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Vorlage - 130/2013  

 
 
Betreff: Frauenarmut im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Gleichstellungs- und Familienbeauftragte Beteiligt:D e z e r n a t V
Beratungsfolge:
Sozialausschuss Kenntnisnahme
09.07.2013 
Sitzung des Sozialausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

 

Ausgangssituation und Allgemeines

 

Erstmals 2001 gab es in der Bundesrepublik einen nationalen Armuts- und Reichtumsbericht. Ziel der Berichterstattung war, die Situation der Armut in Deutschland darzustellen, einen Überblick über die soziale Wirklichkeit zu geben und politische Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Im März diesen Jahres erschien der 4. Arbeitsbericht.

 

Die wichtigsten Ergebnisse waren:

 

-         auf die vermögensstärksten 10 % der Haushalte entfallen 53 % des gesamten Nettovermögens. 1998 lag die Quote bei 45 %.

-         Die untere Hälfte der Haushalte besaß zuletzt lediglich gut 1 % des Nettovermögens. 2003 waren es 3 %.

-         Bei der Lohnentwicklung zeigt sich folgendes Bild. Im oberen Bereich der Bevölkerung ist sie positiv ansteigend, die unteren 40 % der Vollzeitbeschäftigten haben jedoch nach Abzug der Inflationsrate Verluste hinnehmen müssen.

-         Die „Armutsgefährdungsschwelle“ liegt laut Statistischem Bundesamt bei 952,00 € im Monat. Dies gilt je nach Datengrundlage für 14 - 16 % der Bevölkerung. Hauptgrund für Armut ist Arbeitslosigkeit. Auch für Alleinerziehende ist das Risiko hoch.

-         Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor stieg und lag zuletzt zwischen 21 und 24 %.

-         Die Arbeitslosigkeit sank auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen reduzierte sich und in der EU weist Deutschland aktuell die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit auf.

 

Auf Antrag der SPD-Kreistagsfraktion hat der Kreistag beschlossen, für den Ostalbkreis einen Armuts-/Sozialbericht zu erstellen. Im Oktober 2009 wurde der Sozialbericht des Ostalbkreises vorgestellt. Darin wurden Strategien zum Abbau von Benachteiligungen und Ausgrenzungen sowie zur Bewältigung des demographischen Wandels vorgestellt. Wichtigste Punkte waren: Ausbau der Kleinkindbetreuung, schulische Bildung, berufsvorbereitende Bildung, Entwicklung des Dienstleistungssektors um die vergleichsweise geringe Frauenerwerbstätigkeit im Ostalbkreis zu erhöhen. Auch das Thema Armutsgefährdung von Alleinerziehenden und Altersarmut wurde behandelt.

 

Die Frauenbeauftragten im Ostalbkreis thematisieren seit Jahren nicht nur das Auseinanderdriften des Einkommens und Vermögens zwischen Armen und Reichen sondern auch die großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen.  In nahezu allen Lebensbereichen sind Frauen in viel stärkerem Maße von Armut betroffen als Männer - und auch das Armutsrisiko ist für Frauen aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsverteilung ungleich höher als für Männer. Entgeltungleichheit, niedrige Rentenansprüche, unter anderem durch Kindererziehungszeiten und prekäre Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit und die immer noch vorwiegend weibliche Zuständigkeit für die Erziehungsarbeit sind Gründe dafür.

Seit 2008 begehen wir im Ostalbkreis den equal pay day, den internationalen Aktionstag für die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 22 % weniger als Männer. In Baden-Württemberg sogar 28 % weniger. Bei Frauen in leitender Position ist der Einkommensrückstand zu Männern besonders groß und auch bei den unteren Einkommensgruppen. Im „Mittelfeld“, also bei den Angestellten ist er nicht sehr groß.

