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Vorlage - 342/09  

 
 
Betreff: Ärztliche Versorgung im Ländlichen Raum: Gemeinsames Positionspapier des Ostalbkreises, der Kreisärzteschaften sowie der Kliniken des Ostalbkreises
Status:öffentlich  
Federführend:Büro des Landrats   
Beratungsfolge:
Kreistag Kenntnisnahme
15.09.2009 
Sitzung des Kreistags ungeändert beschlossen   
Anlagen:
Anlage1
Anlage2
Anlage3

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

  1. Der Kreistag nimmt den Bericht über die hausärztliche Versorgung im Ostalbkreis zur Kenntnis.

 

  1. Die schon heute aktuelle Schwierigkeit einer flächendeckenden hausärztlichen und auch die beginnende Problematik der fachärztlichen Versorgung werden - insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels - als wichtige Herausforderung bei der Sicherstellung einer optimalen Gesundheitsversorgung im Ostalbkreis identifiziert.

 

  1. Der Kreistag unterstützt die Forderungen und Leitgedanken des gemeinsamen Positionspapiers des Landkreises, der Kreisärzteschaft Aalen, der Kreisärzte­schaft Schwäbisch Gmünd sowie der Kliniken des Ostalbkreises zur ärztlichen Versorgung.

 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, sich der Thematik weiter anzunehmen, gemeinsam mit den Kommunen und den Akteuren in der Gesundheits­versorgung geeignete Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln und sich für die Sicherstellung einer adäquaten ärztlichen Versorgung im Ostalbkreis einzusetzen.
Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

Seit geraumer Zeit ergeben sich im Ostalbkreis zunehmend Schwierigkeiten bei der Nachfolgeregelung hausärztlicher Praxen. Vor allem außerhalb der zentralen Orte lassen sich schwer Nachfolger finden, wenn die Praxis aus Altersgründen abzugeben ist. In der Praxisbörse der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg sind derzeit (Stand: September 2009) 11 Praxissitze in der hausärztlichen Versorgung ausgeschrieben. Mit ursächlich ist, dass eine Tätigkeit in ländlichen Gebieten als wenig attraktiv angesehen wird. Einerseits ist in dünner besiedelten Gebieten die Diensthäufigkeit für Bereitschaftsdienste und die Anzahl der erforderlichen Hausbesuche höher als in Ballungsräumen, andererseits wird die vermeintlich schlechtere Infrastruktur im Ländlichen Raum (ÖPNV, Schulen, Kultur, Geschäfte) gegenüber von größeren Städten von junge Ärztinnen und Ärzten oft als negativ betrachtet. Die Unsicherheit über die Alterssicherung in Form der Erlöse für eine Praxisübergabe stellt in den Ruhestand tretende Ärzte gleichermaßen vor Schwierigkeiten wie der Umstand Hypothek für niederlassungswillige junge Ärzte ist, die in eine Praxis investieren aber kaum mehr eine Möglichkeit für eine Veräußerung sehen.

 

 

Betrachtet man die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte in der hausärztlichen Versorgung in den Kreisärzteschaften Aalen und Schwäbisch Gmünd (Gemeinden im Ostalbkreis und Alfdorf) so fällt auf, dass von 200 praktizierenden Ärzten 98 (=49%) und damit fast genau die Hälfte 55 Jahre oder älter sind.

 

Da unter anderem durch das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) die „Zwangspensionierung“ der Ärzte mit Vollendung des 68. Lebensjahres wieder abgeschafft wurde und die Lebensplanungen individuell unterschiedlich sind, gibt es keine genauen Prognosen, wann ein Arzt möglicherweise in Ruhestand tritt. Dennoch kann festgestellt werden, dass spätestens in den nächsten 10 Jahren knapp 50 Prozent der im Ostalbkreis an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte das durchschnittliche Rentenalter erreicht haben werden. Einen anschaulichen Überblick kann auch die als Anlage 2 beigefügte Karte der Altersstruktur liefern.

 

Neben der dramatischen Altersstruktur der Ärzte in der hausärztlichen Versorgung im Landkreis gibt es gleichzeitig immer weniger auf dem Arbeitsmarkt vorhandene Ärzte. Auch im Bereich der stationären medizinischen Versorgung führt der Ärztemangel zunehmend zu Problemen bei der Besetzung von vakanten Stellen. Damit bahnt sich auch im fachärztlichen Bereich ein Ärztemangel an. Grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, die demographische Entwicklung sowie sich ständig verschlechternde Rahmenbedingungen werden den Ärztemangel in Zukunft noch weiter verschärfen.

 

Vor diesem Hintergrund und der aktuellen Situation im Ostalbkreis sind Landrat Klaus Pavel, die Vorsitzenden der Kreisärzteschaften Aalen und Schwäbisch Gmünd, Rainer M. Gräter und Dr. med. Erhard Bode, die Krankenhausdirektoren der Kliniken des Ostalbkreises und weitere Akteure aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung im Ostalbkreis in mehreren Arbeitssitzungen zusammengekommen. Entstanden ist das in der Anlage 1 ersichtliche gemeinsame Positionspapier, das in konkrete Einzelmaßnahmen münden soll.

 

Die erste Position des Papiers richtet die Forderung an die Bundespolitik, die Rahmenbedingungen incl. einer angemessenen Honorierung für die ärztlichen Leistungen so zu gestalten, dass der Arztberuf wieder attraktiver wird (Ziffer 1 des Positionspapiers). Die fehlende Attraktivität ist eines der Grundprobleme und trägt in den kommen Jahren zur Verschärfung der Problematik bei.

 

Bedarfplanerisch besteht im Ostalbkreis eine Überversorgung in der hausärztlichen Versorgung von ca. 105 %. Bei der Berechnung wird der komplette Ostalbkreis beplant. Die aktuellen Einwohnerzahlen werden hierbei mit einer gesetzlich - für unterschiedliche Raumkategorien - definierten Einwohner-Hausarztquote multipliziert. Da der komplette Landkreis Planungsbereich ist, bezieht sich die Feststellung einer Unter- bzw. Überversorgung auf den ganzen Ostalbkreis. Analysiert man den rechnerischen Versorgungsbedarf jedoch in kleinräumigeren Gebieten, ist auffällig, dass in den Mittelzentren und deren engeren Einzugsbereich eher ein Überangebot an Ärzten pro Einwohner besteht und in ländlicheren Gemeinden tendenziell ein höherer Arztbedarf bezogen auf die Einwohner herrscht. Um diese Problematik bei der Bedarfsplanung zu reduzieren, wird der zuständige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Baden-Württemberg aufgefordert, die derzeitige Bedarfsplanung der ärztlichen Versorgung zu überarbeiten und die Versorgungsbereiche kleinräumiger zu gestalten (Ziffer 2 des Positionspapiers).

 

Um eine gezielte Förderung der Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin an den Kliniken des Ostalbkreises in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten (für den Bereich der praktischen Ausbildung der angehenden Allgemeinmediziner) zu erreichen, wird derzeit ein gemeinsames Curriculum für die Facharztweiterbildung für Allgemeinmedizin erstellt (Ziffer 3 des Positionspapiers). Dieses wird auch Lösungsmodelle für die Finanzierung der praktischen Ausbildung beinhalten.

 

Nicht nur aufgrund des hohen Anteils von Frauen beim Studiengang Humanmedizin bekommt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für junge Ärztinnen und Ärzte immer mehr Bedeutung. Durch z. B. an der Arbeitszeit orientierte Kinderbetreuungsangebote kann es gelingen, jungen Ärztinnen einen (teilweisen) Wiedereinstieg nach der Familienphase in den Beruf zu ermöglichen, die sich sonst vielleicht ausschließlich der Betreuung ihres Kindes widmen würden. Die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Ärzte, die im Ostalbkreis als Arzt tätig sind, ist daher ein wichtiger Faktor, um dem Ärztemangel entgegen zu wirken (Ziffer 4 des Positionspapiers).

 

Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung ist primär Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung. Aufgrund der oben beschriebenen Planungssystematik vermag derzeit nur eine Betrachtung des gesamten Landkreises eine Aussage zur Versorgungssituation. Besonders in den ländlichen Kommunen ist trotz einer rechnerisch bedarfsgerechten Versorgung im ganzen Kreis bereits heute eine Ausdünnung der Versorgungsdichte zu erkennen. Vor diesem Hintergrund muss die adäquate ärztliche Versorgung auch im Sinne der Daseinsvorsorge als kommunale Aufgabe betrachtet werden, in deren Rahmen bei Bedarf eine Unterstützung für Ärzte angeboten wird (Ziffer 5 des Positionspapiers).

 

Durch den sich abzeichnenden Wertverlust der Arztpraxen als Altersvorsorge aufgrund der schwierigen Nachfolge sowie durch den medizinischen Fortschritt ist es nicht nur für junge niederlassungswillige Ärzte schwierig die benötigten Investitionen für eine auf dem Stand der Technik befindliche Praxis oder eine Erstniederlassung aufzubringen. Ein Sonder- bzw. Impulsprogramm, das gemeinsam mit den regionalen Banken entwickelt wird, soll Finanzierungsangebote anbieten, um die notwendigen Investitionen von Arztpraxen im Ostalbkreis zu ermöglichen (Ziffer 6 des Positionspapiers).

 

In ärztlichen Kooperationsformen liegt eine große Chance für die Zukunft. Der Ostalbkreis wird gemeinsam mit seinen Kliniken und den Kreisärzteschaften (innovative) Kooperationsformen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, aktiv unterstützen und positiv begleiten (Ziffer 7 des Positionspapiers).

 

 

Zusammenfassung

 

Grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, die demographische Entwicklung sowie sich ständig verschlechternde Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen führen zu einem Ärztemangel, der sich in Zukunft noch weiter verschärfen wird. Der Ländliche Raum und der Ostalbkreis als Flächenlandkreis sind aufgrund verschiedener Einflussfaktoren von diesen Entwicklungen besonders betroffen. Bereits heute ist erkennbar, dass die Hälfte aller Ärzte im Ostalbkreis in der hausärztlichen Versorgung das durchschnittliche Rentenalter erreicht bzw. in den kommenden 10 Jahren erreicht haben werden. Auch in der stationären medizinischen Versorgung sowie im fachärztlichen Bereich sind die Auswirkungen des Ärztemangels bereits erkennbar bzw. bahnen sich an. Bei der Wiederbesetzung von vakanten Praxissitzen ist die Problematik im Landkreis bereits deutlich geworden.

 

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken und eine gute ärztliche Versorgung im Ostalbkreis sicherzustellen ist ein gemeinsames Handeln aller an der Gesundheitsversorgung beteiligten Akteure und der kommunalen Familie gefordert.

 

Der Ostalbkreis mit seinen Kliniken, die Kreisärzteschaften Aalen und Schwäbisch Gmünd sowie weitere Beteiligte aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung haben in mehreren Arbeitssitzungen die Situation analysiert und ein Positionspapier entwickelt, das in konkrete Einzelmaßnahmen münden und die ärztliche Versorgung verbessern soll. Daneben werden im Landkreis mit Unterstützung des Landes derzeit verschiedene telemedizinische Verfahren erprobt, die ebenfalls positive Auswirkungen auf die medizinische Versorgung im Ländlichen Raum projizieren sollen.

 

Die Landkreisverwaltung sieht in der schwieriger werdenden ärztlichen Versorgung ein Thema, das in der Zukunft zunehmend an Bedeutung und Dringlichkeit gewinnen wird. Die Problemstellungen sollten daher intensiv weiterverfolgt und gemeinsame (innovative) Handlungsoptionen entwickelt werden.

 

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

Derzeit entstehen für den Landkreis keine konkretisierbaren Investitionen und Folgekosten. Die Notwendigkeit einer zukünftigen (Mit)-Finanzierung eines kreisweiten Handlungskonzepts wird aber nicht ausgeschlossen.

 

 

Anlagen

Anlagen

 

  1. Gemeinsames Positionspapier zur ärztlichen Versorgung im Ländlichen Raum
  2. Übersicht der Altersstruktur Ärzte in der hausärztlichen Versorgung
  3. Vorschlag zur Neustrukturierung der Planungsbereiche der ärztlichen Versorgung

 

 


 

 

Sichtvermerke

 

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Wagenknecht


 

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Dezernat II

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Hubel

Landrat

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Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage1 (55 KB)    
Anlage 2 2 Anlage2 (695 KB)    
Anlage 3 3 Anlage3 (146 KB)