Bürgerinformationssystem
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Antrag der Verwaltung:1. Kenntnisnahme zu Ziffern I-IV. 2. Der Einrichtung einer weiteren Stelle im Sachgebiet Schuldnerberatung wird zugestimmt. Sachverhalt/Begründung:I.
Ausgangssituation und Allgemeines
Trotz wirtschaftlichem Aufschwung ist die Zahl der materiell armen Menschen in Deutschland ungebrochen hoch. Viele von ihnen befinden sich in einer massiven persönlichen Finanzproblematik. Die Zahl der Überschuldeten in Deutschland hat die Creditreform in ihrem 2007 veröffentlichten Schuldenatlas auf 7,3 Mio. Personen beziffert. 330 Personen haben in den ersten 3 Quartalen 2007 im Ostalbkreis Privatinsolvenz beantragt, was einer relativen Insolvenzhäufigkeit von 10,5 Verfahren je 10.000 Einwohner entspricht. Der Landesdurchschnitt liegt bei 9,5.[1] Die Nachfrage nach Schuldnerberatung beim Landratsamt Ostalbkreis ist seit Jahren unverändert hoch. Trotz personeller Stärkung der Schuldnerberatungsstelle, zuletzt 2006, und trotz des Ausbaus der Schuldnerberatung bei der Kreisdiakonie in Schwäbisch Gmünd im Frühjahr 2007, ist nur eine leichte Entspannung, kaum aber eine spürbare Entlastung wahrnehmbar. Für existenzsichernde Maßnahmen und Basisberatung bestehen keine Wartezeiten. Für Regulierungen beträgt die Wartezeit bis zu 7 Monate. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen beantragte die SPD-Kreistagsfraktion am 20.11.2007 die Schuldnerberatung um eine Stelle auszubauen. II.
Entwicklung der Überschuldungsproblematik In 20 Jahren Schuldnerberatung des Ostalbkreises haben 4.479 Personen und Familien die Schuldnerberatung in Basisberatung und/oder weiterführender Beratung (Regulierung) in Anspruch genommen, (783 in 2007). Aktuell werden 204 Personen weiterführend beraten. Anfangs führten eher persönliche Krisensituationen wie Krankheit, Trennung, Scheidung und Arbeitslosigkeit von Verschuldung zu Überschuldung. Heute kommen immer mehr Personen wegen nicht oder wenig gestiegenen Reallöhnen oder Arbeitseinkommen im Niedriglohnbereich und zusätzlich stark gestiegenen Lebenshaltungskosten in finanzielle Schieflage. Immobilienschulden sind inzwischen häufig der Grund, die Schuldnerberatung aufzusuchen. Für jedes 7. Insolvenzverfahren 2007 der Schuldnerberatungsstelle war die gescheiterte Immobilienfinanzierung ursächlich. Das Konsumverhalten hat sich geändert und/oder mangelnde Kompetenz in finanziellen Angelegenheiten muss als Ursache oder eine der Ursachen angeführt werden. Gerade bei jungen Erwachsenen fehlen häufig Kompetenzen in finanziellen Angelegenheiten. Das Einkommen entspricht oftmals nicht dem Konsumverhalten. Bundesweit und auch im Ostalbkreis ist zunehmend eine Ver- und Überschuldung von jungen Personen feststellbar. Rund 6 v. H. der Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren haben Schulden, was Studien belegen, u. a. Schuldenreport 2006 des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und Schuldenkompass 2006 der Schufa Holding AG. 2007 suchte kein Jugendlicher unter 18 Jahren die Hilfe der Schuldnerberatung des Ostalbkreises. Die Nachfrage nach Schuldnerberatung bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren war aber erneut höher als im Vorjahr. 13 v. H. der 2007 neu hinzugekommenen weiterführenden Beratungen nahmen junge Erwachsene unter 26 Jahren (U26) in Anspruch, in absoluten Zahlen 21 von 162 Personen; im Vorjahr dagegen 6,4 v. H.. Eine Übersicht, auch zur Höhe und Art der Verschuldung, ist als Anlage beigefügt. III.
Präventionsmaßnahmen Der o. a. Entwicklung steuert die Schuldnerberatung des Ostalbkreises u. a. mit Präventionsmaßnahmen gegen. Im zurückliegenden Jahr 2007 erfolgten Projekte an der Realschule Sechta-Ries Unterschneidheim, der Eugen-Bolz-Realschule Ellwangen und der Uhlandrealschule Aalen im Rahmen der Unterrichtsfächer Mensch und Umwelt sowie Deutsch. Am 21.11.2007 folgte unter dem Titel „Ohne Moos nix los- Auskommen mit dem Einkommen“ eine Fortbildung für Lehrer an Real- und Hauptschulen. Die Fortbildung gibt Lehrern Beispiele und Material an die Hand, das Thema Geld, Konsum, Haushaltsplanung, Schulden im Unterricht umzusetzen. Im Herbst 2008 wird eine weitere Fortbildung angeboten. An der Karl-Kessler-Realschule Aalen-Wasseralfingen startete im November das dreiteilige Pilotprojekt „Bank und Jugend im Dialog“. Am Bankentag erhielten die Schüler der Klasse 8b von Auszubildenden der Kreissparkasse Informationen rund um das Thema Geldgeschäfte wie Girokonto und Sparen. Am Schuldnerberatungstag waren die Schüler im Landratsamt. Schuldenfallen für Jugendliche wurden mittels eines Filmes aufgezeigt und ausführlich besprochen. Am Beispiel eines fiktiven Elternhaushalts wurden sie zum Erarbeiten von Einsparungen angeregt. Den Abschluss bildete die „Zukunftswerkstatt“. Mit den Schülern wurde insbesondere erarbeitet, wo sie sich in 5 Jahren sehen. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Die Schüler erhielten vor und im Projekt einen von Prof. Raab, Hochschule für Wirtschaft, Ludwigshafen, entwickelten Fragebogen. Einen weiteren Fragebogen erhalten sie zum Ende des Schuljahres. Das Projekt wurde von der Kreissparkasse Ostalb und vom Lionsclub Aalen unterstützt. Unter dem Motto „Durchblick! Überblick! Weitblick! - Umgang mit Geld“ wird dieses mehrteilige Projekt im 1. Schulhalbjahr 2008/09 weitergeführt. 2008 neu aufgenommen wird zusammen mit dem Kompetenzzentrum Hauswirtschaft unter dem Namen „Stark fürs Leben - Pakt Zukunft 2013“ ein mehrteiliges Projekt für Jugendliche, die an der Maßnahme Zukunft 2013 der ABO teilnehmen. Das Projekt wird sich in zwei Projekttage des Kompetenzzentrums zu den Themen Einkaufen, Kochen, Hauswirtschaften und zwei Projekttage der Schuldnerberatung gliedern. Die Schuldnerberatung wird u. a. die Themen Girokonto, Probleme mit der Eröffnung und dem Führen des Kontos, Auskommen mit dem Einkommen - Haushaltsplanung, Sparen für den Führerschein einbringen. Das Projekt soll im Mai 2008 starten und halbjährlich wiederholt werden. Damit jugendliche Projektteilnehmer, die bereits Schuldenprobleme haben, „den Kopf für das Projekt frei haben“, wird die Schuldnerberatung vorher in separaten Sprechtagen konkrete Hilfe anbieten. IV.
Änderung der Insolvenzordnung
1. Allgemeines In der Sitzung des Sozialausschusses am 25. September 2007 informierte die Verwaltung über die geplante Änderung der Insolvenzordnung. Die erste Lesung des Gesetzentwurfes erfolgte am 14.02.2008 im Bundestag. Sicher ist, dass die Änderung 2009 kommt. Die Insolvenzordnung löste 1999 die Konkurs- und Vergleichsordnung ab und ermöglichte es erstmals in Deutschland, dass Privatpersonen ein Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren beantragen konnten. Nach einer damals 7jährigen Wohlverhaltensphase konnte eine sog. Restschuldbefreiung erreicht werden. Ein finanzieller Neuanfang sollte ermöglicht werden. 2001 wurde die Insolvenzordnung erstmals geändert. Die wichtigste und weit reichendste Änderung ermöglichte es nunmehr auch dem völlig mittellosen Schuldner über eine Kostenstundung an dem Verfahren teilzunehmen. Außerdem wurde die Wohlverhaltensphase auf 6 Jahre verkürzt. Scheitern kann nach der Insolvenzordnung ein Schuldner nur, wenn ihm die Restschuldbefreiung versagt wird. Das Gesetz sieht hierfür einen engen Katalog an Tatbeständen vor. Eine Versagung kann nur von einem beteiligten Gläubiger beantragt werden. 2. Auswirkungen der geplanten
Gesetzesänderung 2.1 für die Schuldner Für die Schuldner wird die geplante Änderung zur Folge haben, dass es keine Stundung der Verfahrenskosten mehr geben wird. Ein Insolvenzverfahren wird nur noch eröffnet, wenn die Kosten als Vorschuss vorher geleistet werden. Nach dem geltenden Recht können die Gerichts- und Verfahrenskosten auf Antrag insgesamt gestundet werden. Künftig wird für Schuldner, die die Kosten (Masse) nicht aufbringen können, das Verfahren mangels Masse abgewiesen. Für „masselose“ Schuldner gibt es dann das sog. Entschuldungsverfahren, ein vereinfachtes Verfahren, in dem wie bisher nach einer 6jährigen Wohlverhaltensphase die Restschuldbefreiung erteilt wird. Aber auch masselose Schuldner müssen sich künftig an den Kosten des Verfahren beteiligen. Über die Höhe der Beteiligung besteht noch keine Einigung. Im Gespräch sind einmalig 25 Euro als Kosten für die Eröffnung sowie weitere 13 €/Monat während der 6jährigen Wohlverhaltensphase. Für „massehaltige“ Schuldner wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Ein massehaltiger Schuldner kann aus eigenen Mitteln die Gerichts- und Verfahrenskosten in voller Höhe und vor Eröffnung des Verfahrens zahlen. Neu ist für ihn die Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung bereits nach 2 oder 4 Jahren, wenn er seine Gesamtforderungen mit 40 % bzw. 20 % vorzeitig tilgen konnte. 2.2 für die Länderhaushalte Der Wegfall der Kostenstundung bedeutet für die Länderhaushalte eine Entlastung in Höhe von geschätzten 168 Mio. €. Nachdem zusätzlich die anwaltlichen Vergütungssätze neu geregelt werden sollen und für eine außergerichtliche Tätigkeit in Entschuldungsverfahren nur noch pauschal 60 € abgerechnet werden können, fallen weitere Einsparungen bei der gesetzlichen Beratungs- und Prozesskostenhilfe an. 2.3 für die Schuldnerberatung
und den Ostalbkreis Die Schuldnerberatung hat künftig frühzeitig zu prüfen, ob ein Schuldner über Masse verfügt oder nicht und deshalb ein Entschuldungs- oder Insolvenzverfahren in die Wege geleitet wird. Im Entschuldungsverfahren für den masselosen Schuldner werden Prüfungspflichten, z. B. der Forderungshöhen und Masse, in den außergerichtlichen Teil vorverlagert. Für die Schuldnerberatungsstellen bedeutet dies im Endeffekt mehr Arbeit und Zeitaufwand und letztlich ein noch höheres Haftungsrisiko. In den letzten Jahren haben sich Rechtsanwälte verstärkt in Verbraucherinsolvenzverfahren engagiert. Ob dieses Engagement bei deutlich gekürzten Vergütungen anhält, darf bezweifelt werden. Ein Rückzug der Anwälte wird eine Erhöhung der Nachfrage und damit der Wartezeiten bei der Schuldnerberatung nach sich ziehen. Mit der Änderung der anwaltlichen Vergütungssätze wird auch eine Neuregelung der Fallpauschalen für die Tätigkeit der Schuldnerberatung im Rahmen der Insolvenzordnung kommen. Die vorgesehenen anwaltlichen Vergütungssätze fiktiv auf die Abrechnung der Fallpauschalen für das Haushaltsjahr 2007 zu Grunde gelegt, würde sich für den Ostalbkreis gegenüber dem Haushaltsergebnis von 29.167,50 € eine Mindereinnahme von ca. 15.600 € ergeben. V.
Personelle Stärkung der Schuldnerberatungsstelle Dass finanzielle Kompetenzen in erhöhtem Maße bei Jugendlichen fehlen und fehlende finanzielle Kompetenzen Hauptgründe für Schulden bei Jugendlichen sind, ist inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen und Erfahrungswert aller Schuldnerberatungsstellen. Deshalb ist Prävention auch in der Schuldnerberatung ein wichtiger Ansatz und „Baustein“. Präventionsprojekte binden Zeit und Kapazitäten, Kapazitäten, die zwangsläufig an anderer Stelle fehlen. Dass dadurch Maßnahmen der Existenzsicherung oder die Beratung in persönlicher Notlage in der offenen Sprechstunde nicht beeinträchtigt werden, wurde bislang sichergestellt. Die Wartezeit für eine Schuldenregulierung beträgt aktuell nahezu 7 Monate. Eine neue Stelle in der Schuldnerberatung würde die Durchführung von mehr Präventionsmaßnahmen ermöglichen und würde sich auch auf die Wartezeiten auswirken. Ob sich in Folge einer Stellenerhöhung die Wartezeiten für eine weiterführende Beratung deutlich reduzieren lassen, hängt jedoch eng mit der geplanten Änderung der Insolvenzordnung und den Auswirkungen auf die Schuldnerberatungsstelle zusammen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich Anwälte auch bei gekürzten Vergütungen noch im Tätigkeitsbereich Privatinsolvenz und -entschuldung wie bisher engagieren werden bzw. können. Finanzierung und Folgekosten:Im Kreishaushalt 2008 liegt der Zuschussbedarf für die Schuldnerberatungsstelle des Ostalbkreises bei ca. 371.000 €. Die Personal- und Sachkosten für eine weitere Schuldnerberaterstelle liegen bei ca. 61.000 € pro Haushaltsjahr. Anlagen:Junge Erwachsene bei der Schuldnerberatung
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