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Vorlage - 207/2016  

 
 
Betreff: 10 Jahre Rufbereitschaft des Jugendamtes Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme
07.12.2016 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme


Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Das Jugendamt hat in der Wahrnehmung des sogenannten Wächteramtes das Wohl von Kindern und Jugendlichen in seinem Zuständigkeitsbereich sicherzustellen. Dieser Schutzauftrag besteht, durch Gesetzesänderungen immer wieder weiterentwickelt, bereits seit Langem – und er besteht nicht nur während der regelmäßigen Öffnungszeiten des Jugendamtes. Dennoch war es bis vor wenigen Jahren noch allgemein üblich, dass außerhalb der Öffnungszeiten der Jugendämter der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie erforderlichenfalls die Durchführung von Inobhutnahmen durch die Polizei geleistet wurde. Bis November 2006 war dies auch im Ostalbkreis so geregelt. Die hierbei geleistete Arbeit der Polizei, bei der Vielzahl und Vielfalt ihrer Einsätze zusätzlich die Kinderschutzaspekte zu beurteilen, erforderlichenfalls junge Menschen Inobhut zu nehmen und in die entsprechenden Jugendhilfeeinrichtungen zu verbringen, ist an dieser Stelle besonders zu würdigen.

 

Aufgrund entsprechender Gutachten anerkannter Jugendhilfeexperten wurde zunehmend deutlich, dass diese Praxis rechtlich nicht haltbar ist. Die Inobhutnahme als vorläufige Schutzmaßnahme setzt das grundgesetzlich verankerte Recht der sorgeberechtigten Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder außer Kraft. Dieser Eingriff stellt hoheitliches Handeln dar und darf federführend nur vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vollzogen werden. Lediglich bei der Durchführung, bspw. bei der Verbringung in eine geeignete Einrichtung, oder bei der Betreuung und Versorgung der jungen Menschen, können andere Stellen wie Polizei, freie Jugendhilfeträger oder Pflegeeltern beteiligt werden. 

 

So hat sich die Erreichbarkeit der Jugendämter rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zunehmend durchgesetzt, und es gibt heute nur noch einzelne Jugendämter, die dies nicht gewährleisten. Ganz überwiegend informieren die Jugendämter Polizei und ggf. weitere für den Kinderschutz relevante Stellen über ihre konkrete Erreichbarkeit.

 

II. Umsetzung im Ostalbkreis

 

Im Ostalbkreis wurde die Rufbereitschaft des Jugendamts zunächst modellhaft am 20.11.2006 eingeführt. Mit Verfügung von Landrat Pavel wurde am 23.02.2007 die Rufbereitschaft nach der gelungenen Modellphase verstetigt und die Verfahrensabläufe und Rahmenbedingungen definiert.

 

Zielsetzung der Rufbereitschaft ist es, die Prüfung von Kindeswohlgefährdungen und erforderlichenfalls die Durchführung vorläufiger Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche außerhalb der regelmäßigen Dienstzeiten zu gewährleisten.

 

Die Rufbereitschaft des Jugendamts wird im wöchentlichen Wechsel durch im Kinderschutz erfahrene Mitarbeiter der Sozialen Dienste sichergestellt. Sie beginnt jeweils nach Dienstschluss und endet am folgenden Werktag um 8.15 Uhr, sowie am Wochenende von Freitag 12.00 Uhr bis Montag 8.15 Uhr. Die Vergütung der Rufbereitschaft erfolgt gemäß den tariflichen Regelungen des TVöD. Die Rufbereitschaft ist über ein Mobiltelefon für folgende Einrichtungen des Ostalbkreises erreichbar:

 

-          Polizei

-          Stationäre Jugendhilfeeinrichtungen

-          Amtsgerichte und Landgericht Ellwangen

-          Staatsanwaltschaft

-          Kinder- u. Jugendpsychiatrie

-          Kinderkliniken

-          LEA-Ellwangen

 

Die Leitung der Sozialen Dienste im Geschäftsbereich Jugend und Familie trägt Sorge für eine durchgängige Abdeckung der Bereitschaftszeiten an 365 Tagen. Dabei war es im Ostalbkreis lediglich im Jahr der Einführung erforderlich, Mitarbeiter zum Leisten der Rufbereitschaft zu verpflichten. Seither ist es durchgängig bis heute gelungen, die Rufbereitschaft auf freiwilliger Basis zu gewährleisten. So hat sich im Ostalbkreis ein Team mit in dieser speziellen Tätigkeit besonders erfahrenen Mitarbeitern herausgebildet, was zu einer deutlich höheren Arbeitsqualität führt gegenüber Regelungen bei vielen anderen Jugendämtern, die die verpflichtende Rufbereitschaft aller geeigneten Mitarbeiter im Jugendamt vorsehen.

