Bürgerinformationssystem
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Antrag der Verwaltung
Dem Konzept und der Leistungsbeschreibung zur Intensivpflege wird zugestimmt.
Sachverhalt/Begründung
I. Ausgangssituation und Allgemeines
Die Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) ist eine Form der Hilfe zur Erziehung außerhalb des Elternhauses, bei der das Kind oder der Jugendliche über Tag und Nacht von einer Pflegefamilie betreut und erzogen wird. Entsprechend dem Alter und dem Entwicklungsstand des jungen Menschen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie kann es sich um eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder um eine auf Dauer angelegte Lebensform handeln. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche, so der Gesetzgeber, sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestrukturen im Ostalbkreis war und ist die Vollzeitpflege eine wichtige Säule des Jugendhilfeangebots. Auch vor dem Hintergrund der kostenintensiven außerfamiliären Hilfen und der damit verbundenen Kostensteigerungen in den vergangenen Jahren ist die Betreuung und Förderung von Kindern in Familienpflege von großer Bedeutung.
Aufgrund der landesweiten und auch im Ostalbkreis rückläufigen Fallzahlen der Vollzeitpflege ab Ende der 90er Jahre wurde der Pflegekinderdienst als Besonderer Sozialer Dienst im Geschäftsbereich Jugend und Familie eingerichtet. Der Pflegekinderdienst umfasst mittlerweile 2,9 Vollzeitstellen (Sozialpädagogen).
Mit der Qualitätsentwicklung im Pflegekinderbereich gelang es, vermehrt Pflegefamilien zu gewinnen, diese bestmöglich vorzubereiten, zu qualifizieren und die Zahl der Vermittlungen zu steigern. Aktuell werden im Jahresdurchschnitt etwa 210 junge Menschen individuell und bedarfsorientiert in Vollzeitpflege gefördert.
Es bedarf besonderer und kontinuierlicher Anstrengungen, so Herr Dr. Bürger, Landesjugendamt, in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 23.09.2008, damit dieser hohe qualitative Standard im Bereich der Vollzeitpflege sowohl unter fachlichen als auch unter Kostengesichtspunkten erhalten werden kann.
II. Aktuelle Entwicklungen
Die örtlichen Erfahrungen im Bereich der Vollzeitpflege stimmen überein mit dem aktuellen Bericht des Landesjugendamtes im Landesjugendhilfeausschuss, der sich in seiner Sitzung am 15.10.2008 mit Daten und Fakten zu Entwicklungen in der Vollzeitpflege in Baden-Württemberg befasste. Der „notwendige Handlungsbedarf“ wird in folgenden Teilaspekten beschrieben:
Die Problemlagen von Pflegekindern sind komplexer geworden. In der Regel waren sie vor der Unterbringung in einer Pflegefamilie erheblichen Belastungen ausgesetzt, die sich entsprechend auf ihre Entwicklung ausgewirkt haben. Ihr erzieherischer Bedarf verlangt nicht mehr nur das Angebot des Zusammenlebens in einer anderen Familie, wo sie „wie ein eigenes Kind“ aufgenommen werden, sondern erfordert meist die pädagogisch reflektierte Gestaltung einer Hilfe über einen langen Zeitraum. Für die Vollzeitpflege für besonders entwicklungsbeeinträchtigte und für ältere Kinder und Jugendliche gibt es nur wenige tragfähige Konzepte. Es ist zu prüfen, für welche besonderen Formen von Pflegestellen für spezifische Problemlagen ein Bedarf besteht und auf welchen konzeptionellen und finanziellen Grundlagen sie gestaltet werden können.
Die Gratwanderung zwischen Wahrung der Intimsphäre einer Pflegefamilie und der Bewältigung des öffentlichen Erziehungsauftrags kann ohne verlässliche Unterstützung nur schwer gelingen.
Die Anforderungen an die Sozialen Dienste haben sich gewandelt und sind mit den Problemlagen und dem Hilfebedarf der jungen Menschen und ihrer Familien entsprechend komplexer geworden. Um die Vollzeitpflege auch in Zukunft zu einem bedarfsgerecht nutzbaren Instrument der Hilfen zur Erziehung auszubauen, sind Maßnahmen der Qualitäts- und der Personalentwicklung erforderlich.
Fortschritte bei der Qualität des Pflegekinderwesens sind nur erreichbar, wenn die Fachkräfte der Jugendämter der Komplexität des Geschehens in der Vollzeitpflege gerecht werden können. Darüber hinaus gewinnt die Kooperation eine besondere Bedeutung, weil eine gelingende Hilfe nur in Zusammenarbeit der verschiedensten Akteure erreicht werden kann.
III. Konzeptentwicklung
Trotz des verstärkten Ausbaus der ambulanten und familienorientierten Hilfen sind außerfamiliäre Erziehungshilfen für Kinder in besonders belasteten Lebenssituationen nicht zu vermeiden. Gleichzeitig ergibt sich, dass bei notwendiger Fremdunterbringung die Kinder und Jugendlichen sehr komplexe Bedarfslagen und ein ganzes Bündel an Problemen mitbringen.
Familien, die bereit sind diese besonders förderungsbedürftigen oder behinderten Kinder bei sich aufzunehmen, haben den Anspruch, optimal begleitet zu werden. Hierzu gehört eine kontinuierliche, intensive Beratung sowie Sicherstellung und Finanzierung umfassender Unterstützungsangebote. Nur so werden Pflegeeltern langfristig in der Lage sein, den hohen Anforderungen der Betreuung und Pflege gewachsen zu sein.
Mit dem Arbeitstitel „Pflegefamilien für besondere Bedarfslagen“ startete im Oktober 2006 eine Arbeitsgruppe bestehend aus Fachkräften des Jugendamtes und aus Fachkräften der stationären Hilfen von St. Canisius gGmbH. Die ersten Treffen dienten der Klärung zum tatsächlichen Bedarf, den Zielen, den notwendigen Strukturen und dem erforderlichen Netzwerk unter Berücksichtigung von Ressourcen der Kooperationspartner. Im Sommer 2007 stand der erste Entwurf von Modulen und Bausteinen für differenzierte Unterstützungsangebote.
Um die Ressourcen beider Bereiche vernetzen zu können, müssen sich die Fachdienste der Einrichtung und des Jugendamtes in ihren Sichtweisen annähern können (Perspektivenwechsel von Heimerziehung zu Vollzeitpflege und umgekehrt). Sie müssen ferner tragfähige Strukturen aufbauen und für die Kooperation klare Zuständigkeiten und Aufgaben für die verschiedenen Rollen definieren.
Auf der Grundlage der Erfahrungen in der Projektentwicklung und der fachlichen Erkenntnisse folgte die Abstimmung zur Grundstruktur und der Umsetzungsschritte mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst. Die angedachten Unterstützungsangebote für Pflegeeltern und Pflegekinder wurden insbesondere in ihrem Leistungsumfang sowie für eine effektive Hilfeplanung und eine möglichst unbürokratische Hilfegewährung überarbeitet.
In einem letzten und sehr bedeutsamen Schritt wurde das von den Fachkräften erstellte Konzept mit den Erfahrungen und Wünschen von gezielt einbezogenen Pflegeeltern abgeglichen. In einem eintägigen Workshop mit vier Ehepaaren bestätigte sich die Grundstruktur des Konzepts; insbesondere auch die Form der Bausteine, die eine individuelle und bedarfsorientierte Ausgestaltung im Rahmen der Hilfeplanung ermöglicht.
IV. Inhalt und Zielsetzung
In Ergänzung zu den bestehenden Angeboten der Erziehungshilfe sollen die Maßnahmen des Angebots für Intensivpflege dort Unterstützung anbieten, wo eine Pflegefamilie aufgrund der Problematik des Pflegekindes und/oder der Herkunftsfamilie mit ihren Kräften und Möglichkeiten an eine Grenze kommt, die eine Fortdauer des Pflegeverhältnisses in Frage stellt, aber noch keine zwingende Notwendigkeit für eine Heimerziehung gegeben ist.
Die Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, die in einer Pflegefamilie leben und durch ihre persönlichen oder biographischen Eigenheiten einen außergewöhnlichen Erziehungsbedarf aufweisen und/oder deren Herkunftsfamilie durch ihre Eigenheiten mit ihrem Verhalten das Pflegeverhältnis belasten. Ferner ermöglicht das Angebot der Intensivpflege, dass Kinder und Jugendliche, die in einer Heimgruppe leben und trotz eines außergewöhnlichen Erziehungsbedarfs nicht auf Dauer der Heimerziehung bedürfen, in eine Vollzeitpflege vermittelt werden können.
Die Beratungsinhalte und Leistungsbereiche sind
Die Organisation des Regelangebots und weiterer optionaler Angebote ist im folgenden Schaubild dargestellt.
Die allgemeine und hilfeplanrelevante Fallverantwortung liegt beim Allgemeinen Sozialen Dienst. Die Auswahl (Vermittlungsphase) und die erste Begleitung der Pflegefamilie (Integrationsphase) erfolgt durch den Pflegekinderdienst. Je nach Entwicklung und Beratungsverlauf und der Feststellung, dass der Leistungsumfang einer Intensivpflege entspricht, übergibt der Pflegekinderdienst unter Beteiligung des Allgemeinen Sozialen Dienstes die Betreuung an den freien Träger (St. Canisius).
Das Regelangebot wird im Hilfeplan vereinbart. Es stellt ein Maximalangebot im Sinne des Budgets dar, das nicht überschritten werden darf und nicht immer in vollem Umfang in Anspruch genommen werden soll. Die Inanspruchnahme ist immer konkret zu dokumentieren. Der Mindestberatungsanteil von 3 Terminen im Quartal darf nicht unterschritten werden.
Die optionalen Angebote werden ebenfalls im Rahmen der Hilfeplanung vereinbart oder im Bedarfsfall kurzfristig zwischen den Beteiligten abgesprochen. Der Umfang orientiert sich am tatsächlichen Bedarf und nicht an einem festgelegten Budget.
Das Ziel ist nicht, Familien als Sonderpflegestellen wie Heilpädagogische oder Sozialpädagogische Pflegefamilien zu qualifizieren. Vielmehr sollen aus dem Pool der Bewerber oder bereits länger aktiven Pflegeeltern Familien gewonnen werden, die zur Aufnahme besonders entwicklungsbeeinträchtigter Kinder und Jugendlicher und zu der dafür erforderlichen intensiven Zusammenarbeit mit den Fachkräften bereit sind. Der freie Träger gewährleistet die zwingend notwendige, kontinuierliche Beratung und pädagogische Unterstützung. Darüber hinaus können die Fachkräfte des freien Trägers die in der Einrichtung vorhandenen Angebote und Kompetenzen wie die der Erziehungsberatungsstelle, der kinder- und jugendpsychiatrischen Ambulanz oder die Schulpädagogen einbeziehen. Der Pflegekinderdienst wiederum ist in der Lage, seine originären Aufgaben, wie die der Werbung und Gewinnung neuer Pflegefamilien, der Vorbereitung und Qualifizierung von Pflegeeltern, der Auswahl und Vermittlung sowie die fachliche Begleitung der Integrationsphase von Pflegekindern im notwendigen zeitlichen Umfang zu erfüllen.
Alle Beratungs- und Unterstützungsangebote ergeben sich aus den vorhandenen Strukturen und Ressourcen beider Kooperationspartner. Es sind keine zusätzlichen Angebote oder Fachkräfte zu schaffen, womit die notwendigen zusätzlichen Kosten minimiert werden können. Die max. monatlichen Kosten für die Bausteine aus dem Regelangebot für die „Intensivpflege“ betragen z.B. 293,27 €.
Das Kooperationsprojekt „Intensivpflege“ wurde zunächst für die Raumschaft Schwäbisch Gmünd zusammen mit der St. Canisius gGmbH entwickelt. Sofern sich das Konzept in der praktischen Umsetzung bewährt, ist ein weiterer Ausbau mit Standorten in Ellwangen oder Bopfingen vorgesehen.
Finanzierung und Folgekosten
Die Finanzierung erfolgt über den Jugendhilfehaushalt.
Anlagen
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