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Vorlage - 146/06  

 
 
Betreff: Schlichtungspraxis in Familienrechtssachen (Cochemer Modell)
Status:öffentlich  
Federführend:Geschäftsbereich Jugend und Familie   
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Vorberatung
23.10.2006 
Sitzung des Jugendhilfeausschusses zur Kenntnis genommen   

Antrag der Verwaltung

Antrag der Verwaltung:

 

Kenntnisnahme

Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt/Begründung

 

I. Ausgangssituation und Allgemeines:

 

In Baden-Württemberg waren im Jahr 2004 ca. 22.000 Kinder von Trennungs- und Scheidungsverfahren ihrer Eltern betroffen. Nicht selten wurden die Kinder dabei von ihren Eltern zur Durchsetzung eigener Interessen „instrumentalisiert“. In ca. 10 % dieser Verfahren streiten die Eltern unversöhnlich um ihr Kind und es ist außergerichtlich keine einvernehmliche Regelung zum Sorge- bzw. Umgangsrecht zu erreichen.

 

An diesem Punkt setzt das „Cochemer Modell“ als ein seit 10 Jahren bewährtes und erfolgreich arbeitendes Schlichtungsverfahren an. Im Mittelpunkt der Bemühungen steht dabei, dass Eltern auch in dieser schwierigen Situation selbst die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen und sich gemeinsam auf alltagstaugliche Umgangsregelungen verständigen.

 

Die Grundsätze des Cochemer Modells:

 

Jede am Verfahren beteiligte Profession (Anwälte, Gerichte, Jugendamt, Gutachter, Beratungsstelle) verpflichtet sich, im Interesse des Kindeswohls den elterlichen Konflikt zu schlichten oder erst gar nicht entstehen zu lassen und eine konsensnahe Lösung zu erreichen, dieses mit Hilfe interdisziplinärer konsequenter Kooperation. Die frühzeitige Erarbeitung von Lösungen führt zur Reduzierung von gerichtlichen Sorgerechtsverfahren. Somit werden auch Verfahren in höheren Instanzen vermieden. Alle beteiligten Fachkräfte, einschließlich Jugendamt und Rechtsbeistände, haben sich in Cochem auf das Ziel des Erhalts gemeinsamer Sorge selbst bei hochstreitigen Fällen verständigt:

 

-           Die erste mündliche Verhandlung vor Gericht findet zeitnah, spätestens 14 Tage nach Eingang des Antrags statt.

-           Vater und Mutter werden hinsichtlich der Elternverantwortung in die Pflicht genommen

-           Die Anwälte beschränken sich auf die allgemeine Antragsstellung. Weitere Schriftsätze werden nicht erstellt. Einzelheiten werden in der mündlichen Verhandlung besprochen.

-           Die Anwälte arbeiten daran, dass in Sorge- bzw. Umgangsrechtsverfahren keine Konfliktstrategien verfolgt werden. Das Kindeswohl steht an erster Stelle.

-           An der familiengerichtlichen Erstanhörung nimmt die zuständige Fachkraft des Jugendamtes grundsätzlich persönlich teil.

-           Bei Fällen, in welchen bei Gericht keine Einigung zur elterlichen Sorge bzw. zum Umgangsrecht erzielt werden kann, werden sehr zeitnah Beratungs- und Vermittlungsgespräche für die Eltern bei der Erziehungsberatungsstelle vereinbart.

-           Alle Unterhaltsfragen werden streng abgekoppelt bearbeitet.

 

 

Die Erfolge dieser Schlichtungspraxis waren für Herrn Justizminister Dr. Goll und den damaligen Sozialminister Renner im Jahr 2005 Anlass, das Cochemer Modell in einer gemeinsamen und bundesweit einmaligen Fortbildungsreihe in Baden-Württemberg bekannt zu machen. Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Arbeitsweise ist es notwendig, dass sich Regionale Arbeitskreise bilden, die sich aus den verschiedenen am Trennungs- und Scheidungsverfahren beteiligten Professionen zusammenfinden, um ihre Arbeitsweise aufeinander abzustimmen und einzelfallübergreifende Themen zu bearbeiten.

 

Von besonderer Bedeutung für das Gelingen der Cochemer Praxis ist aktive Unterstützung durch die örtlichen Jugendämter und Erziehungsberatungsstellen. Die in § 50 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) vorgeschriebene Mitwirkung des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren soll durch die Cochemer Praxis eine höhere Effizienz zum Wohle der betroffenen Kinder bewirken.

 

Der damalige Sozialminister Herr Renner bat die Stadt- und Landkreise um aktive Unterstützung bei der Bildung und Arbeit dieser Arbeitskreise. Dies sagte Landrat Pavel im Interesse von Kindern, die von der Trennung bzw. Scheidung ihrer Eltern betroffen sind, zu.

 

II. Umsetzung im Ostalbkreis:

 

Landgerichtspräsident Friedrich Unkel hatte im Juni 2006 zu einem Gespräch zum Thema „Verantwortliche Elternschaft trotz Trennung und Scheidung“ eingeladen, an dem die Anwaltsvereine Aalen, Ellwangen, Schwäbisch Gmünd und Heidenheim, die Familienrichterinnen und Familienrichter des Landgerichtsbezirks, die Sozialdezernenten des Ostalbkreises und des Landkreises Heidenheim und Vertreterinnen des Regionalen Bündnisses für Familie teilnahmen. Man verständigte sich darauf, das Cochemer Modell in einer modifizierten Form, zunächst als Pilotprojekt im Amtsgerichtsbezirk Aalen durchzuführen.

 

Mit Herrn Amtsgerichtsdirektor Michael Lang, Aalen, wurde vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe, bestehend aus zwei Familienrichtern, Rechtsanwälten für Familiensachen, Frau Funk (Geschäftsbereichsleiterin Jugend und Familie), Frau Lorscheider (Erziehungsberatungsstelle des Landkreises) und dem Sachgebietsleiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Aalen eingerichtet wird. Ein erstes Zusammentreffen dieser Arbeitsgruppe wird Anfang November 2006 stattfinden.

 

Unterschiede zur bisherigen Praxis im Ostalbkreis

 

Das Prinzip, Eltern durch Mediation (Vermittlungsgespräche) bei einvernehmlichen Lösungen im Sinne ihre gemeinsamen Kinder zu unterstützen, ist ein Teil des Cochemer Modells und wird im Ostalbkreis bereits seit etwa 15 Jahren verfolgt. Alle zuständigen Fachkräfte des Jugendamtes wurden in diesem Zeitraum entsprechend weitergebildet.

 

Der entscheidend neue Ansatz des Cochemer Modells ist jedoch, dass nicht nur die Familienrichter, sondern auch die Scheidungsanwälte gemeinsam mit den pädagogischen und psychologischen Fachkräften des Jugendamtes und der Erziehungsberatungsstelle ein Netzwerk bilden.

 

Innerhalb der engen Zusammenarbeit dieser Professionen sollen Eltern sehr zeitnah auf ihre weiterhin gemeinsame Elternverantwortung hingeführt werden, die trotz Trennung und Scheidung weiterbesteht. Dadurch soll die Eskalation eines „Rosenkrieges“ zum Nachteil aller Familienmitglieder und vor allem der betroffenen Kinder verhindert werden.

 

Sofern die Erstberatung der Fachkräfte des Jugendamts und die darauf folgende familiengerichtliche Erstanhörung zu keiner Einigung der Eltern führt, erfolgt eine intensive Beratung durch die Erziehungsberatungsstelle. Diese Beteiligung der Erziehungsberatungsstelle im familiengerichtlichen Verfahren führt ebenfalls zu einer höheren Qualität bei der Erreichung eines elterlichen Konsenses für die gemeinsamen Kinder.

 

Frau Simone Schoch, Familienrichterin beim Amtsgericht Schwäbisch Gmünd, stellt das Cochemer Modell in der Jugendhilfeausschusssitzung am 23.10.2006 vor.

Finanzierung und Folgekosten

Finanzierung und Folgekosten

 

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Anlagen

Anlagen

 

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Sichtvermerke

 

Geschäftsbereich             __________________________________________________

                                               Funk   

Dezernent                           __________________________________________________

                                               Rettenmaier

Dezernat II                          __________________________________________________

                                               Hubel

Landrat                                __________________________________________________

                                               Pavel