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Vorlage - 122/2012  

 
 
Betreff: Bericht über die Priorisierung von baureifen Bundesfernstraßenvorhaben durch die Landesregierung
Status:öffentlich  
Federführend:Stabsstelle Persönliche Referentin und Leiterin Diversity / Kliniken und Gesundheitsstrategie / Pressereferentin   
Beratungsfolge:
Kreistag Kenntnisnahme
24.07.2012 
Sitzung des Kreistags ungeändert beschlossen   
Anlagen:
Anlage 1 Auflistung_B29
Anlage 2_Überreg. Achsen im Ostalbkreis (Angefordertes Dokument nicht im Bestand)
Anlage 3 Schreiben des Parl. Staatssekretärs

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

1.     Der Kreistag des Ostalbkreises fordert die Landesregierung auf, die in der Analyse der Bewertung der Bundesfernstraßenprojekte aufgezeigten Kritikpunkte zu berücksichtigen und die Prioritätenliste entsprechend zu überarbeiten.

2.     Im Hinblick auf die politische Zusage der Minister und Staatssekretäre mehrerer Regierungen erwartet die Ostalb einen Neubau der Ortsumfahrung Mögglingen „direkt im Anschluss an den Tunnel Schwäbisch Gmünd“.

 

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

Vorbemerkung

 

Am 18. Juni 2012 veröffentlichte die baden-württembergische Landesregierung die von ihr vorgenommene Priorisierung für baureife Bundesfernstraßenprojekte im Land. Vor dem Hintergrund der bestehenden Unterfinanzierung im Bundesfernstraßenbau sollte anhand nachvollziehbarer Kriterien eine Entscheidungsgrundlage für eine sinnvolle Umsetzungsreihenfolge geschaffen werden. Die mit Hilfe von sechs Einzelkriterien bewerteten Projekte wurden in drei Kategorien eingeteilt: Für eine erste Gruppe (5 Projekte) bestehen von 2014 an Realisierungsmöglichkeiten. Eine zweite Gruppe (5 Projekte) kann in Abhängigkeit von den Mittelzuweisungen des Bundes voraussichtlich von 2015/2016 an in Angriff genommen werden. Die dritte Gruppe ist nach jetziger Einschätzung erst später realisierbar.

 

Die Maßnahmen B 29 Ortsumfahrung Mögglingen und B 29 Essingen - Aalen liegen mit jeweils 2,45 gewichteten Punkten auf Rang 16. Damit steht zu befürchten, dass mit ihrer baldigen Realisierung nicht zu rechnen ist.

 

Dieses Ergebnis kann von Seiten des Ostalbkreises aufgrund der Bedeutung der B 29 für die Wirtschaft und Bevölkerung nicht nachvollzogen und akzeptiert werden. Daher wurden von der Landkreisverwaltung folgende Maßnahmen eingeleitet:

 

?      Wiederbelebung des Aktionsbündnisses B 29

?      Dokumentation der Zusagen zum Ausbau der Ortsumfahrung Mögglingen

?      Analyse der Bewertung der Maßnahmen B 29 Ortsumfahrung Mögglingen und B 29 Essingen - Aalen durch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI).

 

 

Die Bedeutung der B 29

 

Die Bundesstraße 29 durchquert als wichtigste Verkehrsachse den Ostalbkreis in seiner gesamten West-Ost-Ausdehnung vom Remstal bis zur bayerischen Landesgrenze. Für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Pendler hat der reibungslose, beeinträchtigungsfreie und sichere Personen- und Warenverkehr auf dieser Hauptachse herausragende Bedeutung. Dies gilt im Ostalbkreis insbesondere vor dem Hintergrund einer dislozierten Wohnstruktur mit nahezu 1.000 Wohnplätzen, der Präsenz von rund 24.000 Unternehmen in Handel, Handwerk, Industrie und Dienstleistung, die sich zum Standort und zur Fläche bekennen, sowie der Pendlerbeziehungen zu sechs angrenzenden Landkreisen und dem Großraum Stuttgart.

 

Zentral in Süddeutschland und gleichzeitig im östlichen Baden-Württemberg gelegen, grenzt der Ostalbkreis an die Landkreise Schwäbisch Hall, Rems-Murr-Kreis, Göppingen und Heidenheim sowie an den Freistaat Bayern mit den Landkreisen Ansbach und Donau-Ries-Kreis. Der Ostalbkreis bildet gemeinsam mit dem Landkreis Heidenheim die Region Ostwürttemberg mit gebietsidentischem Arbeitsagentur- sowie Industrie- und Handelskammerbezirk. In den 42 Kommunen des Wohn- und Wirtschaftsraumes

Ostalbkreis leben insgesamt 310.721 (6/2011) Kreiseinwohner. Nach der Bevölkerungszahl hat der Landkreis damit die 9. Rangstelle im Land. Flächenmäßig liegt er mit 1.512 km² an 3. Stelle unter den 35 Landkreisen in Baden-Württemberg, im Regierungsbezirk Stuttgart ist er der größte Landkreis.

 

Der stimulierende Branchenmix im innovativen Mittelstand und technologieorientierte Großunternehmen mit internationalem Ruf zeichnen den Ostalbkreis als Wirtschaftsraum aus. Global agierende Marktführer haben hier ebenso ihre Wurzeln wie erfolgreiche Mittelständler und dynamische Firmengründer. Branchenschwerpunkte liegen in der Metallindustrie mit dem Maschinen- und Anlagenbau, im Fahrzeugbau mit Zulieferung und bei der Herstellung elektronischer und optischer Erzeugnisse. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung rangiert bei 107.498 (6/2011) Personen. An den innovativen Hochschulen für Gestaltung, Gesundheitswesen, Pädagogik, Technik und Wirtschaft sind an den Studienorten Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd über 7.000 Studierende eingeschrieben. Die enorme Flächengröße des Landkreises sowie das funktionale Zusammenwirken der drei Mittelzentren mit oberzentraler Funktion Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd bei wichtigen Funktionen der Daseinsvorsorge und der Bedarfsdeckung für die Bevölkerung stellen höchste Anforderungen an die Mobilität und damit das Verkehrsnetz mit der wichtigsten inner- und interräumlichen Verbindungsachse B 29 und ihren Querspangen.

 

 

B 29 - Ausbau zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung

 

Für die produktionsstarke und exportorientierte Wirtschaft des Landes ist die verkehrliche Anbindung an überregionale, europäische und weltweite Absatz- und Beschaffungsmärkte existenziell. Aber auch die Nahversorgung in den Regionen kann nur mit einer gut ausgebauten Infrastruktur bewältigt werden. Die Wirtschaftsregion Ostwürttemberg und der Ostalbkreis sind aufgrund der östlichen Randlage in Baden-Württemberg und an der Landesgrenze zu Bayern als Anlieger und Knotenpunkt wichtigster West-Ost- und Nord-Süd-Verbindungen in besonderem Maße auf eine ideale und damit vor allem leistungsfähige Einbindung in das Bundesstraßen- und Autobahnnetz angewiesen. Die Verbindung und Kooperation mit der Europäischen Metropolregion Stuttgart, anderen umgebenden Großräumen und bayerischen Nachbargebieten, u. a. mit dem Wirtschaftsraum München-Augsburg-Ingolstadt erfordern unter verkehrlichen, wirtschaftlichen und strukturellen Aspekten den sofortigen weiteren Ausbau der Bundesstraße 29 als Hauptverkehrsachse des Ostalbkreises und eine der bedeutendsten Entwicklungslinien im Land Baden-Württemberg. Damit ist insgesamt die Sicherung und Verbesserung der Standortgunst zur Bestandsfestigung von Firmen, Unternehmensexpansionen und -ansiedlungen, auch im Standortvergleich innerhalb eines „Europa der Regionen“, verbunden. Die heimische Industrie sowie national und international agierende Dienstleister sind auf die Leistungsfähigkeit dieser Verkehrsachse zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung angewiesen. Der Ostalbkreis ist moderner Industrie-, Produktions-, Forschungs- und Dienstleistungsstandort. Zahlreiche Firmen haben gerade in den vergangenen Jahren enorme Standortinvestitionen vorgenommen und seit Beginn des Jahres 2012 sind bereits weitere Unternehmensinvestitionen mit einem Volumen von rund einer halben Milliarde Euro avisiert. Der Ausbau der B 29 ist eine wesentliche und unabdingbare Voraussetzung zur Sicherung und Steigerung der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit im technologieorientierten und produktionsdominanten Wirtschaftsraum Ostwürttemberg mit einer weit überdurchschnittlichen Beschäftigtenquote von rund 49 % (Land: 37,76 %) im produzierenden Gewerbe und einer Exportquote von 49,6 %. Für die permanente Dynamik im Strukturwandel mit einer Steigerung unternehmensnaher Dienstleistungen und der gesamten Dienstleistungsquote ist die zukunftsorientierte Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur ebenfalls von enormer Bedeutung.

 

Neben der allgemeinen Waren- und Transitlogistik kennzeichnet vor allem die Unternehmensdichte im verarbeitenden Gewerbe ausgeprägte Zuliefer- und Absatzbeziehungen mit häufigen „just-in-time-Verkehren“. Beispielsweise sind in Ostwürttemberg weit über 200 Unternehmen mit mehr als 30.000 Arbeitsplätzen direkte oder indirekte Zulieferer für die Herstellung von Pkw, Lkw, Nutz- und Spezialfahrzeugen. Diese Firmen repräsentieren in einem Automotive-Cluster die für den Automobilbau relevanten Leitbranchen und sind vor allem über die Standortachse B 29 räumlich mit weiteren Zuliefererebenen und verschiedenen Herstellern verbunden. Gleiches gilt für Unternehmensbeziehungen und den straßengebundenen Güteraustausch, beispielsweise in den Branchenschwerpunkten und Wirtschaftsclustern Maschinen- und Anlagenbau, Photonik, Elektrotechnik, Oberflächentechnologie bis hin zur direkten Wertschöpfung der Logistikbranche selbst. Dort allein sind rund 400 national und international agierende Logistikdienstleister, Fuhrunternehmen und Speditionen der Region vom sicheren und schnellen Verkehrswegenetz abhängig.

 

 

B 29 - wichtig für die Innovationskraft

 

Auf Grund der Innovationskraft des leistungsstarken Mittelstandes, verschiedener weltweit führender Leuchtturmunternehmen und der engen Verzahnung von Firmen und forschungsstarken Hochschuleinrichtungen nimmt die Region einen der vordersten Plätze in der deutschen Patentstatistik ein. Diese Positionierung ist ebenso wie die Entwicklung des gesamten Wissens- und Technologietransfers durch direkte und schnellere Anbindungen an große Zentren und internationale Verkehrsknotenpunkte wie die Landeshauptstadt Stuttgart und den dortigen Flughafen zu begünstigen.

 

 

B 29 Ausbau - erste Priorität für die Wirtschaft in der Region

 

Die Wirtschaftsjunioren Ostwürttemberg haben unter dem Signet „Unternehmer bewerten den Standort Ostwürttemberg“ von Ende Oktober bis Anfang November 2010 eine Umfrage unter den Handelsregisterfirmen im Kammerbezirk durchgeführt und danach die Erhebungen im Rahmen einer Standortanalyse veröffentlicht. Obwohl die Umfrage und Analyse nicht repräsentativ ist, vermittelt diese doch ein eindeutiges Stimmungsbild der heimischen Unternehmen zur Wichtigkeit der Fernstraßenanbindung in Ostwürttemberg. Die außerordentlich hohe Bedeutung einer guten Ost-West-Fernstraßenanbindung für die regionale Wirtschaft wird dabei hervorgehoben.

80 Prozent der befragten Unternehmen sehen den primären Bedarf im Ausbau der B 29 Aalen - Schwäbisch Gmünd.

 

 

 

Wiederbelebung des Aktionsbündnisses B 29

 

Am 19. Juni 2012 wurde das Aktionsbündnis B 29 wiederbelebt. Akteure aus Politik, der Wirtschaft, den Gewerkschaften und der Presse werden gemeinsam mit den Bürgermeistern der Gemeinden Mögglingen und Essingen, dem Oberbürgermeister der Stadt Aalen sowie der Landkreisverwaltung alle Kräfte mobilisieren, um den zeitnahen Ausbau der B 29 zu erreichen.

