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Vorlage - 145/2012  

 
 
Betreff: Flüchtlingsunterbringung im Ostalbkreis und höhere Asylbewerberleistungen
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Integration und Versorgung   
Beratungsfolge:
Gemeinsame Sitzung des Sozialausschusses und des Jugendhilfeausschusses Kenntnisnahme
25.09.2012 
Sitzung Gemeinsame Sitzung des Sozialausschusses und des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum Januar - Juli 2011 um 15 % gestiegen.

Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem monatlichen Zugang von 580 bis 690 Asylbewerbern, was einen Jahreszugang von etwa 6.000 bis 6.600 Personen bedeutet. Der Ostalbkreis geht 2012 von einer Zuweisung von ca. 200 Asylbewerbern aus.

 

Hauptherkunftsländer sind Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Pakistan. Ein Rückgang der Asylanträge ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Besonders aus Syrien muss im weiteren Jahresverlauf mit einem starken Zugang gerechnet werden. Im Juli war es das zugangsstärkste Herkunftsland mit einer Steigerung von knapp 60 % gegenüber dem Vormonat.

 

Flüchtlinge, die im Rahmen einer humanitären Aktion in einer vorher festgelegten Anzahl nach Deutschland kommen, werden als Kontingentflüchtlinge bezeichnet. In der Vergangenheit waren dies z. B. jüdische Kontingentflüchtlinge aus den ehemaligen sowjetischen Staaten oder Christen aus dem Irak, die Aufnahme in Deutschland fanden.

 

Die Zahl der dem Ostalbkreis zugewiesenen Kontingentflüchtlinge ist in den letzten Jahren gesunken.

 

Kontingentflüchtlinge werden nach den Bestimmungen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) ebenfalls in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, erhalten aber sofort Leistungen nach Hartz IV oder Grundsicherung nach SGB XII.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

II. Künftige Regelung der Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung in               Baden-Württemberg

 

Das Land Baden-Württemberg ist - wie im grün-roten Koalitionsvertrag verankert - bestrebt, die Lebensbedingungen der Asylbewerber und Flüchtlinge, aber auch die Unterbringungspraxis der Aufnahmebehörden in den Kreisen spürbar zu erleichtern. Im Vorgriff auf eine Änderung des bestehenden FlüAG wurden bereits einige Neuerungen im Sinne von mehr Lebensqualität und mehr Flexibilität auf den Weg gebracht.

 

Nicht zuletzt die anhaltend hohen Zugangszahlen bei den Asylbewerbern erfordern flexiblere Lösungen bei der Unterbringung, da die Unterkunftskapazitäten vieler Kreise bereits erschöpft sind. Den Stadt- und Landkreisen wird nunmehr aufgrund einer neuen Verordnung erlaubt, Asylbewerber früher als bislang aus der vorläufigen Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften zu entlassen, um schneller Platz für Neuzugänge aus der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Karlsruhe zu schaffen. Dies hat zur Folge, dass die Flüchtlinge wesentlich früher als bisher den Städten und Gemeinden zur sogenannten Anschlussunterbringung zugewiesen werden. Mit dieser Verordnung appelliert das Land ebenfalls an die Kooperationsbereitschaft der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, für die zugeteilten Flüchtlinge ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

 

Die aktuellen Übergangsbestimmungen des Integrationsministeriums lassen weiterhin die Möglichkeit zu, verstärkt Wohnungen oder andere kleinere Wohnformen für die Unterbringung von Flüchtlingen heranzuziehen. Hier sollen in erster Linie besonders Schutzbedürftige (u. a. Personen mit ansteckenden Erkrankungen oder alleinstehende, schutzsuchende Frauen) oder psychisch erkrankte Personen untergebracht werden.

 

Weitere Erleichterungen, etwa mehr Flexibilität bei der Gewährung von Geldleistungen neben reinen Sachleistungen, runden das Maßnahmepaket des Integrationsministeriums ab.

 

Eine beim Integrationsministerium eingerichtete Arbeitsgruppe hat u. a. nachfolgende Eckpunkte für das künftige FlüAG konzipiert, welche insgesamt unter Finanzierungsvorbehalt stehen:

 

è                            Die vorläufige Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften soll auf die                                           Dauer des Asylverfahrens beschränkt werden.

 

è                            Die Stadt- und Landkreise sollen die Möglichkeit erhalten, neben                                                         Gemeinschaftsunterkünften auch andere geeignete Wohnformen (z. B.                                           abgeschlossene Wohnungen und kleinere Wohneinheiten) vorzusehen.

 

è                            Die gesetzliche Festlegung von derzeit 4,5 m² Wohn- und Schlaffläche je                                           Person soll durch Vorgaben ersetzt werden, die eine spürbar geringere                                           Belegungsdichte sicherstellen.

 

è                            Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sollen als                                           Geldleistungen erbracht werden.

