Bürgerinformationssystem
Antrag der Verwaltung
Sachverhalt/Begründung
I. Ausgangssituation und Allgemeines
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie die Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) umfassen als einen zentralen Bestandteil die Kosten der Unterkunft. Nach dem Gesetzeswortlaut werden Leistungen für Unterkunft und Heizung im Sinne der § 22 SGB II und § 35 SGB XII in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Sozialleistungsträger haben hierzu regelmäßig Obergrenzen zu definieren.
Sie sind im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II und SGB XII verpflichtet, angemessene Kosten für die Unterkunft anhand eines „Schlüssigen Konzepts“ zu ermitteln. Dieses Erfordernis ist Ausfluss aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu § 22 Absatz 1 SGB II. Mit einem „Schlüssigen Konzept“ soll der unbestimmte Rechtsbegriff der angemessenen Unterkunftskosten für den jeweiligen Mietwohnungsmarkt individuell, gesetzeskonform und gerichtsfest konkretisiert werden.
Fehlt es an nachvollziehbaren Daten für die Ermittlung der Mietobergrenzen in den jeweiligen Wohnortgemeinden, so dass ein „Schlüssiges Konzept“ auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht ermittelt werden kann, ist auf die Werte der Wohngeldtabelle nach § 12 Wohngeldgesetz zurückzugreifen. Dieser Rechtsprechung folgend werden nach dem Beschluss des Sozialausschusses vom 14.10.2013 zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft seit dem 01.11.2013 die Werte des Tabellenwohngeldes zuzüglich 10 % als Bruttokaltmiete angesetzt.
Mit der Reform des Wohngeldrechts zum 01.01.2016 wurden die sogenannten Tabellenwerte für den Ostalbkreis um durchschnittlich bis zu 18 Prozent nach oben angepasst. Die Tabellenwohngeldwerte sind stark pauschaliert und sind in ihrer Kalkulation auf mehrere Jahre ausgelegt. Die starke Erhöhung der Tabellenwohngeldwerte durch die Reform des Wohngeldrechts spiegelt nach Auffassung der Verwaltung nicht die tatsächliche Mietkostensteigerung in den Anwendungsbereichen des SGB II und SGB XII im Ostalbkreis wider. Neben der rechtlichen Verpflichtung war es auch vor dem Hintergrund der Stabilisierung des Mietpreisniveaus im Ostalbkreis, zu befürchtender Verknappung von bezahlbarem Wohnraum für Personengruppen außerhalb der Grundsicherung (z.B. Schüler, Auszubildende, Studenten, Rentenbezieher, Wohngeldempfänger) und der zu erwartenden deutlichen Kostensteigerung bei weiterer Berücksichtigung der Wohngeldhöchstbeträge, notwendig, den Mietwohnungsmarkt im Ostalbkreis individuell zu beurteilen und ein „Schlüssiges Konzept“ zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten im SGB II und SGB XII für den Ostalbkreis zu erstellen.
II. Verfahren
Der Sozialausschuss hat in der Sitzung am 30.06.2015 die Verwaltung beauftragt, über einen externen Anbieter ein „Schlüssiges Konzept“ erarbeiten zu lassen. Den Auftrag hat die Firma Rödl & Partner GbR aus Nürnberg am 07.09.2015 erhalten. Über den aktuellen Sachstand hat die Verwaltung in der Sitzung des Sozialausschusses am 03.12.2015 berichtet.
Die zukünftigen Vergleichsräume für den Ostalbkreis und die neuen Angemessenheitsgrenzen sind zwischenzeitlich ermittelt. Das Verfahren zur Ermittlung des „Schlüssigen Konzepts“ und das Ergebnis präsentiert die Firma Rödl & Partner in der Sitzung des Sozialausschusses am 02.05.2016.
Die neu ermittelten Obergrenzen sollen ab 01.06.2016 angewandt werden.
III. „Schlüssiges Konzept“ - Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft im Rahmen der Sozialgesetzbücher II und XII
Mit dem „Schlüssigen Konzept“ können die angemessenen Kosten für Unterkunft im Rahmen der Sozialgesetzbücher II und XII für den Ostalbkreis festgelegt werden.
Die Einteilung in die sogenannten Vergleichsräume (vergleichbar den bisherigen Mietstufen) erfolgt in einem standardisierten Verfahren unter Berücksichtigung von fünf Indikatoren (wirtschaftlicher Wohlstand, Sozial- und Altersstruktur, Siedlungsstruktur, Verkehrsanbindung und Infrastruktur) und den dazugehörigen Kennzahlen aller 42 Städte und Gemeinden des Ostalbkreises. Der Rechtsprechung folgend wird in einem weiteren Schritt die räumliche Verbundenheit der Städte und Gemeinden untereinander einbezogen.