 

 

Dokumentation der Zusagen zum Ausbau der Ortsumfahrung Mögglingen

 

Von der Verwaltung wurde eine Dokumentation der Zusagen zum Ausbau der Ortsumfahrung Mögglingen erstellt (Anlage 1).

 

Insbesondere Herr Staatssekretär Köberle MdL bestätigte in den Jahren 2007 und 2008, dass einvernehmlich mit der Raumschaft festgelegt wurde, „dass die Ortsumgehung Mögglingen nach dem kostenintensiven Tunnel in Schwäbisch Gmünd folgen soll“.

 

Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 verweist die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Karin Roth, auf den im August 2002 erreichten Konsens, dass die B 29, Ortsumgehung Mögglingen, finanziert und begonnen werden kann, nachdem die Ortsumgehung Schwäbisch Gmünd fertig gestellt wurde. Sie bestätigt, dass man sich darauf verständigt habe, „ein weiteres Gespräch zur Finanzierung der Ortsumgehung Mögglingen zu führen, wenn der Fertigstellungstermin für die Ortsumgehung Schwäbisch Gmünd absehbar ist.“

Dies hat Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer mit Schreiben vom 9. Februar 2010 an den Bundestagsabgeordneten Lange bestätigt.

 

In den Schreiben und Gesprächen zur Umsetzung der Maßnahme - und dies spiegelt sich auch in der Presseberichterstattung wider - wurde eindeutig zugesagt, dass die Finanzierung und der Baubeginn der Ortsumgehung Mögglingen in direkter zeitlicher Nähe zur Fertigstellung des Tunnels in Schwäbisch Gmünd erfolgen wird.

 

 

Analyse der Bewertung durch das MVI

 

Der Dringlichkeitsreihung des Ministeriums für Verkehr und Infrastuktur (MVI) liegt eine Bewertung der Maßnahmen nach 6 Hauptkriterien zu Grunde. Es sind dies

 

              - Nutzen-Kosten-Verhältnis

              - Netzfunktion

              - Verkehrsfluss

              - Verkehrssicherheit

              - Lärmentlastung

              - Umweltverträglichkeit.

 

Weitere weiche Kriterien, wie Akzeptanz der Maßnahme in der Raumschaft, sollten zunächst ebenfalls noch in die Bewertung einfließen. Inwieweit dies bei der Bewertung anhand der 6 Hauptkriterien im Hintergrund erfolgt ist, kann nicht nachvollzogen werden.

 

Die Priorisierung ist aus Sicht der Landkreisverwaltung fragwürdig, da die zugrunde gelegten Daten in Teilen nicht die Wirklichkeit treffen. Darüber hinaus ist fraglich, ob bei den konkurrierenden Maßnahmen eine vergleichbare Datenbasis verwendet worden ist.

 

 

Verkehrsmengen

 

B 29 Ortsumfahrung Mögglingen

Im Projektsteckbrief ist hier eine Verkehrsmenge für den DTV2010 von 19.767 KFZ/24 h genannt. Die Zählstelle liegt westlich der Ortslage Mögglingen und stellt deshalb die innerörtlichen Verkehrsbelastungen, die sich aus der Belastung der B 29 mit der Überlagerung des Verkehrs in der Fahrbeziehung L 1158/L 1161 bzw. K 3282 ergeben, nicht richtig, weil zu niedrig, dar.

 

Die zu niedrig angesetzte Verkehrsmenge in der Ortsdurchfahrt hat Auswirkungen auf die Kriterien

 

?         Nutzen-Kosten-Verhältnis

?         Verkehrsfluss

?         Lärmentlassung

 

die damit tendenziell zu schlecht bepunktet werden.

 

 

B 29 Essingen - Aalen

Hier ist im Projektsteckbrief für den DTV2010 die gleiche Verkehrsmenge von 19.767 KFZ/24 h wie für die Umgehung Mögglingen angegeben. Dies ist definitiv falsch, nennt doch die offizielle Statistik der allgemeinen Straßenverkehrszählung für den Bereich zwischen der L 1165 und dem Aalener Dreieck einen DTV2010 von 31.074 KFZ/24 h. Diese deutlich zu niedrig angesetzte Verkehrsmenge hat großen Einfluss auf die Bewertung bei den Kriterien

 

?         Nutzen-Kosten-Verhältnis

?         Verkehrsfluss

?         Verkehrssicherheit.

 

Die getroffenen Einstufungen sind daher zumindest in Teilen unzutreffend und zu niedrig.

 

 

Kosten

 

Ein Vergleich der Herstellungskosten zwischen dem Investitionsrahmenplan 2011 - 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) des Bundesministeriums für Verkehr vom Dezember 2011 und den nun im Rahmen der Priorisierung genannten Kosten im Juni 2012, also nur ein halbes Jahr später zeigt folgendes Ergebnis:

 

Maßnahme

IRP 2011 - 2015

Dez 2011

Priorisierung MVI

Jun 2012

Steigerungsfaktor

B 29 OU Mögglingen

48,50 Mio €

66,85 Mio. €

1,3784

B 29 Essingen - Aalen

16,90 Mio €

34,65 Mio. €

2,0503

Kostendefinition

Finanzierungsbedarf ab 2011

Gesamtkosten des Pro-jekts, die noch zu realisieren sind

 

 

Der Kostenanstieg rührt aus einer Kostenfortschreibung des Regierungspräsidiums vom Frühjahr 2012 her, nachdem lange Zeit keine Kostenfortschreibungen mehr durchgeführt worden sind. Basis der neuen Zahlen sind Ausführungspläne, die mittlerweile zumindest in der Entwurfsphase vorliegen. Insofern dürften die neuen Kosten realistisch sein. Allerdings bleibt die Frage zu stellen, ob bei den konkurrierenden Maßnahmen eine vergleichbare detailscharfe Kostenfortschreibung erfolgt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, läge ein massive Wettbewerbsverzerrung vor. Angesicht der meist geringeren Steigerungsfaktoren bei den anderen Maßnahmen bleiben Zweifel an der Vergleichbarkeit.

 

 

Nutzen-Kosten-Verhältnis

 

Das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) wird neben den Kosten ganz wesentlich von den angesetzten Verkehrsmengen für die heutige und die zukünftige Belastung innerorts und auf der Umgehungsstraße bestimmt, da der Nutzen sich in erster Linie auf der Basis der Verkehrsmengen ermitteln lässt. Fehleinschätzungen bei den Kosten und bei den Verkehrsmengen bestimmen also massiv das Ergebnis, d. h. verfälschen es. Es ist deshalb fragwürdig, das im Rahmen der Bundesfernstraßenbedarfsplanung ermittelte, auf einer recht alten Datenbasis ermittelte Nutzkostenverhältnis nur auf der Seite der Kosten anzupassen und den Betrag für den Nutzen nicht zu verändern, wie dies wohl geschehen ist. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis subsumiert in Teilen auch die anderen Bewertungskriterien. Damit werden bestimmte Fakten zweimal bewertet. Inwieweit das für die Maßnahmen im Ostalbkreis schädlich ist, kann mangels nicht bekannter Daten des NKV noch nicht abgeschätzt werden.

 

 

Netzfunktion

 

Bei beiden Maßnahmen ist die Netzfunktion der B 29 unterbewertet.

 

In der Priorisierung wird die B 29 nur als überregionale Verbindung zwischen einem Obenzentrum und einem Mittelzentrum, die in hohem Maße die überregionale Verbindungsfunktion erfüllt, bewertet. Dies ist bei strenger Auslegung des Landesentwicklungsplans korrekt, da Aalen als Mittelzentrum ausgewiesen ist und die Region Ostwürttemberg kein Oberzentrum aufweisen kann.

 

Dabei wird verkannt, dass der Raum Aalen, Heidenheim, Schwäbisch Gmünd in der Gesamtheit mindestens oberzentrale Teilfunktionen hat und die B 29 eine alternative Achsenfunktion zur A 8 zwischen den Oberzentren Stuttgart und Augsburg aufweist. Insofern wäre eine Bewertung mindestens als Steckenzug, der eine großräumige Verbindungsfunktion erfüllt, angemessen.

 

Bei einer Auslegung entsprechend den Aussagen von Verkehrsminister Hermann beim Verkehrsforum in Aalen am 19.03.2012 zur Bedeutung der B 29 als wichtige Verkehrsachse müsste für die B 29 auch eine Einstufung als Streckenzug, der eine großräumige Verbindungsfunktion in hohem Maße erfüllt (Metropol Region Stuttgart <==> Oberzentrum Augsburg), erfolgen (Anlage 2).

 

Eine in der Netzfunktion höhere Bewertung allein würde die beiden Maßnahmen auf Rang 13 heben, bei optimaler Bewertung auf Rang 7 und damit zu Maßnahmen „Baubeginne ab 2015/2016 möglich.“

 

 

Verkehrssicherheit

 

Durch verkehrrechtliche Maßnahmen (Lichtsignalanlagen, Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachung) konnte die Verkehrssicherheit soweit erhöht werden, dass das Unfallgeschehen in der Ortsdurchfahrt Mögglingen relativ unauffällig ist und gravierende Defizite, die zu einer hohen Bewertung für die Umgehung führen könnten, nicht vorliegen.

 

Nichtsdestotrotz ist die Situation in Mögglingen für Fußgänger sehr unbefriedigend. Nachdem die Zahl der Rotlichtverstöße an den überwachten Fußgängerampeln von 680 im Jahr 2006 auf 229 Verstöße im Jahr 2010 gesunken war, lässt sich aktuell wieder eine steigende Tendenz beobachten. Im Jahr 2011 wurden 591 Rotlichtverstöße geahndet.

 

Die Verkehrssituation in Mögglingen mit einer engen, kurvenreichen Strecke mit beidseitiger Bebauung und einem Verkehrsaufkommen, dass das Überqueren der Straße nur mit Hilfe von Fußgängerampeln möglich macht, führt zu einer massiven Gefährdung der schwächsten Verkehrsteilnehmer - Fußgängern, insbesondere Schulkindern, und Radfahrern. Allein die Parameter Unfallgeschehen und Unfallschwere bilden diese Gefährdung nicht ab.

 

Der Knotenpunkt am Essinger Bahnhof fällt zudem seit Jahren als Unfallhäufungspunkt auf. Das Unfallgeschehen hat seine Ursache in der Überlastung der Knotenpunkte und der Strecke. Änderungen an der Signalisierung sind nicht zielführend, weil die Grenze der Leistungsfähigkeit schlicht weg überschritten ist und die Knotenleistungsfähigkeit nicht mehr gesteigert werden kann. Ein Ausbau der Einmündungen scheidet angesichts der hohen Kosten und der fehlenden Kompatibilität mit dem Endausbauzustand aus.

 

Eine Verringerung des Unfallgeschehens kann nur noch durch eine Realisierung der Maßnahme erreicht werden.

 

 


Lärmentlastung

 

Die Lärmentlastung ist zwar bei der Ortsumfahrung Mögglingen mit einem hohen Punktwert bedacht, eine höhere Bewertung erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass die Lärmsanierungsgrenzwerte in der Ortsdurchfahrt Mögglingen am Tage um fast 3 dB(A) und in der Nacht um mehr als 5 dB(A) überschritten werden und damit enteignungsgleiche, weil massiv gesundheitsgefährdende Tatbestände erreicht werden, angemessen.

 

Aktuelle Messungen im Jahr 2012 haben ergeben, dass der schwere Verkehr an den betrachteten Tagen einen Anteil von 27,4 % des gesamten Verkehrsaufkommens in Mögglingen ausmacht und sich die Verkehrsbelastung zudem in die Nachtstunden verschiebt.

 

 

Verkehrsfluss

 

Die anzusetzenden Verkehrsmengen betragen für die

?         Ortsdurchfahrt Mögglingen ca. 25.000 Kfz / 24 h

?         Essingen - Aalen mindestens 31.000 Kfz / 24 h

 

Damit ergibt sich für Mögglingen ein höherer Belastungsquotient, was zu einem Punktwert von mindestens 4 führt, also mindestens 1 Punkt mehr als in der Priorisierung.

 

Für die Strecke Essingen - Aalen ergibt sich ebenfalls ein höherer Belastungsquotient was zu einem Punktwert von 5 führt, also 2 Punkte mehr als in der Priorisierung.

 


Zusammenfassung

 

In der Gesamtschau ergeben sich nach Auffassung der Landkreisverwaltung damit die folgenden Einzelpunktwerte mit der gewichteten Punktsumme, die richtiger Weise der Bewertung zugrunde gelegt werden müssten:

 

 

Bewertungskriterium

B 29 OU Mögglingen

B 29 Essingen - Aalen

Nutzen-Kosten-Verhältnis

              21

              21

Netzfunktion

              3  (4)

              3  (4)

Verkehrsfluss

              4  (5)

              5

Verkehrssicherheit

              3

              2  (3)

Lärmentlastung

              4  (5)

              2

Umweltverträglichkeit

              21

              41

Summe gewichtet

              2,95  (3,4)

              2,90  (3,25)

 

1              Bewertung wird mangels Überprüfbarkeit akzeptiert. Wobei beim NKV angesichts der falschen Verkehrsbelastungszahlen große Zweifel bleiben. Die Klammerwerte zeigen die Punktwerte bei besonders günstiger Beurteilung.

 

 

Eine aus Sicht der Landkreisverwaltung korrekte Bewertung würde bei gleichbleibender Bewertung der Konkurrenzmaßnahmen

 

?         die Ortsumgehung Mögglingen in der Gruppe 1 sehen, d. h. in dem Bereich „Baubeginn ab 2014/2015 möglich“

 

und die Strecke



 

?  Essingen - Aalen

 

 

einen Rang dahinter.

 

 

 


Fazit

 

Vor dem Hintergrund des oben dargestellten Sachverhalts stellen sich der Landkreisverwaltung folgende Fragen, die für eine transparente und objektive Bewertung der Kriterien einer Beantwortung bedürfen:

 

 

1.              Wie wurde sichergestellt, dass die Kostenstände zu allen 20 Maßnahmen auf der gleichen Basis ermittelt worden sind, was die Planungstiefe, Preisstände und die Richtliniengrundlage anbelangt?

 

2.              Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung der B 29 als wichtige Verkehrsachse vor dem Hintergrund der Systematik des Bewertungsverfahrens?

 

3.              Wie wurden die Nutzen-Kosten-Verhältnisse fortgeschrieben?
 

4.              Wie erklärt sich die Differenz zwischen den bisher genannten Kosten im Investitionsrahmenplan des Bundes vom Dezember 2011 und der nun im Juni 2012 angesetzten Kostensumme?

 

5.              Wurde eine Kostenfortschreibung durchgeführt und wenn ja, wann?

 

6.              Wie wurde sichergestellt, dass bei allen 20 priorisierten Bundesfernstraßenbauprojekten des Landes Baden-Württemberg die gleichen Ausgangskriterien wie für die B 29 Ortsumfahrung Mögglingen und die B 29 Essingen - Aalen unter 3. - 5. angewandt worden?

 

7.              Wann wurde diese Kostenfortschreibung mit dem Bundesminister für Verkehr abgestimmt und von diesem akzeptiert?

 

8.              Auf welcher Basis beruht die Kostenermittlung (Planungsstand, Preisstände, Richtliniengrundlage)?

 

9.               Welche Parameter wurden bei Kostenfortschreibungen berücksichtigt?

 

10.              Welche Festlegungen wurden für jeweilige Bewertungskriterien Nutzen-Kosten-Verhältnis, Verkehrsfluss, Verkehrssicherheit, Netzfunktion, Lärmschutz, Umweltschutz getroffen und welche Daten sind mit welchem Wert in die Beurteilung eingeflossen?

 

 

 

 

 

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

Anlagen

 

1.     Zusagen zur Ortsumfahrung Mögglingen

2.     Überregionale Achsen im Ostalbkreis  

3.     Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer an Herrn Norbert Barthle MdB

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sichtvermerke

 

     

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Schäffler

 

 

Dezernat II

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Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 2 1 Anlage 1 Auflistung_B29 (124 KB)    
Anlage 3 2 Anlage 2_Überreg. Achsen im Ostalbkreis (Angefordertes Dokument nicht im Bestand)    
Anlage 1 3 Anlage 3 Schreiben des Parl. Staatssekretärs (491 KB)