I. Sachverhalt/Begründung
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte
am 21.11.2006 den Antrag gestellt, der Landkreis solle vor dem Hintergrund des
Klimaschutzes zukünftig einen Anteil von 15 % seines Stroms aus Ökostrom
beziehen. Auf die Kreistagsvorlage vom 22.05.2007 (Nr. 077/07) wird Bezug genommen.
Die jährlich anfallenden Stromkosten für
die Objekte der Landkreisverwaltung betragen insgesamt rund 600.000 €.
II. Ausgangslage: Was ist Ökostrom?
Mit dem Begriff Ökostrom wird
umgangssprachlich elektrische Energie bezeichnet, die auf ökologisch
vertretbare Weise aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt wird - in
Abgrenzung insbesondere zur Energiegewinnung aus Kernkraft, Kohle und Öl. Im
Sinne einer strengeren Definition kann jedoch nur dann von Ökostrom gesprochen
werden, wenn er aus Anlagen stammt, durch deren Betrieb keine endlichen
Ressourcen verzehrt werden und die keine schädlichen Abgase oder Abwässer
verursachen.
Zur Produktion von Ökostrom werden
hauptsächlich Kleinwasserkraftwerke und Windenergie genutzt. Aus technischen
und wirtschaftlichen Gründen werden Biogas, Biomasse, Photovoltaik,
Solarthermie und Geothermie noch wenig genutzt, obwohl sie auch als
„ökologisch“ bewertet werden. Manche Ökostromanbieter verwenden zum
Teil große Wasserkraftwerke, Kraft-Wärme-gekoppelte, gasbetriebene
Blockheizkraftwerke oder Kraft-Wärme-gekoppelte Gas- und
Dampfturbinen-Kraftwerke, die keinen Ökostrom im engeren Sinne produzieren.
Im physikalischen Sinn gibt es keinen Ökostrom als separates Produkt. Alle Kraftwerksbetreiber
speisen in das gleiche Netz ein, aus dem wiederum alle Verbraucher
„ihren“ Strom entnehmen. Sinn und Effekt des Wechsels zu einem
Ökostromproduzenten ist, den Mix der Energien, mit denen die stromerzeugenden
Generatoren angetrieben werden (außer Photovoltaik), zugunsten eines geringeren
Kohlenstoffdioxidausstoßes zu verändern.
Aus Anlage 1 sind vertiefende
Informationen zur Klassifizierung von Ökostrom zu ersehen.
III. Bezugsmöglichkeiten von Ökostrom
Aufpreismodell
Bei diesem Modell bleibt man Kunde beim
alten Stromversorger. Die anfallenden Mehrkosten (zusätzlich zum normalen
Strompreis) werden vom Ökostromanbieter in den Bau und den Betrieb neuer
Anlagen investiert.
Durchleitungsmodell
Der Kunde wechselt seinen
Stromanbieter. Er wird vom neuen Anbieter mit Strom versorgt und bekommt dann
auch nur noch von diesem seine Stromrechnung. Damit wird ausschließlich der
neue Stromlieferant unterstützt und der Gewinn kann vom Ökostrom-Produzenten
vollständig in neue Projekte investiert werden.
Wie bei jedem Stromanbieter teilt sich
die Rechnung in Energie- und Netzpreis. Den Netzpreis muss der neue Anbieter an
den Netzbetreiber weiterleiten, der weiterhin für die Wartung der
Stromleitungen etc. zuständig ist.
IV. Möglichkeiten des Bezugs von Ökostrom bei
der Landkreisverwaltung
Der Landkreisverwaltung wurden auf
Anfrage bei den jetzigen Energieversorgern EnBW, Stadtwerke Aalen und
Stadtwerke Schwäbisch Gmünd Angebote für den Bezug von Ökostrom in Höhe von 15
% des jeweiligen jährlichen Gesamtstromverbrauchs unterbreitet. Nach Prüfung
der Angebote sind zwei Wege des Bezugs von Ökostrom zu unterscheiden:
1. Bezug von Ökostrom mit
„Zertifizierung“
Die Energieversorger bieten an, Ökostrom
mit Zertifikat zu liefern. Für die schriftliche Garantie (Zertifizierung)
des Bezugs von 15% Ökostrom aus erneuerbaren Energiequellen wird ein
Aufpreis auf den normalen Strompreis berechnet. Der Bezug von Ökostrom wird
durch stromanbieterspezifische Zertifikate (auch Gütesiegel oder Label
genannt), welche bestimmte Mindestanforderungen (z.B. 100%
Wasserkraftproduktion) enthalten, schriftlich belegt. Vom jeweiligen
Energieversorger wird garantiert, dass es sich um einen 15 %-igen Anteil von
Strom aus erneuerbaren Energiequellen handelt, d. h. es erfolgt keine
Stromgewinnung aus Kraft-Wärme-Kopplung.
a) EnBW:
Mögliche Zusatzvereinbarung zum
bestehenden Kommunalvertrag:
Bestimmte Abnahmestellen werden zu 100 %
mit Naturenergie beliefert, was einem Anteil von 15 % der Gesamtmenge (aller
Abnahmestellen) entspricht. Der im bestehenden Kommunalvertrag festgelegte
Durchschnittsarbeitspreis erhöht sich entsprechend. Deshalb wird für die
Berechnung der Mehrkosten der jährliche Gesamtstromverbrauch
zugrundegelegt und mit dem Aufpreis (€/kWh) multipliziert.
b) Stadtwerke Schwäbisch Gmünd:
Im Rahmenvertrag wird vereinbart, dass
bestimmte Abnahmestellen mit zertifiziertem Ökostrom beliefert werden.
c) Stadtwerke Aalen:
Variante 1:
Die durch die Stadtwerke Aalen
erworbenen RECS-Zertifikate (siehe Anlage 2) werden auf den Kunden Stadtwerke
Aalen entwertet. In Form von sogenannten „redemption declarations“
bestätigen die Stadtwerke Aalen dem Landratsamt Ostalbkreis schriftlich, dass
die oben genannte Ökostrommenge dem Landratsamt zur Verfügung steht.
Variante 2:
Gleiches Verfahren wie bei Variante 1.
Allerdings handelt es sich hierbei um ein TÜV-zertifiziertes Produkt. Der
Aufpreis dieser Variante ist dadurch höher als bei Variante 1.
2. Bezug von Ökostrom durch die Initiative
„OstalbStrom energreen“
Es besteht außerdem die Möglichkeit,
von den Stadtwerken Aalen und Schwäbisch Gmünd Ökostrom im Rahmen der
Initiative OstalbStrom energreen zu beziehen.
Hierbei bezahlt der Kunde zusätzlich zu
seinem normalen Strompreis einen vom jeweiligen Energieversorger festgelegten
Aufpreis. Die gesamten Mehreinnahmen des Energieversorgers werden zu
mindestens 80 % in die Förderung oder Errichtung neuer Anlagen zur
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen investiert. Maximal 20 %
werden für die Zertifizierung, zum Nachweis der Herkunft des Stroms aus
erneuerbaren Energiequellen und zur Verbreitung der energreen-Idee verwendet.
Energreen ist mit dem Grünen Strom Label Gold zertifiziert.
Die EnBW bietet lediglich zertifizierten
Ökostrom an.
V. Finanzielle Auswirkungen:
Um die jährlichen Mehrkosten je Anbieter
zu erhalten, wurde jeweils folgende Berechnung zugrunde gelegt:
15 % des gesamten jährlichen
Stromverbrauchs in kWh x Aufpreis in €/kWh
zzgl. 19 % MwSt.
1.
Bezug von Ökostrom mit
„Zertifizierung“
Die jährlich anfallenden Mehrkosten beim
Stromverbrauch der Gebäude der Landkreisverwaltung belaufen sich auf der Basis
der von den jetzigen Energieversorgern unterbreiteten Angebote bei dieser
Variante auf ca. 5.500,00 €.
2.
Bezug von Ökostrom durch die
Initiative „OstalbStrom energreen“ durch die Stadtwerke Schwäbisch
Gmünd und Aalen sowie Bezug von zertifiziertem Ökostrom durch die EnBW
Die jährlich anfallenden Mehrkosten beim
Stromverbrauch der Gebäude der Landkreisverwaltung belaufen sich auf der Basis
der von den jetzigen Energieversorgern unterbreiteten Angebote bei dieser
Variante auf ca. 18.300,00 €
VI. Weiteres Vorgehen
Der Bezug von Ökostrom durch die Landkreisverwaltung ist sowohl
im Hinblick auf die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen als auch auf die
Förderung der Entwicklung umweltfreundlicher Technologien ein wichtiges Ziel,
das mit Nachdruck verfolgt werden sollte. Um dieses Ziel tatsächlich auch in
der Praxis zu erreichen, sollten beim Bezug von Ökostrom von den jeweiligen
Energieversorgern unbedingt Mindeststandards gefordert werden, die von
den Energieversorgungsunternehmen erfüllt werden müssen. Diese Mindeststandards
werden in Baden-Württemberg beim Bezug von Ökostrom durch die Kommunen immer
häufiger als Bedingungen in den Stromlieferverträgen verankert. Die
Landkreisverwaltung legt insbesondere auf folgende Punkte wert:
1. Die Erzeugungsanlagen müssen nachweislich
physikalisch mit dem Netz, aus dem die anteilige Ökostromlieferung an der
jeweiligen Abnahmestelle entnommen wird, verbunden sein (Nachweis der
physikalischen Lieferung und netztechnische Verbindung).
2.
Mindestens die Hälfte des
prognostizierten Ökostromanteils während der gesamten Vertragslaufzeit muss von
einer Neuanlage stammen. Zu den Neuanlagen zählen alle Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die zu Beginn eines jeden
Lieferjahres nicht älter als sechs Jahre alt (Datum der erstmaligen
Inbetriebnahme) sind. Diese Festlegung ist unabdingbar, da sonst beispielsweise
Strom auch aus 100 Jahre alten Wasserkraftwerken geliefert werden kann. Dadurch
würde Strom, der bis jetzt im normalen Strommix der Stromerzeuger bereits
abgeschrieben ist, als umweltpositiv verkauft werden. Es bestünde dann keine
Notwendigkeit, in neue Kraftwerke, die mit erneuerbaren Energien betrieben
werden, zu investieren.
3. Mit der Lieferung des Ökostromanteils aus
erneuerbaren Energien muss eine konkrete CO2-Minderung im
Lieferzeitraum von mindestens 50% (nur bezogen auf den Ökostromanteil)
verbunden sein. Vergleichsmaßstab ist der CO2-Ausstoß bei der
Stromerzeugung in Deutschland nach dem durchschnittlich nationalen Strommix
(bundesdeutschen Kraftwerksmix) in Höhe von 514 g/kWh im Jahre 2005.
Die
Abklärung, ob ein Bezug von Ökostrom nach Ziffer V dieser Vorlage tatsächlich
den genannten Mindeststandards Rechnung trägt, konnte bisher noch nicht
abgeschlossen werden. Insbesondere ist sicherzustellen, dass aus der
Entrichtung eines Mehrbetrags für Ökostrom auch tatsächlich ein entsprechender
Mehrwert für den Klimaschutz (z. B. CO2-Minderung, Investitionen in
erneuerbare Energien und innovative Technologien etc.) resultiert. Hier sind
noch Verhandlungen erforderlich.