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Vorlage - 136/2014  

 
 
Betreff: Kreispolitische Erklärung zur künftigen Organisation der Forstverwaltung
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t III   
Beratungsfolge:
Kreistag Kenntnisnahme
22.07.2014 
Sitzung des Kreistags - Konstituierung ungeändert beschlossen   
Anlagen:
Zeitungsartikel vom 15.7.2014
Wald im Ostalbkreis Broschüre 2006

Antrag der Verwaltung

 

Die politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene werden aufgefordert, politische Initiativen zu ergreifen, um das Einheitsforstamt zu erhalten.

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

 

Ausgelöst durch ein Verfahren des Bundeskartellamts gegen das Land Baden- Württemberg, das sich explizit gegen den gemeinsamen Holzverkauf aus dem Staatswald einerseits und dem Körperschaft- und Privatwald andererseits wendet, steht die Forstverwaltung vor gravierenden Organisationsveränderungen.

Der Ostalbkreis setzt sich für den Erhalt des seit Jahrzehnten bewährten Einheitsforstamts ein.

 

 

1. Waldbesitzverteilung  im Land und im Ostalbkreis

 

 

Staatswald

Körperschaftswald

Kleinprivatwald

bis 200 ha

Großprivatwald

über 200 ha

Land Baden-Württemberg

Waldanteil

39 % (1,4 Mio ha)

       24%  (330.000 ha)

 

 

    38 %

(530.000 ha)

    25 %

(340.000 ha)

    13 %

(172.000 ha)

Ostalbkreis

Waldanteil

39 % (60 TSD ha)

 

    37 %

(22.000 ha)

    17 %

(10.000 ha)

 

davon 500 ha Kirchenwald

    29 %

(17.000 ha)

10.000 Waldbesitzer

Parzellengröße < 1 ha

davon 3000 ha

Gemeinschaftswald

17 %

(10.000 ha)

 

 

 

2. Forstverwaltung im Ostalbkreis - Organisation und Aufgaben (status quo)

 

Der Geschäftsbereich Wald und Forstwirtschaft im Ostalbkreis ist dezentral aufgestellt.

Er gliedert sich in das Forstdezernat, vier Außenstellen und 32 Reviere. Drei städtische Reviere (Ellwangen und 2x Nördlingen) werden mitbetreut.

Insgesamt verfügt der Geschäftsbereich über 152 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind 67 Waldarbeiter, 20 Verwaltungsangestellte, 50 Forstbeamte und 14 Forstwirt-Auszubildende.

 

 

 

Anzahl und Lage der Außenstellen:

 

Forstaußenstellen mit territorialer Zuständigkeit für alle Waldbesitzarten („Einheitsforstamt“) befinden sich in  Bopfingen, Ellwangen, Abtsgmünd und Schwäbisch-Gmünd. Diesen sind jeweils acht bis neun Reviere zugewiesen.

Sie nehmen u.a. die forsttechnische Betriebsleitung für alle Kommunen im Ostalbkreis sowie für die Stadt Nördlingen wahr.

 

 

Anzahl und Lage der Reviere:

 

Deren Zuständigkeit ist flächendeckend. Dienststellen befinden sich nahezu in jeder Kommune.

Die durchschnittliche Reviergröße (ohne städtische Reviere) beträgt rd. 1350 ha. Die Organisation folgt ebenfalls dem Prinzip des „Einheitsreviers“, mit Zuständigkeit für alle Waldbesitzarten!

 

Als Forstliche Sondereinrichtungen existieren die Stützpunkte Hohenohl und Ellenberg, jeweils mit Forstwirtausbildung sowie die Landespflanzschule Kitzinghof und die Schreinerei in Königsbronn-Ochsenberg.

 

In 16 Forstrevieren sind  Forstwirt-Arbeitsgruppen angesiedelt, die revierübergreifend, überwiegend im Staatswald, eingesetzt werden.

 

 

3. Würdigung der derzeitigen Organisation:

 

Die Eingliederung der staatlichen Forstämter in die Landratsämter im Zuge der Verwaltungsreform 2005 hat sich bewährt. Dies trifft insbesondere auf die dezentrale Organisation im Ostalbkreis zu. Sie zeichnet sich durch Bürgernähe und eine hohe Kundenzufriedenheit aus.

Aufgrund der hergestellten Einräumigkeit haben sich Effizienzsteigerungen und Synergien ergeben. Die Kunden- und Bürgerkontakte wurden gestärkt, die Forstverwaltung insgesamt ist in der Gesellschaft gut verankert.

Durch die Schaffung größerer Betriebseinheiten sind insbesondere im Bereich der Holzproduktion und Holzvermarktung Rationalisierungseffekte eingetreten.

