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Vorlage - 057/2011  

 
 
Betreff: Entwurf eines Bundeskinderschutzgesetzes
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme
10.05.2011 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

I.  Ausgangssituation und Allgemeines

 

Der Kinderschutz in Deutschland hat in den letzten Jahren auf Grund der verbesserten Rechtsgrundlagen im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII – Kinder und Jugendhilfegesetz), sowie im Kindschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), den verschiedenen Modellprogrammen der Länder, vor allem aber der konsequenten und nachhaltigen Qualifizierung der örtlichen Praxis in den Jugendämtern und bei den freien Trägern ein hohes Niveau erreicht. Dennoch sieht die Bundesregierung in verschiedenen Feldern des präventiven und des intervenierenden Kinderschutzes weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

 

Das Bundeskabinett hat am 16. März 2011 das von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Schröder, vorgelegte neue Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) beschlossen. Das Gesetz soll einen umfassenden aktiven Kinderschutz in Deutschland weiter voranbringen.

 

Nach dem Gesetzentwurf sollen Fragen des Kinderschutzes an folgenden Zielen gemessen werden:

 

?         Stärkung präventiver Ansätze und der hierfür notwendigen Kooperation in Netzwerken Früher Hilfen,

 

?         Weiterqualifizierung der Einschätzung und Abwendung von Kindeswohlgefährdung,

 

?         Verbesserung des Schutzes in Einrichtungen, in denen Kinder/Jugendliche leben oder die mit Kinder/Jugendlichen in Kontakt sind.

 

 

II.  Inhalt und Ziele des Gesetzentwurfes

 

Inhaltsübersicht:

Durch das Bundeskinderschutzgesetz soll ein neues Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz eingeführt werden. Darüber hinaus gibt es wesentliche Änderungen im SGB VIII, Änderungen im SGB IX und im Schwangerschaftskonfliktgesetz. Das Bundeskinderschutzgesetz soll zum 01.01.2012 in Kraft treten. 

 

Frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke schon für werdende Eltern:

Der Gesetzentwurf schafft die rechtlichen Grundlagen dafür, leicht zugängliche Hilfeangebote für Familien vor und nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren des Kindes flächendeckend einzuführen und zu verstetigen. Alle wichtigen Akteure im Kinderschutz, Jugendämter, Kindertageseinrichtungen, Schulen, Schwangerenberatungsstellen, Polizei und der Gesundheitsbereich sollen in einem Kooperationsnetzwerk zusammengeführt werden.

 

Verstärkter Einsatz von Familienhebammen:

Ab 2012 will das Bundesfamilienministerium über 4 Jahre hinweg jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Damit soll der Einsatz von Familienhebammen in Deutschland als ein wichtiges Element im Bereich Frühe Hilfen stark ausgebaut werden.

 

Verbindliche Standards in der Kinder- und Jugendhilfe:

Verbindliche Standards wie etwa Leitlinien zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen sollen entwickelt, angewendet und regelmäßig überprüft werden. An die Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und –sicherung soll auch die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln geknüpft werden.

 

Verhinderung des Jugendamts-Hopping:

Die Gesetzesänderung will künftig sicherstellen, dass bei Umzug einer Familie, in der Anhaltspunkte hinsichtlich Kindeswohlgefährdung vorliegen, das neu zuständige Jugendamt die notwendigen Informationen vom bisher zuständigen Jugendamt nahtlos erhält.

 

Führungszeugnis von Mitarbeitern:

Alle hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen und freien Jugendhilfe sollen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Für Ehrenamtliche vereinbaren die Träger die Vorlagepflicht des erweiterten Führungszeugnisses je nach Art, Dauer und Intensität des Kontakts zu Kindern und Jugendlichen.

 

Pflicht zum Hausbesuch:

Der Hausbesuch soll gem. § 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung zur Pflicht werden, soweit dieser nicht den wirksamen Schutz des Kindes in Frage stellt und ein Hausbesuch aus fachlicher Sicht erforderlich ist. 

 

Befugnisnorm für Berufsgeheimnisträger:

Häufig sind es Ärzte oder andere sogenannte Berufsgeheimnisträger, für die eine Gefährdung eines Kindes als erste erkennbar wird. Berufsgeheimnisträger sollen nicht durch ihre Schweigepflicht davon abgehalten werden, eine Mitteilung an das Jugendamt zu machen, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist. Dabei soll die schützenswerte Beziehung zwischen z.B. Arzt und Patient so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.

 

 

III.  Positives und Kritisches:

 

Positives (aus Sicht der Fachöffentlichkeit):

 

?         Die gesetzlich-strukturelle Sicherung des Systems Frühe Hilfen wird an zahlreichen Stellen im Gesetzentwurf verfolgt. Das BKiSchG macht mit entsprechender Verbindlichkeit deutlich, dass systemübergreifende Kooperation und Koordination zum selbstverständlichen Standard bei der Hilfe während Schwangerschaft und früher Kindheit gehören.

 

?         Die verbindliche Strukturierung der Fallübergabe bei Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zwischen Jugendämtern im Kontext von Kindeswohlgefährdung und Leistungsgewährung ist grundsätzlich begrüßenswert und reduziert Betreuungslücken durch das sog. Jugendamts-Hopping. Andererseits kann die Verpflichtung zum persönlichen gemeinsamen Gespräch bei ansonsten klarer Fallkonstellation zwischen zwei möglicherweise weit entfernt liegenden Jugendämtern schon als unnötige Gängelung durch den Gesetzgeber erscheinen. Ein Telefongespräch und die Verpflichtung zur nahtlosen Fallbearbeitung zwischen abgebendem und neu zuständigem Jugendamt wäre in der Regel ausreichend.

 

?         Der Anspruch von Berufsgruppen der Gesundheitshilfe, Lehrern und weiteren mit Kindern/Jugendlichen befassten Professionen auf Fachberatung durch den öffentlichen Jugendhilfeträger zur Gefährdungseinschätzung und Klärung des Hilfebedarfs bietet Potenzial für eine Verbesserung des Umgangs mit Kindeswohlgefährdungen und zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses der beteiligten Systeme.

 

?         Die Entwicklung fachlicher Standards als Bestandteil der Qualitätsentwicklung dürfte nachhaltige Qualitätsdebatten sowie wissenschaftliche Evaluation fördern.

 

?         Die geplante Erweiterung der Kinder- und Jugendhilfestatistik im SGB VIII zur Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts im Kinderschutz wird die Kommunizierbarkeit dessen, was Jugendämter in diesem Bereich leisten, spürbar verbessern und nachvollziehbarer machen.

 

 

Kritisches:

 

Die meisten bisherigen Kritikpunkte der Fachwelt am Referentenentwurf wurden beim nun vorliegenden Regierungsentwurf berücksichtigt. Folgende Nachbesserungsbedarfe und Kritikpunkte werden von ihr weiter benannt:
 

?         Zu keiner Bestimmung des Kinder- und Jugendhilferechts gab es so viele Fortbildungen wie zu § 8a SGB VIII (Einschätzung des Gefährdungsrisikos) seit seiner Einführung 2005. Die Vorschrift ist etabliert und wirft nach anfänglichen Unsicherheiten keine wesentlichen streitigen Auslegungsfragen auf.
 

?         Die Verpflichtung zu Sicherstellungsvereinbarungen zur Qualitätsentwicklung mit allen Trägern, zu allen Angeboten und zu allen Zielen des SGB VIII würde zu einer Bürokratisierung der Kinder- und Jugendhilfe unabsehbaren Ausmaßes führen. Diese Vorschrift wird allenfalls zum Ausstoß gewaltiger Mengen bedruckten Papiers führen, enorme personelle Ressourcen binden, aber in der Praxis wenig helfen. Die bereits geltende Normierung in § 79 Abs. 2 S. 1 SGB VIII genügt zur Entwicklung von Kriterien zur Qualitätsbewertung und –entwicklung.

 

?         Enttäuschend ist das Fehlen jedweder Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit und damit eines gesetzgeberischen Bekenntnisses zum Kinderschutz im Gesundheitsbereich. Nicht gesetzlich abgesichert bleibt dadurch das Engagement des Gesundheitsbereichs im System Frühe Hilfen mit seinen Elementen der gesundheitlichen Prävention. An diesem Punkt wird der Gesetzentwurf seiner Verantwortung zur Unterstützung eines gesunden Aufwachsens von Kindern und dem vielerorts bereits gegebenen Engagement in der Praxis der Gesundheitshilfe nicht gerecht.

 

 

 

IV.  Situation im Ostalbkreis

 

Die Verankerung Früher Hilfen, verlässlicher Netzwerke und der ausdrückliche Beratungsanspruch für werdende Eltern und in den ersten Lebensjahren des Kindes im Regierungsentwurf bestätigen die besonderen Anstrengungen des Ostalbkreises in diesem Bereich. Die Umsetzung des Landesprogramms STÄRKE ist kaum einem anderen Stadt- oder Landkreis so gut gelungen wie dem Ostalbkreis. In enger Kooperation mit unterschiedlichsten Trägern konnte im Ostalbkreis ein breites Angebot an Elternbildung und Früher Hilfen aufgebaut werden. Durch das geplante Bundeskinderschutzgesetz wird eine Verstetigung dieser Aufbaubemühungen erreicht. Die Vernetzung der Akteure in den Frühen Hilfen und damit auch im präventiven Kinderschutz ist im Ostalbkreis durch das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ und durch die dauerhafte Vernetzung „Gut begleitet durchs Kinderleben“ auf einem hohen Niveau. Der Beratungsanspruch von werdenden Eltern und in den ersten Lebensjahren des Kindes trifft exakt die im Jahr 2009 veränderte Ausrichtung unserer Beratungsstelle für Schwangere und Eltern mit Kleinstkindern im Geschäftsbereich Jugend und Familie.

 

Bereits durch die Landesförderung für Familienhebammen und Familienkinderkrankenschwestern wurde der Ausbau dieses Elements der Frühen Hilfen vorangebracht. Im Ostalbkreis haben mehrere Fachkräfte die Weiterbildung zur Familienhebamme oder Familienkinderkrankenschwester aufgenommen. Das nun geplante Förderprogramm des Bundes mit deutlichen finanziellen Anreizen wird dem weiteren Ausbau auch im Ostalbkreis einen spürbaren Schub verleihen.

 

Die verschärften Vorschriften zum Kinderschutz und zur Verhinderung des Jugendamts-Hopping, der Wegfall der Sonderzuständigkeit bei auf Dauer angelegten Vollzeitpflegeverhältnissen sowie die über alle Bereiche des SGB VIII gestülpten und aufgeblähten Vorschriften zur Qualitätsentwicklung werden zusätzliche personelle Ressourcen auch im Ostalbkreis erfordern.

 

In der Gesamtbetrachtung kann aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe im Ostalbkreis das von der Bundesregierung verabschiedete Bundeskinderschutzgesetz dennoch in weitenTeilen positiv bewertet werden. Über die weitere Entwicklung wird die Verwaltung berichten.

 

 

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

Die Familienministerin wurde mehrfach mit den Worten „Es gibt keinen Kinderschutz zum Nulltarif“ zitiert. Dem Gesetzentwurf ist eine Übersicht zu den zu erwartenden Mehrkosten angehängt.  Danach werden für die zeitlich befristete Bundesinitiative zum Aus- u. Aufbau des Einsatzes von Familienhebammen 30 Millionen Euro jährlich für den Bund veranschlagt.

 

Die im Weiteren veranschlagten Mehrkosten würden auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Form von Personal- und Sachkosten sowie Leistungsausgaben zukommen:

 

20 Millionen Euro jährlich werden für den erweiterten Beratungsanspruch zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung für Gesundheits- und weitere Berufsgruppen veranschlagt.

 

Für die enger gefassten Vorschriften in § 8a SGB VIII werden Mehrkosten von 2 Millionen Euro jährlich veranschlagt.

 

Für den Auf- und Ausbau Früher Hilfen in der Jugendhilfe werden jährlich 30 Millionen Euro Mehrbedarf erwartet.

 

Die erweiterten Vorschriften zum Ausschluss einschlägig Vorbestrafter werden voraussichtlich 5 Millionen Euro jährlich zusätzlich verursachen.

 

Für die veränderten Vorgaben zur Qualitätsentwicklung und –sicherung werden für die ersten zwei Jahre zusätzlich 35 Millionen Euro jährlich veranschlagt, danach 10 Millionen jährlich.

 

Bricht man diese von der Bundesregierung veranschlagten Mehrkosten anhand der Zahl der Jugendeinwohner (2009: 71.536 / 0 bis unter 21-Jährige) auf den Ostalbkreis herunter, so wäre für die Umsetzung des Gesetzes knapp eine halbe Million Euro jährlich an Mehraufwand für die Kinder- und Jugendhilfe im Ostalbkreis zu erwarten.

 

 

 

Anlagen

Anlagen

 

-

 

 

 

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiterin

__________________________________________

 

Funk

 

 

Dezernent/in

__________________________________________

 

Rettenmaier

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel