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Vorlage - 128/2017  

 
 
Betreff: Ambulante ärztliche Versorgung im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Büro des Landrats   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit Kenntnisnahme
04.07.2017 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit ungeändert beschlossen   
Anlagen:
SV_128-2017_Anlage_1

Antrag der Verwaltung

 

  1. Der Ausschuss für Soziales und Gesundheit nimmt den Bericht zur ärztlichen Versorgung im Landkreis zur Kenntnis.

 

  1. Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung bleibt weiterhin wichtiges kreispolitisches Ziel.

 

  1. Die Landkreisverwaltung wird beauftragt, sich auf verschiedenen Ebenen in das Thema der ambulanten ärztlichen Versorgung einzubringen und deren Sicherstellung konzeptionell zu begleiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sachverhalt/Begründung

 

1. Die ambulante Versorgung als tragende Säule im Gesundheitswesen

 

Die gesundheitliche Versorgung in Deutschland gliedert sich in drei wesentliche Bereiche: die Primärversorgung (ambulante Behandlung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte), die Akutversorgung (stationäre Versorgung im Krankenhaus) und die Rehabilitation. Damit ist die ambulante medizinische Versorgung eine tragende Säule im deutschen Gesundheitswesen.

 

Die Trennung der Versorgungsbereiche ambulant und stationär kann durch eine sektorenübergreifende Versorgung unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Beispiele dafür sind ambulante Operationen, die sowohl von niedergelassenen Ärzten in Praxen, als auch von angestellten Ärzten in Krankenhäusern durchgeführt werden können. Ein weiterer Bereich ist die sogenannte „Ambulante Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV)“. Dabei können Behandlungsteams aus Krankenhausärzten und/oder Vertragsärzten unter bestimmten Voraussetzungen und nach einer entsprechenden Genehmigung tätig werden. Umgekehrt können niedergelassene Ärzte als sogenannte Belegärzte Betten in Krankenhäusern für ihre Patienten nutzen und stationäre oder teilstationäre Behandlungen durchführen.

 

Oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und legt fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV übernommen werden. Damit ist er auch für die ambulante ärztliche Versorgung von Bedeutung.

 

Die ambulante medizinische Versorgung wird in erster Linie von niedergelassenen Vertragsärzten wahrgenommen und umfasst alle Tätigkeiten des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten erforderlich und zweckmäßig sind. Die vertragsärztliche Versorgung (Behandlung von gesetzlich Versicherten) erfolgt durch zugelassene Ärzte und Medizinische Versorgungszentren, sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen wie z. B. Hochschulambulanzen bzw. staatlich anerkannte psychotherapeutische Ausbildungsstätten (§ 117 SGB V), psychiatrische Krankenhäuser (§ 118 Abs. 1 SGB V), geriatrische Institutsambulanzen (§ 118a SGB V), sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V), Einrichtungen der Behindertenhilfe, die über eine ärztlich geleitete Abteilung verfügen (§ 119a SGBV), stationäre Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V) sowie bei Unterversorgung zugelassene Krankenhäuser (§ 116a SGB V).

 

Inhaltlich kann man zwischen der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung unterscheiden. An der hausärztlichen Versorgung nehmen Allgemeinärzte, praktische Ärzte, Ärzte ohne Gebietsbezeichnung und Kinderärzte teil sowie Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, sofern sie sich für die hausärztliche Versorgung entschieden haben. Die übrigen Fachärzte und auch Kinderärzte mit Schwerpunkt nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil.

 

Die Zulassung erfolgt durch den Zulassungsausschuss, einem paritätisch mit jeweils drei weisungsunabhängigen Vertretern der Ärzte sowie der Krankenkassen besetzten Ausschuss auf Landesebene. Die Zulassung berechtigt dann zur Behandlung der gesetzlich Versicherten.

Einen Anspruch auf Zulassung haben alle Ärzte und Psychotherapeuten, die in ein Arztregister eingetragen sind, die geeignet zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sind und deren Zulassung nicht wegen Zulassungsbeschränkungen abgelehnt werden muss.

 

Maßgeblich dafür, dass ein Antrag auf Zulassung oder Genehmigung der Anstellung eines Arztes erfolgreich sein kann, ist grundsätzlich, ob der Planungsbereich überversorgt ist und damit für weitere Zulassungen/Anstellungen gesperrt ist oder nicht.

Bei der sog. Bedarfsplanung werden die vorhandenen Ärzte in abgegrenzten Planungsbereichen festgelegten Verhältniszahlen gegenübergestellt. Je nach Art der ärztlichen Versorgung gelten unterschiedliche Größen in den Planungsbereichen: Während die hausärztliche Versorgung in fünf Planungsbereiche im Ostalbkreis gegliedert ist, gilt für die allgemeine fachärztliche Versorgung (z. B. HNO, Augenheilkunde etc.) der ganze Landkreis als Planungsbereich, bei der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (z. B. Radiologie) sogar die Region Ostwürttemberg und für die gesonderte fachärztliche Versorgung (z. B. Nuklearmedizin, Strahlentherapie) der Regierungsbezirk.

Bei einer Überversorgung (Überschreitung des Versorgungsbedarfs um 10%) „110%-Grenze“ wird für den Versorgungsbereich eine Zulassungssperre verhängt. Angeordnet werden Zulassungsbeschränkungen von den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen. Diese bedeuten jedoch nicht automatisch, dass keine weiteren Zulassungen oder Anstellungen mehr möglich sind, da im Einzelfall trotz Überversorgung ein Vertragsarztsitz ausgeschrieben bzw. ein Angestelltenverhältnis nachbesetzt werden oder ausnahmsweise ein Sonderbedarf geltend gemacht werden kann. Bei einer Unterversorgung (unter 75% in der hausärztlichen Versorgung) greift der Sicherstellungsauftrag, d. h. nach der Feststellung durch den Landesausschuss sind von der Kassenärztlichen Vereinigung geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung zu ergreifen.

 

Neben den zugelassenen niedergelassenen Ärzten können auch Ärzte, die an einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder einer Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag besteht (§ 116 SGB V), oder in einer stationären Pflegeeinrichtung (§ 119b SGB V) tätig sind, als auch andere Ärzte (§ 31 Ärzte-ZV) zeitlich befristet, räumlich und vom Umfang begrenzt zur ambulanten Behandlung ermächtigt werden (sog. KV-Ermächtigung oder Ermächtigungsambulanz).

Maßgeblich für die Erteilung einer Ermächtigung ist, ob ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse des Arztes eine ausreichende Versorgung der Versicherten durch Vertragsärzte in qualitativer (besondere Leistungen) oder quantitativer (Unterversorgung) Sicht nicht sichergestellt ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Ermächtigung dem beantragenden Arzt als Person und nicht der Einrichtung als solche erteilt wird und der Inhaber der Ermächtigung die ambulanten Leistungen persönlich erbringen muss.

 

 

2. Praxismodelle und Betriebsformen in der ambulanten Versorgung

 

Auch wenn der Trend zur „Arbeit im Team“ immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist nach wie vor die Einzelpraxis die am häufigsten gewählte Form der Niederlassung im ärztlichen Bereich in Deutschland (ca. 58% aller Praxen).

Der Vorteil einer Einzelpraxis liegt darin, dass der Arzt oder Psychotherapeut die Praxis nach seinen persönlichen Vorstellungen gestalten kann. Dies gilt sowohl für die Organisation als auch für die medizinische Ausrichtung der Praxis. Der Praxisinhaber bestimmt den Umfang der Sprechstunden, legt die Arbeitsabläufe fest oder sucht das Personal aus. Flexible Anpassungen sind schnell möglich, da keine langen Abstimmungsprozesse erforderlich sind. In Form der Einzelpraxis sind aber auch Kooperation und Vernetzung mit Kollegen zum Beispiel als Praxisgemeinschaft und Praxisnetz möglich. Daneben können bei einem vollzugelassenen Arzt grundsätzlich auch bis zu drei Ärzte angestellt werden und/oder in Ausbildung befindliche Ärzte (Weiterbildungsassistenten) beschäftigt werden.

 

In der Praxisgemeinschaft schließen sich Ärzte und/oder Psychotherapeuten mit dem Ziel zusammen, Räume, Geräte und Personal gemeinsam zu nutzen. Die Berufsausübung erfolgt im Gegensatz zur Berufsausübungsgemeinschaft nicht gemeinsam. Jeder Arzt versorgt seine Patienten, führt eigene Patientenakten und rechnet seine Leistungen separat mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab. Die Praxen bleiben wirtschaftlich getrennt voneinander.

Der Vorteil dieses Modells besteht vor allem in der Teilung von Kosten durch gemeinsam genutzte Räume, Apparate und Einrichtung.

In einer Praxisgemeinschaft ist auch eine gegenseitige Vertretung bei gleicher Fachrichtung möglich. Die Zusammenarbeit der Ärzte erfolgt auf Grundlage einer gesellschaftsrechtlichen Regelung. Die Praxisgemeinschaft muss der KV angezeigt werden, ist aber nicht durch den Zulassungsausschuss genehmigungspflichtig.

 

Ärzte und Psychotherapeuten können sich zu einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), auch Gemeinschaftspraxis genannt, zusammenschließen. In der BAG behandeln die Patienten gemeinsam und haben einen gemeinsamen Praxissitz. Auch die Nutzung von Räumlichkeiten, Personal und Geräte erfolgt gemeinschaftlich. Die Praxis bildet somit eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit. Im Vordergrund steht bei der BAG die gemeinsame Patientenbehandlung. Die Kooperation ist auf Dauer angelegt mit dem Wunsch, den Beruf zusammen auszuüben. So führen die Ärzte für jeden Patienten gemeinsam eine Akte. Sie rechnen über eine Abrechnungsnummer ab und haften gemeinsam. Die Zusammenarbeit ist nach außen hin sichtbar – alle Ärzte und/oder Psychotherapeuten sind auf dem Praxisschild und im Briefkopf aufgeführt.

Die Berufsausübungsgemeinschaft kann von Vertragsärzten gleicher oder unterschiedlicher Fachgruppen gebildet werden. Der Zulassungsausschuss muss die Gründung genehmigen. Die Ärzte handeln in der Regel auf der Grundlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der Behandlungsvertrag wird mit dem Patienten und der Gesellschaft geschlossen.

 

Eine Form der BAG ist die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Merkmal der überörtlichen BAG ist der Zusammenschluss von Vertragsärzten, die an unterschiedlichen Standorten arbeiten. Die Vertragsarztsitze müssen dabei nicht im selben Planungsbereich liegen. Auch KV-bereichsübergreifende Zusammenschlüsse sind möglich.

Wichtig ist, dass ein gemeinsamer Behandlungsschwerpunkt besteht, zum Beispiel die Versorgung von Schmerzpatienten.

Die BAG-Partner bestimmen einen Vertragsarztsitz als Betriebsstätte, weitere Vertragsarztsitze als Nebenbetriebsstätte. Dies teilen sie der Kassenärztlichen Vereinigung mit einer Anzeige mit. Die Entscheidung ist für zwei Jahre bindend.

Am Praxissitz muss mindestens ein Mitglied der BAG hauptberuflich und damit dort überwiegend tätig sein. Das heißt, er hält dort mindestens 20 Stunden in der Woche in der Form von Sprechstunden ab. An den weiteren Standorten können die BAG-Ärzte abwechselnd tätig sein, allerdings zeitlich begrenzt. Die Tätigkeit am jeweiligen eigenen Praxissitz muss zeitlich überwiegen.

 

Das Modell der Teil-BAG, die sich auf bestimmte Leistungen bezieht, hat in der Praxis deutlich weniger Relevanz als die oben beschriebenen Praxisformen.

 

 

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte und Psychotherapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen arbeiten. Das Kriterium „fachübergreifend“ ist jedoch mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes zum 23.07.2015 entfallen. Ab diesem Zeitpunkt sind auch „fachgleiche“ MVZ zulässig, also beispielsweise reine Hausarzt-MVZ, spezialisierte facharztgleiche MVZ oder auch MVZ, in denen ausschließlich ärztliche und/oder nichtärztliche Psychotherapeuten tätig sind. Im Hinblick darauf, dass MVZ ihren Charakter als Zentrumseinrichtungen behalten, müssen mindestens zwei personenverschiedene Ärzte, deren Tätigkeitsumfänge in der Summe eine 100 % Zulassungsstelle ergeben, am Vertragsarztsitz des MVZ tätig werden. Die Ärzte sind selbstständig oder im MVZ angestellt. Sie sind verantwortlich für die Behandlung der Patienten, das MVZ als Einrichtung für die Organisation der Behandlung und die korrekte Leistungsabrechnung. Administrative und organisatorische Aufgaben werden gebündelt und zentral von nichtärztlichem Personal erledigt.

Die vom Gesetzgeber geforderte ärztliche Leitung des MVZ soll sicherstellen, dass die vom MVZ zu erbringenden Leistungen den vertragsarztrechtlichen Anforderungen genügen. Der ärztliche Leiter muss im MVZ als Vertragsarzt oder angestellter Arzt tätig sein. Er ist weisungsfrei und verantwortlich für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe in fachlich-medizinischer Hinsicht.

Gegründet werden kann ein MVZ von zugelassenen Ärzten und zugelassenen Psychotherapeuten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen (Städte/Gemeinden, Landkreise). Für MVZ, die bereits vor dem 01.01.2012 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurden, können aber alle bis zu diesem Zeitpunkt zulässigerweise bereits bestehenden Gründer weiterhin Gesellschafter bleiben (Bestandsschutz).

 

Praxisnetze sind regionale Zusammenschlüsse von Vertragsärzten verschiedener Fachrichtungen sowie Psychotherapeuten. Ihre Vielfalt reicht von Qualitätszirkeln bis zu professionell vernetzten Strukturen auf Landes- beziehungsweise Bundesebene. Neben einem Zusammenschluss von Arztpraxen sind auch Verbünde mit Krankenhäusern oder anderen Leistungsanbietern wie Apotheken oder Physiotherapeuten möglich. Die Zusammenarbeit kann ebenso auf lokaler wie auf regionaler Ebene organisiert sein.

Ziel der Kooperation ist es, die Qualität und Effizienz der vertragsärztlichen Versorgung durch eine intensivierte fachliche Zusammenarbeit zu steigern.

Praxisnetze können als eingetragener Verein (e.V.), Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Genossenschaft oder auch GmbH gegründet werden – je nach Zielsetzung und Verbindlichkeit.

Die Selbstständigkeit in der ärztlichen Tätigkeit bleibt für jede Praxis bestehen unabhängig davon, wie stark die Ärzte vernetzt sind. Zugleich bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Kooperation. Zum Beispiel: ein fachlicher Austausch mit Kollegen, gemeinsame Fort- und Weiterbildungen, gemeinsames Qualitätsmanagement oder die Entlastung von Verwaltungstätigkeiten.

Praxisnetze können nach § 87b Abs. 4 SGB V auch von einer Förderung profitieren. Dazu müssen sie mindestens drei Jahre bestehen sowie bestimmte Struktur- und Qualitätsanforderungen erfüllen. Eine Anerkennung ist danach in drei Entwicklungsstufen möglich. Seit dem Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 gibt es in jeder KV auch „gesonderte Vergütungsregelungen“ für die anerkannten Praxisnetze. In Baden-Württemberg gibt es aktuell drei anerkannte Praxisnetze (Ärztenetz Mittelbaden eG, Ärztenetz Reutlingen und Gesundes Kinzigtal GmbH).

 

 

3. Allgemeine Trends und Herausforderung in der medizinischen Versorgung

 

Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen und dem technischen Fortschritt hat insbesondere die Veränderung der Gesellschaft Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Der demografische Wandel stellt die sozialen Sicherungssysteme und die Gesundheitsversorgung vor große Herausforderungen. Der zunehmenden Zahl älterer Menschen folgt ein größerer Bedarf an medizinischen und pflegerischen Leistungen. Auch, wenn die Bevölkerung zahlenmäßig zurückgeht, bleibt der Versorgungsbedarf hoch bzw. steigt sogar. Der Wandel familiärer Strukturen führt zur Ausdünnung sozialer Netzwerke, so dass kranke und pflegebedürftige Personen immer häufiger auf professionelle externe Hilfe angewiesen sind. Die Möglichkeiten, Versorgung in Anspruch zu nehmen, sind dabei unterschiedlich verteilt. Während in den wachsenden Ballungszentren oft ein gutes und dichtes Angebot herrscht, bedeutet der Bevölkerungsrückgang in ländlichen Regionen oft einen Verlust an Infrastruktur und auch an medizinischer Versorgung. Hinzu kommt, dass die Altersentwicklung vor den Ärzten selbst nicht Halt macht, mit der Folge, dass sowohl in Krankenhäusern als auch für die ambulante Versorgung Ärzte gesucht werden. Diese Entwicklungen führen dazu, dass immer weniger Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten immer mehr Versicherte versorgen müssen: Schon jetzt steigen die Behandlungsfälle stärker als die Zahl der Ärzte. Der medizinische Fortschritt sorgt zudem dafür, dass viele Behandlungen, die früher nur im Krankenhaus möglich waren, heute ambulant erfolgen. Das ist sinnvoll und wünschenswert für die Patienten, stellt die Behandlungskapazitäten der ambulante Versorgung aber vor zusätzliche Herausforderungen.

 

 

4. Ambulante ärztliche Versorgung im Ostalbkreis

 

Als Grundleistung der Daseinsversorgung ist die medizinische Versorgung von besonderer Bedeutung und daneben auch ein zentraler Standortfaktor im Ländlichen Raum.

 

Die ärztliche Versorgung ist der Bevölkerung und allen Verantwortlichen im Ostalbkreis ein großes Anliegen. Seit 2009 wurde intensiv an der Thematik gearbeitet.

Ausgelöst durch die Schwierigkeiten bei der Nachfolgeregelung hausärztlicher Praxen hat sich bereits 2009 eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Landkreises, der Kreisärzteschaften und der Kliniken des Landkreises gebildet, die die Problematik und Hintergründe im Detail analysiert hat.

 

Die alarmierende Feststellungen der Analyse war: Von 200 praktizierenden Hausärzten waren im September 2009 98 (= 49%) und damit fast genau die Hälfte 55 Jahre oder älter! Der Versorgungsbericht 2016 der KVBW (vgl. Anlage) zeigt, dass die Problematik in den letzten Jahren noch zugenommen hat: aktuell sind 56% der Hausärzte im Ostalbkreis über 55 Jahre und 36% über 60 Jahre alt.

 

In der Folge wurde Ende 2009 ein sieben Punkte umfassendes Positionspapier entwickelt, das die ärztliche Versorgung im Ostalbkreis weiter vorangebracht hat. Neben

  • der dringenden Forderung, die Medizin-Studienplätze zu erhöhen,
  • der Erarbeitung einer integrierten Weiterbildungskonzeption zur/zum Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin an den Kliniken des Ostalbkreises,
  • der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Ärztinnen und Ärzte, die im Ostalbkreis als Arzt tätig sind,
  • der Feststellung, dass die Sicherstellung einer adäquaten ärztlichen Versorgung auch kommunale Aufgabe ist,
  • der Entwicklung von Finanzierungsangebote durch die regionalen Kreditinstitute sowie
  • der Unterstützung der Entwicklung ärztlicher Kooperationen zur Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung

war die Verkleinerung der Planungsbereiche der hausärztlichen Versorgung zentrale Punkt der Ergebnisse.

 

Ansatzpunkt war hier, durch kleinere Planungsbereiche eine bessere Verteilung und eine flächendeckende ärztliche Versorgung zu erreichen, und dem Trend einer „Überversorgung“ in größeren Städten und der Ausdünnung des Ländlichen Raums entgegen zu wirken. Seit Jahresbeginn 2017 wird im Ostalbkreis eine kleinräumigere Bedarfsplanung im hausärztlichen Bereich modellhaft erprobt. Nach einem intensiven Dialog mit allen relevanten Akteuren im Landkreis wurden die an den drei Mittelbereichen ausgerichteten Planungsbereiche in insgesamt fünf neue Bereiche geteilt. Hierdurch wird eine lokale Unterversorgung insbesondere im Schwäbischen Wald deutlich, hier fehlen in einem Planungsbereich ca. 7 Ärzte und die Versorgung ist nahe an der 75% Unterversorgungsgrenze.

Auch die kommunale Gesundheitskonferenz des Ostalbkreises und deren Lenkungsgruppe thematisierte bereits mehrfach die ärztliche Versorgung, die Notfallversorgung sowie die Versorgung durch Apotheken im Landkreis.

 

Neben dem hausärztlichen Bereich wird auch im fachärztlichen Bereich zunehmend der Ärztemangel deutlich. Was bei der Wiederbesetzung von Stellen im klinischen Bereich die Leitung unserer Krankenhäuser in den vergangenen Jahren schon beobachteten, tritt immer mehr auch bei der ambulanten fachärztlichen Versorgung ins Licht der Öffentlichkeit. Zuletzt hat die Schließung der frauenärztlichen Praxis in Bopfingen große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und in den Medien erlangt. Der Landkreis hat hier bereits verschiedene Gespräche geführt, mit dem Ziel die gynäkologische Versorgung am Standort Bopfingen zu sichern. Aktuell zeichnet sich eine mögliche Lösung ab, bei der der Ostalbkreis ein Medizinisches Versorgungszentrum gründen und betreiben würde.

 

Gleichermaßen gibt es von Seiten der niedergelassenen Ärzte im Landkreis bemerkenswerte Initiativen, um die medizinische Versorgung in unserem Flächenlandkreis sicherzustellen. Dazu zählen zum Beispiel Satelliten-Praxen an weiteren Standorten.
Eine neue Idee hat der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Aalen, Rainer M. Gräter pilothaft in Aalen zum Jahresbeginn 2017 umgesetzt: In Hofherrnweiler entstand das erste Freiberufler-MVZ in Kooperation mit dem Verein MEDI Baden-Württemberg, dem Berufsverband für Haus- und Fachärzte. Neben Herrn Gräter ist ein Projektleiter der MEDI Verbund AG Geschäftsführer der MEDI-MVZ Aalen GmbH. Die MEDI Verbund AG fungiert hierbei als Dienstleister, der insbesondere im administrativen Bereich und im Management des MVZ über einen Geschäftsbesorgungsvertrag Aufgaben im MVZ übernimmt.

Das von Dr. Högerle entwickelte Konzept der GesundRegio Ostalb geht in Richtung der Gründung eines Praxisnetzes bzw. eines Ärzteverbundes, beinhaltet aber auch die Gründung und Unterstützung von größeren Praxiseinheiten (Lokalen Gesundheitszentren) durch mehrere Ärzte in z. B. der Praxisform eines MVZ oder einer RegioPraxis.

 

Zur Zeit ermitteln die Kreisärzteschaften die Anzahl und Altersstruktur der Haus- und Facharztgruppen im Landkreis, um eine aktuelle Datenbasis für eine Bewertung der momentanen Situation zu erhalten. Bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Sitzungsdokuments waren die aktualisierten Daten aber noch nicht verfügbar. Möglicherweise ergeben sich aus den Grundlagen der Raumplanung Hinweise auf Versorgungsbereiche und Schlüsselstandorte, denen vor dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung eine besondere Bedeutung zukommt. Interessant scheinen auch Ansätze zur Stärkung einer integrierten Versorgung – wie sie bereits modellhaft vom Land beispielsweise im Landkreis Reutlingen erprobt werden. Es ist geplant, diese und andere Aspekte der ambulanten ärztlichen Versorgung in einem Expertenkreis (z. B. Lenkungskreis Gesundheitskonferenz, dem alle relevanten Gesundheitsakteure im Landkreis angehören) vertieft zu analysieren.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die konzeptionelle Mitwirkung des Landkreises zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung ist mit keinen besonderen Kosten verbunden. Konkrete Maßnahmen, bei denen sich die Kommunen und/oder der Landkreis im Rahmen der Daseinsvorsorge engagieren, schließen einen Finanzierungsbedarf mittelfristig nicht aus. Diese werden ggf. den zuständigen Gremien aber vor Umsetzung zur Beschlussfassung vorgelegt.

 

 


Anlagen

 

Ärztliche Versorgung im Ostalbkreis: Auszug aus dem Versorgungsbericht der KVBW (Datenbestand vom 01.01.2016)

 

 

Sichtvermerke

 

Stabsstelle

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Wagenknecht

 

 

Dezernat VI

__________________________________________

 

Dr. Walter

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 SV_128-2017_Anlage_1 (61 KB)