 

Aufgabenwahrnehmung durch die Untere Forstbehörde

 

  • Verwaltung und Bewirtschaftung des Staatswaldes
  • Forsttechnische Betriebsleitung und Ausübung des forstlichen Revierdienstes im Körperschaftswald
  • Beratung, Betreuung und technische Hilfe im Privatwald
  • Durchführung von forstlichen Fördermaßnahmen
  • Forstliche Rahmenplanung und sonstige Fachplanungen für den Wald aller Besitzarten
  • Träger öffentliche Belange
  • Ausübung der Forsthoheit und des Forstschutzes
  • Waldpädagogik als Bildungsauftrag
  • Öffentlichkeitsarbeit

 

 

Hintergrundinformation

 

Forsttechnische Betriebsleitung:

§ 47 LWaldG sieht vor, dass die forsttechnische Betriebsleitung im Körperschaftswald kraft Gesetzes vom Land ausgeübt wird, wenn die Körperschaften auf die Anstellung eines eigenen Betriebsleiters (Laufbahnbeamter höherer Diesnt) verzichten oder wegen des geringen Umfangs bzw. der Zersplitterung ihres Waldbesitzes dazu nicht in der Lage sind. Es handelt sich um eine treuhänderische Tätigkeit des Landes für die Körperschaften. Die forsttechnische Betriebsleitung ist kostenfrei! Wenn sie nicht vom Land (Landkreis) ausgeübt werden soll, muss die Kommune ein “ kommunales Forstamt“ begründen!

 

 

 

 

 

 

 

4. Aktuelle Kartellrechtsproblematik

 

Seit dem Jahr 2002 befasste sich aufgrund einer Beschwerde der Sägeindustrie das Bundeskartellamt mit dem Gemeinsamen Holzverkauf. Zielsetzung war, einer vermeintlichen, marktbeherrschenden Stellung des Staatswaldes entgegen zu treten. Ergebnis war ein Konkretisierungspapier (2008), das die betroffenen Länderforstverwaltungen u.a. dazu verpflichtete, privatrechtliche Holzverkaufsstrukturen aktiv zu fördern und zu unterstützen. Für Baden-Württemberg wurde bestimmt, fünf Pilotprojekte innerhalb von fünf Jahren zu initiieren. In diesem Zuge wurde im Ostalbkreis die Forstwirtschaftliche Vereinigung „Schwäbischer Limes“ gegründet.

Im Jahr 2012 wurde erneut ein Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg

( ForstBW) eingeleitet, da die ergriffenen Maßnahmen in den zurückliegenden Jahren als nicht ausreichend angesehen wurden.

Ein Beschlussentwurf wurde zum Jahreswechsel 2013/2014 vorgelegt.

 

Überraschend war letztlich die Feststellung, dass auch erhebliche Bestandteile des forstlichen Revierdienstes, der die tragende Säule des Einheitsforstamtes darstellt, in Abrede gestellt werden. Damit ist die bestehende Organisation akut in Frage gestellt.

Es scheint beschlossene Sache zu sein, dass das Einheitsforstamt heutiger Prägung trotz all seiner unbestreitbaren Vorteile nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

Es zeichnet sich ab, dass der Staatswald in eine eigenständige, privatwirtschaftlich organisierte Betriebsform überführt wird. Die Zuständigkeit für die Dienstleistungen im Nichtstaatswald und die Forsthoheit würde dann auf Ebene der Landratsämter in Form einer unteren Forstbehörde zur kommunalen Aufgabe (Staatswaldmodell).

Der bürokratische, organisatorische, finanzielle und personalwirtschaftliche Aufwand, die eine solche Entflechtung notwendig werden lässt, ist an dieser Stelle noch nicht konkretisierbar, dürfte allerdings beträchtlich sein.

Es wird ein aufwändiger Gesetzgebungsprozess  zu durchlaufen sein. Man geht im Moment von einem Stichtag 01.01.2017 für die Einführung der neuen Strukturen aus.

 

Hintergrundinformation

 

Thesen (Bundeskartellamt, Frank-D. Reh 2005):

 

  • „Das dem Schutze der Wettbewerbsfreiheit dienende Kartellrecht findet auf die privatwirtschaftlich erfolgende Rohholzvermarktung durch Anbieter aller Waldbesitzarten uneingeschränkt Anwendung“
  • „Die zu vereinheitlichen Preisen und Konditionen erfolgende gemeinsame Vermarktung gleichartiger und damit konkurrierender Waren durch voneinander unabhängige Anbieter beschränkt im Regelfall den Wettbewerb unter ihnen und unterliegt damit nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich dem Kartellverbot“
  • „… bedarf der private und kommunale Waldbesitz zum Ausgleich des Größengefälles im Verhältnis zur Marktgegenseite sowie der Unterschiede in Vermarktungs-know-how und vertrieblichen Strukturen aus wirtschaftlichen Gründen der Möglichkeit zur Kooperation bei der Holzvermarktung. Dies gilt grundsätzlich nicht für die Staatsforste …“
  • Kooperationen von Privat- und Kommunalwald sind kartellrechtlich unbedenklich! Die Beteiligung des Staatsforstes begegnet grundsätzlichen wettbewerblichen und kartellrechtlichen Bedenken.
  • Private und kommunale Waldbesitzer sollten primär die forstrechtliche Kooperationsform der Forstbetriebsgemeinschaften und der Vereinigung von Forstbetriebsgemeinschaften nutzen.
  • „Die Beteiligung der Landesforstverwaltungen/Staatsforste am gemeinsamen gebündelten Holzverkauf mit Privaten und/oder Kommunen unter eigener Regie muss sukzessive zurückgeführt werden…“
  • „Die Landesforstverwaltungen sollen die Entwicklung und - soweit vorhanden - Stärkung eigenständiger marktfähiger Kooperationsstrukturen im privaten und kommunalen Bereich … fördern und unterstützen (Hilfe zur Selbsthilfe), gegebenenfalls auch finanziell. …“
  • „ Forstunternehmerische Inaktivität im privaten und kommunalen Sektor ist … nicht Ursache sondern die Folge paternalistischen staatlichen Engagements. V.a. wenn die Dienstleistung steuerfinanziert für einen Appel und ein Ei zu bekommen ist.“

