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Vorlage - 060/2017  

 
 
Betreff: Ambulante Wohngemeinschaften für Senioren im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales und Gesundheit Entscheidung
02.05.2017 
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

 

1. Die Verwaltung wird ermächtigt, bis zum Erlass einer einheitlichen landesweiten Regelung die Kosten für den Aufenthalt und die pflegerische Versorgung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften im Rahmen der Sozialhilfe nach dem SGB XII als Freiwilligkeitsleistung zu übernehmen.

 

2. Um der Verwaltung eine Überprüfung der Angemessenheit der Kosten im Einzelfall zu ermöglichen, erfolgt die Kostenübernahme im Rahmen  einer jeweils abzuschließenden Einzelvereinbarung.

 


Sachverhalt/Begründung

 

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Am 31. Mai 2014 wurde das Landesheimgesetz Baden-Württemberg durch das neue Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) ersetzt. Dieses ermöglicht erstmals die Einrichtung neuer unterstützender Wohnformen wie Senioren-Wohngemeinschaften. Während das ehemalige Landesheimgesetz nur die Alternativen „Pflegeheim“ oder „Häuslichkeit“ kannte, fördert und ermöglicht das neue Gesetz eine bisher nie dagewesene Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen. Herzstück des neuen Gesetzes ist die neu geschaffene Wohnform „ambulant betreute Wohngemeinschaft“ (§ 5 WTPG) für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Hier dürfen maximal bis zu 12 Personen zusammenleben. Da diese ihr Leben und die täglichen Abläufe nur teilweise selbst bestimmen können, ist in gewissem Umfang eine staatliche Aufsicht vorgesehen. Ein Anbieter verantwortet die Wohngemeinschaft, beziehungsweise organisiert Wohn- und/oder Serviceleistungen. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ihre Pflegeleistungen frei wählen, eine Präsenzkraft ist rund um die Uhr anwesend und in der Wohnung stehen insgesamt mindestens 25 Quadratmeter pro Person zur Verfügung. Neben den trägerbasierten Wohngemeinschaften gibt es selbstverantwortete Wohngemeinschaften, in welchen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln.

 

Der Umgang mit eventuell sozialhilfebedürftigen Personen in diesen Senioren-Wohngemeinschaften ist derzeit rechtlich nicht genau geregelt, da die Möglichkeit zur Kostenübernahme in den neuen Wohnformen in der Sozialhilfe des SGB XII nicht zeitgleich wie das WTPG weiterentwickelt wurde. Zwar wird die Förderung neuer Senioren-Wohngemeinschaften bereits seit dem Jahr 2014 mit dem WTPG landesweit ermöglicht, allerdings gibt es im Bereich des SGB XII keine analoge Anwendung. Folglich ist die Kostenübernahme für die vorzuhaltenden Präsenzkräfte im SGB XII bei der Hilfe zur Pflege derzeit noch nicht vorgesehen.

 

Seit Anfang des Jahres 2016 befassen sich eine Arbeitsgruppe des Redaktionskreises Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg sowie der Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) mit der Angelegenheit, da es sich hierbei um eine landesweite Regelungslücke handelt. Eine Beschlussfassung wurde auf Grund der anstehenden Pflegereform jedoch vertagt.

 

Seit 1. Januar 2017 sind nun das Zweite und Dritte Pflegestärkungsgesetz in Kraft und es ist derzeit davon auszugehen, dass eine landesweite Regelung nach den neuen rechtlichen Grundlagen im Umgang mit der Hilfe zur Pflege in Senioren-Wohngemeinschaften dieses Jahr erfolgen wird. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die neuen Sozialhilferichtlinien hierzu vor der zweiten Jahreshälfte beschlossen werden.

Einzelne Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg haben in der Vergangenheit in Einzelfällen notwendige Sozialhilfeleistungen in diesen Wohnformen als Freiwillig­keitsleistung im Rahmen der Hilfe zur Pflege bewilligt und sich dabei auf einen nicht verabschiedeten Beschluss des Gesamtarbeitskreises gestützt. In wenigen Fällen wurden auch Einzelvereinbarungen zwischen Einrichtungs- und Sozialhilfeträger abgeschlossen.

 

II. Umsetzung im Ostalbkreis

 

Das Seniorenpolitische Gesamtkonzept des Ostalbkreises geht davon aus, dass in Zukunft die Nachfrage nach Versorgungsleistungen für pflegebedürftige Personen stark ansteigt. Da ambulant betreute Wohngemeinschaften eine Alternative sowohl zur Unterbringung in stationären Pflegeeinrichtungen als auch zur häuslichen Versorgung bieten, wird die Unterstützung des Auf- und Ausbaus eines solchen Angebots grundsätzlich empfohlen. Ein weiterer wichtiger Vorteil ambulant betreuter Wohngemein­schaften ist, dass sie auch für die Versorgung Pflegebedürftiger in kleineren Gemeinden geeignet sind, weil sie bereits mit bis zu 12 pflegebedürftigen oder demenzkranken Personen realisiert werden können. Der Wunsch nach derartigen Wohnformen spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Bürgerbefragung im Rahmen des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts wider.

 

Im August 2016 hat die Stiftung Haus Lindenhof in Aalen-Wasseralfingen die Senioren-Wohngemeinschaft am Kappelberg eröffnet. Auf zwei Stockwerken befinden sich jeweils 5 Bewohnerzimmer mit Nasszelle. Die Gesamtwohnfläche mit Bad und Gemeinschafts­räumen  beträgt je Bewohner insgesamt ca. 48 qm. Die gesamte Wohngemeinschaft sowie die Zimmer sind rollstuhl- bzw. behindertengerecht ausgebaut. Eigentümerin ist die Kreisbaugenossenschaft Ostalb eG. Jeder Bewohner schließt bei Einzug einen eigenen Mietvertrag mit der Stiftung Haus Lindenhof ab und hat damit die Rechte und Pflichten eines normalen Mietverhältnisses. Hinzu kommt die geregelte Betreuungs­präsenz. In der Wohngemeinschaft werden die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten von Präsenzkräften der Stiftung Haus Lindenhof gemeinsam mit den Bewohnern verrichtet. Die Tagesstrukturierung findet in der Wohngemeinschaft statt. Die Präsenzkräfte sind rund um die Uhr anwesend und bieten Betreuung und Unterstützung im Alltag. Bei den Präsenzkräften handelt es sich grundsätzlich nicht um (Pflege-)Fachkräfte, sondern um angeleitete beziehungsweise fortgebildete Hilfskräfte. Für grundpflegerische Hilfe­stellungen ist zusätzlich ein ambulanter Pflegedienst von den Bewohnern zu beauftragen, der auch von der Stiftung Haus Lindenhof angeboten wird.

 

Nach bereits erfolgten Verhandlungen und Gesprächen zwischen der Stiftung Haus Lindenhof und der Verwaltung soll nun aufgrund der aktuell nicht geklärten sozialhilfe­rechtlichen Situation eine einheitliche Regelung für künftige sozialhilfebedürftige Personen in der Senioren-Wohngemeinschaft erfolgen. Dies erscheint auch im Hinblick auf weitere Neueröffnungen dieser Wohnformen geboten.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die sozialhilferechtlichen Gesamtkosten für ambulante, teilstationäre und stationäre Leistungen im Bereich der Hilfe zur Pflege sind im Haushalt mit 13.850.000 € prognostiziert.

 

Um die finanziellen Auswirkungen für den Sozialhilfeträger abschätzen zu können, wurden die Kosten für Wohnen und Pflege in Senioren-Wohngemeinschaften den Kosten in einem vollstationären Pflegeheim gegenübergestellt.

 

Im Ergebnis zeigt sich, dass die beim Sozialhilfeträger für die neu geschaffene Wohn­form „ambulant betreute Wohngemeinschaft“ anfallenden Kosten jeweils stark von den Gegebenheiten im Einzelfall abhängen.

 

Vergleicht man zum Beispiel eine trägerbasierte Senioren-Wohngemeinschaft, in der ein Bewohner seinen Pflegebedarf über den internen Pflegedienst des Trägers abdeckt, mit einem vollstationären Pflegeheim, kann die trägerbasierte Senioren-Wohngemeinschaft beim Sozialhilfeträger zu Einsparungen führen.

 

Die Inanspruchnahme eines externen ambulanten Pflegedienstes kann hingegen, je nach Umfang, mit weiteren und zum Teil erheblichen Zusatzkosten verbunden sein.

 

Weitere Mehrkosten können darüber hinaus im Ausnahmefall entstehen, wenn ein Bewohner nicht kranken- und pflegeversichert ist, da dann die Erstattungsbeträge der Kranken- und Pflegeversicherung entfallen.

 

Das im Ostalbkreis auch bei ambulanten Wohnformen anzuwendende Schlüssige Konzept sieht vor, dass bei einem 1-Personen-Haushalt in Aalen die sozialhilferechtlich angemessene Bruttokaltmiete bei 45 qm monatlich 346 € beträgt. Die in Senioren-Wohngemeinschaften anfallenden Mietkosten überschreiten diese Angemessenheits­grenze teilweise erheblich. Falls ein Bewohner die Mietkosten nicht aus eigenen Mitteln begleichen kann, müsste die Differenz gegebenenfalls als Freiwilligkeitsleistung übernommen werden. Dasselbe gilt auf Grund der landesweit noch nicht erfolgten Regelung auch für die Kosten der Präsenzkraft.

 

Insgesamt betrachtet ist festzustellen, dass aus Sicht des Sozialhilfeträgers Senioren-Wohngemeinschaften eine günstigere Alternative zur stationären Unterbringung darstellen, aber auch mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein können.

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

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Urtel

 

 

Dezernat V

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel