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Vorlage - 341/09  

 
 
Betreff: Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie beim Landratsamt Ostalbkreis
- Einrichtung eines "Einheitlichen Ansprechpartners" (EA)
Status:öffentlich  
Federführend:D e z e r n a t I   
Beratungsfolge:
Kreistag Entscheidung
15.09.2009 
Sitzung des Kreistags an Verwaltung zurück verwiesen   
Anlagen:
Anlage 1- Gesetzentwurf
Anlage 2 - Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Landkreistags Baden-Württemberg

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

1.     Der Kreistag des Ostalbkreises stimmt im Zuge der Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie der Einrichtung eines Einheitlichen Ansprechpartners beim Landratsamt Ostalbkreis zu. Die Landkreisverwaltung wird beauftragt, die Wahrnehmung der Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners gegenüber dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg anzuzeigen.

 

2.     Die für die elektronische Verfahrensabwicklung zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie bzw. Wahrnehmung der Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners erforderlichen Mittel in Höhe von 50.000 € werden im Haushalt 2010 bereitgestellt.

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

Die wirtschaftliche Integration Europas hat die Europäische Union zu einem der führenden Wirtschaftsräume der Welt werden lassen. Nach Auffassung der Europäischen Union konnte jedoch gerade das beachtliche Potenzial des Dienstleistungssektors für Wachstum und Beschäftigung bislang nicht ausgeschöpft werden. Um hier weitere Potentiale zu erschließen, wurde mit Zustimmung des Rates am 12. Dezember 2006 die EU-Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) verabschiedet. Sie muss von den EU-Mitgliedstaaten drei Jahre nach ihrer Veröffentlichung, also bis spätestens zum 28. Dezember 2009, umgesetzt werden.

 

Die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie bildet eine beträchtliche Herausforderung für die Mitgliedstaaten und erfordert umgehende und ernsthafte Anstrengungen. Sie besteht im Wesentlichen aus folgenden Kernpunkten:

 

-   1. Einrichtung Einheitlicher Ansprechpartner:

 

    Durch die Einheitlichen Ansprechpartner sollen die Aufnahme und die Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten künftig deutlich erleichtert werden. Die Einheitlichen Ansprechpartner sollen es künftig den Dienstleistungserbringern (Unternehmen) ermöglichen, über sie alle Verfahren und Formalitäten sowie Informationsanfragen abzuwickeln (zu Details s. u.).

 

-   2. Durchführung der Normenprüfung:

 

    Nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten auf allen Verwaltungsebenen dazu verpflichtet, ihr gesamtes dienstleistungsbezogenes Recht einer Prüfung auf Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie zu unterziehen. Ergibt diese Prüfung, dass nationale Rechtsnormen nicht der Richtlinie entsprechen, müssen sie angepasst werden.

 

-   3. Garantie der elektronischen Verfahrensabwicklung:

 

    Bis Ende 2009 müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Dienstleister alle Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit betreffen, problemlos auch aus der Ferne und elektronisch abwickeln können.

 

-   4. Verbesserte europäische Verwaltungszusammenarbeit:

 

    Die EU-Dienstleistungsrichtlinie sieht vor, dass Behörden künftig IT-gestützt direkt mit den zuständigen Behörden aller übrigen EU-Mitgliedstaaten kommunizieren können sollen. Ein wesentlicher Baustein dazu ist das geplante Binnenmarkt-Informationssystem IMI.

 

Bei der Umsetzung der dargestellten Kernpunkte liegt die Landkreisverwaltung im Zeitplan: Während die Normenprüfung (Ziff. 2) bezüglich der Satzungen und Rechtsverordnungen des Ostalbkreises pünktlich zum Stichtag 15. Juli 2009 abgeschlossen werden konnte, laufen derzeit die Arbeiten im Bereich der elektronischen Verfahrensabwicklung (insbesondere für die Fälle, in denen die Landkreisverwaltung selbst Genehmigungsbehörde ist und von einem „fremden“ Einheitlichen Ansprechpartner kontaktiert wird). Offen ist jedoch die Entscheidung, ob im Landratsamt Ostalbkreis auch ein Einheitlicher Ansprechpartner eingerichtet wird. Der Sachstand stellt sich hier aktuell wie folgt dar:

