

Rettenmaier

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel