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Vorlage - 203/09  

 
 
Betreff: Ungleichbehandlung behinderter Menschen bei den Leistungen der Pflegeversicherung
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Soziales   
Beratungsfolge:
Sozialausschuss Kenntnisnahme
17.02.2009 
Gemeinsame Sitzung des Sozialausschusses, des Jugendhilfeausschusses und des Verwaltungs- und Finanzausschusses ungeändert beschlossen   
Verwaltungs- und Finanzausschuss Kenntnisnahme
Jugendhilfeausschuss Kenntnisnahme

Antrag der Verwaltung:

 

Die Verwaltung wird beauftragt

 

  • im Zusammenwirken mit den Pflegekassen und den Einrichtungen der Behindertenhilfe sicherzustellen, dass die bisherigen Angebote für pflegebedürftige behinderte Menschen im Rahmen der Binnendifferenzierung erhalten bleiben

 

  • zusammen mit den Trägern von Einrichtungen der Behindertenhilfe konkrete Konzepte bzw. Projekte zur Sicherstellung der Versorgung alterspflegebedürftiger behinderter Menschen zu entwickeln und ihnen auf diesem Wege zu ermöglichen, die vollen Leistungsbeträge der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können

 

 

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung:

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines

 

Die CDU-Kreistagsfraktion hat im Rahmen der Beratung des Kreishaushalts 2009 auf den deutlich anwachsenden Pflege- und Betreuungsbedarf älterer, behinderter Menschen und deren Benachteiligung bei den Leistungen der Pflegeversicherung hingewiesen. Gleichzeitig hat sie beantragt, Möglichkeiten aufzuzeigen, diese Ungleichbehandlung zumindest in Teilen aufzuheben.

 

II. Aktuelle Situation

 

Der Altersaufbau von Gesamtbevölkerung und der Bevölkerungsgruppe der wesentlich behinderten Menschen unterscheidet sich - verursacht durch die sogenannte Euthanasie während des Nationalsozialismus - eklatant.

 

Die meisten heutigen Empfänger von Eingliederungshilfe wurden nach dem Krieg geboren. Alterspflege war in der Eingliederungshilfe deshalb bis in die jüngste Vergangenheit kein Thema. Die Lebenserwartung behinderter Menschen nähert sich jedoch auf Grund des medizinischen Fortschritts allmählich der Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung an. Die Altersgruppe der 55- bis unter 60-jährigen ist jetzt schon nahezu gleich besetzt. In den nächsten Jahren ist mit einer weiteren Zunahme der älteren Menschen mit Behinderung zu rechnen, so dass sich die Alterspyramiden mittelfristig immer mehr angleichen werden.

 

Rund 180 pflegebedürftige behinderte Menschen aus dem Ostalbkreis leben derzeit in Einrichtungen der Behindertenhilfe. 45 % davon sind in den Pflegestufen 2 und 3 nach dem Pflegeversicherungsgesetz eingestuft.

 

§ 43a SGB XI (Pflegeversicherung) sieht für pflegebedürftige Personen, die in einer Pflegestufe der Pflegeversicherung eingestuft sind und in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen untergebracht sind, in denen die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks steht, eine seit 1995 unveränderte Leistung in Höhe von 265 € pro Monat vor.

 

Die vollen Leistungsbeträge der Pflegeversicherung für pflegebedürftige Menschen in Pflegeeinrichtungen betragen in der Pflegestufe I 1.023 €, in der Pflegestufe II 1.279 € und in der Pflegestufe III 1.470 €.

 

In Baden-Württemberg erhalten rund 8.000 behinderte Menschen Leistungen im Sinne des § 43 a SGB XI. Die Sozialhilfeträger in Baden-Württemberg übernehmen als Differenz zu den vollen Leistungsbeträgen der Pflegeversicherung damit derzeit Pflegeleistungen in Höhe von rund 100 Millionen Euro jährlich für die Pflegekassen ohne Erstattungsmöglichkeit.

 

An der dargestellten Situation hat sich auch durch das am 01.07.2008 in Kraft getretene Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz keine Änderung ergeben. Diese Ungleichbehandlung widerspricht den Zielsetzungen des SGB IX zu gleicher Teilhabe behinderter Menschen an den üblichen, vorrangigen Sozialsicherungssystemen.

 

III. Handlungsmöglichkeiten

 

Für den Personenkreis der behinderten Menschen mit überwiegendem Eingliederungshilfebedarf und zusätzlichem pflegerischem Bedarf ist weiterhin beim Bundesgesetzgeber und beim Land Baden-Württemberg im Hinblick auf den Bundesrat darauf hinzuwirken, dass die Betroffenen die gleichen Leistungen erhalten wie nicht behinderte pflegebedürftige Menschen. Das heißt konkret, dass der bisherige reduzierte Leistungsbetrag in Höhe von bis zu 256 € pro Monat bis zur Höhe des jeweiligen Leistungsbetrages angehoben wird, wie er für nicht behinderte Menschen bezahlt wird.

 

Auf örtlicher Ebene, im Zusammenwirken zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringern, sind folgende Handlungsmöglichkeiten gegeben:

 

  1. Binnendifferenzierung

 

Die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Pflegekassen haben in den Jahren 1997 bzw. 1998 mit vorwiegend großen Trägern der Eingliederungshilfe das sogenannte Konstrukt der binnendifferenzierten Einrichtungsteile innerhalb der Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe geschaffen. Diese binnendifferenzierten Einrichtungsteile erfüllten die Voraussetzungen des SGB XI (selbstständig wirtschaftende Einrichtung unter Führung einer verantwortlichen Pflegefachkraft), erhielten von den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag und die dort untergebrachten Menschen konnten die vollen Leistungsbeträge des SGB XI in stationären Einrichtungen in Anspruch nehmen.

 

Die Pflegekassen anerkannten insoweit in diesen binnendifferenzierten Einrichtungsteilen, dass bei dort untergebrachten behinderten Menschen vorrangig Pflegebedürftigkeit bestand. Die Binnendifferenzierung wird als Instrument für die Versorgung von behinderten Menschen mit überwiegender Pflegebedürftigkeit bei zusätzlichem Bedarf an Eingliederungshilfe gesehen.

 

Diese Struktur wird zwischenzeitlich von den Pflegekassen zunehmend hinterfragt. Es werden Zweifel an der überwiegenden Pflegebedürftigkeit der dort untergebrachten behinderten Menschen geltend gemacht.

 

Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass diese Plätze spürbar ausgebaut werden können. Ziel muss es sein, zumindest das bisher Erreichte zu erhalten.

 

  1. Fachpflegeheime

 

Die starken Jahrgänge der 50- bis 60-jährigen Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe werden bereits in den nächsten 10 Jahren eine deutliche progressive Zunahme erfahren. Liegt das durchschnittliche Aufnahmealter von nicht behinderten Menschen erheblich jenseits des 80. Lebensjahres, kann bei behinderten Menschen durchschnittlich von einer früher (5-10 Jahre) beginnenden Pflegebedürftigkeit ausgegangen werden, die eine Heimunterbringung notwendig macht.

 

Aktuell wird dieser Personenkreis auf unterschiedliche Art und Weise stationär betreut. Von der Unterbringung in eigens geschaffenen Pflegeheimen für behinderte Menschen, unter dem Dach und auf dem Gelände von Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder räumlich entfernt, bis hin zur Versorgung in Pflegeheimen für nicht behinderte Menschen sind vielerlei Angebote vorhanden. 

 

Auf Grund des zunehmenden Bedarfs an stationären Plätzen für alterspflegebedürftig behinderte Menschen in Pflegeheimen für behinderte Menschen öffnen sich Einrichtungsträger grundsätzlich zunehmend für diese Versorgung, in der der pflegerische Aufwand eindeutig im Vordergrund steht.

 

Als eigenständige Einrichtung im Bereich der Pflegeversicherung stellt das Pflegeheim für behinderte Menschen eine sinnvolle Ergänzung der bis heute gewachsenen Versorgungsstruktur für behinderte Menschen dar. In den nächsten 10 Jahren ist die Schaffung eines flächendeckenden, möglichst wohnortnahen Angebots für die Alterspflege behinderter Menschen geboten.

 

Dafür sind nicht zwingend Neubauten erforderlich. Denkbar ist auch eine Umwidmung von Teilen oder eines gesamten Wohnheimes für behinderte Menschen in ein Pflegeheim für behinderte Menschen, die Abtrennung einer Pflegeabteilung im Pflegeheim vor Ort oder die konzeptionelle Einbeziehung einer Pflegeabteilung bei Neuinvestitionen. Hierzu bedarf es detaillierter konzeptioneller Überlegungen, die gezielt im Zusammenwirken zwischen Einrichtungen und Sozialhilfeträger erarbeitet werden müssen.

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

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Traub


 

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Dezernat II

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Hubel

Landrat

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Pavel