Folgende vier Vergleichsräume wurden für den Ostalbkreis definiert:
Die Zuordnung der Städte und Gemeinden zum jeweiligen Vergleichsraum sieht wie folgt aus:
Die erfolgte Erhebung von Sekundärdaten (Bestandsdaten SGB II und XII) sowie von Primärdaten (Daten von Wohnungsbauunternehmen, aus Mieterbefragung und Auswertungen aus Printmedien und Internet zu Mietangeboten) führten zu einer repräsentativen und validen Datengrundlage zur Herleitung von Obergrenzen für die angemessenen Wohnkosten. Zur Gewährleistung der Repräsentativität müssen nach den gerichtlichen Vorgaben mindestens 10 % des regionalen Mietwohnungsbestandes erfasst werden. Diese Vorgabe wurde für den Ostalbkreis erfüllt.
Die Datenauswertung erfolgte nach mathematisch-statistischen Grundsätzen in verschiedenen Teilschritten: Einlesen der Datensätze, Plausibilisierung und Bereinigung aller Datensätze, Aufteilung der Datensätze nach Region und Wohnungsgröße, Festlegung der Kappungsgrenzen, Ermittlung der Mietpreisspanne je Region zur Wohnungsgrößenklassen und Prüfung der Verfügbarkeit (Abgleich der ermittelten Angebots- und Neuvertragsmieten).
Die Festlegung des Wohnungsstandards erfolgt entsprechend der Tabellenmethode mithilfe eines Punktesystems und dient zur Abgrenzung von einfachem bis zu höherem Ausstattungsstandard. Grundsätzlich ist hierbei auf einfachen Wohnungsstandard abzustellen. Um einen ausreichenden Versorgungsgrad an verfügbarem angemessenem Wohnraum im Ostalbkreis zu erreichen, wurde der Wohnungsstandard auf einen mittleren Ausstattungsstandard angehoben. Die Verfügbarkeit an angemessenem Wohnraum ist somit in allen Vergleichsräumen im Ostalbkreis sicher gestellt.
Die Auswertung der Bestandsmieten der neu ermittelten Mietwerte (=Bruttokaltmiete, d.h. Kaltmiete zuzüglich der kalten Nebenkosten) nach der maximalen Wohnflächengröße und der Differenzierung nach den Vergleichsräumen stellt sich wie folgt dar.
Der Rechtsprechung folgend findet die Überprüfung der Angemessenheitsgrenzen regelmäßig im Abstand von 2 Jahren statt. Da zur Erstellung des „Schlüssigen Konzepts“ Daten bis zum 31.12.2015 herangezogen wurden, schlägt die Verwaltung vor, eine erste Überprüfung bereits zum 01.01.2018 vorzunehmen und den Sozialausschuss über notwendige Anpassungen entsprechend zu informieren.
Auswirkungen in den Rechtskreisen SGB II und XII
Rund 5% der Kunden des SGB II leben unter Zugrundelegung der Werte des „Schlüssigen Konzepts“ dem Grunde nach in unangemessen teuren Wohnungen. Innerhalb des Kostensenkungsverfahrens wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine Aufforderung zum Umzug erfolgen muss. Hier können persönliche Umstände, z.B. Beschäftigung und Kinderbetreuung, gesundheitliche Probleme usw. dazu führen, dass von einer Aufforderung vom Umzug abgesehen wird. Das mehrstufige Kostensenkungsverfahren im SGB II unterstützt in der Beurteilung unwirtschaftliche Umzüge zu vermeiden und vorhandenen Wohnraum zu erhalten.
Aufgrund der Struktur der Leistungsberechtigten im SGB XII (EU-Rentner, Altersrentner, Menschen mit Behinderungen) ist davon auszugehen, dass in den allermeisten Fällen nach Prüfung des Einzelfalls von einer Aufforderung zum Umzug abgesehen werden kann. Bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Umzugs ist vor allem die Zumutbarkeit zu prüfen (z. B. ältere Personen leben bereits in einem betreuten Seniorenwohnen, Härtefälle - soziale Kontakte, Nähe zu den Angehörigen, jahrzehntelanges Wohnen in der Wohnung) sowie die Verhältnismäßigkeit der Umzugskosten unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten.
Finanzierung und Folgekosten
Die Ausgaben für die Kosten für Unterkunft im Ostalbkreis werden sich unter Anwendung des „Schlüssigen Konzepts“ entsprechend der Planansätze für das SGB II in Höhe von 26.095.000 Euro und für das SGB XII in Höhe von 6.200.000 Euro im Haushalt 2016 entwickeln.
Anlagen
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Sichtvermerke
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