Bürgerinformationssystem
Antrag der Verwaltung
Der Ausschuss nimmt vom nachstehenden Bericht Kenntnis Sachverhalt/Begründung
I. Worum geht es?
Mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG), das das Landesheimgesetz (LHeimG) ab 31.05.2014 im Wesentlichen ersetzt hat, hat die Landesregierung ordnungsrechtlich auf die sich wandelnden Erwartungen und Bedürfnisse von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderungen reagiert.
Ziel des Gesetzes ist es:
II. Ausgangslage im Ostalbkreis
Auch im Ostalbkreis kann man den demografischen Wandel in der Bevölkerung klar an Zahlen ablesen. Gerade die Altersgruppe der über 76jährigen wuchs deutlich um mehr als 55 Prozent in der Zeit zwischen 1995 und 2012. Bis zum Jahr 2030 wird sich nach den Bevölkerungsvorausrechnungen des Statistischen Landesamtes der Anteil der Altersgruppen über 75 Jahren nochmals mehr verdoppeln.
Diese Altersgruppe ist für Betreuung in Einrichtungen der Altenpflege besonders relevant, denn das durchschnittliche Heimeintrittsalter liegt bei Männern bei 78,90 Jahren und bei Frauen bei 82,48 Jahren (GEK-Pflegereport 2013).
Quelle: Statistisches Landesamt
Quelle: Statistisches Landesamt
Auch bei der Entwicklung der Pflegebedürftigen im Ostalbkreis zeigt sich der demographische Trend klar: in nur 12 Jahren zwischen 1999 und 2011 hat die Zahl der Pflegebedürftigen um knapp 17 Prozent zugenommen.
Quelle: Statistisches Landesamt
Waren 1999 in 34 Pflegeheimen insgesamt 2.339 stationäre Plätze im Ostalbkreis vorhanden, so halten derzeit 51 stationäre Einrichtungen der Altenhilfe 2.990 Plätze. Dies entspricht einer Steigerung von über 27 Prozent.
Die dem Geschäftsbereich Sicherheit und Ordnung zugeordnete Heimaufsicht des
Aufgrund der demografischen Entwicklung und den gesetzlichen Aufgabenzuweisungen verzeichnet die Heimaufsicht einen stetigen Aufgabenzuwachs als Beratungs- und Überwachungsinstanz.
III. Aufgaben der Heimaufsicht
Die staatliche Heimaufsicht setzt sich für ein würdevolles Leben und Wohnen in stationären Einrichtungen der Altenhilfe und im Behindertenbereich ein, sie überprüft und berät.
Jede Einrichtung wird in der Regel einmal jährlich unangemeldet überprüft. Zusätzliche Kontrollen finden gegebenenfalls anlassbezogen statt. Bei Bedarf kann die Heimaufsicht Anordnungen erlassen, Beschäftigungsverbote aussprechen, den Betrieb eines Heimes untersagen und Bußgelder verhängen. Die Heimaufsicht ist ein wichtiger unverzichtbarer Baustein in der Entwicklung der Qualität in den stationären Einrichtungen der Altenhilfe und im Behindertenbereich.
Die Heimaufsicht prüft sowohl die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, im Unterschied zum Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), der vorrangig die Ergebnisqualität prüft. Eine gute Prozess- und Strukturqualität ist Voraussetzung, um dauerhaft eine gute Ergebnisqualität erbringen zu können.
Die Heimaufsicht hat nicht nur die Aufgabe, Mängel festzustellen, sondern soll vorrangig - durch Beratung - Mängeln vorbeugen („Mängelberatung vor Sanktion“).
Prüfungsinhalte sind:
Bei den Nachschauen wird die Heimaufsichtsbehörde von Ärzten des Gesundheitsamtes und von externen Pflege- und Erziehungsfachkräften unterstützt, so dass eine umfassende, auch alle Aspekte der medizinischen Behandlungspflege, Hygiene und der Pflege und Betreuung umfassende Prüfung und Beratung gewährleistet ist.
Zudem berät die Heimaufsicht Bewohner von Einrichtungen und deren Interessenvertreter, Angehörige und Betreuer sowie Mitarbeiter von Einrichtungen.
Die Heimaufsicht ist eine wichtige Anlaufstelle für Beschwerden. Sie ist auf Hinweise von Dritten angewiesen, um mögliche Missstände in Einrichtungen zu erfahren und effektiv dagegen anzugehen. Hinweise werden auf Wunsch vertraulich behandelt.
Im Jahr 2013 hat die Heimaufsicht insgesamt 57 Überprüfungen durchgeführt (davon sechs anlassbezogene Begehungen aufgrund von Beschwerden). Heimrechtliche Anordnungen waren im letzten Jahr nicht erforderlich. Seit über 10 Jahren musste die Heimaufsicht im OAK keine Einrichtung mehr schließen - die „Problemhäuser“ sind verschwunden.
Sorgen bereiten uns derzeit nur die „Senioren-WGs“, die die Betriebsvoraussetzungen der autonomen Auftraggebergemeinschaft nur auf dem Papier nachweisen, in Wirklichkeit aber wie ein Kleinstheim mit Substandard agieren. Da Angehörige und Betreuer dies in der Vergangenheit immer - zum Teil offensiv - mitgetragen haben, waren uns seither die Hände gebunden. Wir hoffen aber, dass auch hier das neue Heimrecht für mehr Transparenz und Öffnung und damit bessere Angebote auf diesem bis jetzt recht abgeschotteten Markt sorgen wird.
Wenn in den letzten Jahren Mängel festgestellt wurden, dann vor allem im Bereich der Betreuung, der Aktivierung und der Hygiene, sehr selten Pflegemängel. Die Bewohner der Einrichtungen im Ostalbkreis sind gut betreut. Die überwiegende Mehrheit der Einrichtungsträger im Ostalbkreis gewährleistet eine gute Pflege- und Betreuungsqualität.
IV. Grundlage des Heimrechts - gesetzliche Änderungen ab 31.05.2014
Das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) ist am 31. Mai 2014 in Kraft getreten und löst das bisherige Landesheimgesetz (LHeimG) ab. Ein Leitgedanke des WTPG ist die Schaffung neuer Wohn- und Versorgungsformen in Baden-Württemberg. Künftig wird es neben den bisher schon möglichen völlig selbstverantworteten Wohngemeinschaften auch anbieterbetreute WGs für ältere bzw. hilfsbedürftige Menschen geben. Dort leben die Bewohner in kleinen Wohneinheiten mit mehr Individualität und Selbstbestimmung, sie werden von ambulanten Pflegediensten versorgt und eine Alltagsbegleiterin ist 24 Stunden vor Ort.
Weitere Änderungen beziehen sich u.a. auf eine kontinuierliche Fortbildungspflicht für Präsenzkräfte, auf die Zielsetzung einer stärkeren Vereinheitlichung der Prüfberichte, die Präzisierung der Mitwirkungs- und Informationspflichten der Einrichtungen, die Übertragung der Prüfzuständigkeit für unmittelbar kreisgetragene Heime auf die Heimaufsicht des Nachbarkreises und eine Evaluation des Gesetzes bis Ende 2017.
Der aktuelle, anonymisierte Prüfbericht der Heimaufsicht muss an geeigneter Stelle in der Einrichtung ausgehängt und auf Wunsch auch ausgehändigt werden, so dass sich interessierte (potenzielle) Bewohner oder Angehörige Kenntnis verschaffen können. Das WTPG stärkt insgesamt das Informationsrecht (Transparenzgebot im Pflegebereich).
Im neuen Heimrecht ist die Verschiebung der Regelprüfung um sechs Monate - ausnahmsweise - gesetzlich verankert worden. Dass die jährliche Regelprüfung im Ausnahmefall für bis zu sechs Monate verschoben werden kann (§ 17 Abs. 6 WTPG) und das nur unter sehr strengen Anforderungen, erscheint zu starr. Die seitherige Praxis, wonach in guten Häusern und positiven Qualitätsberichten die Nachschau auch zweijährig erfolgen konnte, ist im neuen Heimrecht nicht mehr vorgesehen.
Im Übrigen gibt es keine wesentlichen Änderungen, die den stationären Bereich betreffen.
Wie bisher schon ist nun auch im WTPG der ordnungsrechtliche Auftrag der heimaufsichtlichen Prüfungsbefugnis konkretisiert und die enge Zusammenarbeit von Heimaufsicht, Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung geregelt. Die Überwachungspraxis von Heimaufsicht und MDK ist keine doppelte Prüfung gleicher Prüfinhalte. Das Instrument der ordnungsrechtlich agierenden Heimaufsicht „zur akuten und präventiven Abwehr von Gefahren für Leib und Leben“ kann nicht durch das Instrument der Qualitätsprüfung des MDK „zur Überprüfung der vertraglich geschuldeten Leistungserbringung“ ersetzt werden.
In einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft regeln die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich. Dies bedeutet unter anderem, dass sie Art und Umfang ihrer Pflege- und Unterstützungsleistungen frei wählen, die Lebens- und Haushaltsführung selbstbestimmt gemeinschaftlich gestalten und selber uneingeschränkt das Hausrecht ausüben. Selbstverantwortete Wohngemeinschaften ähneln also sehr stark dem Leben in den eigenen vier Wänden, deshalb ist keine staatliche Aufsicht erforderlich.
In einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft dagegen können die Bewohnerinnen und Bewohner nur teilweise ihr Leben und die täglichen Abläufe selber bestimmen. Wohnen und ein Teil der Unterstützungsleistungen werden grundsätzlich von einem Anbieter für sie organisiert. Deshalb sieht das WTPG hier eine staatliche Aufsicht vor, wenn auch nur in eingeschränktem Umfang. Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind also, vereinfacht gesprochen, nicht mehr die eigene Wohnung, aber noch nicht ein Pflegeheim, in dem Wohnen, Pflege und Unterstützungsleistungen in „einem Paket“ angeboten und organisiert werden.
Das WTPG macht nur sehr wenige Vorgaben für ambulant betreuten Wohngemeinschaften: Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen ihre Pflegeleistungen frei wählen können, es muss eine Präsenzkraft anwesend sein, in der Wohnung müssen insgesamt 25 qm pro Person zur Verfügung stehen und die Wohngemeinschaft darf nicht mehr als zwölf Personen umfassen. Ambulant betreute WG’s orientieren sich ja ganz bewusst an der eigenen Häuslichkeit. Deshalb wird dort auch nicht die „Rundumvollversorgung“ angeboten wie in einer stationären Einrichtung. Die WG erfordert vielmehr – wie zuhause auch - ein Mindestmaß an eigener Verantwortung und Organisation.
Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft wird nur in den ersten drei Jahren regelmäßig durch die Heimaufsicht überprüft, danach erfolgen Kontrollen nur noch anlassbezogen, also dann, wenn es Hinweise auf Missstände oder Probleme gibt.
V. Ausblick
Die jetzt genauer definierten und geregelten alternativen Wohnformen - Senioren-Wohngemeinschaften - spielen, soweit sie uns bekannt wurden, mit drei Wohnungen und 19 Bewohnern im Ostalbkreis noch keine große Rolle.
Die Heimaufsichtsbehörde stellt derzeit aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben ein hohes Interesse an der Einrichtung ambulant betreuter Wohnformen fest. Zum einen sind die baulichen und personellen Anforderungen für WGs geringer, zum anderen finden dort - abgestuft - weniger Kontrollen statt.
Zur Koordinierung und Weiterentwicklung dieser Wohnangebote wird beim KVJS(Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg) eine Landesfachstelle für ambulant betreute Wohnformen zur trägerneutralen Beratung von Anbietern und Kommunen eingerichtet.
Finanzierung und Folgekosten
Aktuell sind mehrere Mitarbeiter auf 2,35 Vollstellen in der Heimaufsicht eingesetzt. Durch den umfassenden Beratungsauftrag, die Eröffnung neuer Wohnformen und die nun zementierte jährliche Prüfpflicht entsteht ein tatsächlicher Mehraufwand. Eine Personalaufstockung kann erforderlich werden. In welchem Umfang ist im Vorfeld noch nicht absehbar. Anlagen
Schaubild: Wohnformen außerhalb und innerhalb des neuen Heimrechts, WTPG Quelle: Sozialministerium Baden-Württemberg
Sichtvermerke
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