 

 

 

5. Zu erwartende Auswirkungen des Kartellrechtsspruchs

 

Seit Jahresbeginn 2014 liegt der Entwurf des Bundeskartellrechts zum gemeinsamen Holzverkauf vor.

Rund 60.000 ha Wald liegen im Ostalbkreis in gleichmäßiger Verteilung und Gemengelage aller Waldbesitzarten. Darüber hinaus liegen in unserem engeren Einzugsbereich europaweit die  größten Sägewerkskapazitäten.

Die gewählte Organisationsform wurde stark auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernisse abgestimmt.

 

Daher werden die uns aufgezwungenen Veränderungen mutmaßlich gravierende, überwiegend negative Auswirkungen haben:

 

… auf das Personal:

 

  • Spaltung des Teams
  • Berufliche Neuorientierung entsprechend der konkreten Personalzumessung
  • Versetzungen
  • Dienstherrenwechsel (für viele bereits zum wiederholten Mal!)

 

… auf die Organisation:

 

  • Zerschlagung von effizienten, forstlichen Strukturen
  • Ausgliederung des Staatswaldes
  • Schaffung von Doppelstrukturen mit daraus erwachsenden Konflikten
  • Verlust von Synergien
  • Wegfall von Verwaltungsstandorten / Dienststellen
  • Effizienzverluste durch weite Wege
  • Verlust von Personal- und Finanzressourcen

 

… auf die Kunden:

 

a.) auf Waldbesitzer

  • Zerstörung gewachsener Kundenbeziehungen
  • Höhere Kosten
  • Flächen in Gemengelage zum Staatswald werden nicht mehr im gewohnten Umfang betreut
  • Motivation zur Waldpflege wird schwinden

 

b.) auf Holzkunden (Sägewerke)

  • Erhöhter Aufwand für die Einkaufsorganisation
  • Fehlende Mengenbündelung
  • Nachlassendes Holzaufkommen durch fehlende Mobilisierung
  • Ggf. Unterversorgung der örtlichen Sägewerke durch überregional abfließende Holzmengen

 

.. auf die Gesellschaft:

 

  • Flächenmäßige Zuständigkeit wird undurchsichtig
  • Dienstleistung wird schlechter

         Fehlende Ansprechpartner für Kommunen und Bürger

  • Keine zuverlässige Präsenz des Forstpersonals vor Ort
  • Gefährdung von essentiellen Waldfunktionen

 

 

 

6. Abgeleitete Forderungen

 

  • Ein Mitspracherecht des Landkreises bei der Startorganisation und beim Personalübergang auch im Staatswaldbetrieb muss gewährleistet sein.

 

  • Keine Abstriche bei der Qualität der Waldbewirtschaftung. Sachkundeanforderungen an das Forstpersonal auf gesetzlicher Grundlage müssen hochgehalten werden.

 

  • Errichtung von Staatswaldforstämtern im OAK.

 

  • Die regionale Holzversorgung, insbesondere der mittelständischen Sägewerke und der Brennholzkunden, muss gewährleistet sein (Holz der kurzen Wege).
  • Die forstliche Bildungslandschaft muss erhalten bleiben.

Speziell die Forstwirtausbildungsstellen Ellenberg und Hohenohl.

 

  • Wissenstransfer von der Unteren Forstbehörde zum Körperschafts- und Privatwald als künftiger Aufgabenschwerpunkt muss erhalten werden.

 

  • Der Staatswald muss auch weiterhin der Regionalbevölkerung in besonderem Maße verpflichtet sein.

 

 

7. Fazit:

 

Die Reorganisation auf Ebene der Landkreise bzw. der Betriebsteile ForstBW in Folge der Kartellrechtsentscheidung muss sozialverträglich und unter Sicherung der bestehenden hohen Qualitätsstandards in der Forstwirtschaft erfolgen. Die Sachkundeanforderungen an das Forstpersonal sind hoch zu halten.

Zur Vermeidung von Konflikten muss der Staatswaldbetrieb ForstBW offen sein für den fachlichen Diskurs insbesondere auch mit den örtlichen Instanzen (regionaler Bezug).

 

 

 


Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

 

- 0 -

 

 

Sichtvermerke

 

Dezernent

__________________________________________

 

Reck

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Zeitungsartikel vom 15.7.2014 (1368 KB)    
Anlage 2 2 Wald im Ostalbkreis Broschüre 2006 (1985 KB)