 

Im März 2013 organisierten die Gleichstellungsbeauftragten im Ostalbkreis zusammen mit vielen Kooperationspartnerinnen die Veranstaltungsreihe „Frauen sprechen wir über Geld, Frauenarmut hat System“. Ziel dieser Veranstaltungsreihe war, darauf hinzuweisen, dass Frauen ein hohes Armutsrisiko haben, insbesondere wenn sie in frauentypischen Berufen arbeiten, wenn sie in Teilzeit arbeiten oder wenn sie Kinder haben und für diese sorgen möchten. Auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Zielgruppen wurde und wird das Thema Frauenarmut in den Mittelpunkt gestellt - nicht um Trostlosigkeit und Düsternis zu verbreiten, sondern um auf individueller Ebene und auf der politischen Ebene Wege und Lösungsansätze zu finden und zu diskutieren.

 

Was ist Armut bzw. Armutsgefährdung?

 

Konzept der „relativen Armut“

Einkommensverhältnisse der Einzelnen im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Bevölkerung.

Personen gelten als arm, die über so geringe (materielle, kulturelle, soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind. (Armutsverständnis der EU).

 

Messung von Armutsgefährdung

 

Durchschnittseinkommen der Bevölkerung einer regionalen Einheit, z.B. Deutschland, Baden-Württemberg.

Als Mittelwert wird der Median verwendet.

Als armutsgefährdet gelten diejenigen, deren Einkommen weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens beträgt.

 

Die Armutsgefährdungsschwellen 2011 waren für Einpersonenhaushalte in Mecklenburg-Vorpommern 718,00 €, in Baden-Württemberg 925,00 €.

 

Die Armutsgefährdungsquoten, gemessen am Bundesmedian, waren für Baden-Württemberg 11,2 %, gemessen am Landesmedian 14,7 %.

 

Die Armutsgefährdungsquoten von Frauen waren in allen Altersgruppen höher als von Männern.

 

 


Armutsgefährdungsquoten in Baden-Württemberg 2011

gemessen am Landesmedian*

 

Armutsgefährdung 2011 in
Baden-Württemberg nach Haushaltstyp
gemessen am Landesmedian

 

         Einpersonenhaushalt:                                                        25,3 %

         2 Erwachsene ohne Kind:                                                           9,8 %

         2 Erwachsene und 1 Kind:                                                          8,8 %

         2 Erwachsene und 2 Kinder:                                            9,6 %

         2 Erwachsene und 3 und mehr Kinder:                            25,3 %

         1 Erwachsene(r) mit Kindern:                                          43,5 %

 

 

 

In Baden-Württemberg haben wir demnach eine Armutsgefährdung von Alleinerziehenden im Jahre 2011 von 43,5 %.

 

Weitere gefährdete Bevölkerungsgruppen sind:

 

Erwerbslose                                                                      53,0 %

Erwerbstätige                                                                        7,9 %

Niedrig Qualifizierte                                                        36,3 %

Unqualifizierte                                                          5,2 %

Menschen mit Migrationshintergrund              24,0 %

 

Die Armutsgefährdung von Frauen ab 65 Jahren beträgt in Baden-Württemberg

18,5 %.

 

Armutsgefährdung 2011 von Frauen im Alter von 65 und mehr Jahren*

 

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart 2013

* gemessen am jeweiligen Landesmedian

 

Im Ostalbkreis leben 36.073 Frauen, die über 65 Jahre alt sind. 544 Frauen sind Empfängerinnen von Grundsicherung.

 

Bei den Männern sind es 26.174, die über 65 Jahre alt sind und 307 sind Empfänger von Grundsicherung.

 

Alleinerziehende

 

Im Ostalbkreis werden im Jobcenter 1.099 alleinerziehende erwerbsfähige Leistungsberechtigte betreut. Die Einelternfamilien gehen oft auf eine Trennung zurück. Nach der Trennung sind es in der Mehrheit die Mütter, die die Betreuung der Kinder übernehmen und damit häufig zu Alleinerziehenden werden. Über die Hälfte der Alleinerziehenden ist geschieden oder verheiratet, aber getrennt lebend, rund ein Viertel ist ledig und rund ein Fünftel verwitwet. Einelternfamilien sind in Deutschland mittlerweile ein fester Bestandteil der gesellschaftlichen Realität. Rund ein Fünftel der Familien mit minderjährigen Kindern sind Einelternfamilien (Statistisches Bundesamt). Die Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden hängt deutlich vom Alter der Kinder und von der Anzahl der Kinder ab. Das heißt auch von den Betreuungsmöglichkeiten.