 

 

Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg über Einheitliche Ansprechpartner für das Land Baden-Württemberg (EA-Gesetz BW)

 

Da die Zuständigkeit für die Einrichtung und Ausgestaltung der Einheitlichen Ansprechpartner auf Grund der föderalen Zuständigkeitsordnung der Bundesrepublik Deutschland bei den Ländern liegt, ist das Land Baden-Württemberg in der Pflicht, die organisationsrechtlichen Grundlagen für die Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) zu schaffen. Derzeit befindet sich der Entwurf des EA-Gesetzes BW im Gesetzgebungsverfahren. Der Landtag wird das Gesetz voraussichtlich im Oktober 2009 verabschieden.

 

Der Entwurf sieht zur Zuständigkeit vor, dass Einheitliche Ansprechpartner bei den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Rechtsanwaltskammern und Steuerberaterkammern in Baden-Württemberg, ferner bei der Architektenkammer, der Ingenieurkammer und den Landestierärztekammern eingerichtet werden. Einheitliche Ansprechpartner sind zudem die Landkreise und die Stadtkreise, sofern diese gegenüber dem Wirtschaftsministerium anzeigen, dass sie die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners wahrnehmen möchten (sog. Optionslösung mit „konkurrierender Zuständigkeit“). Damit muss eine Entscheidung getroffen werden, ob der Ostalbkreis von seinem Optionsrecht Gebrauch macht.

 

Der Gesetzentwurf (mit Begründung) ist dieser Vorlage beigefügt.

 

 

Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners („Verfahrensmanager“):

 

Der Einheitliche Ansprechpartner ist gegenüber den Kunden, die sich seiner Hilfe bedienen, künftig zentrale Anlaufstelle für alle Verwaltungsverfahren, die von der Dienstleistungsrichtlinie erfasst werden. Er muss Informationen über Verfahren (z. B. Voraussetzungen, Ablauf, ...) geben können und eine „Koordinierungs- und Lotsenfunktion“ übernehmen. Eingegangene Anträge leitet er an die zuständige(n) Genehmigungsbehörde(n) weiter, überwacht die fristgerechte Genehmigungsprüfung und übernimmt abschließend die Zustellung der Genehmigungs- oder Ablehnungsentscheidung. Potentielle Kunden können hierbei sowohl Inländer als auch Antragsteller aus dem EU-Raum sein.

 

Hierbei ist zu beachten, dass die sachliche und örtliche Zuständigkeit der jeweiligen Genehmigungsbehörde unberührt bleibt. Wird ein Verfahren jedoch auf Wunsch des Antragstellers über einen Einheitlichen Ansprechpartner abgewickelt, übernimmt bzw. koordiniert dieser nach Antragseingang alle Kontakte mit der Genehmigungsbehörde.

 

Die von der Dienstleistungsrichtlinie erfassten Genehmigungsverfahren sind außerordentlich vielfältig. Betroffen sind im Zuständigkeitsbereich der Landkreise insbesondere Verfahren des Gewerbe- und Gaststättenrechts, aber auch des Bau-, Naturschutz-, Immissionsschutz- und Wasserrechts, des Fahrerlaubnisrechts, des Waffenrechts und des Tierschutzrechts. Daneben betrifft die Dienstleistungsrichtlinie aber beispielsweise auch Genehmigungen aus dem Handwerks-, Börsen-, Energie-, Telekommunikations-, Versicherungs-, Rechtsberatungs- und Gefahrstoffrecht.

 

Um die elektronische Abwicklung auf einem hohen einheitlichen Niveau anbieten zu können, hat das Land Baden-Württemberg zugesagt, für die Einheitlichen Ansprechpartner das Dienstleistungsportal des Landes (www.service-bw.de) bereitzustellen. Die Einheitlichen Ansprechpartner und die für das jeweilige Verfahren zuständigen Behörden eröffnen mit den Funktionen des Dienstleistungsportals einen elektronischen Zugang für die Dienstleistungserbringer.

 

 

Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes:

 

Im Zuge der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde auch das Landesverwaltungsverfahrensgesetz geändert. Wichtigste Änderung ist die Einführung einer Genehmigungsfiktion, wenn Verfahren über eine sog. „einheitliche Stelle“ abgewickelt werden.

 

In § 42 a Abs. 2 Satz 1 LVwVfG wird bestimmt, dass die Genehmigungsfiktion eingreift, wenn nicht innerhalb von drei Monaten eine ablehnende Entscheidung ergangen ist. Diese Frist kann in anderen Gesetzen für einzelne Verfahren abweichend geregelt werden (z. B. Gewerbeordnung: Frist von lediglich zwei Monaten bis zum Eingreifen der Genehmigungsfiktion!). Eine ablehnende Entscheidung muss dem Antragsteller vor Ende der Frist zugegangen bzw. bekannt gegeben worden sein.

 

Durch diese Neuregelung ergibt sich eine zusätzliche Verfahrensbeschleunigung, die auch das Bild der öffentlichen Verwaltung in der Öffentlichkeit zukünftig positiv beeinflussen wird.

 

 

Konsequenzen im Falle der Option für die Einführung des Einheitlichen Ansprechpartners:

 

Der Landkreistag Baden-Württemberg hat im April 2009 eine aus Vertretern der Landkreise bestehende Arbeitsgruppe (mit den Unterarbeitsgruppen „Rechtliche Auswirkungen“, „Organisation“ und „IT“) eingerichtet, um eine Aussage treffen zu können, welche Konsequenzen die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie hat. Die Arbeitsgruppe, der auch zwei Mitarbeiter des Landratsamts Ostalbkreis angehörten, hat bereits im Juni 2009 eine umfassende „Handreichung zur Umsetzung in den baden-württembergischen Landkreisen“ vorgelegt. Die Zusammenfassung der Ergebnisse liegt als Anlage 2 bei.

 

Falls der Ostalbkreis von seinem Optionsrecht zum Stichtag 28. Dezember 2009 Gebrauch machen sollte, ist zunächst nicht zu erwarten, dass sofort alle Antragsverfahren über den Einheitlichen Ansprechpartner laufen werden. Die Funktion des Einheitlichen Ansprechpartners beim Landratsamt Ostalbkreis würde zunächst an eine bereits bestehende Stelle angegliedert und dort mit erledigt. Aus diesem Grund wird sich der Aufwand im personellen Bereich durch die Einführung des Einheitlichen Ansprechpartners zunächst in Grenzen halten. Dies bedeutet, dass für das Jahr 2010 nicht von personellen Mehrkosten ausgegangen wird.

 

Der Landkreistag Baden-Württemberg geht davon aus, dass nach Etablierung des neuen Verfahrens eine Stelle im gehobenen Dienst plus einer gleichwertigen Vertretungsregelung (mit Sekretariatsanbindung) erforderlich sein wird. Um hierüber eine definitive Aussage machen zu können, müssen jedoch die Erfahrungen der ersten Monate bzw. Jahre abgewartet werden.

 

In jedem Fall - unabhängig von der Ausübung des Optionsrechts - sind umfangreiche IT-Aufwendungen erforderlich, um die elektronische Verfahrensabwicklung sicherstellen zu können. Da zum Ersetzen der Schriftform eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist (§ 3 a Abs. 2 und 3 LVwVfG) und zuzustellende Dokumente mit einer qualifizierten Signatur zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen sind (§ 5 Abs. 2 LVwZG), sind zusätzliche Investitionen erforderlich. Die Schaffung der hierfür notwendigen technischen Voraussetzungen, die Einrichtung einer virtuellen Poststelle für den Empfang und den Versand verschlüsselter Dokumente, eine E-Mail-Archivierung (um Verfahrensabläufe lückenlos dokumentieren zu können) sowie die Anbindung an das Serviceportal des Landes (www.service-bw.de) werden voraussichtlich Kosten von ca. 50.000 € mit sich bringen. Darin enthalten sind ca. 15.000 € für die Einrichtung der sog. virtuellen Poststelle (zentrales System, das ausgehende E-Mail-Nachrichten verschlüsseln und signieren kann, eingehende (verschlüsselte) Nachrichten entschlüsselt und die Signatur eingehender Nachrichten überprüft) sowie ca. 35.000 € für die Einrichtung einer E-Mail-Archivierung. Die Kosten für die Benutzung der Anwendung innerhalb von Service-BW konnten vom Datenverarbeitungsverbund Baden-Württemberg (DVV BW) noch nicht genannt werden.

 

Im Klartext bedeutet dies, dass die IT-Kosten und damit ein Großteil der Kosten auch dann anfallen, wenn der Ostalbkreis keinen Einheitlichen Ansprechpartner einrichten sollte, da der Ostalbkreis als Genehmigungsbehörde ab dem Stichtag 28. Dezember 2009 auch in der Lage sein muss, „fremden“ Einheitlichen Ansprechpartnern (z. B. bei den Kammern) zuzuarbeiten bzw. elektronische Dokumente zu empfangen oder selbst weiterzuleiten.

 

 

Fazit:

 

Die Einrichtung des Einheitlichen Ansprechpartners bringt zwar einen Mehraufwand mit sich, bietet für die öffentliche Verwaltung, aber auch für ihre Kunden, einen erheblichen Mehrwert. Insbesondere bei komplexen Verwaltungsverfahren ergeben sich für den Antragsteller erhebliche Verwaltungsvereinfachungen und Serviceverbesserungen, da dieser nicht mehr verschiedene Anträge bei mehreren Genehmigungsbehörden stellen muss; die Koordination übernimmt für ihn der Einheitliche Ansprechpartner. Zusätzlich führt die Pflicht zur Ermöglichung der elektronischen Verfahrensabwicklung zu erheblichen Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen.

 

Die Einführung des Einheitlichen Ansprechpartners bietet in der Verwaltung die Chance, im Rahmen der Organisationsentwicklung das Verhältnis „Kunde und Verwaltung“ neu zu ordnen - sogar weit über den Geltungsbereich der EU-Dienstleistungsrichtlinie hinaus. Parallel dazu werden durch die Vorgaben der elektronischen Abwicklungsmöglichkeit die IuK-Fachverfahren im Laufe der Zeit eine zunehmende Workflow-Integration erfahren.

 

Da ein großer Teil der von der Dienstleistungsrichtlinie erfassten Verfahren - insbesondere die damit verbundene Genehmigungsentscheidung - das Landratsamt selbst, aber auch die Großen Kreisstädte und die Gemeinden als Genehmigungsbehörden betrifft, ist es unbedingt erforderlich, Einheitliche Ansprechpartner direkt in den Landratsämtern einzurichten, um eine flächendeckende, bestmögliche Kundenbetreuung mit kurzen Wegen sicherzustellen. Aus diesem Grund wäre eine Verfahrensabwicklung allein durch die Kammern eine unvollständige Lösung. Der Landkreistag Baden-Württemberg hat aus diesem Grund allen Landkreisen empfohlen, die Option zur Einrichtung des Einheitlichen Ansprechpartners wahrzunehmen.

 

Für die Entscheidung über die Wahrnehmung der Option ist der Kreistag zuständig (§ 19 Abs. 1 Satz 2 LKrO), da die Ausübung der Option eine einmalige Entscheidung von grundlegender Bedeutung ist, also kein Geschäft der laufenden Verwaltung darstellt. Die Ausübung der Option ist als solche auch keine Aufgabe der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde, sondern eine freiwillige kommunale Entscheidung des Landkreises, die dadurch zur kreiskommunalen Pflichtaufgabe wird (vgl. Landräte-Rundschreiben des Landkreistags Baden-Württemberg Nr. 44/2009).

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

Für die Schaffung der IT-Voraussetzungen zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie sind Mittel in Höhe von 50.000 € im Haushalt 2010 bereitzustellen.

Anlagen

Anlagen

 

Anlage 1:     Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg über Einheitliche Ansprechpartner für das Land Baden-Württemberg (EA-Gesetz BW)

 

Anlage 2:     Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Landkreistags Baden-Württemberg „Handreichung- Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie in den Landkreisen“

 


 

 

Sichtvermerke

 

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Brandt


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Dezernat II

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Hubel

Landrat

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Pavel

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1- Gesetzentwurf (931 KB)    
Anlage 2 2 Anlage 2 - Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Landkreistags Baden-Württemberg (98 KB)