 

Bei der Durchführung einer Inobhutnahme leistet die Polizei auf Ersuchen der Rufbereitschaft gem. § 26 LKJHG (Landes-Kinder-und-Jugendhilfegesetz) Vollzugshilfe. Im Rahmen der Inobhutnahmen wurde im Ostalbkreis für Kinder bis zum 13. Lebensjahr ein Konzept für Bereitschaftspflege entwickelt, so dass im 14tägigen Wechsel besonders geeignete Pflegefamilien die Bereitschaft zur Notaufnahme eines Kindes übernehmen. Des Weiteren wurden mit den Einrichtungen Kinderdorf Marienpflege und Canisiushaus Vereinbarungen geschlossen, so dass dort im erforderlichen Umfang und in geeigneter Form Plätze zur Notaufnahme junger Menschen vorgehalten werden.

 

III. Entwicklungen in 10 Jahren Rufbereitschaft

 

Seit nunmehr 10 Jahren gibt es den Bereitschaftsdienst des Geschäftsbereichs Jugend und Familie im Ostalbkreis. Anlässlich dieses „kleinen Jubiläums“ kann angesichts der entwickelten Professionalität, des hohen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der sehr gut eingespielten Zusammenarbeit mit den o.g. Kooperationspartnern eine positive Bilanz gezogen werden. Der Bereitschaftsdienst stellt sicher, dass Kinder und Familien in Krisen zeit- und ortsnah eine fachlich kompetente Beratung, Klärung der Sachlage und erforderlichenfalls eine vorläufige Maßnahme zum Schutz des jungen Menschen erhalten.

 

Im Ostalbkreis ist der Bereitschaftsdienst des Jugendamts relativ vielen Einrichtungen zugänglich, vielerorts ist die Rufnummer des Jugendamts nur der Polizei bekannt. In der Praxis gab und gibt es dennoch nur wenige Ungereimtheiten in der Zusammenarbeit der genannten Dienste. In Einzelfällen kann es durch unzureichende Mobilfunknetze zu Verzögerungen in der Erreichbarkeit kommen, oder zur Kontaktierung des Bereitschaftsdienstes in Fällen, die hierfür nicht vorgesehen sind, oder es wurde versehentlich die Bereitschaftsnummer an Dritte weitergegeben. Ganz überwiegend kann jedoch von einem sehr funktionalen Ablauf gesprochen werden.

 

Nach anfänglich eher geringer Kontaktierung stiegen die Einsätze auf rund 100 pro Jahr an und sind seit 2010 auf diesem Niveau relativ stabil. Ein „Ausnahmezustand“ herrschte während der enormen Überbelegung der LEA in Ellwangen. Anders als an anderen LEA-Standorten, an denen das Jugendamt für die LEA zumeist nur über die Polizei erreichbar ist, haben wir uns im Ostalbkreis für eine direkte Erreichbarkeit des Jugendamts auch außerhalb der Dienstzeiten entschieden. Dies führte im Herbst 2015 phasenweise zu einer „allabendlichen“ Kontaktierung der Rufbereitschaft durch die LEA. Vom 20.11.2006 bis 31.10.2016 wurde der Bereitschaftsdienst des Geschäftsbereichs Jugend und Familie 1.046-mal in Anspruch genommen. Dabei sind in den Jahren 2015 und 2016 durch die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus der LEA erkennbare Anstiege zu verzeichnen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Inanspruchnahme 2017 wieder „normalisiert“.

 

In 2016 waren 58% der betroffenen jungen Menschen männlich, 42% weiblich. In 34% der Fälle war eine vorläufige Schutzmaßnahme in Form einer Inobhutnahme erforderlich. 52% der Kontaktaufnahmen erfolgten durch die Polizei, 48% durch die o.g. weiteren Institutionen.

 

Allerdings wirkt sich hier die außerordentlich starke Kontaktierung durch die LEA in der ersten Jahreshälfte aus. In der Regel wird die Rufbereitschaft zu etwa 90 % von der Polizei eingeschaltet.

 


Finanzierung und Folgekosten

 

Die Vergütung der Rufbereitschaft erfolgt gemäß den tariflichen Regelungen des TVöD auf dem Produktsachkonto 36.30.03.

 

 

 

 


Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

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Funk

 

 

Dezernat V

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel