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Vorlage - 183/06  

 
 
Betreff: Gesetzlicher Schutz der Bezeichnung "Sparkasse"
- Kompromiss in der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission
Status:öffentlich  
Federführend:Büro des Landrats   
Beratungsfolge:
Kreistag Vorberatung
12.12.2006 
Sitzung des Kreistags ungeändert beschlossen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung

 

Der Kreistag des Ostalbkreises begrüßt die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen den im § 40 des deutschen Kreditwirtschaftsgesetzes (KWG) verankerten Schutz der Bezeichnung "Sparkasse" sowie den gefundenen Kompromiss, der eine Ausnahmeregelung auf den anstehenden Verkauf der Sparkasse Berlin begrenzt.

 

Er setzt sich nachdrücklich für die Beibehaltung der Regelungen zum Schutz der Bezeichnung „Sparkasse“ ein und lehnt jegliche Änderungen oder Ergänzungen des § 40 KWG ab.

 

Der Kreistag fordert den Landesgesetzgeber auf, die Rechtsgrundlagen für einen dauerhaften Erhalt der Sparkassen in ihrer derzeitigen Rechtsform und Struktur unangetastet zu lassen.

 

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

1.      Ausgangspunkt: Die Krise der Bankgesellschaft Berlin

Im Jahr 1994 wurde die Bankgesellschaft Berlin (BGB) AG durch Zusammenschluss der Berliner Bank AG, der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG und der öffentlich-rechtlichen Anstalt Landesbank Berlin (LBB) gegründet. Tochtergesellschaften der BGB, die zu 56 % im Eigentum des Landes Berlin stand, engagierten sich aufgrund der damaligen Einwohnerprognosen im Geschäft mit geschlossenen Immobilienfonds. Im Jahr 2000 wurden hierbei jedoch erhebliche Risiken aufgedeckt, was zu einer existenzgefährdenden Krise der BGB führte. Um die BGB zu retten, musste das Land Berlin neue Aktien in Höhe von 1,755 Milliarden Euro übernehmen und damit seinen Anteil auf 81 % erhöhen. Im Rahmen einer Umstrukturierungsbeihilfe übernahm das Land im Jahr 2002 eine Risikoabschirmung für einen Zeitraum von dreißig Jahren durch Garantien, Freistellungen, Erfüllungsübernahmen und Gewährleistungen, deren Volumen auf rund 4 Milliarden Euro geschätzt wird.

 

2.      Der Rechtsstreit zwischen der Kommission und Deutschland

Nachdem die EU-Kommission im Jahr 2001 die Rettungsbeihilfe des Landes Berlin für die BGB genehmigt hatte, zog sich die Genehmigung der Umstrukturierungsbeihilfe lange Zeit hin. Inzwischen versuchte das Land Berlin seine Anteile an der BGB zu veräußern. Einer der potenziellen Privatinvestoren, Herr Flowers, beschwerte sich im Jahr 2002 bei der EU-Kommission darüber, dass die BGB nach der Übernahme nicht mehr berechtigt sei, für ihr Konzernunternehmen Berliner Sparkasse die Bezeichnung „Sparkasse“ zu verwenden.

 

Der Grund hierfür liegt darin, dass nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) die Bezeichnung „Sparkasse“ nur von Anstalten des öffentlichen Rechts und einigen Altgesellschaften geführt werden darf, die bereits vor Inkrafttreten des KWG zum Tragen dieser Bezeichnung berechtigt waren.

 

Aufgrund der Beschwerde eröffnete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Sie machte darin geltend, dass § 40 Abs. 1 KWG gegen die Marktfreiheiten des EG-Vertrages verstoße. Die Genehmigung der Umstrukturierungsbeihilfe des Landes Berlin im Februar 2004 durch die Kommission erfolgte mit erheblichen Auflagen und verlangte bei der Veräußerung der Anteile des Landes Berlin ein diskriminierungsfreies Veräußerungsverfahren.

 

Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland im Zusammenhang mit § 40 Abs. 1 KWG ging indes weiter und sollte die Struktur des gesamten deutschen Bankensektors mit seiner Trennung zwischen öffentlich-rechtlichen Banken, privaten Banken und Genossenschaftsbanken in Frage stellen. In einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 29. Juni 2006 erklärte die Kommission, dass § 40 Abs. 1 KWG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) verstoße. Es müsse einem privaten Investor gestattet sein, bei einer Privatisierung die Bezeichnung „Sparkasse“ für die Berliner Sparkasse weiter zu verwenden. Mit Schreiben vom 3. August 2006 verlangte die Kommission von der Bundesrepublik Deutschland sogar, dass sie dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband verbiete, seine Markenrechte in Bezug auf den Namen „Sparkasse“ auf die Institute zu beschränken, die nach § 40 KWG zur Führung der Bezeichnung „Sparkasse“ berechtigt sind. Die Kommission erkannte lediglich an, dass ein privater Betreiber von Sparkassen das so genannte Regionalprinzip beachten müsse, d. h. die Beschränkung der Geschäftstätigkeit des privatisierten Unternehmens auf das Geschäftsgebiet, in dem es seinen Sitz hat, im gleichen Umfang wie vor der Umwandlung oder Übertragung. Die Kommission akzeptierte aber nicht das Erfordernis der gemeinnützigen Gewinnverwendung, das in acht Sparkassengesetzen der Bundesländer verankert ist und in den übrigen Bundesländern ebenfalls praktiziert wird.

 

Der Rechtsstreit zwischen der EU-Kommission und Deutschland wurde auch vor dem Hintergrund einer Zusage des damaligen Kommissars Monti geführt, der im Rahmen einer Einigung zwischen der EU-Kommission und Deutschland über den Wegfall der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für Sparkassen im Jahre 2001 versichert hatte, dass mit dieser Maßnahme das deutsche Sparkassenrecht EG-vertragskonform geworden sei. Nach der Beschwerde von Herrn Flowers hat sich die Kommission an diese Zusage nicht mehr gehalten.

 

3.      Der Kompromiss zwischen der EU-Kommission und Deutschland

Am 27. November 2006 äußerte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am Rande von Beratungen in Brüssel erstmals, dass die Europäische Kommission und die Bundesregierung im Streit um die exklusiven Namensrechte der deutschen Sparkassen einen Kompromiss erzielt hätten. Am 6. Dezember 2006 wurde die Einigung, in der seit 2002 andauernden Auseinandersetzung, offiziell von der EU-Kommission sowie vom Bundesfinanzministerium bestätigt und von der Kommission die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf § 40 Kreditwesengesetz verkündet. Gleichzeitig konnten von der Bundesregierung die im Zusammenhang mit dem Beihilfeverfahren Bankgesellschaft Berlin AG geäußerten Bedenken der EU-Kommission hinsichtlich des Verkaufs dieses Bankinstituts in einem offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahren bis Ende 2007 ausgeräumt werden.

 

Nach den vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband veröffentlichten Informationen hat der Kompromiss folgende Inhalte:

  • § 40 KWG bleibt zunächst unverändert erhalten.
  • Die EU-Kommission betreibt das Vertragsverletzungsverfahren nicht weiter.
  • Sollte die Berliner Sparkasse von einem privaten Käufer erworben werden, darf dieser den Namen Sparkasse fortführen.
  • Bundesregierung und Europäische Kommission einigten sich auf einen "Konsens über den Dissens", wonach beide Seiten ihre Rechtspositionen beibehalten,
    aber derzeit nicht in einem Rechtsstreit durchzusetzen versuchen:

o       Die Position der Bundesregierung:
Der fortbestehende § 40 KWG steht gegen eine Veräußerung eines Sparkasseninstituts mit Fortführung der Bezeichnung "Sparkasse" durch den Erwerber. Von der EU kann dieser Bezeichnungsschutz nur bei einem ähnlich gelagerten Fall wie Berlin (Anwendung des Beihilferechts) aufgegriffen werden.

o       Die Position der Europäischen Kommission:
Bei vorangegangener freiwilliger Privatisierung von Sparkassen, unabhängig ob aufgrund einer Notlage (wie in Berlin) oder nicht, steht der Bezeichnungsschutz Sparkasse nicht im Einklang mit dem EU-Wettbewerbsrecht. § 40 KWG verstößt deshalb gegen Gemeinschaftsrecht, nicht nur gegen Beihilferecht.

 

4.      Die Notwendigkeit zur Beibehaltung der Regelungen zum Schutz der Bezeichnung „Sparkasse“

Während sich private Finanzdienstleister aus „unrentablen“ Gebieten zurückziehen können, sind die Sparkassen Garant für eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen – gerade in ländlichen und strukturschwachen Gebieten sowie für sozial schwächere und benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Die Sparkassen übernehmen somit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung. Sie sind gesetzlich auf eine gemeinwohlorientierte Ausrichtung in Geschäftspolitik und Gewinnverwendung verpflichtet. Die Sparkassen sind nicht nur in unserer Region für die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen, Handwerker und Existenzgründer vor Ort unverzichtbar und damit eine Triebfeder der regionalen Wirtschaft.

 

Mit dem nun vereinbarten "Konsens über den Dissens" kann der Rechtsstreit zwischen EU-Kommission und Bundesregierung sehr schnell wieder aufflammen, beispielsweise durch die Klage eines privaten Investors gegen die Namensweitergabe bei einem künftigen Verkauf einer Sparkasse. Beide Seiten beharren auf ihren Rechtspositionen. Bei einem ähnlichen Fall könnte die EU-Kommission erneut ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung einleiten. Ob mit dem gefundenen Kompromiss eine Bestandsgarantie für den Bezeichnungsschutz nach § 40 KWG verbunden ist, bleibt noch offen.

 

Ein echter und dauerhafter Frieden ist also nicht erreicht. Entscheidend ist die weitere Entwicklung bei den Landes-Sparkassengesetzen. Hier sind Tendenzen einzelner Bundesländer zur Öffnung der Sparkassen für Beteiligungen Privater vorhanden.

 

Die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Steinbrück „wo Sparkasse drauf steht, muss auch Sparkasse drin sein“, ist langfristig nur zu halten, wenn die bisherige Regelung im § 40 KWG ohne eine Öffnungsmöglichkeit gewährleistet und keine sonstige Vereinbarung mit der EU-Kommission getroffen wird, die diese Regelung umgehbar macht.

 

Wenn beim Verkauf einer Sparkasse auch private Investoren die Bezeichnung „Sparkasse“ weiterführen dürften, würde die bisherige hohe Wertigkeit und Verlässlichkeit des Produktes „Sparkasse“ unterlaufen und ausgehöhlt. Die Folge hiervon wäre ein Verlust der kommunalen Bindung zwischen der Sparkasse und der Region, da der bisherige öffentliche Auftrag in gewohntem Umfang nicht mehr haltbar wäre. Dies wäre weder im Interesse der Sparkassen, noch im Interesse der Region und der Bevölkerung.

 

Aus der Sicht der Verwaltung des Ostalbkreises ist es daher geboten, durch eine unmissverständliche Erklärung, sich für den dauerhaften Erhalt der Sparkassen in ihrer bisherigen Rechtsform einzusetzen und die Beibehaltung der seitherigen Struktur zu fordern. Nur mit diesem Erhalt der Rechtsform und der Struktur bleibt auch der für alle Menschen wichtige öffentliche Auftrag und die Sparkasse als auf die Förderung seiner Region ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen erhalten.

 

Neben dem Deutschen Bundestag, den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband haben sich bereits viele andere kommunale Gebietskörperschaften, Verbände und Organisationen für den Erhalt des Namensschutzes der Sparkassen ausgesprochen.

 

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereich             __________________________________________________

                                               Wagenknecht

Dezernat II                          __________________________________________________

                                               Hubel

Landrat                                __________________________________________________

                                               Pavel