 

è                            Die Mindeststandards für die Sozialarbeit mit Flüchtlingen sollen eindeutiger                             definiert werden. Die Integration der Asylbewerber soll sofort mit Beginn der                             Einreise nach Deutschland beginnen.

 

è                            Die Fallpauschale des Landes an die Stadt- und Landkreise soll entsprechend                             den Änderungen im Flüchtlingsaufnahmerecht angepasst werden.

 

Das Integrationsministerium beabsichtigt, im Herbst einen ersten Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen. Soweit einzelne dieser Punkte zu Mehrkosten führen, steht ihre Realisierung unter dem Vorbehalt, dass zwischen Land und Kommunen ein angemessener Kostenausgleich gefunden wird und hierfür im Landeshaushalt die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden können.

 

 

III. Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge im Ostalbkreis

 

 

 

 

 

Die Gemeinschaftsunterkunft in Schwäbisch Gmünd (incl. 2 angemieteter Wohnungen in der Bethlehemer Strasse mit 11 Plätzen) ist aktuell bei einer Kapazität von 227 Plätzen mit 200 Personen belegt. Da viele Einzelzimmer mit Erkrankten belegt sind und aufgrund familiärer und ethisch/religiöser Konstellationen nicht alle Zimmer komplett belegt werden können, ist die Kapazität dieser Unterkunft vollständig ausgeschöpft.

 

 

In der Gemeinschaftsunterkunft in Aalen stehen 93 Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen und Spätaussiedlern zur Verfügung. Aktuell ist sie vollständig mit 87 Personen belegt.

 

 

Das Gebäude Kochertalstraße 4 in Aalen wurde vor Kurzem vom Landkreis zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet. Es bietet eine Kapazität von 34 Plätzen und wird derzeit bedarfsgerecht umgebaut. Der Geschäftsbereich Integration und Versorgung rechnet je nach Baufortschritt mit einer ersten Belegung des Gebäudes Ende September/Anfang Oktober 2012.

 

 

 

IV. Unterkunftsplanung des Ostalbkreises

 

Aufgrund des zu erwartenden deutlichen Anstiegs der Zugangszahlen und der anhaltend hohen Belegung der aktuell betriebenen  Wohnheime ist es notwendig, weitere Gebäude zur Flüchtlingsunterbringung im Ostalbkreis anzumieten.

 

Nur so kann sichergestellt werden, dass der Kreis seiner monatlichen Aufnahmeverpflichtung gegenüber der Landesaufnahmestelle (LAST) nachkommen kann. Als flankierende Maßnahme zur Anmietung weiterer Flüchtlingswohnheime ist die zeitnahe Verlegung der Flüchtlinge von den Gemeinschaftsunterkünften in die Anschlussunterbringung der Städte und Gemeinden unverzichtbar. Der Geschäftsbereich Integration und Versorgung rechnet im Jahr 2013 mit 40 - 50 Personen, die von den Kommunen des Ostalbkreises untergebracht werden müssen.

 

 

V. Höhere Asylbewerberleistungen

 

Das seit 1993 geltende Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt die Höhe und den Umfang der sozialen Absicherung für Flüchtlinge ohne dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das AsylbLG lediglich den absolut notwendigsten Lebensunterhalt eines Flüchtlings für die vorübergehende Dauer seines Aufenthaltes in Deutschland sicherstellen. Eine Integration der Asylbewerber war vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt.

 

Die Regelsätze des AsylbLG, welche u. a. den notwendigen Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Kleidung usw. decken sollen und zusätzlich ein geringfügiges Taschengeld zur Deckung persönlicher Bedürfnisse umfassen, wurden durch den Gesetzgeber seit 1993 nicht erhöht. Die Höhe der Leistungen an Flüchtlinge lag bisher um ca. 40 % unterhalb des Anspruches eines SGB II/XII-Hilfeempfängers (Hartz IV/Sozialhilfe).

 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 entschieden, dass die bisherigen Leistungen der Höhe nach unzureichend und deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unvereinbar sind. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, für den Anwendungsbereich des AsylbLG unverzüglich eine Neuregelung, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist, zu treffen.

 

Bis zum Inkrafttreten einer solchen Neuregelung hat das BVerfG eine Übergangsregelung getroffen, welche ab 01.08.2012 eine leistungsrechtliche Besserstellung der Flüchtlinge auf dem Niveau der Regelbedarfsstufen des SGB II/XII vorsieht. Die ursprüngliche Entscheidung des Gesetzgebers, zur Deckung des Existenz sichernden Bedarfs vorrangig Sachleistungen vorzusehen, wird durch die Übergangsregelung nicht berührt.

 

Neben einem erhöhten monatlichen Taschengeld in Höhe von 134,00 € für den Haushaltsvorstand (bisher 40,90 €), welches als Geldleistung auszuzahlen ist und der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums dient, können weiterhin Sachleistungen gewährt werden, um den Bedarf der Leistungsberechtigten an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushaltes zu decken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Das BVerfG geht davon aus, dass die bisher gewährten Sachleistungen aktuell das menschenwürdige Existenzminimum tatsächlich decken.

 

In den Gemeinschaftsunterkünften des Ostalbkreises wird weiterhin aufgrund der Vorgaben des FlüAG´s das Sachleistungsprinzip angewendet. Bestimmte Bedarfe, wie

z. B. an Unterkunft oder Ausstattungsgegenständen werden dadurch gedeckt, dass sie den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden; andere Bedarfe wie z. B. an Nahrungsmitteln und Bekleidung können die Hilfeempfänger selbst durch Gutscheine decken.

 

Bei den in den Städten und Gemeinden untergebrachten Flüchtlingen kommen wie bisher Geldleistungen zur Auszahlung. Nach der Übergangsregelung des BVerfG hat beispielsweise ein Haushaltsvorstand nun einen monatlichen Anspruch auf Leistungen in Höhe von 346,00 € (bisher 224,97 €). Auch dieser Gesamtbetrag enthält den Taschengeldanteil von 134,00 €.

 

Geltende Sätze AsylbLG
seit 1993

 

Umsetzung des BVerfG-Urteils
vom 18.07.2012

(Bundeseinheitliche Sätze)

Sachleistungen nach § 3 AsylbLG
für Berechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG

 

Sachleistungen nach § 3 AsylbLG
für Berechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geld-leistung

Sach-

leistung

Geld-/Sachl.
gesamt

 

 

Geld-

leistung

Sach-

leistung

Geld-/Sachl.
gesamt

Haushalts-

vorstand

40,90 €

184,07 €

224,97 €

 

Erwachsene Person
allein stehend oder allein erziehend
eigener Haushalt

134,00 €

212,00 €

346,00 €

Haushalts-

angehöriger  ab 15 Jahre

40,90 €

158,50 €

199,40 €

 

2 Erwachsene Personen
Ehegatten/

Lebenspartner

120,00 €

191,00 €

311,00 €

Haushalts-

angehöriger  ab 8 Jahre

20,45 €

158,50 €

178,95 €

 

Erwachsene Person
weder Ehegatte noch Lebenspartner

107,00 €

170,00 €

277,00 €

Haushalts-

angehöriger  bis 7 Jahre

20,45 €

112,48 €

132,93 €

 

Jugendliche/r Beginn

15. LJ bis
Vollendung 17. LJ

79,00 €

192,00 €

271,00 €

 

 

 

 

 

Kind
Beginn 7 LJ bis Vollendung 14. LJ

86,00 €

152,00 €

238,00 €

 

 

 

 

 

Kind
bis Vollendung

6. LJ

78,00 €

127,00 €

205,00 €

Auch wenn das BVerfG nur die bisher geltenden Regelsätze als verfassungswidrig erklärt hat, so wird aus dem Urteil ersichtlich, dass auch zukünftig die Höhe der Leistungen durch den Gesetzgeber nicht mehr vom Aufenthaltsstatus der Personen oder von der Dauer ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik abhängig gemacht werden dürfen.

 

Zu den Auswirkungen des Urteils auf die Kostenerstattung des Landes an die kommunalen Ausgabenträger ist das Integrationsministerium u. a. mit dem Landkreistag in Abstimmungsgesprächen.

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

Der Zuschussbedarf des Ostalbkreises im Haushaltsjahr 2012 beträgt für die Bereiche Unterbringung und Leistungen für Flüchtlinge sowie für Personal- und Sachaufwand rund 2,3 Mio. €.

 

Die vom Landesgesetzgeber anvisierten Verbesserungen der Unterbringungsstandards für Flüchtlinge werden für die Stadt- und Landkreise, welche für die Unterbringung zuständig sind, erhebliche Folgekosten nach sich ziehen. Insbesondere die Bereitstellung neuer Unterkünfte, die durch höhere Flüchtlingszuweisungen und generell geringere Belegungsdichte erforderlich werden, werden den Kreishaushalt künftig zusätzlich belasten. Die Kreise haben gegenüber dem Land mehrfach darauf hingewiesen, dass Folgekosten, ausgelöst durch eine verbesserte Unterbringung, nicht zu Lasten der Kreise gehen dürfen. Der Landkreistag fordert deshalb vom Integrationsministerium die Erhöhung der Pauschale von derzeit 10.433,00 € pro zugewiesenem Asylbewerber.

 

Durch die Umsetzung des Urteils des BVerfG ab August 2012 entsteht für den Kreishaushalt im Jahr 2012 für Leistungen an Asylbewerber ein Mehraufwand von ca. 185.000 €. Für das Jahr 2013 wird ein Mehraufwand bzw. eine Erhöhung des Zuschussbedarfs von ca. 450.000 € erwartet.


Anlagen

 

keine

 

 

 

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiter

__________________________________________

 

Betz

 

 

Dezernent/in

__________________________________________

 

Rettenmaier

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel