Bürgerinformationssystem

Vorlage - 125/2010  

 
 
Betreff: Sucht und Drogen - Aktueller Stand an den Beruflichen Schulen des Ostalbkreises
Status:öffentlich  
Federführend:Beratung, Planung, Prävention   
Beratungsfolge:
Ausschuss für Bildung und Finanzen Kenntnisnahme
11.10.2010 
Sitzung des Ausschusses für Bildung und Finanzen ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

I. Allgemeines

 

Der Ostalbkreis ist Träger dreier Beruflicher Schulzentren in Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd. An diesen drei Standorten wurden im Schuljahr 2009/10 ca. 12.000 Schüler/-innen beschult. Davon sind 60% (entsprechend 7.200) männlichen und 40% (4.800) weiblichen Geschlechts. Der ganz überwiegende Teil der Schüler/-innen ist zwischen 18 und 25 Jahren alt.

 

Aus Sicht der Präventionsstelle beim Landratsamt Ostalbkreis gibt es derzeit keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass an den Beruflichen Schulzentren im Landkreis ein - landesweit betrachtet - überdurchschnittlich hohes Suchtpotential vorhanden ist. Allerdings gibt es auch keine Hinweise darauf, welche die Annahme rechtfertigen würden, an diesen Schulzentren sei im Hinblick auf Suchtmittelmissbrauch eine über-durchschnittlich positive Situation vorzufinden. Nach wie vor lassen die bundesweiten Erkenntnisse den Schluss zu, dass auch „normale“ Verhältnisse ausreichend Anlass zu Besorgnis geben.

 

 

II. Suchtformen

 

Im Folgenden wird ausgeführt, von welcher Anzahl Suchtmittel konsumierender Schüler/-innen wir an unseren Beruflichen Schulzentren im Ostalbkreis auszugehen haben. Dazu legen wir die Erkenntnisse bundesweiter Untersuchungen zu dieser Altersgruppe zu Grunde[1].

 

2.1 Alkohol

Alkohol ist nach wie vor die Droge, welche die Lebenswirklichkeit vieler junger Menschen prägt. Darin spiegelt sich natürlich auch die gesamtgesellschaftliche Situation wieder. Allerdings ist gerade bei jungen Menschen in den letzten fünf Jahren ein deutlicher Trend hin zum Rauschtrinken zu beobachten, welcher in einer Vielzahl zu akuten Behandlungsnotwendigkeiten in den Akutkrankenhäusern führt. Allein bei den unter 18-Jährigen werden in den Kliniken im Ostalbkreis bis zu 120 Kinder und Jugendliche/Jahr behandelt; eine noch höhere Zahl ist bei den 18- bis 25-Jährigen festzustellen. Dies ist eben jene Zielgruppe, welche auch an den Beruflichen Schulen anzutreffen ist.

 

Entsprechend der statistischen Daten ist davon auszugehen, dass ca. 37% und somit 4.440 Schüler/-innen regelmäßig - was mindestens einmal je Woche bedeutet - Alkohol konsumieren. Dass Alkoholkonsum nicht „nur“ auf Bier oder Wein beschränkt ist, zeigen die Angaben über den Konsum von Spirituosen in den letzten dreißig Tagen: Hier müssen wir davon ausgehen, dass dieses Merkmal von 5.400 Schüler/-innen erfüllt wird. Zieht man von dieser Zahl all diejenigen ab, welche „nur“ Alkopops oder Cocktails konsumieren, kommen wir immer noch auf eine Größenordnung von ca. 4.500 Schüler/-innen, die Branntwein in ihrer „harten“ Form konsumieren.

 

Rauschtrinken - laut Definition werden bei einer Konsumgelegenheit mindestens fünf Einheiten eines alkoholischen Getränks konsumiert - wird mindestens einmal die Woche von 1.730 Schüler/-innen praktiziert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Anteil dieser Schüler/-innen auf dem Schulweg morgens noch mit bedenklichen Promillezahlen unterwegs ist. Daraus folgernd müssen wir ebenfalls davon ausgehen, dass einige dieser Schüler/-innen noch mit Restalkohol im Blut am Unterricht teilnehmen: Aus den bundesweiten Erhebungen wissen wir, dass Rauschtrinken von 18-Jährigen und Älteren nicht nur am Wochenende, sondern auch an ganz normalen Werktagen praktiziert wird.

 

Trotz dieser Entwicklungen kann eindeutig festgestellt werden, dass Angebote wie das „fifty-fifty-Taxi“ ebenso wie die Präventionsmaßnahmen gerade für junge Fahrer Wirkung zeitigen. „Einer bleibt nüchtern“ ist nicht nur ein Slogan, sondern bei einem großen Teil junger Fahrer/-innen und Heranwachsender gelebter Alltag.

 

Legt man die strengen Diagnosekriterien der Suchthilfeeinrichtungen zu Grunde, be-treiben ca. 770 Schüler/-innen missbräuchlichen Alkoholkonsum, bei 540 Schüler/-innen ist eine Alkoholabhängigkeit, also eine bereits manifeste Suchterkrankung vorhanden.

 

2.2. Nikotin

Eine wesentliche Änderung in der Beurteilung des Rauchens in der Öffentlichkeit ist im Lauf des Jahres 2007 eingetreten: Zum 01.08. in diesem Jahr trat das Landes-nichtraucherschutzgesetz in Baden-Württemberg in Kraft, welches insbesondere das Rauchen in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Gebäuden, in Gaststätten und im Besondern auch an Schulen regelt. Zwar wurde aus Sicht der Suchthilfe versäumt, Schulen grundsätzlich zu rauchfreien Einrichtungen zu machen. Allerdings sieht das Gesetz nur noch an Berufsschulen und Gymnasien die Möglichkeit vor, durch jährlichen Beschluss der Schulkonferenz das Rauchen in klar definierten Raucherzonen zuzulassen (§ 2 Abs. 2 LNRSchG).

 

Des Weiteren trat zum 01.09.2007 die Novellierung des Jugendschutzgesetzes in Kraft, welche das Rauchen in der Öffentlichkeit unter 18-Jährigen ebenso untersagt wie die Abgabe von Tabakprodukten an unter 18-Jährige (§ 10 JuSchG).

 

Diese gesetzlichen Maßnahmen verbunden mit regelmäßigen Erhöhungen der Tabak-steuer haben dazu beigetragen, dass der Anteil der Raucher/-innen auch bei Jugend-lichen und jungen Erwachsensen stagniert bzw. in einzelnen Alterssegmenten deutlich rückläufig ist. Es hat sich hier gezeigt, dass durch massive Einschränkungen und damit klare Regelungen über die Möglichkeiten des Rauchens sehr deutliche Auswirkungen auf das Konsumverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsensen erzielt werden können. Nach den Erkenntnissen der Präventionsforschung sind diese Regelsetzungen umso wirksamer, je stärker sie mit verhaltensbezogenen Präventionsprojekten ver-knüpft werden.

 

An den Beruflichen Schulen im Ostalbkreis gehen wir von ca. 5.130 regelmäßigen Raucher/-innen aus. Von diesen sind etwa 690 starke Raucher/-innen, welche 20 oder mehr Zigaretten/Tag rauchen.

 

2.3 Illegale Drogen

Die Landkreisverwaltung ist sich mit den Freien Trägern der Suchthilfe im Ostalbkreis einig, dass gerade bei illegalen Drogen klare Regelungen unabdingbar sind. So wird es begrüßt, dass der Bundesgesetzgeber weder den Besitz oder jeden anderen Um-gang mit einer Droge straffrei stellt. Gerade bei der Droge Cannabis gehen allerdings viele junge Menschen und leider auch zahlreiche Erwachsene von einer Straffreiheit beim Besitz einer geringen Menge von Cannabis aus. Wenn auch im Einzelfall ein Strafverfahren eingestellt werden kann, wird doch in jedem festgestellten Fall ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches in der Regel auch ein Verwaltungsverfahren bei der Führerscheinstelle nach sich zieht. Dieses Verwaltungsverfahren hat häufig deutlichere und härtere Konsequenzen zur Folge als die strafrechtliche Sanktionierung.

 

Bei der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen wird davon ausgegangen dass ca. 6,5% der Männer und ca. 3,5% der Frauen aktuelle Konsument/-innen illegaler Drogen sind. Nur ein ganz geringer Anteil von ihnen wird die sogenannten „harten“ Drogen wie Heroin, Kokain oder Ecstasy konsumieren. Der ganz überwiegende Teil von ihnen konsumiert die als weich eingeschätzte Droge Cannabis. Dass Cannabis bei weitem nicht so harmlos ist, wie von Vielen vermutet, zeigt ein Blick in die Statistiken der Suchtberatungsstellen, welche gerade bei dieser Droge in den vergangenen Jahren eine stetig wachsende Anzahl Hilfesuchender verzeichnet. Trotz eines deutlich geringeren Strafverfolgungs-drucks sind es in der Zwischenzeit sehr viel mehr Cannabis-Abhängige als Heroin-Abhängige, welche an den Beratungsstellen um Hilfe nachsuchen.

 

Überträgt man die oben aufgeführten Prozentzahlen auf die Schülerzahlen der Beruflichen Schulen, muss man von mindestens 640 aktuellen Konsument/-innen illegaler Drogen ausgehen. Eine wesentlich höhere Zahl ergibt sich, wenn man die Zahl derer betrachtet, welche in ihrem Leben bislang Erfahrungen mit illegalen Drogen gesammelt haben: Dies ist mit insgesamt 5.100 Schüler/-innen fast jeder zweite an einer Beruflichen Schule.

 

Auch bei den Konsument/-innen illegaler Drogen gilt das bei den Alkoholkonsument/ -innen Gesagte: Der Konsum findet nicht nur am Wochenende, sondern gerade bei regelmäßigen Konsument/-innen häufig auch am Werktag statt. Es ist also davon auszugehen, dass Schüler/-innen der Beruflichen Schulen unter dem Einfluss illegaler Drogen am Unterricht teilnehmen.

 

2.4 Essstörungen

Wenn Essstörungen den schulischen Alltag beeinflussen, ist dies insbesondere in Beruflichen Schulen der Fall: Bei den meist weiblichen Betroffenen einer Magersucht (Anorexia nervosa) oder einer Ess-Brech-Störung (Bulimia nervosa) hat sich die Krankheit in dem Alter, in dem die Schülerinnen an den Beruflichen Schulen sind, häufig bereits verfestigt. Konservativ geschätzt müssen wir von ca. 200 - 250 Schülerinnen ausgehen, die von einer dieser beiden Krankheitsformen betroffen sind. Bemerkenswert ist insbesondere bei der Magersucht die Sterberate, welche bei ca. 10% liegt.

Essstörungen stellen sich aus Sicht der Suchthilfe besonders problematisch dar. Gerade bei Ess-Brech-Süchtigen, aber auch bei Anorektikerinnen wird die Krankheit häufig erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium erkannt. Das Landratsamt bietet deshalb in Kooperation mit dem „Netzwerk Essstörungen Ostalbkreis“ Fortbildungen an, welche zu einem besseren Erkennen und vor allem auch einem zielgerichteten Handeln im schulischen Kontext befähigen sollen.

 

 

III. Maßnahmen zur Suchtprävention

 

Suchtprävention ist in einigen Klassen bereits Lehrplanthema und wird dort ent-sprechend umgesetzt. Entsprechend den Maßgaben des Landes ist an jeder Schule eine Lehrkraft speziell für das Thema Suchtprävention benannt. An allen Standorten sind Raucherzonen ausgewiesen, die unterschiedlich groß ausfallen. Sie müssen jährlich durch Beschluss der Schulkonferenz neu bestätigt werden. Die Überwachung der Regelungen ist teilweise sehr aufwendig.

 

Am Kreisberufsschulzentrum Aalen wurde in Kooperation mit dem Suchtbeauftragten des Landkreises im Jahr 2009 eine Ausstellung zum Thema Nikotin-Missbrauch ge-zeigt. Die Suchtpräventionslehrer/-innen informieren über Sucht und Drogen am „Schwarzen Brett Gesundheitsförderung“. Des Weiteren werden diese Themen im Rahmen des Unterrichts in unterschiedlicher Intensität behandelt. An der Justus-von-Liebig-Schule werden zusätzlich Projekte und Unterrichtseinheiten in den Klassen der 2-jährigen Berufsfachschule durchgeführt.

 

Am Beruflichen Schulzentrum Ellwangen wurde in Kooperation mit dem Sucht-beauftragten des Landkreises im Jahr 2007 mit der Toto-Lotto-Gesellschaft Baden-Württemberg ein Projekt zur Prävention der Spielsucht durchgeführt. Im Frühjahr 2010 wurde eine einwöchige Ausstellung mit Mitmachparcours zum Thema Alkohol-missbrauch durchgeführt.

In den Gesundheitsklassen findet dazu etwa alle drei Jahre auch ein zweitägiger Projekttag statt, der dieses Thema von Alkohol/Nikotin über illegale Drogen bis zu Medikamentenabhängigkeit beleuchtet. Gemeinsam mit der Polizei werden in den Aktionen zur Prävention im Straßenverkehr unter diesem Aspekt ebenfalls Alkohol, Drogen und Tabletten behandelt. Diese Aktionen wenden sich ebenfalls an alle Klassen.

An der Schule gibt es bislang keine Suchtvereinbarung. Allerdings ist sie mit der Polizei regelmäßig im Gespräch und weiß, dass sie so wenig drogenfrei ist wie die be-nachbarten Standorte.

 

Am Kreisberufsschulzentrum Schwäbisch Gmünd wird regelmäßig eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte aus dem Themenfeld der Sucht- und Alkoholprävention durchgeführt. Weiter werden jährlich an dreitägigen Schülermultiplikatorenseminaren ca. 20 - 25 Schüler/-innen zu Multiplikator/-innen in der Suchtprävention ausgebildet. Diese setzen über das Jahr verteilt unterschiedliche Projekte zu Suchtprävention um. Sie werden hierbei von den Suchtpräventionslehrer/-innen unterstützt.

 

Im Schuljahr 2009/10 wurden in einer sehr guten Kooperation aller drei Beruflichen Schulen folgende Projekte umgesetzt:

 

§         „Gurte retten Leben“ - Auftaktveranstaltung am 4. März 2010 zum Thema Alkohol im Verkehr

 

§         Drogenprävention in verschiedenen Klassen im Juni 2010 durch Beamte der Kriminalaußenstelle Schwäbisch Gmünd

 

§         Schülermultiplikatorenseminar auf dem Ziegerhof im Juli 2010

 

§         Ausstellung „4 min 15 sek – Momentaufnahmen vom Rauchen“ im April 2009

 

Darüber hinaus wurden an den einzelnen Schulen weitere Projekte umgesetzt. Bei-spielhaft möchten wir aufzeigen:

 

§         Theateraufführung „Hunger - der Killer in mir“ – Weimarer Kulturexpress zum Thema Essstörungen

 

§         Sozialkompetenztraining für neue Wirtschaftsschüler/-innen im Oktober 2009

 

§         AIDS-Prävention in Zusammenarbeit mit der AIDS-Hilfe und dem Gesund-heitsamt des Ostalbkreises

 

In der Handhabung von Einzelfällen besteht eine enge Kooperation mit den Suchtberatungsstellen. Am Schulzentrum liegt eine „Suchtvereinbarung“ zum Umgang mit Drogenfällen im Entwurf vor. Es ist angedacht, diese Konzeption weiter zu entwickeln. Die Schule zeichnet sich durch eine hohe Kontinuität in der suchtpräventiven Arbeit und die konsequente Ausbildung von Schüler/-innen zu Multiplikator/-innen aus.

 

Das Landratsamt bietet in Kooperation mit Suchtberatungsstellen, der Polizei und anderen Partnern auch für die Beruflichen Schulzentren beispielhaft folgende Projekte an:

 

  • Schulungen für Lehrer/-innen zum Umgang mit Gewalt und Suchtvorfällen an der Schule

 

  • Mitarbeit bei der Einführung von Suchtvereinbarungen (ähnlich in Betrieben)

 

  • Maßnahmen zur Förderung der sozialen Kompetenz bei Schüler/-innen

 

  • Schülermultiplikatorenseminare

 

  • Spezielle Kurse für Schüler/-innen mit problematischem Alkohol- oder Drogenmissbrauch

 

  • Mitarbeit bei der Organisation und Durchführung von Projekttagen zu den genannten Themenfeldern

 

  • Mit den beiden Interventionsmodellen BAST und BAST-A bietet die Suchthilfe im Ostalbkreis geeignete und jugendgemäße Möglichkeiten einer konstruktiven Auseinandersetzung mit missbräuchlichem Konsumverhalten an. Auch das „Netzwerk Essstörungen Ostalbkreis“ bietet individuell zugeschnittene Be-handlungsmöglichkeiten speziell für Mager- sowie Ess-Brech-Süchtige an.

[1] Kraus, Ludwig, Rösner, Susanne u. a., Epidemiologischer Suchtsurvey, IFT-Berichte Bd. 167, München 2008

BZgA (Hrsg.), Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2008, Köln 2009

Finanzierung und Folgekosten

 

Sichtvermerke

Sichtvermerke

 

Geschäftsbereichsleiter

__________________________________________

 

Weiß                                                                      Maier

 

 

 

 

Dezernent

__________________________________________

 

Rettenmaier

 

 

 

 

Dezernat II

__________________________________________

 

Kurz

 

 

 

 

Landrat

__________________________________________

 

Pavel