Bürgerinformationssystem

Vorlage - 152/08  

 
 
Betreff: Telemedizin-Projekte im Ostalbkreis
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Gesundheit   
Beratungsfolge:
Verwaltungs- und Finanzausschuss Entscheidung
30.09.2008 
Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Der Ostalbkreis führt in Kooperation mit dem Ministerium Ländlicher Raum (MLR) ein auf drei Jahre ausgelegtes Telemedizin-Projekt im Ostalbkreis mit den Einzel-Projekten

 

  • „Telekonsultation Chronische Wunde“,
  • „Teleprüfung Sturzgefährdung“ und
  • „Tele-EKG bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen“

 

mit voraussichtlichen Kosten von 546.000 € durch, wovon 164.000 € auf den Ostalbkreis entfallen. Der Ostalbkreis erhält Fördermittel in Höhe von 382.000 € zur Verbesserung der Gesundheit der ländlichen Bevölkerung.

 

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

Definition des Begriffs Telemedizin

Unter dem Begriff Telemedizin versteht man die medizinische Diagnostik und Behandlung sowie Datenarchivierung unter Einsatz der Telekommunikations- und Informationstechnik. Die Telemedizin überbrückt die räumliche Entfernung zwischen Arzt und Patient beziehungsweise ermöglicht die Konsultation zwischen Experten. Nicht spezialisierte Mediziner v. a. in entlegenen Gebieten können so die erhobenen Untersuchungsbefunde direkt mit einem Spezialisten diskutieren.

 

Telemedizin kann - vor allem im Ländlichen Raum - dazu beitragen, die Gesundheit und medizinische Versorgung in der Raumschaft zu erhalten und zu verbessern und die flächendeckende ambulante und stationäre medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger unterstützen. In Zeiten von Ärztemangel, demografischem Wandel und veränderten Arbeitsbedingungen ist die Erprobung der Praxistauglichkeit moderner Methoden gerade im Ländlichen Raum notwendig. Dieser Aufgabe will sich der Ostalbkreis stellen.

 

Ein ressortübergreifender Kabinettsausschuss „Ländlicher Raum“ unter der Leitung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg (MLR) befasst sich u. a. mit dem Erhalt der flächendeckenden gesundheitlichen Versorgung im Ländlichen Raum. Im Januar 2008 wurden dabei folgende Modellprojekte zur Umsetzung beschlossen:

 

  Gesundheitszentrum: Modell eines Gesundheitszentrums im Ländlichen Raum zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung

  Landarzttaxis: Einrichtung und Erprobung eines Fahrdienstes für Arztbesuche v. a. älterer               Patienten

  Telemedizin: Durchführung von Modellprojekten zur häuslichen Betreuung im Ländlichen Raum.

 

Vorgeschichte der Telemedizin im Ostalbkreis

Der Ostalbkreis hat im Rahmen des doIT-regional Projektes in den letzten Jahren vielbeachtete Projekte durchgeführt und zur Reife gebracht, wie zum Beispiel ab dem Jahr 2002 ein Projekt zur Online-Erhebung von Liegegeschwüren (Dekubitus-Projekt) sowie ab dem Jahr 2003 einen Pflege-Führer im Internet, in dem alle ambulanten und stationären Pflegeangebote im Ostalbkreis mit Qualitäts-Siegel aktuell aufgeführt sind. Um die schwere Tätigkeit in der häuslichen Pflege zu unterstützen, wurde eine umfangreiche Fortbildungsreihe für pflegende Angehörige durchgeführt, die Info-Reihe-Pflege. Die Kurse, Vorträge und Video-Sequenzen mit praktischen Anleitungen sind auf einer Info-CD-Pflege zusammengestellt, die eine fundierte und leicht verständliche Anleitung für häusliche Pflege bietet. Da die Nachfrage enorm ist, wurde bereits eine zweite Auflage gefertigt. Die grundsätzliche Machbarkeit telemedizinischer Projekte im ländlich strukturierten Ostalbkreis wurde mit den Pilotprojekten "Telekonsultation Chronische Wunde“ und "Telemedizinisches Geriatrisches Assessment“ unter Beweis gestellt.

 

Unter dem Eindruck dieser Vielzahl im Ostalbkreis erfolgreich abgelaufenen Modell-Projekte hat das MLR Kontakt zum Ostalbkreis aufgenommen und die Unterstützung weiterer Projekte, die den Ländlichen Raum betreffen und fördern, angeboten. Der Ostalbkreis hat dieses Angebot aufgegriffen und dem MLR eine über 30-seitige Projektskizze für drei telemedizinische Projekte vorgelegt.

 

Die geplanten Projekte sind:

  1. Telekonsultation Chronische Wunde
  2. Teleprüfung Sturzgefährdung
  3. Tele-EKG bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen

 

Die inhaltliche und medizinische Betreuung wird von verschiedenen Chefärzten bzw. Oberärzten im Ostalbkreis sichergestellt. Der Geschäftsbereich Gesundheit sorgt für die Projektkommunikation und die Teilnehmerkoordination. Der Ostalbkreis und das Ministerium Ländlicher Raum werden die Ergebnisse mit den Projektbeteiligten in enger Kooperation bewerten und im Sinne eines Controlling steuern. Neben der Beteiligung des Sozialministeriums erfolgte auch eine Abstimmung mit dem bundesweiten Projekt „Partnership for the heart“ der Charité in Berlin, das in Baden-Württemberg durch das Telemedizinische Zentrum am Robert-Bosch-Krankenhaus betreut wird.

 

Wurde in bisherigen Telemedizin-Projekten des Ostalbkreises lediglich die technische Machbarkeit bewiesen, soll jetzt die Umsetzung in die tägliche Praxis erprobt werden. Ziel ist es, Elemente der Telemedizin in den Alltag und die gängige ärztliche Versorgung zu implementieren, sofern sich dies als sinnvoll im Sinne von Qualität und Rentabilität erweist. Bei einer späteren Umsetzung könnte der Ostalbkreis dauerhaften Nutzen aus seinem Vorsprung bei dieser Anwendung ziehen. 

 

Nutzen für Patienten, Ärzte und das Gesundheitssystem

Exemplarisch lässt sich beim Projekt „Chronische Wunde“ sagen, dass die Patienten eine häusliche medizinische Betreuung erhalten, z. B. ihrer Wundproblematik, auf medizinisch höchstem qualitativen Niveau ohne der Notwendigkeit einer persönlichen Präsenz des behandelnden Arztes oder eines beschwerlichen und teuren Weges zur Arztpraxis für den oftmals wenig mobilen Patienten. Durch die Hinzuziehung eines Spezialisten kann schneller eine abgestimmte standardisierte sowie ziel- und kostenorientierte Behandlung, welche zu einer schnelleren Wundheilung führen kann, erreicht werden. Dies bedeutet für den Patienten gleichzeitig eine Steigerung seiner Lebensqualität. Eine spezialisierte  Facharztleistung wird durch diese Form der Telekonsultation für einen Patienten auf dem Land möglich, auch wenn die nächste Arztpraxis weiter entfernt liegt.

 

Für den Arzt bedeutet die Telekonsultation Arbeitserleichterung und Diagnosesicherheit, da er zeitintensive Hausbesuche durch die Bildübertragung der Wunde reduzieren kann und darüber hinaus Befundung und Therapievorschlag im Sinne einer kompetenten Zweitmeinung eines Wundspezialisten erhält.

 

Das Gesundheitssystem profitiert z. B. durch die Verkürzung der Behandlungsdauer bei der Wundversorgung durch eine schnellere Wundheilung oder durch Vermeidung stationärer Aufenthalte. Auch Wegekosten von Arzt und Patient werden minimiert. Die Qualität der ärztlichen Versorgung steigt an.

 

 

Bewertung der Ergebnisse

Besonders wichtig bei der Projektdurchführung ist die Messung der Effekte, welche das beschriebene Verfahren in der praktischen Anwendung tatsächlich bewirken kann. Für jedes der drei Projekte wird eine maßgeschneiderte Evaluation durchgeführt werden.

 

Beim Projekt „Chronische Wunde“ wird beispielsweise eine gleich starke Referenzgruppe vom ambulanten Pflegedienst eingeschlossen, bei der der Wundverlauf wie bei den in die Telekonsultation eingeschlossenen Patienten quantitativ (z. B. Abheilungsgeschwindigkeit in cm²/Zeiteinheit) und qualitativ dokumentiert wird. Somit werden objektive und nachweisbare Vergleichsmöglichkeiten über die Effekte der Behandlungsmethoden geschaffen.

 

Beschreibung der drei Telemedizin-Projekte

 

1.) Projektbeschreibung Telekonsultation Chronische Wunde

Durchgeführt wird das Projekt von ambulanten Pflegediensten und Herrn Dr. Wirsing, Chefarzt am Behandlungszentrum Chronischer Wunden des Ostalb-Klinikums Aalen. Im Rahmen der Telekonsultation wird vom ambulanten Pflegedienst im Rahmen der Wundversorgung mit der hochwertigen integrierten Kamera eines Mobiltelefons eine Aufnahme der Wunde nach vorgegebener Spezifikation gemacht. Der Patient und dazugehörige Daten (Anamnese) wurden vorher vom ambulanten Pflegedienst auf einem Internet Server (CWIS) angelegt. Die Bildaufnahme wird zusammen mit notwendigen standardisierten Befundungsangaben über Mobilfunk an den Server übermittelt. Optional kann ein kurzer mündlicher Befund mitversendet werden.

 

Die Datenübertragung muss aufgrund der langsamen Übertragungsraten im Ländlichen Raum (Erfahrungswert aus den bisherigen Projekten) im Hintergrund geschehen bis das Mobiltelefon wieder ein UMTS-Signal empfängt. Hierzu muss eine spezielle gerätespezifische Softwareanwendung entwickelt werden, welche die Übertragung im Hintergrund sicher gewährleistet. Der Bildempfang auf dem Server löst eine Aufforderung zur Befundung an den Wundspezialisten des Wundzentrums, Herrn Chefarzt Dr. Wirsing, aus. Dieser befundet das Wundbild auf dem Server und hat dabei gleichzeitig Zugang zum Archiv des Patienten und somit Zugriff auf die für ihn relevanten Daten, Bilder, Befunde etc., die über diesen Patienten im Rahmen des Pilotprojektes vorliegen. Im Anschluss an die Befundung erstellt der Wundspezialist einen Therapievorschlag, welcher automatisch parallel an den Hausarzt und an den ambulanten Pflegedienst als Ergebnismeldung versendet wird. Somit ist eine optimale Therapie und eine optimale Wundheilung möglich.

 

2.) Projektbeschreibung Teleprüfung Sturzgefährdung

Durchgeführt wird das Projekt von ambulanten Pflegediensten und je nach raumschaftlicher Zuordnung von Herrn Dr. Maas, Chefarzt der Geriatrischen Reha-Klinik Aalen bzw. Herrn Chefarzt Prof. Dr. Hebart und Herrn Dr. Waibel, Zentrum für Innere Medizin, Klinikum Schwäbisch Gmünd. Ziel des Projektes ist es, Personen mit erkennbaren Risikofaktoren für Stürze primärpräventiv zu identifizieren, um durch gezielte Maßnahmen Stürze zu vermeiden bzw. ihre Folgen zu mindern.

 

Stürze sind oft dramatische Wendepunkte, denn sie sind die häufigste Ursache für den Umzug in ein Pflegeheim. Zielgruppe sind beispielsweise Personen, die bereits gestürzt sind, um zukünftig weitere Stürze zu vermeiden. Im Rahmen der Projektuntersuchungen sollen die lokomotorischen Funktionen betrachtet werden, um Defizite zu identifizieren, welche zu lokomotorisch bedingten Stürzen führen können. Dies sind bei Weitem die häufigsten Stürze bei älteren Personen.

 

Die Untersuchungspersonen werden über die ambulanten Pflegedienste in das Projekt eingeschlossen. Zielgruppe hierbei sind Angehörige ab 60 Jahren von bereits pflegebedürftigen Personen, die durch den ambulanten Pflegedienst betreut werden. Diese Angehörigen sind für eine Sturzprävention durch die Pflegebedürftigkeit der ihr nahe stehenden Person bereits sensibilisiert und erkennen daher eher die Notwendigkeit, präventiver Sturzuntersuchungen und daraus abgeleiteter Maßnahmen. Ebenfalls angesprochen werden Angehörige von stationär betreuten Patienten der geriatrischen Zentren in Aalen und Schwäbisch Gmünd.

 

Die Beurteilung erfolgt anhand von drei sehr gut validierten Tests zur Sturzgefährdung durch Aufnahme und Übertragung mehrerer Videosequenzen an die geriatrischen Experten. Die Tests zur Sturzgefährdung beinhalten:

 

  1. Zehn Meter gehen (10-meter-walk),
  2. Von einem Stuhl aufstehen, drei Meter gehen und zurückkehren (timed up-and-go) sowie
  3. Fünf mal aus einem Stuhl aufstehen ohne Hilfe der Arme (chair-raising).

 

Die Sequenzen werden von den Experten bewertet. Es werden optimale Betreuungs- und Behandlungspläne für die Probanden erstellt, mit denen die Sturzgefährdung nachweislich gesenkt werden kann. Eine Ergebnisbenachrichtigung wird an den betreuenden Ambulanten Pflegedienst versendet. Dieser bespricht die Maßnahmen mit den Probanden und vereinbart eine Folgeuntersuchung im Projektzeitraum. Insgesamt werden im Projektverlauf drei Untersuchungen zur Fortschrittskontrolle mit jedem Probanden durchgeführt. Dabei wird auch dokumentiert, ob die Teilnehmer die vorgeschlagenen Maßnahmen durchführen.

 

3.) Projektbeschreibung Tele-EKG bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen

 

Durchgeführt wird das Projekt von Herrn Priv. Doz. Dr. Solzbach von der Kardiologie am Ostalb-Klinikum Aalen. Ziel des Projektes ist es, Patienten mit gravierenden und gefährlichen Rhythmusstörungen möglichst frühzeitig und möglichst effizient („zu Hause“) zu identifizieren. Dabei ist ein EKG bzw. ein Rhythmusstreifen wichtig, um die Fragen zu beantworten: Wann muss welcher Rhythmuspatient wie behandelt werden? Ist eine sofortige Krankenhaus-Einweisung notwendig? Durch die sofortige Auswertung eines Tele-EKGs mit Hilfe eines speziellen mobilen EKG-Gerätes ist es möglich, Rhythmuspatienten sofort eine Rückmeldung über ihre momentane Situation zu geben, ohne dass sie dafür stationär aufgenommen oder in einer Arztpraxis anwesend sein müssen.

 

Das dafür notwendige Tele-EKG-Gerät von der Größe einer Scheckkarte ist eine Speicherkarte, die bis zu drei EKGs speichern kann. Es kann überall mitgeführt und eingesetzt werden. Nach der EKG-Aufzeichnung übermittelt das Gerät die EKG-Daten über ein entsprechend geeignetes (Mobil-)Telefon an das Ostalb-Klinikum. Hier erfolgt bei Bedarf die sofortige Rückkopplung zum Patienten.

 

Eingeschlossen werden Patienten mit bekannten Herzrhythmusstörungen zum Monitoring bei etwaiger Verschlechterung und Patienten mit vermuteten Rhythmusstörungen (immer wieder Beschwerden, bisherige EKGs aber normal). Durch die Möglichkeit, ein EKG dann aufzuzeichnen, wenn ein „Vorfall“ eintritt, werden dem Patienten viele vergebliche Wege erspart, um in der Praxis oder Klinik ein EKG aufzuzeichnen. So können Vorfälle direkt erfasst und schnell und sicher rund um die Uhr von der Abteilung Innere Medizin, Kardiologie am Ostalb-Klinikum Aalen und ihrem Chefarzt, Herrn Priv. Doz. Dr. Solzbach, diagnostiziert werden.

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

Das Ministerium für den Ländlichen Raum hat bei einer Besprechung am 21. August 2008 die finanzielle Unterstützung dieser Projekte zugesagt. Dabei wurde vereinbart, dass das Projekt vorbehaltlich der Zustimmung der Kreisgremien zu 70 % vom MLR und zu 30 % vom Ostalbkreis finanziert wird. Die eigentliche Projektlaufzeit beträgt drei Jahre.

 

Vor Beginn des Projektes fallen einmalig Einrichtungskosten (Handys, Software, Hardware) an. Der Ostalbkreis wird seinen Anteil an der Finanzierung von 30 % ab 2009 einbringen.

 

Vorgesehene Finanzierung über die Projektjahre

 

Jahr

 

Kosten

Anteil Land

Anteil Kreis

2008

Initialaufwand

  90.630 €

  90.630 €

-

2009

Projektumsetzung

137.670 €

  83.670 €

54.000 €

2010

Projektumsetzung

130.530 €

104.000 €

26.530 €

2011

Projektumsetzung

130.530 €

103.950 €

26.630 €

2012

Projektabschluss/Evaluation

  56.640 €

-

56.640 €

 

 

546.000 €

382.200 €

163.800 €

 

 

 

Anlagen

Anlagen

 

Keine.

 


 

 

Sichtvermerke

 

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Dezernat II

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Hubel

Landrat

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Pavel