 

Im Ostalbkreis gibt es 416 Alleinerziehende, die erwerbstätig sind und ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen.

 

In Bedarfsgemeinschaften mit Alleinerziehenden lebten im Dezember 2012

268 Kinder unter 3 Jahren,

433 Kinder zwischen 3 und 6 Jahren,

701 Kinder unter 7 Jahren,

800 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren und

1.501 Kinder unter 15 Jahren.

 

Das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder ist im Ostalbkreis quantitativ gut, auch für Kinder unter 3 Jahren. Allerdings werden nicht alle Betreuungsformen in allen Gemeinden angeboten. Hier spielt dann der Verein P.A.T.E. mit seinen Tagespflegepersonen eine große Rolle. Wo das Angebot an Betreuungsformen nicht dem individuellen Bedarf entspricht, wird gemeinsam nach Alternativlösungen gesucht.

 

Im Ostalbkreis gibt es eine große Anzahl unterschiedlichster Angebote, um Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf bzw. eine Ausbildung zu erleichtern.

 

 

Maßnahmen und Angebote Kontaktstelle Frau und Beruf,

Geschäftsstelle Ostalbkreis

 

 

 

Maßnahmen und Angebote für Frauen

beim Jobcenter Ostalbkreis

 

 

 

 

Maßnahmen und Angebote für Frauen

bei der Agentur für Arbeit Aalen

 

 

Die in Deutschland noch immer vorherrschende Arbeitsteilung der Geschlechter in männlichen Familienernährer und weibliche Zuverdienerin birgt für Frauen ein hohes Armutsrisiko. Frauen und Männer haben unterschiedliche Lebensverläufe und Erwerbsbiographien. Frauen verdienen schlechter, weil sie häufiger Erwerbsunterbrechungen haben, häufiger in Teilzeit und sogenannten Minijobs arbeiten, in schlechter bezahlten Berufen arbeiten und seltener in Führungspositionen zu finden sind. Im Hinblick auf eine eigene finanzielle Absicherung ist dies für Frauen problematisch, nicht nur, wenn der Partner den Arbeitsplatz verliert, sondern insbesondere im Falle einer Trennung/Scheidung geraten Frauen leicht in Armut, wenn sie vorher nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig waren. Die enorme Armutsquote von Alleinerziehenden weist darauf hin, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung bzw. auch Pflege ein wesentlicher Schlüssel der Armutsvermeidung ist.

 

Prekäre Beschäftigung stellt ein wesentliches Armutsrisiko dar; die Förderung einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit muss im Vordergrund stehen.

 

Menschen nichtdeutscher Herkunft sind häufiger arm. Im Sozialausschuss vom März diesen Jahres wurde ausführlich dargestellt, was der Ostalbkreis unternimmt, damit Integration gelingt.

 

Auch im Bereich Bildung wurden einige Anregungen aus dem Sozialbericht bereits umgesetzt.

 

Armutsvermeidung muss aus einem Mix aus Maßnahmen bestehen. Neben den finanziellen Transfers gehören dazu in erster Linie die Arbeitsmarktintegration der Frauen und Männer, Bildung sowie Betreuungs- und Infrastrukturangebote für Kinder.

 

Armutsvermeidung

 

bedeutet besonderes Augenmerk auf

 

         Berufsbiografien

         existenzsichernde Erwerbsarbeit

         Migration

         Kinderbetreuung

         Bildung

 

 

Anlagen

Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Gleichstellungs- und Familienbeauftragte

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Krumm

 

 

Dezernent V

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Rettenmaier

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

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Pavel